JudikaturOLG Innsbruck

7Bs33/23w – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
09. März 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen HS*** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 24.11.2022, GZ 50 Hv 71/22f 25, nach der am 9.3.2023 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Korber, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Willam, des Angeklagten und seiner Verteidigerin RAA Dr. Eleonor Hasenauer (Kanzlei RA Mag. Manuel Winkler) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von weiteren - von der Staatsanwaltschaft dem Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB subsumierten - Anklagevorwürfen enthält, wurde HS*** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27.4.2022 in *** seine Ehefrau NS*** durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu einer Unterlassung, nämlich nicht die Polizei zu rufen, zu nötigen versucht, indem er ein Stanleymesser mit eingefahrener Klinge in die Hand nahm, ihr vor die Brust hielt und ihr gegenüber auf türkisch äußerte: „Wenn du die Polizei rufst, bringe ich dich um“.

Hiefür verhängte die Einzelrichterin über den Angeklagten in Anwendung der §§ 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 und 43a Abs 2 StGB nach § 106 Abs 1 StGB eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je EUR 25,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und verurteilte ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Konfiskation des sichergestellten Stanleymessers der Marke Format wurde - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft geblieben - abgewiesen.

Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten traf die Einzelrichterin nachfolgende Feststellungen:

Der am *** geborene Angeklagte ist verheiratet und unterhaltspflichtig für seine getrennt lebende Ehegattin NS***, die sich derzeit im Krankenstand befindet. Er verdient als Schichtleiter monatlich netto EUR 2.316,--, dies 14 Mal jährlich. Er hat kein Vermögen und befindet sich in Privatinsolvenz, wobei er zweimal jährlich EUR 4.346,-- an Schulden abbezahlt.

Die Strafregisterauskunft des Angeklagten weist keine Eintragung auf.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung ging die Einzelrichterin aufgrund der Tatbegehung unter Einsatz einer Waffe in Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB von einem zur Anwendung gelangenden Strafrahmen von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe aus und berücksichtigte mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und dass die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stünde (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), das umfassende und zur Wahrheitsfindung (wesentlich) beitragende, reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) sowie die Beschränkung der Tat auf den Versuch (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), erschwerend hingegen die Begehung einer vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen die Freiheit gegen eine Angehörige im Sinne des § 72 StGB (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB). Ausgehend davon und unter weiterer Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 StGB erachtete die Einzelrichterin eine Freiheitsstrafe in Höhe der Mindeststrafe für schuld- und tatangemessen. Zur Nichtanwendbarkeit des § 37 Abs 1 StGB (Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe) wurde ausgeführt, dass dies aufgrund spezialpräventiver Überlegungen nicht möglich sei, eine reine Geldstrafe würde die notwendige Warnfunktion verfehlen und es erscheine die Verhängung einer Strafenkombination geboten, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, zumal eine bedingte Strafnachsicht mit Probezeit das Verhalten nachhaltiger zu steuern vermöge. Darüber hinaus vertrat die Einzelrichterin die Ansicht, dass gemäß § 43a Abs 2 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt habe werden können, weil die Zahlung einer Geldstrafe im genannten Ausmaß und die bloße Androhung einer Freiheitsstrafe ausreichende spezialpräventive Wirkung entfalten würden. Zudem zeige die Strafenkombination auch potenziellen Tätern auf, dass ein solches Verhalten nicht geduldet und mit strengen Strafen geahndet werde. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit § 19 Abs 3 StGB begründet und die grundsätzliche Verpflichtung des Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens auf § 389 Abs 1 StPO gestützt.

Gegen das Urteil meldete der Angeklagte in der Hauptverhandlung rechtzeitig Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe an (PS 6 in ON 24), die er durch seinen Verteidiger fristgerecht schriftlich ausführte. Das Rechtsmittel mündet in den Antrag, „die vom Erstgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe ohne Umwandlung in eine Geldstrafe zur Gänze bedingt nachzusehen, in eventu die verhängte Geldstrafe herabzusetzen und teilbedingt nachzusehen sowie die Höhe des Tagessatzes mit EUR 4,-- festzusetzen“ (ON 29).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung nicht Folge zu geben sein werde.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Strafzumessungsgründe des Erstgerichts treffen zu, sind aber auf der erschwerenden Seite um die Tatbegehung unter Drohung mit einer Waffe (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB; RIS Justiz RS0134002; zum funktionalen Waffenbegriff vgl RIS-Justiz RS0093928) zu ergänzen. Die zusätzliche aggravierenden Wertung dieses Umstands trotz der Anhebung der Mindeststrafe in Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB verstößt im Übrigen deshalb nicht gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 32 Abs 2 erster Satz StGB, weil sich dieses nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung nur auf subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS-Justiz RS0130193), während § 39a StGB eine reine - den Strafsatz nicht bestimmende - Strafrahmenvorschrift darstellt (zum gleichgelagerten Fall des § 39 StGB vgl RIS Justiz RS0091527 [insb 14 Os 134/21v, 14 Os 53/21g und 11 Os 73/21a]).

Die von der Berufung ins Treffen geführte Absolvierung eines „Antiaggressionstrainings“, für die im Übrigen keine Bestätigung vorgelegt wurde (vgl aber die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung [PS 2 in ON 24]), erwies sich aufgrund der Depositionen des Angeklagten in der Berufungsverhandlung als verpflichtende aktive Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung aufgrund des gegen ihn von der Polizei ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbots (§ 38a Abs 8 SPG) und stellt daher mangels Freiwilligkeit kein als positiv im Zuge der allgemeinen Strafzumessung nach § 32 StGB zu berücksichtigendes Nachtatverhalten dar.

Soweit der Berufungswerber darüber hinaus behauptet, es sei mildernd zu werten, dass die Drohung nach seiner Aussage nicht ernst gemeint gewesen sei, bekämpft er - mit Strafberufung jedoch - unzulässig die erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen zur Ernstlichkeit und damit den Schuldspruch.

Ausgehend von den lediglich zu Lasten des Angeklagten ergänzten Strafzumessungsgründen ist die über ihn verhängte Strafenkombination, die einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und daher der Mindeststrafe entspricht, eine ohnehin milde Sanktion, die der Berufung zuwider (auch) sämtliche Milderungsgründe ausreichend berücksichtigt. Zu einer Herabsetzung sah sich der Berufungssenat daher nicht veranlasst.

Die - vom Berufungswerber im Übrigen gerade nicht angestrebte - Anwendung des § 37 Abs 1 StGB wurde vom Erstgericht zutreffend mit spezialpräventiven Erwägungen abgelehnt.

Der vom Berufungswerber primär angestrebten Verhängung einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (von einem Jahr unter Ausscheidung des § 43a Abs 2 StGB) steht das Verschlechterungsverbot nach § 295 Abs 2 erster Satz StPO (iVm §§ 489 Abs 1 zweiter Satz, 471 StPO) entgegen, mag eine zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von einem Jahr dem Angeklagten auch günstiger erscheinen, als die über ihn verhängte Strafenkombination ( Ratz , WK StPO § 295 Rz 24 und § 290 Rz 44 mwN; RIS-Justiz RS0100700, RS0115529 [insb T5]; vgl auch 14 Os 173/07h).

Eine von der Berufung in eventu begehrte Herabsetzung der Geldstrafe der Strafenkombination des § 43a Abs 2 StGB ist mit Blick auf die Mindeststrafe von einem Jahr ebenso unzulässig, wie deren im Gesetz nicht vorgesehene teilweise bedingte Nachsicht. Einer Erhöhung der (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger anteiliger Herabsetzung der (unbedingten) Geldstrafe steht ebenfalls das Verschlechterungsverbot entgegen.

Schließlich ist auch die von der Erstrichterin mit EUR 25,-- bemessene Höhe des Tagessatzes mit Blick auf § 19 Abs 2 StGB nicht zu beanstanden. Ausgehend von den unbedenklichen Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Angeklagten und seiner Sorgepflicht für seine im Krankenstand befindliche, von ihm getrennt lebende Ehegattin, entspricht die Tagessatzhöhe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Berufung zuwider ist bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage neben der Unterhaltsverpflichtung nicht auch auf die halbjährlichen Zahlungen von EUR 4.364,00 im Privatinsolvenzverfahren (Zahlungsplan) Bedacht zu nehmen, weil die Verpflichtung aus einer Kriminalstrafe gegenüber (privaten) Schulden nicht hintangestellt werden darf. Durch die Nichtberücksichtigung der Zahlungen im Insolvenzverfahren allenfalls entstehende Härten sind vielmehr gemäß § 409a StPO mittels Gewährung eines Zahlungsaufschubs zu beseitigen (vgl dazu ausführlich Lässig in WK² StGB § 19 Rz 17 f). Bleibt mit Blick auf die Ausführungen des Angeklagten in der Berufungsverhandlung, er sei seit 10.2.2023 arbeitslos und erhalte pro Tag EUR 59,70, auszuführen, dass bei der Überprüfung des Strafausspruchs durch das Rechtsmittelgericht im Rahmen einer Strafberufung für die Bemessung des Tagessatzes der Zeitpunkt des Urteils erster Instanz entscheidend ist (§ 19 Abs 2 StGB; Lässig aaO Rz 27; RIS-Justiz RS0090196; RS0090362). Nachträglichen (erheblichen) Verschlechterungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 31a Abs 2 StGB durch Neubemessung der Tagessatzhöhe durch das Erstgericht Rechnung zu tragen (zum Verfahren vgl § 410 StPO).

Die Berufung musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.

Rückverweise