JudikaturOGH

5Ob71/24p – OGH Entscheidung

Entscheidung
Verbraucherschutzrecht
02. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* A*, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen 7.140 EUR und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 8. Februar 2024, GZ 1 R 120/23z 43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 28. September 2023, GZ 2 C 288/21x 39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die Revision der beklagten Partei wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über die Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (Deutschland) vom 9. November 2023, Rechtssache C 666/23, vom 9. November 2023, Rechtssache C 667/23, und vom 15. November 2023, Rechtssache C 668/23, unterbrochen.

Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin kaufte am 19. 5. 2011 einen von der B eklagten hergestellten Opel Meriva Cosmo 1.7 CDTI ECO um den Preis von 23.800 EUR. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG. Es ist mit einem Dieselmotor der Abgasklasse Euro 5 (Motortyp A17DT) ausgestattet.

[2] Die Klägerin begehrte – gestützt auf die Behauptung des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG – die Z ahlung von 7.140 EUR an zu viel bezahltem Kaufpreis sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Sch ä den.

[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab . Das Klagsfahrzeug verfüge über keine unzulässige Abschalteinrichtung und entspreche den Vorschriften der Norm VO 715/2007/EG.

[5] Das Berufungsgericht gab der B erufung der Klägerin teilweise Folge und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 2.380 EUR s A zu zahlen. Das Geldleistungsmehrbegehren und das Feststellungsbegehren wies es ab. Das Be rufungsgericht bejahte das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, verneinte das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums und erachtete einen Schadenersatzbetrag von 10 % des Kaufpreises als angemessen. D ie Re vision ließ es zu, weil zur Frage des entschuldbaren Rechtsirrtums noch keine gesicherte Rechtsprechung vorlieg e.

[6] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich d ie Revision der Beklagten, mit de r sie in erster Linie unter Be rufung auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das Verfahren über d ie Revision ist zu unterbrechen.

[8] 1. D as Landgericht Ravensburg (Deutschland) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union am 9. 11. 2023 (C 666/23 und C 367/23) und 15. 11. 2023 (C 36 8 /23) ua folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann der Schadenersatzanspruch des Fahrzeugerwerbers gegen den Fahrzeughersteller wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Begründung verneint werden,

a) dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum des Herstellers vorliege?

wenn ja:

b) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde die eingebaute Abschalteinrichtung tatsächlich genehmigt hat?

wenn ja:

c) dass der Verbotsirrtum für den Hersteller unvermeidbar sei, da die Rechtsauffassung des Fahrzeugherstellers von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung)?

[9] 2. Die Beantwortung dieser Vorlagefragen ist auch im vorliegenden Fall für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten von Relevanz.

[10] 3. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist das Verfahren daher zu unterbrechen (RS0110583).

Verweise

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