11Bs1/25x – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Mag. a Hagen als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Dr. Lechner und die Richterin Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 10.9.2024, GZ **-92, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach der am 11.2.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Baghdasaryan, des Oberstaatsanwaltes Mag. Kuznik, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Dr. Kühnl öffentlich durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung am selben Tag
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird mit der Maßgabe n i c h t Folge gegeben, dass gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft von 6.5.2024, 10.20 Uhr, bis 14.6.2024, 11.00 Uhr, von 15.6.2024, 10.00 Uhr, bis 24.7.2024, 17.50 Uhr, und von 14.8.2024, 03.50 Uhr, bis 10.9.2024, 15.06 Uhr (Schluss der Verhandlung), auf die Strafe angerechnet wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
2. beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Landesgericht Innsbruck als Geschworenengericht erkannte mit dem angefochtenen, auf den Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch den rechtskräftigen Freispruch von einem weiteren Faktum und ein rechtskräftiges Konfiskationserkenntnis enthält, den ** geborenen A* des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG schuldig, verhängte hiefür nach dieser Gesetzesstelle eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten, rechnete gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft von 6.5.2024, 10.20 Uhr, bis 10.9.2024, 15.06 Uhr (Schluss der Verhandlung), auf die ausgesprochene Strafe an und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wurde die bedingte Entlassung zu **, Landesgericht Innsbruck, widerrufen.
Danach hat er sich am 6. Mai 2024 in ** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er die Wiederbelebung, Verbreitung und Aktualisierung der nationalsozialistischen Ideologie und des rechtsextremen Gedankenguts fördernd an der Bushaltestelle vor dem Einkaufszentrum **, mithin einer stark frequentierten öffentlichen Örtlichkeit, Inhalte mit Bezug zum Nationalsozialismus dadurch verbreitete, dass er über sein Mobiltelefon und eine Bluetooth-Lautsprecherbox ein aus dem Internet gestreamtes, im Urteil wörtlich wiedergegebenes „Neonazilied“ abspielte, und zwar das verhetzende und zu Gewalt an Türken aufrufende sowie nationalsozialistische Inhalte wie „...schickt sie (gemeint Türken) ins KZ...“, „...Rassenschande...“, „...macht es so wie damals und steckt sie (gemeint Türken) in den Zug...“ aufweisende rechtsextreme Lied „Türke, Türke“ von „DJ Adolf“, auch bekannt unter dem Titel „Kanacke“ des Interpreten „Standarte“.
Das Erstgericht stellte zur Person und zum Vorleben des Angeklagten Nachstehendes fest:
„Der am ** geborene A* ist österreichische Staatsbürger und italienischer Staatsangehöriger. Er war zuletzt ohne Beschäftigung und hat eine Mindestsicherung in Höhe von 866 Euro erhalten. Der vermögenslose Angeklagte hat eine Schuldenlast in Höhe von ca. 4.500 Euro zu tragen. Sorgepflichten treffen ihn nicht. Der Angeklagte wurde in der Vergangenheit bereits gerichtlich verurteilt. Seine österreichische Strafregisterauskunft weist fünf Eintragungen auf, wobei zwei Eintragungen im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB zu anderen Eintragungen stehen (ON 82).
Am 29.3.2017 wurde er von einem Gericht in ** zu AZ ** unter anderem wegen „unerlaubten Besitz von Waffen, Schusswaffen, ihren Teilen und Komponenten, Munition und Sprengstoffen“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten und einer Geldstrafe von 6.500 Euro sowie einer Freiheitsstrafe von 20 Tagen und einer Freiheitsbeschränkung für ein Jahr verurteilt. Diese Strafen waren am 6.3.2019 vollzogen, die Freiheitsstrafen waren ausgesetzt.
Mit (Abwesenheits-) Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 6.6.2017 zu AZ **, rechtskräftig seit 11.8.2017, wurde der Angeklagte wegen des (zuletzt am 24.10.2016 verübten) Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je vier Euro verurteilt. Die Hälfte dieser Geldstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18.9.2020 zu AZ **, rechtskräftig seit 22.9.2020, wurde der Angeklagte der Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je vier Euro verurteilt. Gleichzeitig wurde Bewährungshilfe angeordnet und vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ ** des Bezirksgerichts Kufstein unter gleichzeitiger Probezeitverlängerung auf fünf Jahre abgesehen. In diesem Verfahren wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die erlittene Vorhaft vom 27.9.2019, 15.05 Uhr, bis 28.9.2019, 18.50 Uhr, auf die ausgesprochene Strafe angerechnet. Tatsächlich wurde er am 27.9.2019 um 15.05 Uhr festgenommen, am selben Tag um 18.50 Uhr in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert und am 28.9.2019 um 13.30 Uhr entlassen (GZ **-43 des Landesgerichts Innsbruck).
Zudem wurde der Angeklagte mit Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 5.2.2021 zu AZ **, rechtskräftig seit 11.5.2021, wegen der Vergehen der Sachbeschädigung und nach dem WaffG gemäß §§ 31,40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck zu AZ ** zu einer Zusatzgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4 Euro verurteilt.
Zuletzt wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.2.2022 zu AZ **, rechtskräftig seit 6.4.2022, wegen der Verbrechen nach § 3g VerbotsG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 6.6.2017 zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht (30 Tagessätze zu je vier Euro), sowie die mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18.9.2020 zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht (12 Monate Freiheitsstrafe) widerrufen.“
Im Rahmen der Strafbemessung führte das Erstgericht Nachstehendes aus: “ Auszugehen war von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Die Voraussetzungen für die Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB liegen nicht vor, weil die zu AZ ** des Landesgerichts Innsbruck verhängte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen wurde und überdies die tatsächlich verbüßte (wenn auch länger angerechnete) Vorhaft nicht 24 Stunden angedauert hat (Flora in WK 2 StGB § 39 Rz 5; vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14, § 39 Rz 3).
Bei der Strafzumessung waren seine zwei einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall und die Begehung während aufrechter Probezeit erschwerend, mildernd hingegen die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt infolge seiner psychischen Erkrankung.“
Zur Vorhaftanrechnung hielt das Erstgericht fest wie folgt:
„Bezüglich der Vorhaftanrechnung hätten allerdings die Zwischenhaften
von der Vorhaftanrechnung ausgeschlossen werden müssen.“
Der Widerruf der bedingten Entlassung zu **, Landesgericht Innsbruck, sei zusätzlich zu der in diesem Strafverfahren verhängten Sanktion geboten, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer rechtzeitig angemeldeten, schriftlich ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 87 und 98). Das Erstgericht habe – zusammengefasst – die starke Alkoholisierung von 2 ‰, die Suchterkrankung des Angeklagten, und den Umstand, dass dieser Schmerzpatient und an Krebs erkrankt sei, dass, obwohl geborener Italiener mit Schule in Italien, bei seiner Einvernahme kein Dolmetscher hinzugezogen worden sei, ihm der beantragte Amtsarzt verweigert worden sei, bei seiner Einvernahme auch kein Anwalt dabei gewesen sei, ihm die Beiziehung seiner Mutter als Vertrauensperson verweigert worden sei und die "weit größere Einschränkung seiner Unzurechnungsfähigkeit" durch seine schwere körperliche und geistige Behinderung nicht berücksichtigt. Es seien auch der für den Angeklagten krankheits- und alkoholbedingte unbeherrschbare Impuls bei Ungerechtigkeiten, wie der Arbeitgeberin seiner Schwester, seine paranoide Schizophrenie, seine krankheitsbedingte Beendigung seiner Begutachtung "usw. usw. usw." zu berücksichtigen. Die Krankheit des Angeklagten, die er krankheitsbedingt selbst nicht erkenne, verdränge sein soziales Verantwortungsbewusstsein, sodass ihm der Alkoholgenuss nicht zum Vorwurf gemacht werden könne und die Berauschung mildernd wirke. Der abnorme Geisteszustand des Angeklagten sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er habe zudem das Abspielen des Liedes selbst abgebrochen und daher den Erfolg abgewendet, es sei niemand stehen geblieben und es habe niemand das Lied beachtet. Er habe überdies im Hinblick auf seine körperliche und geistige Behinderung die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen und sich dazu in einer krankheitsbedingten heftigen Gemütsbewegung, wegen des Verhaltens der Arbeitgeberin seiner Schwester, zur Tat hinreißen lassen. Er habe auch nicht mit vorgefasster Absicht, sondern krankheitsbedingt impulsgesteuert gehandelt, trotz Vollendung der Tat keinen Schaden herbeigeführt und sich auch der Zufügung eines größeren Schadens durch weiteres Abspielen des Liedes freiwillig enthalten, obwohl ihm dazu die Gelegenheit offengestanden sei. Es sei auch seine Schwester, die dringend auf das Geld der Arbeitgeberin angewiesen gewesen sei, betroffen gewesen.
Es lägen daher alle Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung vor. Es bestünde auch ein ausdrücklicher Therapiewunsch des Angeklagten mit der Aussicht, dass er auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe nicht wieder delinquieren werde.
Es sei schließlich auch unberücksichtigt geblieben, dass der Angeklagte nach vollen Kräften nach seiner bedingten Haftentlassung sich um eine psychiatrische Therapie gekümmert habe und stationär in der Psychiatrie in ** behandelt worden sei. Er sei dort auch in ambulanter Behandlung gewesen.
Das Erstgericht sei zudem zutreffend davon ausgegangen, dass die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 im konkreten Fall nicht erfüllt seien.
Die zum Nachteil des Angeklagten fristgerecht angemeldete und schriftlich ausgeführte Strafberufung der Staatsanwaltschaft moniert, dass das Erstgericht die Strafzumessungsgründe zwar zutreffend angenommen habe, allerdings auch die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall annehmen hätte sollen. Der Angeklagte sei am 10.2.2022 zu **, Landesgericht Innsbruck, nicht nur zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt, sondern gleichzeitig die gewährte bedingte Strafnachsicht zu **, Landesgericht Innsbruck, betreffend einer 12-monatigen Freiheitsstrafe widerrufen worden. Der Angeklagte habe daher bis zur bedingten Entlassung nicht nur die zu ** des Landesgerichts Innsbruck ausgesprochene, sondern auch die zu ** des Landesgerichts Innsbruck wegen § 3g VerbotsG verhängte Freiheitsstrafe verbüßt. Die zumindest teilweise Verbüßung dieser Freiheitsstrafen begründe die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB, weshalb die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe angesichts des richtigerweise anzuwendenden Strafrahmens von 6 Monaten bis zu 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe zu gering ausgefallen sei (ON 86 und 94).
Der Angeklagte hat in schriftlichen Gegenausführungen beantragt, dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 99).
Die Staatsanwaltschaft hat auf Gegenausführungen verzichtet (ON 100).
Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16.12.2024, 14 Os 105/24h-4, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde wurde der Akt dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Die Oberstaatsanwaltschaft sprach sich in ihrer Stellungnahme für einen Rechtsmittelerfolg der Staatsanwaltschaft, jedoch gegen einen solchen des Angeklagten aus. Eine Abfrage in der integrierten Vollzugsverwaltung (IVV) zeige, dass das Erstgericht zu Recht die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB nicht angenommen habe. Im Übrigen seien die Strafzumessungsgründe im Ersturteil nicht ergänzungsbedürftig, zumal die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit im Hinblick auf § 35 StGB und seine Delinquenz unter Alkoholeinfluss in der Vergangenheit (vgl. **, Bezirksgericht Kufstein) nicht mehr mildernd berücksichtigt werden könnten. Die verminderte Zurechnungsfähigkeit (infolge psychischer Erkrankung) sei ohnehin bereits hinreichend veranschlagt worden. Die Verfahrensergebnisse würden zudem für die weiters reklamierten Milderungsgründe nach § 34 Abs 1 Z 7 und 8 StGB keine hinreichende Grundlage bieten, jene nach § 34 Abs 1 Z 13 erster Fall und Z 14 erster Fall StGB kämen mit Blick auf die Art der vorliegenden Delinquenz von vorne herein nicht in Betracht. Auch die Widerrufsentscheidung sei nicht zu beanstanden.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufungen sind mit der spruchgemäßen Maßgabe nicht berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe im Ersturteil treffen grundsätzlich zu.
Der Angeklagte wurde aus einem Strafenblock (§ 46 Abs 5 StGB) am 22.1.2024 (ON 26, S 25 ff, **, Landesgericht Innsbruck) bedingt entlassen. Der aufgrund eines Widerrufs angeordnete Vollzug der Freiheitsstrafe von 12 Monaten zu **, Landesgericht Innsbruck, hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht begonnen (ON 21, S 7 und ON 30, **, Landesgericht Innsbruck). Die Vorhaft betrug zudem weniger als einen Tag (ON 43, **, Landesgericht Innsbruck; US 10; Flora, aaO § 39 Rz 4 f). Die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB sind daher, der Berufung der Staatsanwaltschaft zuwider, im konkreten Fall nicht erfüllt.
Die Alkoholisierung des Angeklagten ist, weil ihm die enthemmende Wirkung des Alkohols auf ihn bekannt war, nicht mildernd (BG Kufstein vom 5.2.2021, **, ON 61 in **, Landesgericht Innsbruck; BV ON 5, S 9 f, ON 8, S 5, ON 11, S 3, ON 46, S 5 f in **, Landesgericht Innsbruck).
In dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 91, 31) psychiatrischen Sachverständigengutachten (ON 84) wird dem Angeklagten – zusammengefasst – zum Tatzeitpunkt allenfalls ein leichtgradig alkoholisiertes Syndrom sowie eine leichtgradige Störung der Impulskontrolle im Rahmen der bekannten kombinierten Persönlichkeitsstörung attestiert, wodurch die Diskretionsfähigkeit nicht, die Dispositionsfähigkeit leicht eingeschränkt gewesen sei. Zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt ließen sich neben der angeführten Alkoholisierung aus psychiatrischer Sicht kein Anhaltspunkt für eine Geisteskrankheit, eine geistige Behinderung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, eine andere schwere, einen dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung beweisen. Es liege eine Ergebenheit eines berauschenden Mittels in Form einer Abhängigkeit von Alkohol vor, die Abhängigkeit von Alkohol sei nicht begründend für den Tatvorwurf. Der Einfluss einer Alkoholisierung im Rahmen einer Alkoholabhängigkeit sei auch nicht maßgeblich für die vorgeworfene Tathandlung. Die Einnahme von Drogen hat der Angeklagte selbst verneint (BV ON 2.5, 3) und der psychiatrische Sachverständige dazu ausgeführt, dass in den unmittelbaren Zeiträumen vor dem Tatzeitpunkt sich diese Symptomatik (psychotische Störung durch multiplen Substanzmissbrauch) in den vorliegenden Berichten nicht mehr greifen lasse (ON 84, 92). Das Vorbringen im Zusammenhang mit der relevierten Schmerztablettensucht und -beeinträchtigung, zur weit größeren Einschränkung seiner "Unzurechnungsfähigkeit" und zum „abnormen Geisteszustand“ ist daher mit den Verfahrensergebnissen, insbesondere mit dem psychiatrischen Sachverständigengutachten nicht in Einklang zu bringen. Die in diesem Zusammenhang in der Berufung vorgebrachten Erkrankungen und Verfahrensvorgänge (ON 98, 13 – Schmerzpatient; Krebserkrankung; Einvernahme ohne Dolmetsch, Verweigerung des Amtsarztes, Einvernahme ohne Anwalt, Weigerung, seine Mutter als Vertrauensperson beizuziehen) stellen wiederum keine mildernden Umstände dar.
Die aufgrund der psychischen Erkrankung eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten wurde bereits im Ersturteil berücksichtigt (US 11). Worin eine unzureichende Berücksichtigung dieses Milderungsgrundes gelegen sein soll, vermag die Berufung des Angeklagten nicht klarzumachen.
Der Behauptung, der Angeklagte habe trotz Vollendung keinen Schaden herbeigeführt, ist zu erwidern, dass § 3g VerbotsG nicht als Erfolgsdelikt, sondern als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert ist (vgl. RIS-Justiz RS0079825, RS0079913 [T3]) und damit nicht in den Bereich des ersten Falls des § 34 Z 13 StGB fällt (vgl. RIS-Justiz RS0108961, RS0091922 [T4]).
Der weiters relevierte Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 14 erster Fall StGB ist ausschließlich auf Vermögensdelikte zugeschnitten (RIS-Justiz RS0091323, RS0091022).
Der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 7 StGB liegt ebenfalls nicht vor, weil unbesonnen nur handelt, wer spontan einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diesen unterdrückt worden wäre, wobei das einschlägig belastete Vorleben des Angeklagten gegen eine solche Unbesonnenheit spricht ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 34 Rz 18; RIS-Justiz RS0091000 [T2, T11]). Hinweise auf derartige Umstände sind dem Akt überdies nicht zu entnehmen.
Die leugnende Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 92, 5, 26, 29) enthält schon aus diesem Grund keinen Sachverhalt, der indiziert, der Angeklagte habe sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lassen (vgl. Leukauf/Steininger/Nimmervoll , StGB 4 § 76 Rz 11 ff; RIS-Justiz RS0120766 [T5]). Die Aussage des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, er habe einen Zorn auf die Türken gehabt, wie seine Schwester von ihrer türkischen Chefin behandelt und ihr zu wenig bezahlt worden sei, das habe ihn aufgeregt, er habe einen "gerechten Zorn" gehabt und dann dieses Lied gespielt (ON 2.5, 5), vermag bei Anlegung eines individualisierenden objektiv-normativen Maßstabes (RIS-Justiz RS0092072) die Annahme einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung ebenfalls nicht zu stützen (vgl. RIS-Justiz RS0092271, RS0092138).
Dass der Angeklagte nicht mit vorgefasster Absicht gehandelt hat, ist ebenfalls nicht mildernd.
Mit dem Vorbringen, die Schwester des Angeklagten, die dringend auf das Geld der Arbeitgeberin angewiesen sei, sei betroffen gewesen, wird ebenfalls kein mildernder Umstand dargestellt.
Auch mit dem Einwand, es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Angeklagte sich nach vollen Kräften nach seiner bedingten Haftentlassung um eine psychiatrische Therapie gekümmert habe, sowohl stationär als auch ambulant in der Psychiatrie in ** behandelt worden sei und sich bemüht habe, fixe Therapieplätze zu bekommen, wird kein den Schuldgehalt reduzierendes Verhalten bezüglich der gegenständlichen Tat vorgebracht. Im Übrigen ist der Angeklagte darauf zu verweisen, dass ihm anlässlich der bedingten Entlassung die Weisung erteilt wurde, sich einer psychiatrischen Behandlung sowie einer forensischen Psychotherapie zu unterziehen und an einem Präventions- bzw. Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen (ON 26, S 27, ** Landesgericht Innsbruck).
Das weitere Berufungsvorbringen, wonach die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB nicht vorliegen, kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.
Weitere im Ersturteil unberücksichtigt gebliebene mildernde und erschwerende Umstände werden nicht vorgebracht; solche sind auch aus dem Akt nicht ableitbar.
Davon ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) entspricht - auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) und unter Berücksichtigung des Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts der Tat - die im Ersturteil verhängte Freiheitsstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt derselben sowie der Täterpersönlichkeit. Es bestand daher zu einer Korrektur kein Anlass.
Einer (teil-)bedingten Strafnachsicht nach §§ 43 Abs 1, 43a Abs 2 und 3 StGB stehen aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und des raschen Rückfalls während aufrechter Probezeit bereits spezialpräventive Bedenken entgegen.
Für die Anwendung außerordentlicher Strafmilderung (§ 41 StGB) fehlt es an einem Überwiegen der Milderungsgründe.
Aufgrund der zum Nachteil des Angeklagten erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft konnte die bereits im Ersturteil erkannte fehlerhafte, auch Zwischenvollzüge umfassende Vorhaftanrechnung (US 12), spruchgemäß korrigiert werden (ON 49 und 77; Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 283 Rz 6).
Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.
Die Wirkungslosigkeit bisheriger strafgerichtlicher Reaktionen, der rasche und innerhalb der Probezeit erfolgte einschlägige Rückfall begründen auch unter Berücksichtigung des Berichtes von Neustart Tirol vom 30.1.2025 die Annahme, dass der Widerruf der bedingten Entlassung zu **, Landesgericht Innsbruck, in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser aus spezialpräventiven Gründen geboten erscheint.
Die Beschwerde blieb daher ebenfalls ohne Erfolg.