1Ob14/25b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*-GmbH Co KG, *, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (richtig gemäß § 6 Abs 2 COFAG-NoAG: Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 437.623,11 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2024, GZ 5 R 160/24x-17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. Juli 2024, GZ 21 Cg 7/24a 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin betreibt als Pächterin ein Hotel in Wien. Das – im Revisionsverfahren nicht mehr strittige – Pachtverhältnis wurde vom 31. 1. 2019 bis zum 31. 1. 2049 auf 30 Jahre befristet. Das Hotel war vom 23. 3. 2020 bis 30. 6. 2020 geschlossen. Seit 1. 7. 2020 betrieb die Klägerin das Hotel durchgehend.
[2] Mit Schreiben vom 3. 4. 2020 ersuchte die Klägerin ihre Verpächterin aufgrund der COVID-19Pandemie „um den Erlass (von Teilen) der Pachtzinszahlung“ für den Zeitraum von zunächst drei Monaten ab 1. 4. 2020. Die Verpächterin lehnte mit Schreiben vom 5. 5. 2020 eine „Befreiung von der Pachtzahlungspflicht sowie einen Erlass der Pacht“ ab. Über Ersuchen der Klägerin vom 4. 8. 2020 stimmte die Verpächterin einer Stundung des Pachtzinses für das zweite und das dritte Quartal 2020 zu. Die Klägerin erklärte gegenüber der Verpächterin hinsichtlich der Pachtzinszahlungen für das Jahr 2020 und für die erste Hälfte des Jahres 2021, diese unter Vorbehalt einer späteren Rückforderung zu zahlen (Beilage ./V, vgl RS0121557 [T3]).
[3] Die Klägerin beantragte am 21. 10. 2020 für den Zeitraum vom 16. 3. 2020 bis 15. 6. 2020 die Gewährung des Fixkostenzuschusses I („FKZ I“). Der Antrag wurde bewilligt und die Fördersumme in der Höhe von 328.566 EUR zur Gänze ausgezahlt. Am 21. 6. 2021 beantragte die Klägerin für die Zeiträume vom 16. 9. 2020 bis 31. 10. 2020 und vom 1. 1. 2021 bis 30. 6. 2021 die Gewährung des Fixkostenzuschusses 800.000 („FKZ 800.000“). Auch dieser Antrag wurde bewilligt und die erste Tranche in der Höhe von 631.463,01 EUR an die Klägerin ausgezahlt. In beiden Anträgen setzte die Klägerin als „Fixkosten“ die gesamten in den jeweiligen Betrachtungszeiträumen an die Verpächterin gezahlten Pachtzinse an. Am 28. 6. 2022 beantragte die Klägerin für den Zeitraum vom 1. 7. 2021 bis 31. 12. 2021 die Gewährung des Verlustersatzes II („VE-II“). Der Antrag wurde in der Höhe von 279.757,36 EUR bewilligt; eine Auszahlung erfolgte nicht.
[4] Mit zwei E-Mails vom 4. 9. 2023 erhob die COVID 19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH („COFAG“) als Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Klägerin Rückforderungsansprüche aus dem FKZ 800.000 in der Höhe von 299.790,67 EUR und aus dem FKZ I in der Höhe von 180.532,72 EUR, somit insgesamt von 480.323,39 EUR. Sie rechnete die Rückforderungsansprüche gegen die bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Förderbeträge aus dem FKZ 800.000 und dem VEII in der Gesamthöhe von 437.623,11 EUR auf und forderte die Klägerin auf, der Beklagten das sich aus der „Gegenrechnung“ ergebende Guthaben von 42.700,28 EUR binnen 30 Tagen zu überweisen (Beilage ./J, vgl RS0121557 [T3]).
[5] Die Klägerin begehrt die Zahlung der zweiten Tranche des FKZ 800.000 von 157.865,75 EUR und die Zahlung des VE II von 279.757,36 EUR, insgesamt 437.623,11 EUR sA.
[6] Die Beklagtewendete ein, sie habe gegen die Klageforderung mit Rückforderungsansprüchen aus dem FKZ 800.000 und aus dem FKZ I in der Höhe von insgesamt 480.323,39 EUR aufgerechnet. Sie brachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, das Pachtobjekt sei aufgrund der behördlichen Betretungsverbote nur eingeschränkt nutzbar gewesen. Die Klägerin hätte daher in den Förderanträgen die Pachtzinse – unabhängig von allfälligen Ansprüchen gegenüber ihrer Verpächterin nach §§ 1104 f ABGB – für die Zeiträume der Betretungsverbote nur in Korrelation zur eingeschränkten Nutzung, somit niedriger ansetzen dürfen. Ihr seien gemäß § 3b Abs 5 bis 7 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 Rückforderungsansprüche zugestanden, mit denen sie außergerichtlich gegen die gegenständlichen Klagean sprüche aufgerechnet habe. Die Klageforderung bestehe daher nicht zu Recht.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
[9] Der Zw eck der durch die Novellierung des ABBAG-Gesetzes idF BGBl I 2021/228 eingeführten Bestimmungen liege darin, Fixkostenzuschüsse insoweit vom Bestandnehmer zurückzufordern, als ihre Auszahlung darauf zurückzuführen gewesen sei, dass der Bestandnehmer bei der Beantragung nicht geschuldete Bestandzinsen – bei denen es entweder zu einem Entfall oder zu einer Minderung der Zinszahlungspflicht hätte kommen können – als Fixkosten angesetzt habe. Der Beklagten stehe ein Rückforderungsanspruch somit nur dann zu, wenn die Klägerin im Rahmen der Förderanträge Pachtzinse angesetzt hätte, die sie der Verpächterin tatsächlich nicht geschuldet habe. Aufgrund der ein Jahr übersteigenden Pachtdauer sei der Klägerin gegenüber der Verpächterin aufgrund der (nur) eingeschränkten Benutzbarkeit des Pachtobjekts kein Anspruch auf Pachtzinsminderung nach § 1105 ABGB zugestanden. Da sie in ihren Förderanträgen als Fixkosten ausschließlich tatsächlich geschuldete Pachtzinsen angesetzt habe, stehe der Beklagten kein Rückforderungsanspruch zu.
[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Rückforderung von Zuschüssen au fgrund von § 3b Abs 5 und 7 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 vorliege, deren Höhe von getätigten Bestandzinszahlungen während der Zeiträume eines behördlichen Betretungsverbots abhänge.
[11] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, „die Klage“ abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[12] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und mit ihrem hilfsweise erhobenen Aufhebungsantrag auch berechtigt.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens
[14] Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur behauptete Rückforderungsansprüche der Beklagten, mit denen sie außergerichtlich gegenüber der Klageforderung aufgerechnet hat. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das Pachtobjekt während der Zeiträume der behördlichen Betretungsverbote, die sich in unterschiedlicher Ausprägung über den gesamten Zeitraum des von der Klägerin beantragten FKZ I (16. 3. 2020 bis 15. 6. 2020) und des FKZ 800.000 (16. 9. 2020 bis 31. 10. 2020 sowie 1. 1. 2021 bis 30. 6. 2021) erstreckten, nicht gänzlich, sondern nur teilweise unbrauchbar war.
[15] Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass die Klägerin aufgrund der – während der Betretungsverbote – eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Pachtobjekts in den Förderanträgen für den FKZ I und für den FKZ 800.000 einen entsprechend dem Ausmaß der tatsächlichen Nutzung geringeren Pachtzins ansetzen hätte müssen.
[16] Aus den „Fragen und Antworten zum Fixkostenzuschuss“ („FAQ“), die Bestandteil der Förderverträge geworden seien, ergebe sich, dass die Förderverträge unter Vorbehalt der Klärung der Rechtslage hinsichtlich einer Rückforderung abgeschlossen worden seien. Mit § 3b Abs 5 bis 8 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 sei die Rechtslage nunmehr dahin geklärt worden, dass Bestandzinse bei der Ermittlung der Höhe der Förderungsmaßnahmen für Zeiträume beh ördlicher Betretu ngsverbote nur im Umfang der tatsächlichen Nutzbarkeit für die vertraglich bedungenen Zwecke zu berücksichtigen seien. Bei der in § 3b ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 enthaltenen Rückforderungsbestimmung handle es sich um eine eigenständige, von den §§ 1104, 1105 ABGB unabhängige Regelung, die nicht zwischen Miete und Pacht differenziere. A ufgrund der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Pachtobjekts seien der Beklagten gegenüber der Klägerin Rückforderungsansprüche von insgesamt 480.323,39 EUR zugestanden, deren Höhe sich aus den Verordnungen zum FKZ I und zum FKZ 800.000 ergäben. Da sie mit den Rückforderungsansprüchen aufgerechnet habe, bestehe die Klageforderung nicht zu Recht.
[17]Die Klägerin bestreitet die Rückforderungsansprüche. Sie habe sämtliche Förderkriterien erfüllt, indem sie mit der Verpächterin Verhandlungen über eine Pachtzinsminderung geführt und zumindest eine Verlängerung des Zahlungszieles erreicht habe. Sie habe den Pachtzins gegenüber der Verpächterin nur unter Vorbehalt der späteren Rückforderung gezahlt und damit den FAQ der Beklagten entsprochen. Der Zweck der Rückforderungsregelung liege darin, eine Überförderung aufgrund des Ersatzes von tatsächlich nicht geschuldeten, aber in Unterlassung der Schadensminderungspflicht dennoch gezahlter Bestandzinsen zu vermeiden. Da ihr aufgrund der (bloß) eingeschränkten Nutzbarkeit des Pachtobjekts während der Betretungsverbote kein Anspruch auf Pachtzinsminderung gegenüber ihrer Verpächterin nach §§ 1104 f ABGB zustehe, habe sie den Förderanträgen zu Recht die gesamten tatsächlich angefallenen Pachtzinsen als Fixkosten zugrunde gelegt.
2. Zum rechtlichen Rahmen
[18] 2.1. Die Beklagte stützt ihre Rückforderungsansprüche auf § 3b Abs 5 und 7 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 sowie auf die Verordnungen des Bundesministers für Finanzen gemäß § 3b Abs 3 des ABBAG Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zur Deckung von Fixkosten durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH („FKZ-VO“, Stammfassung BGBl II 2020/225) und betreffend Richtlinien über die Gewährung eines begrenzten Fixkostenzuschusses bis 800.000 EUR durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH („FKZ 800.000 VO“, Stammfassung BGBl II 2020/497). Sowohl das ABBAG Gesetz als auch die beiden Verordnungen wurden mehrmals novelliert:
[19] 2.1.1. Das Bundesgesetz über die Einrichtung und den Betrieb einer Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG Gesetz) (Stammfassung BGBl I 2014/51) wurde nach Ausbruch der Corona-Pandemie mit dem COVID-19 Gesetz (BGBl I 2020/12) zur Ermöglichung finanzieller Hilfen an Unternehmen in mehreren Punkten ergänzt. Als Unternehmensgegenstand der Gesellschaft wurde in § 2 Abs 1 mit der Z 3 die Erbringung von Dienstleistungen und das Ergreifen von „finanziellen Maßnahmen zugunsten von Unternehmen gemäß § 3b Abs 1, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten dieser Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS CoV 2 und den dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen geboten sind“, ergänzt. Diese Änderungen traten mit 16. 3. 2020 in Kraft.
[20] 2.1.2. Mi t BGBl I 2021/228 wurde das ABBAG Gesetz (erneut) novelliert und dem § 3b neue Bestimmungen angefügt (§ 3b Abs 3 Z 6 und Abs 5 bis 8). Sie enthalten Regelungen und eine Verordnungsermächtigung zur Rückforderung von Leistungen, deren Höhe von Aufwendungen des begünstigten Unternehmens während eines Betretungsverbots abhängt.
[21] § 3b ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 lautet auszugsweise:
„ Richtlinien zur Gewährung von finanziellen Maßnahmen
[…]
(3) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes per Verordnung Richtlinien zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten haben und die auch im Internet zur Abfrage bereit zu halten sind:
[…]
Z 6. Rückforderungen.
[...]
(5) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler in den nach Abs. 3 zu erlassenden Richtlinien eine betragliche Grenze für jene Fälle vorzusehen, in denen die Höhe einer bereits ausbezahlten anteiligen finanziellen Maßnahme von Aufwendungen des begünstigten Unternehmens abhängt, die für Zeiträume eines behördlichen Betretungsverbotes getätigt wurden und Bestandszinszahlungen beinhaltet haben. Rückforderungen solcher anteiliger finanzieller Maßnahmen haben insoweit zu erfolgen, als sie die betragliche Grenze überschreiten und das Bestandsobjekt infolge des behördlichen Betretungsverbotes tatsächlich nicht nutzbar war. Die betragliche Grenze beträgt EUR 12.500 pro Kalendermonat und begünstigtem Unternehmen und gilt als bewilligt im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 (BHG 2013), BGBl. I Nr. 139/2002 idF BGBl. I Nr. 153/2020.
(6) Rückforderungen von anteiligen finanziellen Maßnahmen nach Abs. 5 bis zur Höhe der betraglichen Grenze haben nur insoweit zu erfolgen, als das begünstigte Unternehmen bezahlte Bestandszinsen nachträglich ganz oder teilweise vom Bestandgeber oder von dritter Seite zurückbekommt.
(7) Für den Umfang der Auszahlung von finanziellen Maßnahmen und für die Höhe einer allfälligen Rückforderung nach Abs. 5 ist die tatsächliche Nutzbarkeit des Bestandsobjektes in jenen Zeiträumen, in welchen das begünstigte Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, maßgeblich. Diese tatsächliche Nutzbarkeit kann auch auf der Grundlage des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalles berechnet werden.
(8) Die vorstehenden Abs. 5 bis 7 treten mit Ablauf des 31. 12. 2021 in Kraft. Sofern diese Absätze die Behandlung von Rückforderungen betreffen, sind sie auf jene finanziellen Maßnahmen gemäß § 2 Abs. 2 Z 7 anzuwenden, die bis zum 31. 12. 2021 beantragt werden. “
[22] 2.1.3. Mit dem COFAG Sammelgesetz, BGBl I 2024/86, wurde das COFAG Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz (COFAG-NoAG) erlassen, das am 19. 7. 2024 in Kraft getreten ist (vgl § 25 COFAG NoAG). Mit dem COFAG Sammelgesetz wurde auch das ABBAG Gesetz geändert und § 3b ABBAG Gesetz mit 1. 8. 2024 aufgehoben. Die Regelungen des § 3b Abs 5 bis 7 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 werden im Wesentlichen inhaltsgleich in § 3 Abs 4 bis 6 COFAG-NoAG übernommen und ein neuer Abs 7 mit folgendem Inhalt hinzugefügt:
„(7) Eine tatsächliche Nutzbarkeit des Bestandobjektes im Sinne des Abs. 6 ist jedenfalls nicht gegeben, soweit einem Antragsteller oder Vertragspartner gegenüber dem Bestandgeber nach den Bestimmungen der §§ 1104 und 1105 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) ein Anspruch auf Bestandzinsminderung zugestanden ist oder im Falle einer davon abweichenden Vereinbarung zugestanden wäre. Eine abweichende Vereinbarung ist bei der Festsetzung der Auszahlung von finanziellen Maßnahmen sowie eines allfälligen Rückforderungs- oder Rückerstattungsanspruchs nur zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller oder Vertragspartner der zuständigen Behörde (§§ 8, 17) nachweist, dass diese Vereinbarung sachgerecht und nicht zur Erlangung einer Förderung abgeschlossen wurde. Ebenso hat der Antragsteller oder Vertragspartner nachzuweisen, ob und in welcher Höhe ihm ein Anspruch auf Bestandzinsminderung zugestanden ist. “
[23] 2.2. Die Beklagte behauptet Rückforderungsansprüche aus dem FKZ I und dem FKZ 800.000, mit denen sie gegenüber der Klageforderung aufgerechnet habe.
[24] Nach den Feststellungen erhob sie die Rückforderungsansprüche gegenüber der Klägerin mit den beiden E-Mails vom 4. 9. 2023, in denen sie auch erklärte, mit den noch nicht ausgezahlten Förderbeträgen des FKZ 800.000 und des VE II aufzurechnen.
[25] Maßgeblich für die Berechtigung der Rückforderungsansprüche ist daher die Rechtslage zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung und Abgabe der Aufrechnungserklärung durch die Beklagte gegenüber der Klägerin mit den E-Mails vom 4. 9. 2023.
[26] 2.2.1. § 3b Abs 8 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 ordnet eine Rückwirkung der Abs 5 bis 7 insofern an, als diese – trotz ihres Inkrafttretens (erst) mit 1. 1. 2022 – auf Rückforderungen finanzieller Maßnahmen, die bis zum 31. 12. 2021 beantragt wurden, anzuwenden sind.
[27] Die Anträge der Klägerin auf Gewährung des FKZ I und des FKZ 800.000 stammen vom 21. 10. 2020 und vom 21. 6. 2021, somit jeweils vor dem 31. 12. 2021. § 3b Abs 5 bis 7 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 ist daher auf den behaupteten Rückforderungsanspruch der gewährten Fördermaßnahmen anzuwenden. Dies wird von der Klägerin im Revisionsverfahren auch nicht mehr in Zweifel gezogen.
[28] 2.2.2. Hingegen kommt das COFAG NoAG, das nicht mehr einen zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch, sondern einen öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruch normiert, nicht zur Anwendung, weil dieses zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs und der Abgabe der Aufrechnungserklärung durch die Beklagte am 4. 9. 2023 weder in Kraft getreten war noch eine Rückwirkung der dort in § 3 Abs 4 bis 7 enthaltenen Rückforderungsbestimmungen vorsieht.
[29] 2.3. Gemäß § 3b Abs 3 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 wurde der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, mit Verordnung Richtlinien zu erlassen, die unter anderem Regelungen über die Rückforderung zu enthalten haben.
[30] Diese Bestimmung war die Grundlage für die FKZ VO (Stammfassung BGBl II 2020/225, Inkrafttreten 26. 5. 2020) und für die FKZ 800.000-VO (Stammfassung BGBl II 2020/497, Inkrafttreten 24. 11. 2020).
[31] 2.3.1. Die FKZ VO und die FKZ 800.000 VO wurden am 15. 3. 2022 mit BGBl II 2022/111 bzw BGBl II 2022/112 novelliert. Beide Novellen sind am 16. 3. 2022 in Kraft getreten und erstrecken sich auf Auszahlungen, die – so wie hier – bis spätestens 31. 8. 2021 beantragt wurden (Punkt 4.6.1 Anhang zur FKZ VO bzw Punkt 4.6.1 Anhang zur FKZ 800.000 VO).
[32] 2.3.2. Der Anhang zur FKZ VO idF BGBl II 2022/111 lautet auszugsweise:
„ RICHTLINIEN
[…]
3 Begünstigte Unternehmen
3.1 Fixkostenzuschüsse nach diesen Richtlinien dürfen nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen nachstehende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
[…]
3.1.7 das Unternehmen hat zumutbare Maßnahmen gesetzt, um die durch den Fixkostenzuschuss zu deckenden Fixkosten zu reduzieren (Schadensminderungspflicht mittels ex ante Betrachtung).
[…]
4 Fixkostenzuschuss
4.1 Definition Fixkosten
4.1.1 Fixkosten im Sinne dieser Richtlinien sind ausschließlich Aufwendungen aus einer operativen inländischen Geschäftstätigkeit des Unternehmens, die im Zeitraum vom 16. März 2020 bis 15. September 2020 entstehen und unter einen oder mehrere der folgenden Punkte fallen:
(a) Geschäftsraummieten und Pacht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen;
[…]
4.1.3. Werden Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a für Zeiträume geltend gemacht, in denen das antragstellende Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, sind diese Fixkosten bei der Berechnung des Fixkostenzuschusses nur insoweit zu berücksichtigen, als das jeweilige Bestandsobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war. Das Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit ist anhand geeigneter Aufzeichnungen vom antragstellenden Unternehmen nachzuweisen. Als Nachweis können zwischen Bestandsgeber und Bestandsnehmer rechtswirksam abgeschlossene Vereinbarungen herangezogen werden, die den Grundsätzen des Fremdvergleichs entsprechen und eine endgültige Einigung auf eine aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit sachgerechte (ex ante Betrachtung) Bestandszinsminderung beinhalten. Liegt keine diese Voraussetzungen erfüllende Vereinbarung vor, kann die tatsächliche Nutzbarkeit auch vereinfachend anhand des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalls ermittelt werden; dabei ist der für die Beantragung des Fixkostenzuschusses nach Punkt 4.2 ermittelte Prozentsatz des Umsatzausfalls als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen. Insoweit der Umsatzausfall dem Bestandsobjekt zuzurechnen ist, entspricht der sich daraus ergebende Prozentsatz dem prozentuellen Anteil der im Bestandsvertrag vereinbarten Bestandszinsen, der aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandsobjektes nicht als Fixkosten geltend gemacht werden kann. Sind nur Teile eines Bestandsobjektes von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen, so können die von einem behördlichen Betretungsverbot nicht betroffenen Flächen bei der Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit außer Ansatz bleiben, wenn diesen Flächen aufgrund eines gesonderten Ausweises im Bestandsvertrag ein konkreter Teil des Bestandszinses zugeordnet werden kann.
[…]
8 Prüfung der Fixkostenzuschüsse, Rückzahlung von Fixkostenzuschüssen
[…]
8.4 Wurde von der COFAG ein (anteiliger) Fixkostenzuschuss für Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a gewährt, die für Zeiträume, in denen das Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, geltend gemacht wurden und unterschreitet der gemäß Punkt 4.1.3 zu berücksichtigende Betrag den von der COFAG für diese Fixkosten im Rahmen der Berechnung des gewährten Fixkostenzuschusses herangezogenen Betrag, hat eine anteilige Rückforderung des Fixkostenzuschusses durch die COFAG, in dem Ausmaß, in dem für den Differenzbetrag ein Fixkostenzuschuss gewährt wurde, zu erfolgen. Überschreitet der von der COFAG für diese Fixkosten gewährte (anteilige) Fixkostenzuschuss die betragliche Grenze (Relevanzgrenze) des § 3b Abs. 5 ABBAG-Gesetz, BGBl. I Nr. 51/2014, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 228/2021, nicht, hat eine Rückforderung nur zu erfolgen, wenn es nachträglich zu einer tatsächlichen Aufwandsminderung beim Unternehmen hinsichtlich der geltend gemachten Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a kommt. Nach Punkt 6.2.6 hat der Antragsteller eine entsprechende tatsächliche Aufwandsminderung der COFAG unverzüglich schriftlich bekannt zu geben. “
[33] 2.3.3. Der Anhang zur FKZ 800.000-VO idF BGBl II 2022/112 lautet auszugsweise:
„ RICHTLINIEN
[…]
4 Ermittlung und Höhe des FKZ 800.000
4.1 Definition Fixkosten
4.1.1 Fixkosten im Sinne dieser Richtlinien sind ausschließlich Aufwendungen aus einer operativen inländischen Geschäftstätigkeit des Unternehmens, die unter einen oder mehrere der folgenden Punkte fallen:
(a) Geschäftsraummieten und Pacht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen; dies gilt auch für die Miete und Pacht von im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehenden Standplätzen beziehungsweise Verkaufsstellen;
[…]
4.1.4 Werden Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a für Zeiträume geltend gemacht, in denen das antragstellende Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, sind diese Fixkosten bei der Berechnung des FKZ 800.000 nur insoweit zu berücksichtigen, als das jeweilige Bestandsobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war. Das Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit ist anhand geeigneter Aufzeichnungen vom antragstellenden Unternehmen nachzuweisen. Als Nachweis können zwischen Bestandsgeber und Bestandsnehmer rechtswirksam abgeschlossene Vereinbarungen herangezogen werden, die den Grundsätzen des Fremdvergleichs entsprechen und eine endgültige Einigung auf eine aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit sachgerechte (ex ante Betrachtung) Bestandszinsminderung beinhalten. Liegt keine diese Voraussetzungen erfüllende Vereinbarung vor, kann die tatsächliche Nutzbarkeit auch vereinfachend anhand des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalls ermittelt werden; dabei ist der für die Beantragung des FKZ 800.000 nach Punkt 4.2 ermittelte Prozentsatz des Umsatzausfalls als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen. Insoweit der Umsatzausfall dem Bestandsobjekt zuzurechnen ist, entspricht der sich daraus ergebende Prozentsatz dem prozentuellen Anteil der im Bestandsvertrag vereinbarten Bestandszinsen, der aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandsobjektes nicht als Fixkosten geltend gemacht werden kann. Sind nur Teile eines Bestandsobjektes von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen, so können die von einem behördlichen Betretungsverbot nicht betroffenen Flächen bei der Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit außer Ansatz bleiben, wenn diesen Flächen aufgrund eines gesonderten Ausweises im Bestandsvertrag ein konkreter Teil des Bestandszinses zugeordnet werden kann.
[…]
8 Prüfung und Rückzahlung des FKZ 800.000
[…]
8.3 Eine verpflichtende Rückforderung gewährter Zuschüsse durch die COFAG hat vorbehaltlich Punkt 8.4 aufgrund einer nachträglichen Überprüfung nur unter der Voraussetzung zu erfolgen, dass es bei der nachträglichen Überprüfung zu einer der folgenden Feststellungen kommt:
(a) eine Ermittlung des nachträglich überprüften FKZ 800.000 nach den Vorgaben dieser Richtlinien ergibt einen Betrag, der um mehr als 3% den Betrag des gewährten beziehungsweise ausbezahlten FKZ 800.000 unterschreitet; oder
[...]
8.5 Wurde von der COFAG ein (anteiliger) FKZ 800.000 für Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a gewährt, die für Zeiträume, in denen das Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, geltend gemacht wurden und unterschreitet der gemäß Punkt 4.1.4 zu berücksichtigende Betrag den von der COFAG für diese Fixkosten im Rahmen der Berechnung des gewährten FKZ 800.000 herangezogenen Betrag, hat eine anteilige Rückforderung des FKZ 800.000 durch die COFAG, in dem Ausmaß, in dem für den Differenzbetrag ein FKZ 800.000 gewährt wurde, zu erfolgen. Wurde der FKZ 800.000 bis zum 31. Dezember 2021 beantragt und überschreitet der von der COFAG für diese Fixkosten gewährte (anteilige) FKZ 800.000 die betragliche Grenze (Relevanzgrenze) des § 3b Abs. 5 ABBAG-Gesetz, BGBl. I Nr. 51/2014, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 228/2021, nicht, hat eine Rückforderung nur zu erfolgen, wenn es nachträglich zu einer tatsächlichen Aufwandsminderung beim Unternehmen hinsichtlich der geltend gemachten Fixkosten nach Punkt 4.1.1 lit. a kommt. Nach Punkt 6.2.7 hat der Antragsteller eine entsprechende tatsächliche Aufwandsminderung der COFAG unverzüglich schriftlich bekannt zu geben.
[...] “
[34] 2.3.4. Gemäß § 3 Abs 1 COFAG-NoAG sind die in § 2 Abs 9 leg cit angeführten Verordnungen auf Förderanträge, die bis zum Ende der für diese vorgesehenen Fristen eingebracht wurden, weiter anzuwenden.
[35] Zu diesen Verordnungen zählt nach § 2 Abs 9 Z 2 COFAG NoAG die FKZ-VO, BGBl II 2020/225 in der jeweils geltenden Fassung, sowie gemäß § 2 Abs 9 Z 5 COFAG NoAG die FKZ 800.000 VO, BGBl II 2020/497 in der jeweils geltenden Fassung.
[36] 2.4. Ob und in welcher Höhe der Beklagten am 4. 9. 2023 Rückforderungsansprüche aus der Gewährung des FKZ I und des FKZ 800.000 zugestanden sind, ist daher unter Zugrundelegung des § 3b ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 und den beiden Verordnungen zum FKZ I und zum FKZ 800.000, jeweils in den zum 4. 9. 2023 geltenden Fassungen zu klären.
3. Zur Rückforderung des FKZ I und des FKZ 800.000
[37] 3.1. Gemäß § 3b Abs 5 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 betreffen Rückforderungen jene anteiligen finanziellen Maßnahmen, die von Aufwendungen des Unternehmers abhängen, die für Zeiträume eines behördlichen Betretungsverbots getätigt wurden und Bestandzinszahlungen beinhaltet haben.
[38] Jene Fixkostenzuschüsse, die die Klägerin für Pachtzinsen erhalten hat, die ihr während der Betretungsverbote entstanden sind und die sie in ihren Förderansuchen für den FKZ I und den FKZ 800.000 als Fixkosten angesetzt hat, fallen grundsätzlich unter die Rückforderungsbestimmung des § 3b ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228.
[39] 3.2Die Klägerin hält dem Rückforderungsanspruch entgegen, aufgrund der nur eingeschränkten Nutzbarkeit des Pachtobjekts während der Betretungsverbote habe sie gegenüber ihrer Verpächterin keinen Anspruch auf Pachtzinsminderung nach den §§ 1104, 1105 ABGB. Eine Rückforderung sei aber nur für Pachtzinsen zulässig, die sie gegenüber der Verpächterin tatsächlich nicht geschuldet, aber dennoch bezahlt habe.
[40] 3.2.1.Die §§ 1104 und 1105 ABGB regeln die Gefahrtragung beim Bestandvertrag (OGH 10 Ob 9/22d Rz 20; VfGH G 69/2024).
[41]Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, unter anderem wegen einer „Seuche“, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, ist nach dem sowohl auf Miet- als auch auf Pachtverhältnisse anzuwendenden § 1104 ABGB kein Mietoder Pachtzins zu entrichten (1 Ob 83/24y Rz 42, 53 mwN).
[42]Hingegen differenziert § 1105 ABGB bei teilweiser Unbenutzbarkeit von Bestandobjekten zwischen Miet- und Pachtverträgen (1 Ob 178/22s Rz 3 mwN). Nach § 1105 Satz 1 ABGB wird dem Mieter, der trotz eines solchen Zufalls (§ 1104 ABGB) einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks behält, auch ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Nach Satz 2 leg cit gebührt dem Pächter „ein Erlaß an dem Pachtzinse, wenn durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen des nur auf ein Jahr gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind.“
[43] 3.2.2. Ist das Bestandverhältnis daher – so wie hier – als Pacht zu qualifizieren, setzt eine Zinsminderung wegenteilweiser Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts voraus, dass das Pachtverhältnis – anders als hier – nicht länger als ein Jahr besteht (vgl auch 1 Ob 181/22g Rz 26; 9 Ob 31/22g Rz 16; 5 Ob 124/24g Rz 13). Diese Regelung gilt auch für die Unternehmenspacht (RS0024906; 1 Ob 181/22g Rz 45).
[44] 3.2.3. Unstrittig ist, dass der Klägerin für die Zeiträume des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs der Beklagten kein Anspruch gegenüber ihrer Verpächterin auf Pachtzinsminderung zustand.
[45] 3.3. § 3b ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 unterscheidet Rückforderungen, die die betragliche Grenze von 12.500 EUR pro Kalendermonat und pro begünstigtem Unternehmen übersteigen (§ 3b Abs 5 ABBAG-Gesetz) und Rückforderungen bis zur Höhe dieser betraglichen Grenze (§ 3b Abs 6 ABBAG-Gesetz).
3.3.1. Rückforderungen bei Überschreitung der betraglichen Grenze von 12.500 EUR:
[46] Gemäß § 3b Abs 5 Satz 1 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 haben Rückforderungen nur insoweit zu erfolgen, als sie die betragliche Grenze überschreiten und das Bestandobjekt infolge des behördlichen Betretungsverbots tatsächlich nicht nutzbar war.
[47] Eine Rückforderung hat nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bei Überschreiten der betraglichen Grenze von 12.500 EUR in dem Umfang zu erfolgen, als das Bestandobjekt aufgrund des Betretungsverbots tatsächlich nicht nutzbar war. Daraus ergibt sich, dass als Fixkosten in den Förderanträgen nur jene Bestandzinsen angesetzt werden dürfen, die anteilsmäßig der tatsächlichen Nutzbarkeit entsprechen.
[48] Konnte das Bestandobjekt aufgrund des Betretungsverbots – so wie hier – nur teilweise genutzt werden, so dürfen dem Förderansuchen nicht die gesamten tatsächlich angefallenen Bestandzinsen zugrunde gelegt werden, sondern nur jener Anteil, der dem Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit entspricht. Die Höhe der Förderung hängt somit von dem Umfang der tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandobjekts ab.
[49] Für eine Rückforderung kommt es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes – unabhängig von einem allenfalls aus den Gesetzesmaterialien (StProtNR 27. GP, 137. Sitzung 133 f)ableitbaren anderen Standpunkt (RS0085990 [T1]) – ausschließlich darauf an, in welchem Ausmaß das Bestandobjekt tatsächlich nutzbar war. In welchem Ausmaß die Bestandzinsen tatsächlich gegenüber der Verpächterin geschuldet waren, ist hingegen nicht entscheidend. Für die von der Kläg erin vertretene Auslegung bietet § 3b Abs 5 ABBAG Gesetz idF BGBl I 2021/228 sch on deshalb keinen Raum, weil dieser auf die tatsächliche Nutzbarkeit des Bestandobjekts und nicht darauf abstellt, inwieweit der Pachtzins tatsächlich geschuldet war.
3.3.2. Rückforderungen bis zur betraglichen Grenze von 12.500 EUR:
[50] § 3b Abs 6 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 ordnet Rückforderungen nach Abs 5 „bis zur Höhe der betraglichen Grenze“ insoweit an, als „das begünstigte Unternehmen bezahlte Bestandzinsen nachträglich ganz oder teilweise vom Bestandgeber oder dritter Seite zurückbekommt“.
[51] Rückforderungen ausbezahlter FKZ I und FKZ 800.000, die den Betrag von 12.500 EUR pro Monat nicht überschreiten, dürfen nur dann erfolgen, wenn der Förderungsempfänger die Bestandzinsen nachträglich vom Bestandgeber oder von dritter Seite tatsächlich zurückbekommt.
[52] Auch hier stellt der Gesetzgeber nicht darauf ab, ob der Bestandnehmer den Bestandzins tatsächlich schuldet oder nicht, sondern darauf, ob der Bestandnehmer den Bestandzins oder einen Teil davon nachträglich – entweder gestützt auf §§ 1104 f ABGB oder auch aufgrund einer Vereinbarung – vom Bestandgeber oder von dritter Seite tatsächlich zurückbekommen hat.
[53] 3.4. Die zur Anwendung kommenden Verordnungen (FKZ-VO idF BGBl II 2022/111 und FKZ 800.000-VO idF BGBl II 2022/112) lassen – aufgrund des klaren Wortlauts – ebenfalls keinen Auslegungsspielraum zu:
[54] Punkt 4.1.3. des Anhangs zur FKZ VO und Punkt 4.1.4. des Anhangs zur FKZ 800.000 VO sehen vor, dass Fixkosten nach Punkt 4.1.1. lit a (das sind Geschäftsraummieten und Pacht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen), die für Zeiträume behördlicher Betretungsverbote geltend gemacht wurden, von denen das Unternehmen betroffen war, bei der Berechnung des Fixkostenzuschusses nur insoweit zu berücksichtigen sind, als das Bestandobjekt in den relevanten Zeiträumen für die bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war.
[55] Die Verordnungen stellen für die Höhe des Fixkostenzuschusses allein darauf ab, inwieweit das Bestandobjekt für die vertraglich vereinbarten Zwecke (tatsächlich) nutzbar war. Ein Hinweis darauf, dass die Höhe des Fixkostenzuschusses davon abhängen soll, inwiefern die Bestandzinsen vom Bestandnehmer dem Bestandgeber gegenüber geschuldet sind, findet sich auch in den beiden Verordnungen nicht.
3.5. Diese Auslegung deckt sich auch mit der Rechtsansicht des VfGH zu G 69/2024 , V 42/2024:
[56] Danach ergebe sich aus § 3b Abs 5 bis 8 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 bzw § 3 Abs 4 bis 7 COFAG-NoAG und den Bestimmungen der FKZ-VO, dass bei der Rückforderung von Fixkostenzuschüssen nicht zwischen Bestandzinsen und Pachtzinsen unterschieden werde. Für jegliche Fallkonstellationen stellen die gesetzlichen und Verordnungsregelungen auf die tatsächliche Benutzbarkeit des Bestandobjekts (gleichgültig ob Miet- oder Pachtobjekt) ab. Für die Gleichbehandlung von Geschäftsraummieten und Pacht würden auch verwaltungsökonomische Gründe sprechen, da sich dadurch die komplizierte und daher aufwändige Prüfung erübrige, ob es sich im Einzelfall um eine Geschäftsraummiete oder eine Pacht handle. Die Regelungen über die Rückforderung von gewährten Fixkostenzuschüssen verstießen weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (VfGH G 69/2024, P unkt 2.6.4. und P unkt 2.6.5.1.).
[57] 3.6. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass gemäß § 3b Abs 5 bis 7 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 iVm der FKZ-VO idF BGBl II 2022/111 und der FKZ 800.000-VO idF BGBl II 2022/112 eine Rückforderung des FKZ I und des FKZ 800.000 über der betraglichen Grenze von 12.500 EUR insoweit zu erfolgen hat, als das Bestandobjekt tatsächlich nicht nutzbar war. Die Bestandzinsen sind dem Förderantrag nur in jenem Umfang zugrunde zu legen, der der tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandobjekts entspricht.
[58] Hingegen dürfen Rückforderungen bis zur betraglichen Grenze von 12.500 EUR nur insoweit erfolgen, als der Bestandnehmer bezahlte Bestandzinsen nachträglich vom Bestandgeber oder von dritter Seite ganz oder teilweise zurückbekommt.
4. Zur Höhe der Rückforderungen
[59] 4.1. Die Beklagte macht Rückforderungsansprüche von jedenfalls 437.623,11 EUR geltend, mit denen sie gegenüber den (berechtigten) Ansprüchen der Klägerin auf F KZ 800.000 und VE-II aufgerechnet habe. In ihrem Vorbringen (ON 6 und ON 10) legt sie dar, wie sie die Höhe der Rückforderungen berechnet hat.
[60] Die Klägerin bestreitet die Höhe der Rückforderungen und erachtet die Berechnung als unschlüssig, insbesondere weil die Beklagte nicht dargelegt habe, worauf sie die von ihr herangezogenen Zahlen zum Umsatzausfall stütze.
[61] 4.2. Die Vorinstanzen haben zur Höhe der Rückforderungsansprüche – ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht – keine Feststellungen getroffen, sodass die Aufhebung ihrer Urteile und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung unumgänglich ist:
[62] 4.3. § 3b Abs 5 und 6 ABBAG-Gesetz idF BGBl I 2021/228 enthält – wie dargelegt – unterschiedliche Voraussetzungen für die Rückforderung von Fixkostenzuschüssen, je nachdem, ob die betragliche Grenze von 12.500 EUR pro Monat überschritten wird oder nicht.
[63] 4.3.1. In der Literatur besteht Uneinigkeit darüber, ob sich diese betragliche Grenze auf die Höhe der im Förderantrag angesetzten Bestandzinsen oder auf die Höhe des Rückforderungsbetrags bezieht. Dies macht insofern einen Unterschied als die Höhe des FKZ I und des FKZ 800.000 nicht mit der Höhe der zu berücksichtigenden Fixkosten (hier der Pachtzinsen) korreliert. Beim FKZ I beträgt die Höhe des Fixkostenzuschusses – je nach Umsatzausfall – 25, 50 oder maximal 75 % der Fixkosten (Punkt 4.3 des Anhangs zur FKZ VO). Beim FKZ 800.000 entspricht das prozentuelle Ausmaß – die sogenannte Ersatzrate – für die in den Betrachtungszeiträumen angefallenen Fixkosten ein Zuschuss gewährt wird, dem Prozentsatz des Umsatzausfalls (Punkt 4.3.3. des Anhangs zur FKZ 800.000-VO). Bei der pauschalierten Ermittlung der Höhe des FKZ 800.000 sind 30 % der ermittelten Umsatzausfälle als F KZ 800.000 anzusetzen (Punkt 4.3.4. des Anhangs zur FKZ 800.000 VO).
[64] Ein Teil der Literatur geht ohne nähere Begründung davon aus, dass sich die monatliche Grenze von 12.500 EUR auf die Höhe der Bestandzinsen bezieht ( Lang , COVID-19-Förderungen – Betretungsverbot und Bestandzinsminderung, immolex 2022, 270 [271]; Wolf, Rückforderung von COVID-Förderungen aufgrund von OGH Urteilen zur Mietzinsbefreiung: Wann ist mit Rückforderungen zu rechnen, DJA 2022/11, 35).
[65] Der andere Teil der Literatur vertritt, dass die betragliche Grenze auf die Höhe des Rückforderungsbetrags anzuwenden sei; entscheidend sei demnach, ob der Rückforderungsbetrag die Grenze von 12.500 EUR übersteigt ( Lawson ,Amnestie für Überforderung von Mietzinsen im ABBAG-Gesetz, AVR 2022, 50 [54]; Staringer , Steueramnestie und Verjährung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in Holoubek/Lang , Verjährung im Öffentlichen Recht und im Steuerrecht [2024], 164 [177]).
[66] 4.3.2. Nach § 3b Abs 5 ABBAG Ges etz idF BGBl I 2021/228 haben Rückforderungen finanzieller Maßnahmen, deren Höhe von Bestandzinszahlungen in Zeiträumen behördlicher Betretungsverbote abhängt, „insoweit zu erfolgen, als sie die betragliche Grenze überschreiten und das Bestandsobjekt infolge des behördlichen Betretungsverbotes tatsächlich nicht nutzbar war“.
[67] Der eindeutige Gesetzeswortlaut stellt darauf ab, dass die „anteiligen finanziellen Maßnahmen“, also der Rückforderungsbetrag und nicht die Bestandzinsen die betragliche Grenze überschreiten. Hingegen soll sich nach den unklaren Materialien (StProtNR 27. GP, 137. Sitzung 133 f) „die Rückforderung bei Überschreiten der betraglichen Grenze grundsätzlich immer auf den gesamten Bestandzins der im Zeitraum des behördlichen Betretungsverbotes vom begünstigten Unternehmen entrichtet wurde,“ beziehen.
[68] 4.3.3. Dass sich die betragliche Grenze von 12.500 EUR monatlich auf die Höhe des Rückforderungsbetrags und nicht auf die Bestandzinsen bezieht, ergibt sich ebenso eindeutig aus den beiden Verordnungen zum FKZ I und zum FKZ 800.000, die insbesondere auch nähere Ausführungen zur Ermittlung der Höhe der Rückforderungen enthalten:
[69] Nach Punkt 8.4 des Anhangs zur FKZ-VO und Punkt 8.5 des Anhangs zur FKZ 800.000-VO hat eine Rückforderung dann zu erfolgen, wenn für – während der Betretungsverbote angefallene – Bestandzinsen Fixkostenzuschüsse gewährt wurden und der – aufgrund der tatsächlichen Nutzbarkeit – zu berücksichtigende (Bestandzinsen-)Betrag den für den bereits gewährten Fixkostenzuschuss herangezogenen (Bestandzinsen-)Betrag unterschreitet. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Antragsteller im Förderantrag zu hohe Bestandzinsen angesetzt hat.
[70] Die Höhe der Rückforderung ergibt sich aus jenem Fixkostenzuschuss bzw Fixkostenzuschuss 800.000, der anteilsmäßig für den Differenzbetrag zwischen den angesetzten, bereits tatsächlich geförderten und den – aufgrund der tatsächlichen Nutzbarkeit – richtigerweise anzusetzenden Bestandzinsen, gewährt wurde (Punkt 8.4 des Anhangs zur FKZ-VO bzw Punkt 8.5 des Anhangs zur FKZ 800.000-VO).
[71] Übersteigt der so errechnete Fixkosten bzw Fixkostenzuschuss 800.000 Rückforderungsanspruch die betragliche Grenze von 12.500 EUR nicht, hat eine Rückforderung nur dann zur erfolgen, wenn es nachträglich zu einer tatsächlichen Aufwandsminderung beim Unternehmen hinsichtlich der geltend gemachten Bestandzinsen kommt (Punkt 8.4 des Anhangs zur FKZ-VO bzw Punkt 8.5 des Anhangs zur FKZ 800.000-VO; vgl Lawson, Amnestie für Überforderung von Mietzinsen im ABBAG-Gesetz, AVR 2022, 50; Pariasek , COVID-19-Pandemie: Bestandzinsbefreiung – Fixkostenzuschuss – Rückforderung/Rückzahlung, ZIK 2022, 2 [6]; Staringer , Steueramnestie und Verjährung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in Holoubek/Lang , Verjährung im Öffentlichen Recht und im Steuerrecht, 177).
[72] Jener Teil des Rückforderungsbetrags, der 12.500 EUR übersteigt, ist zurückzufordern, ohne dass es darauf ankommt, ob das begünstigte Unternehmen einen Anspruch auf Bestandzinsminderung gegenüber seinem Bestandgeber hat, diesen geltend gemacht hat oder die Bestandzinsen vom Bestandgeber oder einem Dritten zurückbekommen hat (§ 3b Abs 5 iVm Abs 6 ABBAG Gesetz i dF BGBl I 2021/228) .
[73] Bei Überschreiten der betraglichen Grenze ist daher nur der 12.500 EUR übersteigende Rückforderungsbetrag ohne weitere Voraussetzungen zurückzufordern (vgl dazu mit ausführlicher Begründung Lawson , AVR 2022, 56; in diesem Sinn wohl auch Kolmasch, Entscheidungsanmerkung zu 3 Ob 78/21y, RdW 2022, 21 [22]
sowie zum inhaltsähnlichen § 3 Abs 4 COFAG-NoAG Eisenberger/Holzmann , Kommentar zum COFAG-NoAG [2024] § 3 K12).
[74] 4.4. Die Beklagte hat die Höhe des Rückforderungsanspruchs anhand bestimmter Zeiträume behördlicher Betretungsverbote von insgesamt 74 Tagen (FKZ I) und 138 Tagen (FKZ 800.000) ermittelt. Beim FKZ I hat sie ihren Berechnungen einen Umsatzausfall der Klägerin von 91,80 % und beim FKZ 800.000 von 77,64 % zugrunde gelegt. Die für 74 Tage bzw 138 Tage jeweils anteilig angefallenen und den Förderanträgen tatsächlich zugrunde gelegten Bestandzinsen hat sie mit dem prozentuellen Umsatzrückgang multipliziert und so die Rückforderungsbeträge errechnet. Dabei hat die Beklagte aber weder eine getrennte monatliche Berechnung vorgenommen, noch den monatlichen Grenzbetrag von 12.500 EUR berücksichtigt.
[75] Der Beklagten wird daher im fortgesetzten Verfahren – nach Erörterung der dargestellten Berechnungsgrundsätze – zunächst die Möglichkeit einzuräumen sein, die Höhe ihres Rückforderungsanspruchs schlüssig zu stellen. Dabei wird sie auch darzulegen haben, woraus sie Umsatzausfälle von 91,80 % bzw 77,64 % ableitet.
[76] 5.Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.