Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Einzelrichter Ing.Mag. Kaml in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Angeklagten wegen § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 26. September 2023, GZ **-205, den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. Juni 2023 wurde (hier relevant) A* von dem wider ihn erhobenen Vorwurf des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 177).
Am 21. November 2024 beantragte dieser anschließend (ON 203), ihm gemäß § 393a Abs 1 StPO „idF BGBl I 2023/1“ einen Beitrag von 5.000,- Euro zu seinen Verfahrenskosten (von insgesamt 26.625,84 Euro) als auch seine Barauslagen von 72.303,20 Euro (für die Beiziehung zweier Privatsachverständiger) zuzusprechen (ON 203).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung dieses Angeklagten gemäß § 393a Abs 1 StPO idF BGBl I 2022/152 mit 3.750,- Euro und wies das Mehrbegehren ab (ON 205).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 207) mit dem Begehren, den Verteidigerkostenbeitrag und die Barauslagen antragsgemäß zuzuerkennen.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Wird (soweit hier relevant) ein nicht lediglich auf Grund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten (§ 72 StPO) Angeklagter freigesprochen, so hat ihm der Bund – zufolge der hier aufgrund der vor dem 1. Jänner 2024 erfolgten verfahrensbeendenden Entscheidung (vgl § 516 Abs 12 StPO) anwendbaren Bestimmung des § 393a Abs 1 StPO idF BGBl I 2022/152 - auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen und (abgesehen von einem hier nicht vorliegenden Fall) auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient. Der Pauschalbeitrag darf im Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht den Betrag von 5.000,- Euro nicht übersteigen (Z 2 leg cit). Die in der zitierten Bestimmung normierten gesetzlichen Höchstbeträge sind nicht dahin zu verstehen, dass der (Pauschal-)Beitrag im Fall nachweislich höherer Kosten stets oder auch nur im Regelfall mit dem Höchstbetrag zu bemessen wäre. Die Höhe ist vielmehr entsprechend dem Verhältnis des konkreten Verteidigungsaufwandes zum realistischerweise in Betracht kommenden Höchstaufwand in der jeweiligen Verfahrensart festzusetzen. Bei ganz einfachen Verteidigungsfällen findet die Rechtsprechung den Einstieg etwa bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrages. Die Höhe der vom Verteidiger seinem Mandanten im Innenverhältnis verrechneten Kosten ist für die Bemessung grundsätzlich nicht von Bedeutung. Es ist vielmehr auf die Notwendigkeit bzw Zweckmäßigkeit der Vertretungshandlungen abzustellen. Für die adäquate Ermittlung des Pauschalkostenbeitrages wird in der Rechtsprechung regelmäßig auf den Aktenumfang, die Komplexität der Sach- und Rechtslage im konkreten Fall (etwa die Notwendigkeit, sich mit Gutachten auseinanderzusetzen), den Umfang des Ermittlungsverfahrens (Haftverhandlungen, Beschwerden), allenfalls bestehenden Sprachbarrieren, die Dauer der Hauptverhandlung(en) sowie ein allfälliges Rechtsmittelverfahren abgestellt ( Lendl , WK-StPO § 393a Rz 10, 11 und 13).
Unter diesen Prämissen begegnet die Ausmittlung des Pauschalkostenbeitrages mit 75% des Höchstbetrages aber keinen Bedenken, handelt es sich fallaktuell zwar um ein überdurchschnittlich aufwendiges, aber (auch unter Außerachtlassung extrem aufwändiger Prozesse) keinesfalls ein dem Höchstaufwand nahekommendes Verfahren.
Wenngleich im insgesamt etwas mehr als zwei Jahre andauernden Ermittlungsverfahren nämlich insbesondere eine 9-seitige schriftliche Stellungnahme (ON 53) und zwei Anklageeinsprüche vom Beschwerdeführer eingebracht wurden (ON 59 und ON 143), wobei der zweite Einspruch - ebenso wie von ihm eingebrachte Beschwerden vom 14. Februar 2022 und vom 6. Mai 2022 (vgl ON 99 und ON 113a) - ohnehin erfolglos blieb (vgl ON 149), hatte bereits das Ermittlungsverfahren gegen den auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten lediglich die Aufklärung eines (Untreue-)Faktums zum Inhalt. Ein einen „enormen“ Verteidigungsaufwand rechtfertigendes Ermittlungsverfahren lag somit insgesamt nicht vor.
Mit Blick darauf, dass gegenständlich eine Auseinandersetzung mit zwei Sachverständigengutachten zu erfolgen hatte (ON 96 sowie Beilage ./VI in ON 177), wobei die Komplexität des Verfahrens insbesondere in der Tatfrage (Vorliegen eines branchenüblichen Preises für die verkaufte Software) gelegen hat, und auch eine schriftliche Gegenäußerung eingebracht wurde (ON 161), ist zwar von einem insgesamt umfangreichen Verfahren auszugehen, angesichts der weiteren Umstände, dass der Strafakt bis zur Urteilsfällung moderate 175 Ordnungsnummern aufwies, die Hauptverhandlung – mit Pausen - insgesamt 13 halbe Stunden (ON 166: 17. April 2023, 09.05 Uhr bis 15.52 Uhr; ON 177: 5. Juni 2023, 09.10 Uhr bis 15.30 Uhr) an zwei Tagen – sohin keine längere Zeit (vgl hiezu Danek/Mann, WK StPO § 221 Rz 28) - andauerte, und zudem kein Rechtsmittelverfahren stattfand, nicht jedoch von einem solchen von außergewöhnlichen Umfang.
Der Auseinandersetzung mit dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ersatz der Kosten der von ihm beigezogenen Privatsachverständigen ist voranzustellen, dass es sich dabei um sachkundige Personen handelt, die nicht im Auftrag des Gerichtes oder einer anderen Strafverfolgungsbehörde, sondern auf Ersuchen von Verfahrensbeteiligten Gutachten („Privatgutachten“) erstatten. Da die Auswahl von Sachverständigen ausschließlich der Staatsanwaltschaft (vgl § 126 Abs 3 StPO) bzw dem Gericht (vgl §§ 126 Abs 3, 254 StPO) zukommt, handelt es sich bei diesen Privatsachverständigen nicht um Sachverständige im Sinne der Strafprozessordnung. Ihnen fehlt die Garantie der Unparteilichkeit, weil sie eben gerade auf Veranlassung einer Prozesspartei tätig werden (vgl Hinterhofer , WK-StPO § 125 Rz 23).
Die Bedeutung sogenannter Privatsachverständiger liegt ausschließlich in der persönlichen Information der Parteien und ihrer Vertreter. Die mit besonderem Fachwissen ausgestattete Person darf den Verteidiger in der Hauptverhandlung bei der Fragestellung unterstützen oder selbst Fragen an den Sachverständigen richten (vgl § 249 Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall StPO), um so allenfalls einen Mangel der Expertise im Sinne des § 127 Abs 3 StPO aufzuzeigen.
Privatgutachter können nur als Zeugen und in dieser Eigenschaft nur über den Inhalt der Befundaufnahme, nicht hingegen zu ihren Schlussfolgerungen oder Wertungen vernommen werden. Trotz der Neuregelung des § 222 Abs 3 StPO haben Privatgutachten weiterhin nur die vor BGBl I 2014/71 anerkannte Bedeutung. Mit dieser erfolgten Neuregelung des Sachverständigenbeweises - samt Klarstellung, dass ein Gutachten, auf welches sich die Gegenäußerung (§ 244 Abs 3 StPO) der Verteidigung beruft, Aktenbestandteil wird - hat sich an der rechtlichen Einstufung von Privatgutachten nichts geändert (vgl 14 Os 149/14i; Ratz , ÖJZ 2015/110, 837 mwN). Die Schlüsse eines Privatgutachtens können zwar das Erstgericht bei Ausübung seines Beweiswürdigungsermessens zur Wahrnehmung des Amtsaufklärungsgrundsatzes veranlassen, ob das Gericht sich aber dazu entschließt, ist Sache freier Beweiswürdigung und unterliegt keiner Rechtskontrolle (vgl erneut Ratz , ÖJZ 2015/110, 837). Aus all dem folgt, dass die von Privatsachverständigengutachten gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil gänzlich ignoriert werden können, ohne dass damit eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO begründet wird; denn die von Privatgutachtern getroffenen Schlussfolgerungen sind im Urteil weder feststellungs- noch erklärungsbedürftig, weil – wie oben dargelegt - ein prozessual relevantes Ziehen von Schlussfolgerungen ausschließlich den gerichtlich bestellten Sachverständigen vorbehalten ist (vgl ua OLG Graz, AZ 8 Bs 480/11s; OLG Wien, AZ 18 Bs 317/16y).
Aufwendungen für Privatgutachten (bzw für private Ermittlungen) sind daher - insbesondere mit Blick auf die Verpflichtung von Ermittlungsbehörden und Gerichten zur amtswegigen Wahrheitsforschung - im Allgemeinen nicht notwendig, zumal der Beschuldigte zweckdienliche Beweiserhebungen beantragen kann (OLG Graz, AZ 8 Bs 480/11s; OLG Wien, AZ 18 Bs 317/16y).
In bestimmten Fällen können die Kosten eines Privatgutachtens jedoch ausnahmsweise erstattungsfähig sein, etwa wenn sich die Prozesslage des Angeklagten – aus objektiver ex-ante Sicht – ohne das in Auftrag gegebene Gutachten nachhaltig verschlechtert hätte oder sich das Gutachten (ex-post) als notwendig für die Wahrung seiner Rechte erwiesen hat (vgl Lendl , WK-StPO § 393a Rz 4 mwN).
Gegenständlich lag ein solcher Ausnahmefall jedoch – entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers – nicht vor. In jenen Fällen, in denen sich die Anklageschrift (wie hier) auch auf Befund und Gutachten eines Sachverständigen stützt (vgl ON 139 S 8 iVm ON 96), kann der Gegenäußerung zwar eine Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen angeschlossen werden, jedoch wird eine solche private Expertise nur dann zwingend Bestandteil des Aktes, wenn diese der Begründung eines gleichzeitig gestellten Beweisantrags dienen soll. Der Gegenäußerung des Beschwerdeführers zur Anklageschrift ist hingegen gerade kein solcher Beweisantrag zu entnehmen (vgl ON 161) und wurde ein solcher auch in der Hauptverhandlung vom 17. April 2023 nicht gestellt (ON 166).
Die Bestellung von Dr. B* aus dem Fachbereich der Betriebswirtschaft zum Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens zur Frage der Kosten der Software (abgesehen von den reinen Programmierkosten) erfolgte vielmehr durch die Vorsitzende des Schöffengerichts von Amts wegen (vgl ON 170), weshalb schon allein deshalb – auch bei einer ex-ante Betrachtung - die Einholung der Privatgutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (vgl Öner, LiK-StPO § 393a Rz 13; RIS-Justiz RG0000074).
Zumal der Beschwerdeführer überdies weder in seinem Antrag vom 21. November 2024 noch in seiner Beschwerde Vorbringen dazu erstattete, weshalb die durchgehende und (die Verteidigung) begleitende Verfolgung der Hauptverhandlung durch die beiden Privatsachverständigen im bezeichneten Sinn erforderlich war, und sich eine solche Notwendigkeit auch dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht entnehmen lässt (vgl ON 166 und ON 177), erfolgte auch diesbezüglich vom Erstgericht zutreffend kein Zuspruch der dafür vom Beschwerdeführer aufgewendeten Barauslagen.
Da der angefochtene Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen gerichteten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Gegen diese Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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