8Bs480/11s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag.Obetzhofer in der Strafsache gegen Mag.Johann W***** wegen § 75 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27.Oktober 2011, 9 Hv 39/10x-335, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss wurden Mag.Johann W***** gemäß § 393a StPO ein Pauschalbeitrag zu den Kosten seiner Verteidigung in Höhe von EUR 5.000,00 sowie Barauslagen in Höhe von EUR 846,11 zuerkannt. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung eines weiteren Betrages von EUR 1.600,80 an Barauslagen wurde abgewiesen.
Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Mag.Johann W***** bleibt erfolglos.
Rechtliche Beurteilung
Was die in der Beschwerde relevierte Frage der Ausgeschlossenheit der entscheidenden Richterin betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass RidLG Mag.L***** zunächst als Vorsitzende das gegen den Freigesprochenen geführte Strafverfahren leitete. In der Hauptverhandlung vom 21.Mai 2010 wurde unter ihrem Vorsitz der Wahrspruch der Geschworenen gemäß § 334 Abs 1 StPO ausgesetzt.
Die Beschwerde verweist nunmehr auf die Ausgeschlossenheitsregelung des § 43 Abs 2 StPO, wonach eine Urteilsaufhebung infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs die Ausschließung (nicht nur von der neuerlichen Urteilsfindung, sondern) vom gesamten neuen Hauptverfahren bewirkt (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 22). Diese (generelle) Ausschließungsnorm kommt im vorliegenden Fall jedoch deswegen nicht zur Anwendung, weil § 334 Abs 3 StPO als lex specialis normiert, dass bei der wiederholten Verhandlung keiner der Richter den Vorsitz führen und keiner der Geschworenen zugelassen wird, die an der ersten Verhandlung teilgenommen haben. Schon die Wortinterpretation dieser Norm ergibt, dass die Ausgeschlossenheit nicht so weit wirkt wie jene, die in § 43 Abs 2 StPO geregelt ist. Dies lässt sich auch mit den unterschiedlichen Normzwecken in Einklang bringen ist es doch im Fall des § 43 Abs 2 StPO bereits zu einem Urteil gekommen, während im Fall des § 334 Abs 1 StPO "nur" der Wahrspruch der Geschworenen wegen eines Irrtums in der Hauptsache ausgesetzt wurde.
Eine generelle Ausgeschlossenheit für die Bearbeitung der Sache außerhalb der Teilnahme an der Hauptverhandlung liegt daher nicht vor.
Im Rahmen der umfassenden Prüfung des angefochtenen Beschlusses überzeugte sich das Beschwerdegericht darüberhinaus davon, dass die angefochtene Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung unzuständige Richterin erging. Zuständiger Vorsitzender in dem gegen Mag.Johann W***** geführten Strafverfahren war zuletzt RidLG Dr.N*****. Die vorliegende Entscheidung fasste RidLG Mag.L*****, dies nicht als Vertreterin des zuständigen Richters, sondern in ihrer Funktion als Leiterin der - für die Führung des Aktes zuständigen - Gerichtsabteilung 9 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz. Nach dem in diesem Zusammenhang relevanten Punkt A) 1.2. der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ist für die Nachbearbeitung in Geschworenengerichtssachen, wenn der seinerzeitige Vorsitzende nicht mehr dem Gerichtshof angehört oder nicht mehr in dieser Sparte tätig ist, jener Richter zuständig, dessen Gerichtsabteilung die Abteilungsnummer des zu bearbeitenden Aktes trägt. RidLG Dr.N***** ist nach wie vor in derselben Sparte (HV) am Gerichtshof tätig, die in der Geschäftsverteilung vorgesehene Zuständigkeitsverschiebung ist daher nicht eingetreten. Dieser Umstand hat aber deswegen keine Konsequenzen, weil die Gültigkeit von Amtshandlungen gemäß § 28a GOG durch einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung - abgesehen von den nur das Erkenntnisverfahren betreffenden Fällen der §§ 281 Abs 1 Z 1 und 345 Abs 1 Z 1 StPO - nicht beeinträchtigt wird (15 Os 103/07x, 11 Os 168/02, 11 Os 152/02, 11 Os 125/02).
Die demzufolge vorzunehmende Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses in der Sache ergibt, dass das Erstgericht im Ergebnis zu Recht den Ersatz der Kosten für das Privatgutachten abgelehnt hat.
Die Kostenforderung beruht darauf, dass der Angeklagte durch seinen Verteidiger einen Ziviltechniker beauftragte, die Verhältnisse am Tatort zu vermessen, die von der Polizei hergestellte graphische Darstellung einer Überprüfung zu unterziehen und dies zu "korrigieren". Die vom Ziviltechniker DI Roland K***** verfasste Aufrisszeichnung legte der Verteidiger am 16.November 2010 mit dem Beweisantrag ON 294 vor.
Dementsprechend macht der Freigesprochene die Kosten eines von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens geltend. Privatsachverständige sind sachkundige Personen, die nicht im Auftrag des Gerichtes oder einer anderen Strafverfolgungsbehörde, sondern auf Ersuchen von Prozessparteien Privatgutachten abgeben. Da die Auswahl von Sachverständigen ausschließlich dem Gericht zukommt (§ 119 Abs 1, § 254 Abs 1 StPO), handelt es sich bei diesen Privatsachverständigen nicht um Sachverständige im Sinne der Strafprozessordnung (Hinterhofer, Wiener Kommentar StPO, Altes Vorverfahren vor §§ 116 bis 126a Rz 21).
Nach dem § 393a StPO werden die nötig gewesenen und vom Angeklagten wirklich bestrittenen baren Auslagen refundiert. Die Notwendigkeit der Barauslagen für die Verteidigung hat das Gericht am Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu prüfen (Lendl, WK-StPO, § 393a Rz 4). Die Notwendigkeit eines derartigen Privatgutachtens kann aber nur nach Maßgabe dessen Relevanz für die Wahrheitsforschung bejaht werden. Im Fall einer solcherart gegebenen Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist die Verfahrenspartei - unter dem Gesichtspunkt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung auch wegen der Erforderlichkeit der uneingeschränkten Verwertbarkeit der Expertise - verpflichtet, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Die ohne einen Beweisantrag erfolgte Einholung eines Privatgutachtens ist schon deswegen nicht zweckentsprechend, weil der Privatsachverständige "nur" als Zeuge über die von ihm erhobenen Befunde zu vernehmen ist und weil eine Verlesung von Privatgutachten gemäß § 252 Abs 1 StPO unzulässig ist (Hinterhofer, WK-StPO, Altes Vorverfahren vor §§ 116 bis 126a Rz 22 und Rz 23). Die vom Privatsachverständigen im Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen können im Urteil gänzlich ignoriert werden, ohne dass damit eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO begründet wird; denn die von Privatgutachtern getroffenen Schlussforderungen sind im Urteil weder feststellungs- noch erklärungsbedürftig, weil ein prozessual relevantes Ziehen von Schlussfolgerungen ausschließlich den gerichtlich bestellten Sachverständigen vorbehalten ist (Hinterhofer, aaO, Rz 24). Der Ersatz der Kosten des Privatgutachtens kommt daher mangels
Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht in Betracht.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 8