JudikaturOLG Innsbruck

11Bs85/25z – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Obwieser und Mag. a Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 26.11.2024, GZ **-211, nach der am 20.5.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Scherl, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft StA in GL in Dr. in Eder-Stöffler, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Mirsad Musliu öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben und die Freiheitsstrafe auf 11 Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil vom 11.12.2023, GZ **-181, erkannte ein Schöffensenat des Landesgerichts Feldkirch (im zweiten Rechtsgang [zum ersten vgl 13 Os 126/22m]) den ** geborenen A* B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG und § 15 StGB (zu 1. bis 19.) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (zu 1. bis 18.) schuldig und verhängte hiefür ua eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren (ON 181).

Danach hat er in ** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge teils als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB), teils als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) ein- und ausgeführt sowie als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) anderen verschafft, wobei er schon einmal, nämlich mit Urteil des Berufungsgerichts in Nis vom 11.7.2012, Zahl **, wegen des Verbrechens der vorschriftswidrigen Erzeugung und des Inverkehrbringens von Suchtgift in Mittäterschaft gemäß Art 246 Abs 1 iVm Art 33 des serbischen Strafgesetzbuches und solcherart wegen einer Straftat im Sinn des § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, indem er mit Hilfe des Krypto-Messenger-Dienstes „ANOM“ über eine eigene Plattform verschlüsselter Geräte als Mitglied einer international agierenden serbischen und bosnischen Tätergruppe unter dem Nutzernamen „**“ in wiederholten Fällen mit an die kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionsvorsatz die Ein- und Ausfuhr sowie den anschließenden Verkauf und die Übergabe nachgenannter Suchtgiftmengen organisierte, und zwar

Laut den Urteilsannahmen wiesen die inkriminierten Suchtgifte folgende Reinsubstanzgehalte auf (ON 181, S. 25):

Heroin 26,48 %

Kokain 66,62 %

Cannabiskraut 13,83 (THC-A).

Zum Erkenntnis des Berufungsgerichts Nis vom 11.7.2012 stellte das Schöffengericht Folgendes fest (ON 181, S. 8 ff):

„Den dagegen (gegen das Urteil des Obergerichts Nis vom 14.2.2012) erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht in Nis am 11.07.2012 zu ** teilweise statt und änderte das erstinstanzliche Urteil, wonach der Angeklagte gemeinsam mit den weiteren Angeklagten D*, E* und F* schuldig erkannt wurde,

weil sie nach vorheriger Absprache in der zweiten Hälfte des Monats September 2009 vorschriftswidrig das Suchtgift Heroin (in Reinform), mit einem Gesamtnettogewicht von 25,73 Gramm, welches sich auf der Liste der Suchtgifte und psychotropen Stoffe befindet (Amtsblatt der Republik Serbien, Nr. 24/05 vom 15.03.2005) sowie ein Gemisch des Suchtgifts Heroin (in Reinform), welches sich auf der Liste der Suchtgifte und psychotropen Stoffe befindet (Amtsblatt der Republik Serbien, Nr. 24/05 vom 15.03.2005) und der aktiven Streckmittel Koffein und Paracetamol mit einem Gesamtgewicht von 10.996,35 Gramm aufbewahrt haben, und damit zu handeln und am 30.09.2009 wegen vereinbarten Verkaufs eines Teils des Gemischs des Suchtgifts Heroin der Angeklagte F* im Gang des Gebäudes, des Wohngebäudes in **, von den Angeklagten A* B* und D* eine Plastiktüte entgegengenommen hat, in welcher sich 13 Päckchen eines Gemischs des Suchtgiftes Heroin (in Reinform) sowie aktiver Streckmittel Koffein und Paracetamol mit einem Gesamtnettogewicht von 6.491,4 Gramm bzw. einzelnen Nettogewichten von: 504,4 g, 507,2 g, 501,7 g,0 499,1 g, 498,1 g, 500,3 g, 497 g, 596,4 g, 498,8 g, 485,7 g, 502,7 g, 489,1 g und 501,1 g; als auch 10 Päckchen mit einem Gemisch der aktiven Streckmittel Koffein und Paracetamol mit einem Gesamtnettogewicht von 9.926,1 g befunden haben, und als Polizeibeamte nach ihrer Legitimierung verlangt haben, sich der Angeklagte A* B* in unbekannter Richtung entfernt hat und sich seitdem auf der Flucht befindet, während der Angeklagte D* hingegen in seine Wohnung Nr. ** im gleichen Wohngebäude zurückgekehrt ist und das Wohngebäude kurz danach durch den Hinterausgang verlassen hat und zusammen mit dem Angeklagten E* mit einem PKW der Marke „**“ mit schweizerischen Kennzeichen weggefahren ist, und dem Angeklagten F* die Polizeibeamten eine graue Tüte mit 13 Päckchen eines Gemischs des Suchtgifts Heroin sichergestellt haben, und nach der Durchsuchung des PKW der Marke „**“ mit schweizerischen Kennzeichen „**“ neun Päckchen eines Gemischs des Suchtgifts Heroin (in Reinform) sowie aktiver Streckmittel Koffein und Paracetamol mit einem Gesamtnettogewicht von 4.377,5 Gramm oder mit einzelnen Nettogewichten von: 493,2 g, 497,2 g, 497 g, 465,6 g, 465,7 g, 496,9 g, 469,5 g und 410,6 g gefunden und vorläufig sichergestellt haben, welche der Angeklagte A* B* im Fahrzeug abgestellt hat und welcher der Angeklagte F* zusammen mit dem Suchtgift, welches er im Gang des Wohngebäudes vom Angeklagten A* B* und D* bereits in Empfang genommen hat, nach ** fahren sollte, um dieses einem unbekannten Verkäufer auszuhändigen, und am gleichen Abend während der Durchsuchung seiner Mietwohnung in ** in ** die Polizeibeamten entdeckt und mit einer Bestätigung vorübergehend sichergestellt haben: 4 Päckchen mit einer Mischung des Suchtgifts Heroin und der aktiven Streckmittel Koffein und Paracetamol mit einzelnen Nettogewichten von 11,1 g, 10,79 g, 4,06 g und 0,06 g, zudem vier Päckchen mit einem Gesamtnettogewicht von 2,83 g, 4,63 g, 2 g und 0,95 g des Suchtgiftes Heroin in Reinform, eine Feinwaage, welche sie zum Abwiegen des Suchtgifts verwendet haben, vier Päckchen mit Streckmittel Koffein und Paracetamol, mit einem Gesamtnettogewicht von 2.403,2 g und ein Päckchen mit den selben Streckmittel zzgl. Dextrose, mit einem Nettogewicht von 186,6 g, welches sie zur Gewichtsvergrößerung des Suchtgiftes beim Abwiegen und Umpacken verwendet haben sowie Munition der in Schusswaffen für eine Pistole des Kalibers 7,65 mm, welche der Angeklagte F* ohne die Bewilligung der dafür zuständigen Behörde zu besitzen und entgegen den Bestimmungen aus Art. 7 des Gesetzes über Schusswaffen und Munition unerlaubt in seiner Wohnung aufbewahrt hat, und am selben Tag, nämlich am 30.09.2009 in den Abendstunden, bei der Durchsuchung der Wohnung ** im Wohngebäude in **, welche der Angeklagte E* benutzt hat, Polizeibeamten gefunden und vorläufig sichergestellt haben: 10 Päckchen mit einer Mischung des Suchtgifts Heroin in Reinform sowie aktive Streckmittel Koffein und Paracetamol mit Einzelnettogewichten von: 0,88 g, 0,97 g, 0,65 g, 0,69 g, 0,63 g, 0,39 g, 0,53 g, 1,01 g und 68,1 g, zudem zwei Päckchen mit Suchgift Heroin in Reinform mit einem Nettogewicht von 13,5 g und 2,22 g, ein Digitalwaage zum präzisen Wiegen mit Heroinspuren in Reinform sowie ein Päckchen mit Stärke mit einem Nettogewicht von 817,6 g und ein Päckchen mit einer Mischung von Koffein und Paracetamol mit einem Nettogewicht 556,1 g, welches sie zur Gewichtserhöhung beim Abwiegen von Heroin benutzt haben, sodass auf diese Weise alle Angeklagten vorschriftswidrig die genannte Menge und Arte des Suchtgifts besessen haben, um damit handeln zu können, wobei jeder einzelne fähig war, die Bedeutung seiner Tat zu verstehen und sein Verhalten zu steuern, in Bewusstsein dessen, dass er damit zur gemeinsamen Begehung der Tat im Sinne des unerlaubten Verkehrs mit Suchtgift beiträgt, dass er verbotene Taten in Kauf nimmt und die Absicht hat, auf beschriebene Arte und Weise zu handeln, und der Angeklagte F* zusätzlich sich dessen bewusst war, dass er unerlaubt bzw. ohne Bewilligung der zuständigen Organe in seiner Wohnung Schusspatronen des genannten Kalibers aufbewahrt, sodass er die Ausübung der Tat in Kauf genommen hat, obwohl er sich dessen bewusst war, dass diese verboten ist,

wodurch sie das Verbrechen der vorschriftswidrigen Erzeugung und des Inverkehrbringens von Suchtgift in Mittäterschaft gemäß Art. 246 Abs 1 des Strafgesetzbuches iVm Artikel 33 des gleichen Gesetzbuches und der Angeklagte F* auch das Verbrechen der unerlaubten Herstellung, des Besitzes und des Führens von Schusswaffen und Explosionsstoffen gemäß Art. 348 Abs 1 des Strafgesetzbuches begangen haben.

Hiefür wurde der Angeklagte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.“

Der gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 11.9.2024, AZ 13 Os 47/24x, teilweise statt und hob das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Taten jeweils auch nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) auf, ordnete eine neue Hauptverhandlung an und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Feldkirch. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen und der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen (ON 203).

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil setzte das Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht für die A* B* zur Last liegenden strafbaren Handlungen - im dritten Rechtsgang unter formal verfehlter Wiederholung des im zweiten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs (vgl RIS-Justiz RS0098685 und Lendl , WK-StPO § 260 Rz 33f) - wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (zu 1. bis 19.) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (zu 1. bis 18.) - unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren fest, rechnete die erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB vom 7.6.2021, 09:26 Uhr, bis 26.11.2024, 13:20 Uhr, aktenkonform auf die verhängte Strafe an und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.

Zu den Personalien des Angeklagten und seinem Vorleben übernahm der Schöffensenat aus dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11.12.2023, GZ **-181, nachfolgende Feststellungen (US 5 ff):

„1. Persönlich und wirtschaftliche Situation sowie Vorstrafenbelastung des Angeklagten:

1.1. Der 39-jährige Angeklagte ist serbischer Staatsangehöriger, mit G* B* (vormals H*) verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder.

1.2. Am 07.06.2021 um 09:26 Uhr wurde er anlässlich einer gerichtlich bewilligten Anordnung nach §§ 117 Z 2 lit b, 119 Abs 1 und 120 Abs 1 erster Satz StPO der Staatsanwaltschaft Wien zu ** betreffend die Durchsuchung der Wohnung von G* B* (vormals H*) in **, von den vollziehenden Exekutivbeamten aus eigenem festgenommen. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 09.06.2021 zu ** wurde über den Angeklagten gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt. Seither befindet er sich in Untersuchungshaft.

1.3. Mit Urteil des Obergerichts in Nis (Serbien) vom 14.02.2012 zu Zahl ** wurde der Angeklagte des Verbrechens der vorschriftswidrigen Erzeugung und des Inverkehrbringens von Suchtgift gemäß Art. 246 Abs 3 iVm Abs 1 des serbischen Strafgesetzbuches schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

...

Der dagegen erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht in Nis am 11.07.2012 zu ** teilweise statt . … wurde der Angeklagte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.“

Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat den teilweisen Versuch (zu 19.) und die Sicherstellung von 13,5 kg Kokain als mildernd; erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe in Serbien, das mehr als 400-fache Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge, die Tatbegehung aus reiner Gewinnsucht, die Verwirklichung des alternativen Mischtatbestands durch beide Begehungsformen (Aus- und Einfuhr), das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Tatbegehung mit Mittätern. Hinsichtlich der Verurteilung durch das Berufungsgericht in Nis hielt der Schöffensenat fest, dass diese ausländische Verurteilung zwar nicht dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG, allerdings zumindest dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG entspräche, weshalb dieser Umstand bei der Strafzumessung als einschlägige Vorstrafe zu berücksichtigen sei.

Die gegen dieses Urteil gerichtete und auf § 281 Abs 1 Z 11 (dritter Fall) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wies der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 19.3.2025, AZ 13 Os 8/25p, zurück und leitete die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Das Rechtsmittel des Genannten zielt auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe ab. Kritisiert wird zusammengefasst, dass sowohl die Tatbegehung aus reiner Gewinnsucht als auch die serbische Verurteilung zu Unrecht als erschwerend herangezogen worden seien, wohingegen der Milderungsgrund der „langen“ Verfahrensdauer nach § 34 Abs 2 StGB bislang keine Berücksichtigung gefunden habe (ON 218).

Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf die Erstattung von Gegenausführungen (ON 218).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass die Strafzumessungsgründe vollständig und richtig erfasst sowie richtig gewichtet seien, weshalb der Berufung des Angeklagten keine Folge zu geben sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Gewinnsucht ist kein Tatbestandsmerkmal des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG oder des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (RIS-Justiz RS0106649, RS0088292, RS0130193 [T4]), weshalb die erschwerende Wertung dieses Umstandes nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt. Dem Berufungsvorbringen, wonach den Angeklagten auch Sorgepflichten treffen, ist zu entgegnen, dass erst nach Gewinnerzielung Mittel zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten für Unterhaltsberechtigte zur Verfügung stehen.

Der Erschwerungsgrund der „Tatbegehung mit Mittätern“ ist dahingehend zu konkretisieren, dass der Berufungswerber an den ihm angelasteten Taten im Rahmen einer kriminellen Vereinigung führend beteiligt war (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB).

Der Prüfung des Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB ist voranzustellen, dass zwischenzeitlich eine aktuelle Strafregisterauskunft der Republik Serbien vorliegt. Diese weist drei Verurteilungen des Berufungswerbers auf:

Erstmals wurde er am 14.5.2007 vom Landesgericht Kursumlija wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 233 Abs 1 des serbischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; der Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Verurteilung ist nicht bekannt.

Es folgte eine Verurteilung am 1.6.2009 durch das Landesgericht Nis wegen des Vergehens der verbotenen Erzeugung, des Besitzes, des Tragens von und des Handels mit Waffen und Sprengstoffen nach § 348 Abs 1 des serbischen Strafgesetzbuches zu einer Geldstrafe von 130.000,-- Dinar, wobei eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht ausgesprochen wurde; Daten über die Rechtskraft des Urteils liegen nicht vor.

Schließlich wurde der Angeklagte am 11.7.2012 - wie bereits oben ausgeführt - vom Berufungsgericht Nis wegen illegaler Produktion und Vertrieb von Betäubungsmitteln nach § 246 Abs 1 in Verbindung mit § 33 des serbischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Dieses Urteil erging ebenso wie das Ersturteil in Abwesenheit des Berufungswerbers (ON 106).

Gemäß § 73 StGB stehen, sofern das Gesetz (hier § 33 Abs 1 Z 2 StGB) nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Bei Staaten, die der MRK beigetreten sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Strafurteile in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergehen. Eine Überprüfung der Einhaltung des Art 6 MRK hat aber immer dann stattzufinden, wenn sich auch nur die geringsten Anhaltspunkte für die Nichteinhaltung der konventionsrechtlichen Grundsätze durch das ausländische Gericht ergeben haben und das zum ausländischen Schuldspruch führende Verfahren (insgesamt) unfair war (RIS-Justiz RS0122198 [T2]; Salimi in Höpfel/Ratz WK 2 StGB § 73 Rz 6, 16 und Rz 22).

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die Durchführung eines Strafverfahrens in Abwesenheit des Angeklagten mit dem durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten Recht auf ein faires Verfahren nur vereinbar, wenn der Angeklagte in unmissverständlicher Weise auf sein Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichtet hat oder – eindeutige – konkrete Anhaltspunkte für die Absicht des Angeklagten, sich dem Strafverfahren durch Flucht überhaupt zu entziehen, vorliegen und er von diesem Kenntnis hat, wobei ein wirksamer Verzicht auf das Anwesenheitsrecht die gerichtliche Verständigung des Angeklagten von dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren – sowie, soweit möglich, auch vom Termin der Hauptverhandlung – voraussetzt (RIS-Justiz RS0121383 [T1 und T4]; Göth-Flemmich-Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 ARHG § 19 Rz 16 f, Grabenwarter/Pabel , EMRK 7 § 24 Rn 66 und 119 ff, HK-EMRK 5 / Herrendorf/König/Voigt Art 6 Rn 119 ff).

Nach dem Urteil des Berufungsgerichts in Nis befindet sich der Angeklagte seit seiner Betretung auf frischer Tat am 30.9.2009 durch Polizeibeamte auf der Flucht (ON 106, S. 2). Konkrete Anhaltspunkte für einen Verzicht auf seine Anwesenheit in der Verhandlung sind dieser Entscheidung nicht zu entnehmen. Es liegen auch keine Hinweise dazu vor, dass der flüchtige Angeklagte von der Einleitung des gegen ihn geführten Strafverfahrens verständigt und zu den Verhandlungen in erster und zweiter Instanz geladen wurde.

Ausgehend davon scheidet eine Gleichstellung dieser ausländischen Verurteilung mit einer inländischen gemäß § 73 StGB und damit deren erschwerende Wertung nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB aus.

Hinsichtlich der Verurteilungen durch die Gerichte Kursumlija und Nis ist - unter der Prämisse, dass Taten überhaupt in Österreich gerichtlich strafbar sind und die Urteile in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind (§ 7 Abs 1 TilgG) - von einer Tilgbarkeit nach österreichischem Recht auszugehen. Nach § 7 Abs 2 TilgG beginnt die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit der ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder die Summe dieser Strafen hinzurechnet. Ist keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden, so beginnt die Tilgungsfrist mit Rechtskraft der Verurteilung. Die Verurteilungen durch das Landesgericht Kursumlija vom 14.5.2007 und durch das Landesgericht Nis vom 1.6.2009 gelten somit nach österreichischem Recht bereits als getilgt ( Kert in Fuchs/Ratz WK StPO § 7 TilgG Rz 1 ff).

Folglich hat die aggravierende Wertung der einschlägigen Vorstrafenbelastung (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) insgesamt zu entfallen und kommt dem Berufungswerber vielmehr der Milderungsgrund eines ordentlichen Lebenswandels und der mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehenden Tatbegehung zugute (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).

Ausgehend vom erheblich zugunsten des Angeklagten korrigierten Strafzumessungskatalog und unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB ist mit Blick auf die Strafbefugnis (von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe) die über den Angeklagten verhängte Sanktion jedoch eine zu strenge Strafe und wäre auf eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren zu mindern.

Darüber hinaus liegt aber auch der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB vor, der in die Grundrechtssphäre des Angeklagten reicht.

Nach Art 6 Abs 1 erster Satz MRK hat das Gericht „innerhalb angemessener Frist“ zu entscheiden. Der für die Beurteilung einer konventionskonformen Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum beginnt mit dem Inkenntnissetzen des Verdächtigen von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird und endet mit der Entscheidung letzter Instanz (RIS-Justiz RS0124901; Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 43; Grabenwarter/Pabel aaO Rn 81 ff; Herrendorf/König/Voigt aaO Rn 172, 179 f).

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer stellt die Judikatur auf eine Einzelfallbetrachtung ab, in der vier Kriterien (Bedeutung der Sache für den Angeklagten, Komplexität des Falls sowie Verhalten des Angeklagten und der Behörden) maßgeblich sind (G rabenwarter/Pabel aaO Rn 82 ff, 179 ff, Herrendorf/König/Voigt aaO Rn 179 ff). Dass sich durch Aufhebung und Zurückverweisung in der Rechtsmittelinstanz Verzögerungen ergeben, ist an sich nicht problematisch. Wenn das aber mehrfach in derselben Sache geschieht, kann das nach der Rechtsprechung des EGMR auf einen Mangel hinweisen, der dem Staat zuzurechnen ist ( Harrendorf/König/Voigt aaO Rz 186).

Das Grundrecht auf Entscheidung in angemessener Frist (Art 6 Abs 1 erster Satz MRK) ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich die Verfahrensdauer insgesamt als unangemessen erweist (dazu grundlegend und mwN Grabenwarter/Pabel aaO Rz 83); Kier , WK-StPO § 9 Rz 16; 14 Os 61/23m [Rz 424 ff], 13 Os 8/25 [Rz 4]). Darüber hinaus könnte sich – hier aber nicht vorliegend – bei insgesamt verhältnismäßig erscheinender Verfahrensdauer – der Milderungsgrund auch aus längeren Phasen behördlicher Inaktivität ergeben (RIS-Justiz RS0124901 [T3]).

Der Berufungswerber wurde zwar bereits am 7.6.2021 von Beamten der Kriminalpolizei aus eigenem festgenommen, da er mit Totalfälschungen von Dokumenten auf frischer Tat betreten wurde (ON 6, S. 7), Kenntnis von dem gegen ihn (ua) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung geführten Ermittlungsverfahren erlangte er jedoch erst anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung am 9.6.2021 (ON 11). Vom Zeitpunkt seiner Festnahme am 7.6.2021 an bis zur Entscheidung in letzter Instanz befand er sich in Verwahrungs- und Untersuchungshaft. Das Verfahren gestaltete sich nicht sehr aufwendig, da neben dem Angeklagten, der ohnehin von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte, nur ein Zeuge (C* in ON 180, S. 2 ff) einzuvernehmen war und das Verfahren seitens des Angeklagten oder seiner Verteidigung nicht verzögert wurde. Allerdings benötigte es insgesamt drei Rechtsgänge und dauerte bis zum rechtskräftigen Abschluss mit 20.5.2025 nunmehr fast vier Jahre. Die Verfahrensdauer im konkreten Fall verstößt daher gegen das Angemessenheitserfordernis des Art 6 Abs 1 erster Satz MRK.

Diese Grundrechtsverletzung war vom Oberlandesgericht anzuerkennen und durch weitere Reduktion der Strafe um ein Jahr angemessen auszugleichen (RIS-Justiz RS0114926 [T3], sodass die Freiheitsstrafe insgesamt auf 11 Jahre herabzusetzen war.

Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.

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