6Bs195/25i – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* B*wegen bedingter Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 30.6.2025, GZ **-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* B* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck eine über ihn wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 1 erster Fall und Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2008/40 und weiterer strafbarer Handlungen zu ** des Landesgerichtes Innsbruck verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 10.1.2028. Am 10.1.2025 hatte der Strafgefangene die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüßt.
Die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zu diesem Stichtag wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 29.10.2024 zu ** abgelehnt. Einer dagegen vom Strafgefangenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 12.11.2024 zu 6 Bs 297/24p mit nachstehend auszugsweise wiedergegebener Begründung nicht Folge:
Spezialpräventive Erwägungen stehen einer bedingten Entlassung des erstmals in Haft befindlichen Strafgefangenen nicht entgegen, wobei insbesondere seine Aufführung während des bisherigen Vollzuges, seine Arbeitsleistung und die Inanspruchnahme der Gewalt- und Männerberatung positiv hervorzuheben sind.
Das Beschwerdegericht teilt jedoch die Auffassung der bekämpften Entscheidung, wonach der bedingten Entlassung bereits nach Verbüßung der Hälfte generalpräventive Hindernisse im Sinn des § 46 Abs 2 StGB entgegenstehen.
A* B* wurde unter anderem schuldig erkannt, im nachangeführten Zeitraum, sohin längere Zeit hindurch gegen nachangeführte Personen fortgesetzt Gewalt ausgeübt zu haben, indem er sie am Körper misshandelte sowie zu ihrem Nachteil vorsätzliche, mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben, nämlich die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, die Vergehen der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB sowie die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB beging, und zwar:
1. in der Zeit zwischen 1.6.2009 und September 2019 gegen C* B* wiederholt durch grobes Anfassen an den Armen (14-tägig) sowie durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht (ca jedes zweite Monat) und Versetzen von Kopfnüssen mit der Faust gegen den Hinterkopf, was teils Hämatome zur Folge hatte;
2. in der Zeit zwischen 1.6.2009 und zumindest 2015 gegen die am ** geborene D* B* wiederholt durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht und den Hinterkopf, Versetzen von Faustschlägen gegen das Gesicht (ein- bis zweimal pro Monat), durch Versetzen von Fußtritten gegen den Gesäß- und Bauchbereich, sowie durch festes Ziehen an den Haaren (ein- bis zweimal pro Monat), was teils Hautrötungen, Hämatome bzw über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging und die Gewalt länger als ein Jahr ausübte;
3. in der Zeit zwischen 1.6.2008 und zumindest Ende 2018 gegen den am ** geborenen E* B* wiederholt durch teils mehrmals monatliches Versetzen von Schlägen mit der Hand gegen das Gesicht und den Hinterkopf, durch Versetzen von Schlägen (teils mehrmals hintereinander) mit der Faust gegen den Gesichts- und Bauchbereich, was teils Hämatome und Striemen im Gesicht zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging und die Gewalt länger als ein Jahr ausübte und die Gewalt auch noch nach Vollendung des 14. Lebensjahres durch E* B* fortsetzte;
4. in der Zeit zwischen zumindest 2015 und September 2019 gegen den am ** geborenen F* B* wiederholt (teils mehrmals wöchentlich) durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht und heftiges Ziehen an den Haaren, was teils Hautrötungen, Hämatome, Nasenbluten bzw über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging und die Gewalt länger als ein Jahr ausübte (Schuldspruch III. zu ** des Landesgerichtes Innsbruck).
Insbesondere die über mehrere Jahre fortgesetzte Gewaltausübung gegen drei unmündige Kinder begründet eine – im Übrigen bereits durch den zur Anwendung gelangten ersten Strafrahmen des § 107b Abs 4 StGB von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe indizierte – besondere Schwere der Tat, welche im Sinne des Ausschlussgrundes des § 46 Abs 2 StGB ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.
Mit seinem undatierten, am 20.6.2025 beim Erstgericht eingelangten selbständigen Antrag ersucht A* B* um bedingte Entlassung und bringt dazu im Wesentlichen zusammengefasst vor, er habe seine Fehler erkannt. Weil er Verantwortung für sein Handeln übernehmen und aus seinen Fehlern lernen wolle, nehme er freiwillig an der Anti-Aggressionstherapie teil. Seit Anfang des Jahres sei er in einer Außenbeschäftigung tätig, arbeite tagsüber in Freiheit und kehre abends verlässlich und pünktlich zurück. Zusätzlich habe er regelmäßig Ausgang und dürfe alle zwei Wochen drei bis vier Nächte außerhalb verbringen. Er sei in einer stabilen Beziehung und wünsche sich nichts sehnlicher, als sein Leben neu aufzubauen und seinen Eltern beizustehen. Auch sein Sohn brauche ihn.
Die Leitung der Justizanstalt Innsbruck bescheinigt dem Strafgefangenen ein gutes Anstalts- und Sozialverhalten und äußert keine Bedenken gegen eine bedingte Entlassung (ON 4.2). Die Staatsanwaltschaft Innsbruck äußerte sich aus generalpräventiven Gründen ablehnend zum selbständigen Antrag (ON 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des A* B* nach Verbüßung von mehr als der Hälfte der Freiheitsstrafe ab und übernahm dabei identifizierend die Begründung der oben zitierten Beschwerdeentscheidung.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die bei der Zustellung erhobene Beschwerde des Strafgefangenen, auf deren schriftliche Ausführung er verzichtete.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, dringt nicht durch.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken (§ 46 Abs 2 StGB). Gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, müssen ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht durchaus zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen (besonderen) generalpräventiven Grundes verweigert werden ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 16).
Spezialpräventive Gründe stünden einer bedingten Entlassung des im Erstvollzug befindlichen und abgesehen von der dem derzeitigen Vollzug zugrundeliegenden Verurteilung bislang unbescholtenen A* B* nach wie vor nicht entgegen.
Es ist die in der über mehrere Jahre fortgesetzten Gewaltausübung gegen drei unmündige Kinder begründete besondere Schwere der Tat, welche im Sinne des Ausschlussgrundes des § 46 Abs 2 StGB eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen vor Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe nicht zulässt. An dieser besonderen Tatschwere hat sich naturgemäß seit der letzten Beschlussfassung dieses Oberlandesgerichtes nichts geändert. Damit erübrigt sich aber auch ein näheres Eingehen auf das ausschließlich spezialpräventive Belange ansprechende Vorbringen im selbständigen Antrag.
Damit musste die Beschwerde erfolglos bleiben.