JudikaturOLG Wien

20Bs93/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. November 2024, GZ **-40, nach der am 20. Mai 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Michael Schnalzer durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Angeklagten wird nicht , hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht auf dreieinhalb Jahre erhöht.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch ein rechtskräftiges Konfiskations- und Adhäsionserkenntnis enthaltenden, Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 1 StGB sowie aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Teil im Ausmaß von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Danach hat er am 28. Juni 2024 in ** B*

I./ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht (§ 15 StGB), indem er sie, als sie nackt an der Bettkante saß und sich anziehen wollte, gewaltsam an den Oberarmen packte, Geschlechtsverkehr einforderte, sie unter Einsatz seiner Körperkraft auf das Bett niederdrückte und wiederholt zum Beischlaf ansetzte, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr misslang und sie, nach dem sie sich erfolgreich befreit hatte und ins Vorzimmer geflüchtet war, an den Beinen packte und sie zurück ins Schlafzimmer zu zerren versuchte und

II./ gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sie im Anschluss an die unter I./ beschriebene Tat kurz losließ, plötzlich eine Langwaffe ergriff und diese wortlos an die Stirn von B* anhielt.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen.

Mit Blick auf den Umstand, dass es sich beim Angeklagten um einen jungen Mann mit gesundheitlichen Beschwerden und Drogenproblemen handelt, der dem Schöffensenat den Eindruck vermittelte, angesichts der auf die Untersuchungshaft zurückzuführenden längeren Drogenabstinenz „klarer zu sein“ und sich „besser im Griff“ zu haben, bejahte das Erstgericht die von § 43a Abs 4 StGB geforderte hohe Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde auch im Falle teilbedingter Strafnachsicht keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen.

Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. März 2025, GZ 13 Os 13/25h-4, ist nunmehr über die jeweils fristgerechten Berufungen des Angeklagten und jener der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, mit welcher die Anklagebehörde die tat- und schuldangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe bzw jedenfalls die Ausschaltung der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB (ON 42), der Angeklagte hingegen die Herabsetzung des unbedingten Teils der verhängten Freiheitsstrafe (ON 43.2) anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich dem Rechtsmittel der Anklagebehörde kommt Berechtigung zu.

Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend moniert, sind die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe zum Nachteil des Angeklagten um den Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 6 StGB zu ergänzen, beging der Angeklagte doch die unter II./ angeführte gefährliche Drohung unter Einsatz einer Langwaffe (RIS-Justiz RS0081942). Sofern der Angeklagte darin einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot erblickt (ON 44.2), ist klarzustellen, dass einer Berücksichtigung der in § 33 Abs 2 Z 1 bis 6 StGB bezeichneten Erschwerungsgründe das Doppelverwertungsverbot nur dort entgegensteht, wo bereits der Tatbestand (eine Qualifikation) ein solches Merkmal für die Subsumtion verlangt (RIS-Justiz RI0100093; OLG Innsbruck zu 7 Bs 33/23w; OLG Graz, AZ 8 Bs 67/22x).

So sind nach der von der überwiegenden jüngeren Rechtsprechung vorgenommenen engeren Auslegung Umstände, die nicht den Strafsatz (Subsumtion), aber den Strafrahmen (Strafbefugnis) bestimmen, zusätzlich als Strafzumessungsgrund in Anschlag zu bringen (RIS-Justiz RS0130193; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 668/4 mwN). Da § 39a Abs 1 Z 4 StGB in casu nicht zur Anwendung gelangte, ist der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 6 StGB anzuziehen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz der Waffe beim Vergehen der gefährlichen Drohung war unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungstatsachen des § 32 Abs 2 StGB zusätzlich zu Lasten des Angeklagten zu veranschlagen, dass dem Tatopfer der Lauf der Langwaffe, ein Flobert der Marke ** mit Zielfernrohr Kaliber 6 mm, an die Stirn angesetzt wurde (Urteilsseite 4 f), wodurch die Intensität der Todesdrohung deutlich erhöht wurde.

Hingegen liegt der vom Erstgericht angezogene Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels im Sinne des § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht vor. So stellte der Schöffensenat fest, dass der Angeklagte seit geraumer Zeit an Suchtmittel gewöhnt sei, seine Sucht selbst als polytoxisch bezeichnet habe, wobei er manchmal mehr und manchmal weniger an Drogen konsumiert habe. Zuletzt habe er bis zu seiner Inhaftierung jedenfalls Ecstasy und Cannabis konsumiert (Urteilsseite 3; ON 34.2, 4).

Da ein Suchtmittelkonsum regelmäßig nur deliktisch verwirklicht werden kann (RIS-Justiz RS0091038) und zur Erlangung dieses Milderungsgrundes die „gerichtliche Unbescholtenheit“ allein nicht genügt, sondern zudem erforderlich ist, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Täters in auffallendem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0091459; RS0091464), konnte dem Angeklagten der Milderungsgrund nicht zugebilligt werden. Die Diskrepanz zwischen Tat und sonstigem Täterverhalten ist nämlich die Bedingung, unter der dem Rechtsbrecher ein bisher ordentlicher Lebenswandel uneingeschränkt als Milderungsgrund zu Gute gehalten werden kann.

Weiters ist der Staatsanwaltschaft beizupflichten, dass angesichts der Intensität der Tathandlung beim Faktum I./ dem Milderungsgrund des Versuchs keine erhebliche Bedeutung zukommt. So ist den Feststellungen zu entnehmen, dass sich das Tatopfer mit Tritten heftig zur Wehr setzte, nackt in Richtung Wohnungstüre flüchtete, der Angeklagte jedoch die zu Sturz gekommene, auf dem Bauch liegende B* mit beiden Händen an den Füßen packte, sie zurück in das Schlafzimmer zu schleifen versuchte, was lediglich daran scheiterte, dass sie sich an einer im Flur stehenden Waschmaschine festhalten konnte. Nachdem sich das Tatopfer in einem kurzen Moment, als der Angeklagte sie losließ, aufspringen konnte und nackt die versperrte Türe öffnete, bedrohte sie der Angeklagte durch das Ansetzen einer Langwaffe an die Stirn. Nachdem es der völlig unbekleideten B* letztendlich gelang, hysterisch aus der Wohnung auf den Gang und schließlich aus dem Haus zu flüchten, sie sich bei einem in der Nähe befindlichen Parkplatz hinter ein Auto hockte und den Polizeinotruf verständigte - wobei die erstintervenierenden Polizeibeamten das Opfer in einem Schockzustand befindlich sowie ängstlich und verstört beschrieben (GrInsp. C* ON 38.2, 4 ff; GrInsp. D* ON 34.2, 8 ff) – ist fallkonkret von einem fehlgeschlagenen Versuch (zum Begriff Bauer/Plöchl in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 158) auszugehen, weshalb dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB tatsächlich kaum Gewicht beigemessen werden kann.

Wenn der Angeklagte darauf hinweist, dass ihm seine leugnende Einlassung nicht als Erschwerungsgrund angelastet werden darf, ist ihm zwar grundsätzluch zuzustimmen, er setzt sich mit dieser Behauptung jedoch über die exakte Argumentation des Schöffensenats hinweg: Seine Einlassung wurde ihm keineswegs erschwerend angelastet, sondern fand die Zurückweisung jeglicher Verantwortung (nicht im Sinne eines Schuldeingeständnisses) für die Taten lediglich Einfluss in die Prognose für die (hohe) Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens auch im Falle teilbedingter Strafnachsicht, die ihm - ungeachtet des fortlaufenden Drogenkonsums und den Einsatz einer Waffe - ohnehin zugebilligt wurde (Urteilsseite 15).

Zieht man weiters ins Kalkül, dass der Tatbestand der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB eine Mindeststrafdrohung von zwei Jahren aufweist, ist der Staatsanwaltschaft beizupflichten, dass nach Korrektur der Strafzumessungslage zu Lasten des Angeklagten die Verhängung einer bloß 30-monatigen Freiheitsstrafe nicht nur aus spezialpräventiven, sondern auch aus generalpräventiven Überlegungen völlig unzureichend ist und einer Bagatellisierung der Tathandlungen gleichkommt.

Der Berufung des Angeklagten war daher nicht, hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und die Freiheitsstrafe auf das der Schuld und allen präventiven Gesichtspunkten angemessene Maß von dreieinhalb Jahre zu erhöhen.

Bereits unabhängig von der Strafhöhe scheitert eine gänzlich bedingte Strafnachsicht beim Tatbestand der Vergewaltigung an § 43 Abs 3 StGB. Fallkonkret kommt auch eine bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe angesichts der nunmehr bestimmten Strafhöhe nicht in Betracht; die Anwendung des § 41 Abs 3 StGB scheitert am gesetzlichen Erfordernis des Überwiegens der Milderungsgründe.

Rückverweise