JudikaturOGH

9Ob100/24g – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M* AG, *, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 21.999,99 EUR sA (AZ 13 Cg 13/21y) und 12.727,40 EUR sA (AZ 13 Cg 14/21w), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 21.999,99 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Juli 2024, GZ 1 R 82/24w 70, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 3. Mai 2024, GZ 13 Cg 13/21y 65, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.773,99 EUR (darin 283,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin erwarb 2017 ein Fahrzeug der Marke Mercedes Benz, in dem ein von der Beklagten entwickelter Dieselmotor verbaut ist, der der Euro-6-Norm unterliegt.

[2] Die Klägerin begehrt 21.999,99 EUR. Im Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbaut. Ohne den Irrtum über die Manipulation de s Fahrzeug s hätte sie dieses nur zu einem um 30 % geringeren Kaufpreis erworben. Diese Differenz mache sie nun als Schadenersatz geltend. Hilfsweise begehr e sie die Rückzahlung des um ein Benützungsentgelt reduzierten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe de s Verkaufserlöses bzw die Feststellung der Haftung für zukünftige aus dem Kauf resultierende Schäden.

[3] Der Beklagte bestreitet und bringt vor, das Fahrzeug würde über keine unzulässigen Abschalteinrichtungen (mehr) verfügen.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Beim noch vorhandenen Thermofenster handle es sich um keine Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG, da eine Ausrampung nur bei Umgebungstemperaturen erfolge, mit denen im europäischen Raum bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise nicht zu rechnen sei.

[5] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Frage, ob es sich bei bestimmten Umgebungstemperaturen nicht mehr um Bedingungen handle, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten s eien , über den Einzelfall hinausgehe und diese vom Höchstgericht noch nicht geklärt w orden sei.

[6] Gegen die Abweisung des Haupt- und des ersten Eventualbegehrens im führenden Verfahren wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[7] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[9] Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hat, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision zurückzuweisen (RS0102059).

[10] 1. Nach Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG ist eine Abschalteinrichtung ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

[11] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Kläger für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG beweispflichtig (10 Ob 7/24p Rz 14; 7 Ob 40/24v Rz 29; 4 Ob 69/24m Rz 29 ua). Ist dieser Nachweis gelungen, ist wegen des grundsätzlichen Verbots von Abschalteinrichtungen (Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG) zunächst von ihrer Unzulässigkeit auszugehen. Den Beklagten (als Hersteller) trifft dann die Beweislast dafür, dass die Abschalteinrichtung unter eine der Verbotsausnahmen des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG fällt (RS0106638 [T20], RS0134458).

[12] 3. Die Klägerin bezweifelt das in ihrer Revision nicht. Sie wendet sich auch nicht dagegen, dass Temperaturen außerhalb der Grenzen des festgestellten Thermofensters – wie von den Vorinstanzen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt – keine (Fahr )Bedingungen mehr sind, wie sie im Unionsgebiet üblich bzw vernünftigerweise zu erwarten sind (vgl dazu 10 Ob 31/24t Rz 13; 6 Ob 175/23p Rz 60 ua; EuGH C 128/20, GSMB Invest , Rn 40; C 134/20, Volkswagen , Rn 47).

[13] Sie mein t vielmehr, ihrer Beweislast entsprochen zu haben, weil ein „Thermofenster“ feststehe und ein solches grundsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung sei.

[14] 4. E ine Abschalteinrichtung gemäß der Legaldefinition liegt aber – wie dargelegt – nur dann vor, wenn die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Da dies hier – was die Revision nicht bestreitet – nicht der Fall ist, weist das Fahrzeug gerade keine Abschalteinrichtung auf. Auf die Frage, ob eine der Verbotsausnahmen des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG vorliegt, kommt es demnach nicht mehr an.

[15] 5. Die in der Revision einzig angesprochene Frage der Beweislast stellt sich aufgrund der zum Umfang des Thermofensters vorliegenden Feststellungen nicht. Trifft das Gericht eine eindeutige Feststellung, dann sind alle Beweislastfragen gegenstandslos (vgl RS0039904).

[16] 6. Die Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[17] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rückverweise