JudikaturOGH

3Ob117/24p – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. August 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* A*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 22.028,47 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2024, GZ 4 R 132/23w 41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 26. Juni 2023, GZ 6 Cg 26/21i 35, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Verfahren wird fortgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG) dahin auszulegen, dass eine emissionsmindernde Einrichtung (Steuerprogramm zur Regenerierung des Speicherkatalysators im Vorbereitungszyklus), die als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, weil eine Regeneration (Reinigungsvorgang) mindestens einmal während einer Prüfung Typ I erfolgt, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat (Precon bzw Vorkonditionierung), eine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG ist?

2. a) Ist Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, weil die Bedingungen im maßgebenden Verfahren zur Prüfung der Emissionen im Wesentlichen eingehalten sind?

b) Ist Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, wenn die emissionsrelevante Wirkungsweise, die sie im Prüfverfahren (Zulassungstest) aufweist, in der überwiegenden Zahl der Fälle auch unter normalen Betriebsbedingungen (im Realbetrieb) gegeben ist?

3. Ist Abs 2.20 und Anhang 13 Abs 3 UNECE (iVm Anhang III Abs 3.13.1. und Art 2 Nr 6 Durchführungs VO 692/2008/EG) dahin auszulegen, dass die in Anhang 13 Abs 3 Satz 2 UNECE normierte Anordnung, wonach der Schalter (zur Verhinderung oder Ermöglichung des Regenerierungsvorgangs) während der Vorkonditionierungszyklen nur betätigt werden darf, um die Regenerierung zu verhindern, nur für das besondere Prüfverfahren nach Anhang 13 UNECE und damit für die Emissionsprüfung bei einem Fahrzeug mit einem periodischen Regenerierungssystem, nicht aber auch für ein Fahrzeug mit einem kontinuierlichen Regenerationssystem maßgebend ist?

III. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung:

Zu I.:

[1] Der Oberste Gerichtshof hat die Vorlagefragen bereits mit Beschluss vom 6. 9. 2023 zu 3 Ob 33/23h an den EuGH (C 592/23, Volkswagen ) herangetragen. Da in diesem Verfahren die Revision zurückgezogen wurde, musste der Oberste Gerichtshof auch das dortige Vorabentscheidungsersuchen zurückziehen, weshalb dieses nunmehr im hier vorliegenden Verfahren, das mit Beschluss vom 3. 7. 2024 unterbrochen wurde, eingebracht werden muss.

[2] Aufgrund des Wegfalls der Grundlage für die Verfahrensunterbrechung ist das vorliegende Verfahren fortzusetzen (vgl § 90a Abs 1 GOG).

Zu I I.:

A. Sachverhalt

[3] Die Klägerin erwarb am 12. 11. 2015 bei einem KFZ-Händler einen von der Beklagten hergestellten PKW VW Golf Sportsvan Rabbit TDI um den Kaufpreis von 26.677,15 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Motor vom Typ EA 288 (EU 6 NSK) ausgestattet; für das Fahrzeug ist die Abgasnorm Euro 6 maßgebend. Die EU Typengenehmigung für das Fahrzeug ist nach wie vor aufrecht.

[4] Das Fahrzeug verfügt über ein Thermofenster jedenfalls in einem Temperaturbereich von + 15 Grad Celsius bis + 33 Grad Celsius Außentemperatur sowie über einen NOx Speicherkatalysator zur Abgasnachbehandlung. Darüber hinaus hat die Beklagte im Verfahren zugestanden, dass sie die Herstellerin des Fahrzeugs ist, im Motor ein Thermofenster verbaut ist, das nach ihren Behauptungen einen Temperaturbereich von 24 Grad Celsius bis + 70 Grad Celsius aufweist und dieser über eine „Precon“ (Vorkonditionierung) verfügt. Dabei handelt es sich um ein Steuerprogramm zur Fahrkurvenerkennung mit prüfzyklusabhängiger Regeneration des NOx Speicherkatalysators. Zur Funktions- und Wirkungsweise der Precon führte die Beklagte aus, dass es infolge der zyklusabhängigen NSK-Steuerung lediglich zu zwei Regenerationsevents des NSK im NEFZ (Prüfzyklus) kommt. Eine dritte Regeneration hätte keinen signifikanten Einfluss auf das NOx Gesamtergebnis des Fahrzeugs, insbesondere führte die Durchführung einer dritten Regeneration nicht zu einer Überschreitung des NOx-Grenzwerts.

[5] Im Fahrzeug ist somit ein NOx Speicherkatalysator (NSK) verbaut. Dieser Katalysator kann einen bestimmten Anteil der Stickoxide während der Normalfahrt chemisch speichern. Er muss durch Verbrennung regelmäßig regeneriert werden, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten. Die Regenerierung erfolgt nach einer bestimmten Fahrstrecke bzw bei vollständiger Sättigung des Katalysators während des laufenden Betriebs.

[6] Zudem ist im Zusammenhang mit dem Speicherkatalysator eine Precon (Vorkonditionierung) mit Fahrkurvenerkennung implementiert. Dieses Steuerprogramm erkennt, wenn das Fahrzeug für die Abgasmessung auf dem Prüfstand vorbereitet wird. In diesem Fall wird unabhängig von der seit der letzten Regenerierung erfolgten Laufleistung und unabhängig vom Sättigungsgrad des Katalysators eine Regenerierung ausgelöst. Dadurch wird bewirkt, dass der eigentliche Prüfzyklus immer mit regeneriertem Katalysator beginnt. Bei Prüfung der Abgaswerte am Prüfstand wird entsprechend den europäischen Prüfvorschriften durch einen genormten Prüfzyklus (NEFZ) ein bestimmtes Fahrverhalten des Fahrzeugs simuliert, das über einen Zeitraum von 1.180 Sekunden und einer Strecke von etwa 11 km Phasen der Beschleunigung, des konstanten Fahrens und der Verzögerung im städtischen und außerstädtischen Bereich entspricht. Aufgrund der Precon kommt es bei einer simulierten Fahrt zweimal und nicht dreimal zu einer Regenerierung des Katalysators und einer damit verbundenen kurzfristigen Schadstofferhöhung. Dies entspricht nicht immer den Abläufen im Realbetrieb, weil eine Fahrt über 11 km auch mit einem nahezu gesättigten Katalysator begonnen werden kann. Rein rechnerisch kann es im Realbetrieb mehr als zweimal zu einer Regenerierung kommen.

B. Prozessstandpunkte der Parteien und bisheriges Verfahren

[7] Die Klägerin begehrte (primär) die Zahlung von 22.028,47 EUR sA Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs. I n dem von ihr erworbenen Fahrzeug sei der Motortyp EA 288 verbaut, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet und vom Abgasskandal betroffen sei. Konkret seien eine temperaturabhängige Abschalteinrichtung und ein fahrstreckenabhängiges Steuerprogramm (Precon) programmiert. Die zulässigen Grenzwerte der Abgasemissionen würden im realen Fahrbetrieb überschritten. Sie habe gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution. Die Beklagte habe sie auch vorsätzlich in die Irre geführt und geschädigt.

[8] Die Beklagte entgegnete, dass der vorliegende Motortyp EA 288 mit keiner unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei. Das Thermofenster umfasse den Temperaturbereich von 24 Grad Celsius bis + 70 Grad Celsius und sei daher derart weit gefasst, dass die Abgasrückführung immer aktiv sei. Um vergleichbare Messwerte zu erzielen, bewirke die Precon, dass die sonst fahrstreckenabhängige Regenerierung des NOx Speicherkatalysators während der Vorkonditionierung stattfinde, damit der Prüfzyklus repräsentativ sei.

[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bewiesen habe.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach der Rechtsprechung sei Art 5 VO 715/2007/EG ein Schutzgesetz, das die Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs verhindern solle, weshalb bei dessen Verletzung dem Käufer Schadenersatz gebühre. Der Schaden trete bereits durch Abschluss des Kaufvertrags ein; er sei nur dann zu verneinen, wenn die Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit ausnahmsweise dem Willen des Erwerbers entspreche, wofür der Schädiger behauptungs- und beweispflichtig sei. Das Verschulden des Schädigers sei zu vermuten, doch könne sich der Fahrzeughersteller auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dazu sei das Verfahren ergänzungsbedürftig. Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Fahrkurvenerkennung (Precon) habe der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 33/23h ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt, über das noch nicht entschieden sei. Auch dazu sei eine nähere Prüfung vorzunehmen.

[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, in der Sache selbst im Sinn einer vollständigen Klagsabweisung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

[12] Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

C. Relevante Rechtsvorschriften

[13] VO 715/2007/EG über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge:

„Art 3 Nr 10:

Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck:

„Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.“

[14] VO 692/2008/EG der Kommission zur Durchführung und Änderung der VO 715/2007 (kurz Durchführungs-VO):

„Art 2 Nr 6:

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

'periodisch arbeitendes Regenerationssystem' Katalysatoren, Partikelfilter oder andere emissionsmindernde Einrichtungen, bei denen nach weniger als 4000 km bei normalem Fahrzeugbetrieb ein periodischer Regenerationsvorgang erforderlich ist.

Anhang III: Prüfung der durchschnittlichen Abgasemissionen bei Umgebungsbedingungen

...

3. Technische Vorschriften

...

3.13. Technische Vorschriften für ein Fahrzeug mit einem periodisch arbeitenden Regenerationssystem

3.13.1. Die technischen Vorschriften entsprechen denen von Anhang 13 Absatz 3 der UNECE-Regelung Nr 83 mit den in den Absätzen 3.13.2. bis 3.13.4. beschriebenen Ausnahmen.

3.13.4. Bei einer periodisch arbeitenden Regenerationseinrichtung können die Emissionsgrenzwerte während der Zyklen überschritten werden, in denen eine Regeneration erfolgt. Erfolgt bei einer emissionsmindernden Einrichtung eine Regeneration mindestens einmal während einer Prüfung Typ 1, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat, so gilt das System als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem, für das kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist.“

[15] Regelung Nr 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa [UNECE] - Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der Emission von Schadstoffen aus dem Motor entsprechend den Kraftstofferfordernissen des Motors (kurz UNECE):

„Abs 2.20.:

Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet

'System mit periodischer Regenerierung' eine emissionsmindernde Einrichtung (z. B. einen Katalysator oder einen Partikelfilter), bei der nach weniger als 4 000 km bei normalem Fahrzeugbetrieb ein periodischer Regenerierungsvorgang erforderlich ist. Während der Zyklen, in denen eine Regenerierung erfolgt, können die Emissionsgrenzwerte überschritten werden. Erfolgt bei einer emissionsmindernden Einrichtung eine Regenerierung mindestens einmal während einer Prüfung Typ I, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs vorgenommen wurde, dann gilt das System als System mit kontinuierlicher Regenerierung, für das kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist. Anhang 13 dieser Regelung gilt nicht für Systeme mit kontinuierlicher Regenerierung.

Anhang 13: Verfahren für die Emissionsprüfung an einem Fahrzeug mit einem System mit periodischer Regenerierung

3. Prüfverfahren

In dem Fahrzeug darf ein Schalter vorhanden sein, mit dem der Regenerierungsvorgang verhindert oder ermöglicht wird, allerdings darf dies keine Auswirkungen auf die ursprüngliche Motoreinstellung haben. Dieser Schalter darf nur dann betätigt werden, wenn die Regenerierung während der Beladung des Regenerierungssystems und während der Vorkonditionierungszyklen verhindert werden soll. Bei der Messung der Emissionen während der Regenerierungsphase darf er jedoch nicht betätigt werden; in diesem Fall ist die Emissionsprüfung mit dem unveränderten Erstausrüster-Steuergerät durchzuführen.“

D. Vorbemerkungen

[16] Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt maßgebend von der Auslegung von Art 3 Nr 10, Art 5 Abs 1 und 2 VO 715/2007/EG, Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.1. und 3.13.4. Durchführungs-VO sowie Abs 2.20. und Anhang 13 Abs 3 UNECE ab. Nach der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs besteht im Hinblick auf die Vorlagefragen kein „acte clair“, weshalb die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung geboten ist.

[17] Im Verfahren ist nicht strittig, dass im Fahrzeug der Klägerin ein Dieselmotor vom Typ EA 288 verbaut ist, für den die Abgasnorm Euro 6 maßgebend ist. Im Verfahren ist vor allem fraglich, ob es sich bei der implementierten Precon mit Fahrkurvenerkennung (Steuerprogramm zur Regenerierung des Katalysators im Vorbereitungszyklus) um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 iVm Art 5 VO 715/2007/EG handelt.

E. Begründung der Vorlage

[18] 1.1 Frage 1 bezieht sich darauf, ob ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem (im Unterschied zu einem bloß periodisch arbeitenden Regenerationssystem) überhaupt eine Abschalteinrichtung sein kann. Der Oberste Gerichtshof geht nämlich davon aus, dass es sich bei der in Rede stehenden Precon (Steuerprogramm zur Regenerierung des Speicherkatalysators im Vorbereitungszyklus, sodass der eigentliche Prüfzyklus Typ I mit regeneriertem Katalysator beginnt) um ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem handelt. Nach den Feststellungen sind sowohl die Voraussetzungen nach Art 2 Nr 6 Durchführungs VO als auch jene nach Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs VO für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem erfüllt.

[19] 1.2 Art 2 Nr 6 Durchführungs VO (inhaltsgleich mit Abs 2.10. Satz 1 UNECE) definiert das periodisch arbeitende Regenerationssystem. An diese Bestimmung knüpft Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO an; Satz 1 entspricht dabei Abs 2.10. Satz 2 UNECE. Satz 2 (inhaltsgleich mit Abs 2.10. Satz 3 UNECE) definiert das kontinuierlich arbeitende Regenerationssystem als besondere Form eines periodisch arbeitenden Regenerationssystems und normiert, dass für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist.

[20] Es ist somit zwischen einem periodisch arbeitenden und einem kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystem zu unterscheiden. Die Besonderheit eines kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystems besteht darin, dass eine Regeneration mindestens einmal während einer Prüfung Typ I erfolgt, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat.

[21] Die Anordnung, dass für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein besonderes Prüfverfahren erforderlich ist, bedeutet, dass Anhang 13 Abs 3 UNECE (iVm Anhang III Abs 3.13.1. Durchführungs VO) nicht anzuwenden ist. Das Prüfverfahren nach Anhang 13 Abs 3 UNECE gilt daher nur für Fahrzeuge mit einem periodisch arbeitenden Regenerationssystem, nicht aber für Fahrzeuge mit einem kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystem. Diese Zusammenhänge werden zweifelsfrei durch (die inhaltsgleichen Regelungen des) Abs 2.20. UNECE bestätigt. Darin wird explizit festgehalten, dass Anhang 13 UNECE für Systeme mit kontinuierlicher Regenerierung nicht gilt. Für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt damit das Prüfverfahren nach Anhang 4A UNECE. In diesem Fall erfolgen die Abgasmessungen nur im eigentlichen Prüfzyklus. Demgegenüber gibt es bei periodisch arbeitenden Regenerationssystemen weitere Prüfzyklen (Vorbereitungszyklus; Regenerationszyklus).

[22] 1.3 Aufgrund der rechtlichen Fiktion nach Anhang III Abs 3.13.4. Satz 2 Durchführungs VO, wonach die beschriebene besondere Form eines periodisch arbeitenden Regenerationssystems als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, ist für den Prüfbetrieb (am Prüfstand) zu unterstellen, dass sich das Regenerationssystem laufend (durchgehend) in Funktion befindet. Die Steuerung des Regenerationsvorgangs ist für die Abgasmessung damit unberücksichtigt zu lassen, sodass nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs von einer gleichbleibenden (einheitlichen) messrelevanten Funktionsweise (und Wirkungsweise) des Motors auszugehen ist.

[23] Wenn die einheitliche Funktionsweise des Motors aufgrund der beschriebenen rechtlichen Fiktion für den Prüfbetrieb gilt, muss dies auch für den Realbetrieb gelten, weil ein aussagekräftiger Vergleich zum Realbetrieb (mit nachteiligen rechtlichen Konsequenzen bei emissionsrelevanten Veränderungen) nur bei Vorliegen derselben Ausgangsbedingungen in Bezug auf die Funktionsweise des Emissionskontrollsystems möglich ist. Aus diesem Grund liegt es nahe, bei einem kontinuierlich arbeitenden Regenerationssystem auch für den Realbetrieb von einem durchgehend in Funktion befindlichen Regenerationssystem auszugehen.

[24] Dies würde bedeuten, dass durch ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem kein Teil des Emissionskontrollsystems in seiner Funktion aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert wird, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im Realbetrieb verringert wird. Folgt man diesem Ansatz, so würde es sich bei einem solchen kontinuierlichen Regenerationssystem um keine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG handeln.

[25] 2.1 Die Fragen 2. a) und b) betreffen das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, selbst wenn vom Vorliegen einer Abschalteinrichtung ausgegangen werden sollte.

[26] 2.2 Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG sieht einen ausdrücklichen (geschriebenen) Rechtfertigungsgrund vor, wenn trotz Abschalteinrichtung die Bedingungen für das jeweilige Prüfverfahren im Wesentlichen eingehalten sind. Anhang III 3.13.4. Durchführungs VO sieht die Verwendung einer Precon (Steuerprogramm zur Regenerierung des Katalysators im Vorbereitungszyklus) ausdrücklich vor und normiert, dass unter bestimmten, im Anlassfall gegebenen Voraussetzungen das Regenerationssystem als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, was dazu führt, dass eine Prüfung Typ I stattzufinden hat. Die hier fraglichen Prüfungsbedingungen sehen demnach für die Anwendbarkeit eines bestimmten Zulassungstests (Typ I ) vor, dass während des Vorbereitungszyklus mindestens einmal eine Regeneration der emissionsmindernden Einrichtung (Katalysator) stattfinden muss. Wenn diese Bedingung in den Normen für das maßgebende Prüfverfahren vorgeschrieben ist, so muss auch der Ausnahmetatbestand nach Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG erfüllt sein.

[27] 2.3 Nach Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EG müssen die das Emissionsverhalten beeinflussenden Bauteile sicherstellen, dass das Fahrzeug auch unter normalen Betriebsbedingungen der VO 715/2007/EG entspricht, insbesondere also die Grenzwerte eingehalten werden. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung zu C 693/18, CLCV , Rn 99, ausgesprochen, dass Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG dahin auszulegen ist, dass eine Software, die die Höhe der Fahrzeugemissionen anhand der von ihr ermittelten Fahrbedingungen verändert und die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur unter Bedingungen gewährleistet, die denen der Zulassungstests entsprechen, eine Abschalteinrichtung ist, und zwar auch dann, wenn die Verbesserung der Leistung des Emissionskontrollsystems punktuell auch unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs beobachtet werden kann. Dies bedeutet e contrario, dass eine Abschalteinrichtung zulässig sein muss, wenn das Emissionsverhalten, das im Prüfzyklus vorliegt, zum überwiegenden Teil bzw in der Mehrzahl der Fälle auch im Realbetrieb gegeben ist.

[28] Dies ist bei der zu beurteilenden Precon der Fall, weil während des eigentlichen Prüfzyklus eine zweimalige Regenerierung stattfindet, während im Realbetrieb rein rechnerisch mehr als zweimal eine Regenerierung erfolgen kann. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt allerdings auch im Realbetrieb eine Regenerierung des Katalysators derart, dass die Verhältnisse gleich wie im Prüfzyklus sind.

[29] Bei einer überwiegend gleichen Wirkungsweise der emissionsmindernden Einrichtung (Katalysator) im Realbetrieb wie im Prüfbetrieb kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht davon gesprochen werden, dass die Emissionsminderung lediglich punktuell auch im Realbetrieb beobachtet werden kann.

[30] 3. Frage 3 bezieht sich auf den Einwand, dass es sich bei der Precon um kein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem handle, weil der vorhandene Schalter zur Verhinderung oder Ermöglichung des Regenerationsvorgangs während des Vorbereitungszyklus betätigt werde, um die Regeneration des Katalysators auszulösen, und nicht nur dazu, um diese zu verhindern (vgl Anhang 13 Abs 3 UNECE; siehe auch Abs 3.2.3.).

[31] Anhang 13 Abs 3 UNECE gilt zwar für ein periodisch arbeitendes Regenerationssystem (mit den besonderen Prüfverfahren nach Anhang 13 UNECE), nicht aber für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem (Prüfung Typ I nach Anhang 4A UNECE). Für ein kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem ist nach Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs VO (inhaltsgleich mit Abs 2.20. Satz 3 UNECE) nämlich ausdrücklich vorgesehen, dass auch im Vorbereitungszyklus mindestens einmal eine Regeneration des Katalysators stattfinden muss. Dass diese Regeneration bewusst ausgelöst wird und der eigentliche Prüfzyklus daher mit leerem Katalysator beginnt, ist daher vorgeschrieben und nicht schädlich.

Zu III.:

[32] Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

Rückverweise