Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 13.9.2024, GZ **-19, nach der am 20.3.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Scherl, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl und des Angeklagten öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I. demzufolge auch im Strafausspruch und in der Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg a u f g e h o b e n , die Strafsache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Feldkirch zu neuer Verhandlung und Entscheidung z u r ü c k v e r w i e s e n und im Übrigen in der Sache selbst erkannt:
Für die A* weiterhin zur Last liegenden Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB wird er in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen à EUR 4,-- , im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 1 StGB wird die Hälfte der Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, in Abwesenheit des Angeklagten ergangenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten von einem weiteren Anklagevorwurf enthält, erkannte eine Einzelrichterin des Landesgerichts Feldkirch den ** geborenen A* „des“ Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./) und mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig.
Danach habe er in **
7) am ** die D* C*."
Hiefür verhängte die Einzelrichterin über den Angeklagten nach § 107 Abs 1 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen, verwies die Privatbeteiligten B* und D* C* mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg und verurteilte den Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Den gegen das Abwesenheitsurteil gerichteten Einspruch des Angeklagten wies das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 5.2.2025, AZ 7 Bs 13/25g, zurück.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil rechtzeitig eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe angemeldet (ON 20) und fristgerecht schriftlich ausgeführt. Das Rechtsmittel mündet in den Antrag, die Strafe auf ein schuld- und tatangemessenes Maß zu erhöhen (ON 26).
Der Angeklagte hat keine Gegenausführungen eingebracht (ON 1.11).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass der auf Strafverschärfung abzielenden Berufung im Sinne einer Anhebung der Tagessatzzahl Berechtigung zukomme, wenngleich gegen die bedingte Nachsicht eines Teils der Geldstrafe keine Bedenken bestünden.
Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Berufungssenat davon, dass der Schuldspruch zu I./ mit materiell-rechtlicher Nichtigkeit nach §§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist.
Die Erstrichterin stellte zu Schuldspruch I. zusammengefasst fest, dass der Angeklagte mit seinem PKW mit quietschenden Reifen beschleunigend direkt auf die Zeugen C* zufuhr, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern oder seine Fahrtrichtung zu ändern und erst unmittelbar vor den Genannten abbremste. Hierdurch in Angst versetzt wich B* C* zur Seite aus und zog auch seine Frau, die Zeugin D* C*, zur Seite. Zur inneren Tatseite konstatierte die Erstrichterin, dass Bedeutungsgehalt dieser Verhaltensweise des Angeklagten war, bei den Zeugen jeweils eine Verletzung am Körper in Aussicht zu stellen, er dies auch so verstanden wissen wollte ebenso wie er in den Zeugen den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Angriffs auf ihre körperliche Unversehrtheit erwecken wollte, schließlich es ihm bei seinem Verhalten darauf ankam, den Willen der Zeugen C* durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zu beugen (US 19).
Die Tathandlung des § 105 StGB besteht im Einsatz besonderer Nötigungsmittel (Gewalt und gefährliche Drohung), die einander rechtlich gleichwertig gegenüberstehen. Gewalt ist die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes und kann auch durchaus unter Zuhilfenahme eines Werkzeuges oder eines anderen geeigneten (mechanischen oder chemischen) Mittels ausgeübt werden. So ist auch die Verwendung eines Fahrzeuges zum Niederstoßen oder Beiseiteschieben des Opfers, das Losfahren gegen einen anderen, das Querstellen eines Autos unmittelbar nach dem Überholen, wodurch der Überholte zum Stehenbleiben gezwungen wird, Anwendung von Gewalt ( Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 105 Rz 4, 5; RIS-Justiz RS0093608).
Ausgehend davon stellte die Einzelrichterin zwar ein vom Angeklagten „mit quietschenden Reifen beschleunigend direktes Zufahren mit seinem Fahrzeug auf die Zeugen“ und solcherart die Ausübung von Gewalt fest (US 3), doch fehlen darauf rekurrierende Feststellungen zur inneren Tatseite, da sich die getroffenen nur auf das - hier nicht vorliegende - Nötigungsmittel der gefährlichen Drohung beziehen. Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen ( Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 281 Rz 605) erfordert amtswegiges Einschreiten des Berufungsgerichts nach §§ 489 Abs 1, 471, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO und führt zur Aufhebung des Urteils zu Schuldspruch I. einschließlich des Strafausspruchs sowie der Verweisung der Privatbeteiligten mit ihrem darauf bezogenen Begehren (vgl Anschlusserklären in ON 10, 2 bzw ON 18, 9) auf den Zivilrechtsweg und der Zurückverweisung der Strafsache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
Für die unberührt bleibenden Schuldsprüche wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB war die Strafe originär durch das Berufungsgericht in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu verhängen.
Mildernd ist der bislang ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und der auffallende Widerspruch der Taten mit seinem sonstigen Verhalten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Da hinsichtlich der zu II.1. und II.4. abgeurteilten Taten betreffend jedes Opfer ein eigener Schuldspruch ergangen ist (vgl US 8: „das Zusammentreffen von zehn Vergehen“), wirkt sich die Opfermehrheit der Ansicht der Staatsanwaltschaft zuwider nicht zusätzlich aggravierend aus.
Ausgehend davon sowie unter Berücksichtigung allgemeiner Kriterien der Strafbemessung nach § 32 StGB ist eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, schuld- und tatangemessen. Mit Blick auf den bisher ordentlichen Lebenswandel des 70-jährigen Angeklagten, mit dem die Taten in auffallendem Widerspruch stehen, bestehen aber weder aus spezial- noch generalpräventiven Erwägungen Bedenken gegen ein Vorgehen nach § 43a Abs 1 StGB im Ausmaß der Hälfte der ausgesprochenen Geldstrafe. Die mit drei Jahren bestimmte Probezeit soll dabei Anreiz sein, sich möglichst lang straffrei zu verhalten.
Ausgehend von den Angaben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung, wonach er Pensionist sei, monatlich eine Pension von EUR 1.000,-- sowie ** von EUR 290,-- beziehe, an Vermögen einen alten ** besitze, ihn weder Schulden noch Sorgepflichten träfen und er gerichtlich unbescholten sei, war die Höhe des einzelnen Tagessatzes unter Heranziehung der aktuellen Existenzminimumtabelle 1bm mit EUR 4,-- festzusetzen.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
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