JudikaturOGH

4Ob173/24f – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die Muhri Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen 479.529 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 30. Juli 2024, GZ 4 R 80/24b-99, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Oktober 2023, GZ 22 Cg 74/22i-84, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.065,28 EUR (darin 510,88 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies die auf offenen Werklohn gerichtete Klage ab, weil sie nach mehreren Ausdehnungen, Einschränkungen und Änderungen des Vorbringens zur Abrechnung nach Pauschalbeträgen oder Stundenaufwand sowie trotz eingeräumter Verbesserungsmöglichkeiten unschlüssig geblieben sei.

[2] Das Berufungsgericht hob das klagsabweisende Urteil über Berufung der Klägerin auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es beurteilte die zuletzt geltend gemachte Forderung als schlüssig, ließ jedoch den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Frage zu, ob ein an sich schlüssiges Vorbringen zu einer Werklohnforderung dadurch unschlüssig werde, dass die Rechnungen, auf welche sich das Vorbringen und die Forderung beziehe, damit in Widerspruch stünden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der von der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluss erhobene und von der Klägerin beantwortete Rekurs ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen .

[4] 1. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt – vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0116144; RS0037780). Dies gilt auch für die Notwendigkeit der Präzisierung einer Klagsforderung (vgl RS0031014 [T37]; RS0037907 [T16]).

[5] 2. Die Klägerin erbrachte unstrittig über Auftrag der Beklagten Werkleistungen für ein IT-Projekt. Sie bringt vor, dass sie sämtliche Leistungen auftragsgemäß und mängelfrei erbracht habe, die Beklagte das vereinbarte Entgelt jedoch nicht zur Gänze geleistet habe. Zu Zusatzleistungen stützt sie sich subsidiär auf Bereicherungsrecht, sollte dazu keine vertragliche Vereinbarung festgestellt werden können.

[6] Anders als vom Rekurs unterstellt, liegt damit aber ein vertretbar schlüssiges Vorbringen zum Grund der Klage vor.

[7] 3.1 Zur Anspruchshöhe brachte die Klägerin zuletzt vor, dass der Werkvertrag vom 15./17. 6. 2020 einen Werklohn von 840.000 EUR (brutto) vorgesehen habe. Aus den erteilten Zusatzaufträgen für die Versionen 1.1 und 1.2 ergebe sich pro Version ein Betrag von 120.000 EUR (brutto). Auf den gesamten Werklohn von 1.080.000 EUR habe die Beklagte unstrittig 600.471 EUR geleistet, sodass sich eine Klagsforderung von 479.529 EUR errechne, auf die das Begehren (wieder) eingeschränkt werde.

[8] Über Erörterung durch das Erstgericht, dass sich aus den vorgelegten (Teil-)Rechnungen ein Gesamtbetrag von 1.443.278,66 EUR ergebe, brachte die Klägerin vor, dass 9.790,25 Stunden auf Basis des ursprünglichen Vertrags erbracht und mit einem Stundensatz von 122,85 EUR netto verrechnet worden seien. Davon seien 5.671,5 Stunden auf die Version 1.0 [ursprünglicher Werkvertrag], 2.838,25 Stunden auf die Version 1.1 und 1.280,5 Stunden auf die Version 1.2 entfallen, wofür jeweils auch Leistungsinhalte schlagwortartig angeführt wurden. Aus advokatorischer Vorsicht und im Hinblick auf die bisherigen Verfahrensergebnisse werde für die Versionen 1.1 und 1.2 [Zusatzaufträge] jedoch jeweils nur ein Pauschalbetrag von 100.000 EUR (netto) geltend gemacht.

[9] 3.2 Es begründet keine aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen im Einzelfall und unter Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 32/23a als ausreichend schlüssig beurteilte und eine unzulässige Pauschaleinklagung (s dazu RS0031014 ) verneinte. Dasselbe gilt sinngemäß für dessen Wertung, dass das Berufungsvorbringen nicht gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO verstoße, weil damit bloß das bisherige (Rechts-)Vorbringen klargestellt werde (vgl RS0041965 [T3]).

[10] Rechnungen können im Zivilprozess mehrere Funktionen erfüllen: sie können etwa für die Fälligkeit der Forderung und damit auch den Zinslauf erforderlich sein (vgl RS0017592; RS0021821 ), als bloße Beweisurkunde für eine Behauptung dienen oder – in Ausnahmefällen – eine Aufgliederung des Klagsbetrags ersetzen, insbesondere wenn sich ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammensetzt (vgl RS0037907 [T14]; RS0036973 [T16, T17]; RS0037420). (Die Relevanz der vom Rekurs ins Treffen geführten Rechnungslegungspflicht der Klägerin nach UGB ist hingegen nicht ersichtlich.)

[11] Die zuletzt geltend gemachte Forderung setzt sich aus drei Pauschalen für einen behaupteten Haupt- und zwei Zusatzaufträge zusammen und stellt gerade keinen Bezug zu den Rechnungen her (abgesehen von ihrer Eigenschaft als Beweisurkunden), sodass das Vorbringen auch nicht durch einen (echten, aber verfehlten) Verweis unschlüssig wird. Ob die Rechnungslegung den vertraglichen Vereinbarungen widerspricht, wie vom Rekurs behauptet, mag etwa für den Nachweis der Leistungserbringung oder die Berechtigung der Verzugszinsen relevant sein, nicht aber für die hier einzig zu beurteilende Frage der Schlüssigkeit der Klagsforderung.

[12] Das Berufungsgericht legte das Klagsvorbringen auch nicht dahin aus, dass die Klägerin weiterhin von einer Berechtigung ihrer Abrechnung auf Stundenbasis ausginge und die Klagseinschränkung auf einen Pauschalbetrag lediglich eine Teileinklagung sei (was bei einem einheitlichen Anspruch allerdings auch ohne nähere Aufschlüsselung zulässig sein kann, vgl RS0031014 [T36, T37]), sondern als Zugeständnis von drei Pauschalaufträgen, sodass die Klägerin nunmehr schlicht das behauptete Pauschalentgelt (über das nicht zwingend Rechnung gelegt werden müsse) abzüglich der Teilzahlungen einklage. Gegen diese im Einzelfall vertretbare Auslegung (vgl RS0042828 ) wendet sich die Beklagte nicht.

[13] Der Rekurs ist daher mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen.

[14] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO (vgl RS0035976 [T2]; RS0035962 [T24]). Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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