JudikaturOGH

3Ob4/24w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der Betroffenen M* S*, geboren *, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Adoptivsohnes der Betroffenen G* S*, geboren *, als Rechtsbeistand der Betroffenen sowie auch im eigenen Namen, vertreten durch Holler Fauland Hirschbichler Rechtsanwälte GmbH in Leibnitz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 13. November 2023, GZ 2 R 195/23w 44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 17. Juli 2023, GZ 22 P 38/22x 39, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit dieser vom Einschreiter im eigenen Namen erhoben wird, als unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Revisionsrekurs ist rechtzeitig.

[2] Auch im Außerstreitverfahren haben Zustellungen, wenn eine Partei einen bevollmächtigten Vertreter bestellt hat, an diesen zu erfolgen. Eine daneben auch an die Partei selbst erfolgte Zustellung ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist für das vom Bevollmächtigten verfasste Rechtsmittel bedeutungslos (RS0006023; 5 Ob 109/20w; vgl auch RS0036252; zum eigenen Rekurs- und Zustellungsrecht der betroffenen Person siehe 3 Ob 55/13d; 5 Ob 164/21k; 3 Ob 156/22w).

[3] 2. Soweit der Revisionsrekurs vom Einschreiter – ausdrücklich auch – im eigenen Namen erhoben wird, ist dieser jedoch unzulässig.

[4] Gemäß § 127 Abs 3 AußStrG steht einem Angehörigen im Sinn des § 127 Abs 1 AußStrG, dessen Verständigung die betroffene Person nicht abgelehnt hat, gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters im Hinblick auf dessen Person der Rekurs zu. Die Rekurslegitimation des nahen Angehörigen beschränkt sich demnach auf die Entscheidung über die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters und damit im Wesentlichen auf das Vorbringen, die Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters sei nicht im Einklang mit § 274 ABGB erfolgt, weshalb eine andere Person zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter hätte bestellt werden müssen (vgl 3 Ob 53/23z).

[5] Ein solches Vorbringen enthält der Revisionsrekurs nicht. Dieser argumentiert vielmehr nur dahin, dass aufgrund der Möglichkeit einer gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung eine gerichtliche Erwachsenenvertretung von vornherein ausgeschlossen sei. Für den im eigenen Namen erhobenen Revisionsrekurs mangelt es dem Adoptivsohn der Betroffenen daher an der Rechtsmittellegitimation.

[6] 3. Soweit der Rechtsmittelwerber als Rechtsbeistand für die Betroffene einschreitet, ist seine Rechtsmittellegitimation für den vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs gegeben.

[7] Gemäß § 119 AußStrG hat das Gericht im Fall der Fortsetzung des Erwachsenenschutzverfahrens nach der Erstanhörung für einen Rechtsbeistand der betroffenen Person im Verfahren zu sorgen. Der Rechtsbeistand vertritt die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren. Er ist insoweit deren gesetzlicher Vertreter, der im Namen der Betroffenen alle Verfahrenshandlungen vornehmen kann, die auch von dieser getätigt werden können (5 Ob 224/21h; 4 Ob 238/22m).

[8] 4. Im außerordentlichen Revisionsrekurs des Rechtsbeistands der Betroffenen wird jedoch keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[9] Die darin gerügten angeblichen Verfahrensmängel (im Sinn des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG: Stoffsammlungsmangel und fehlende Ergänzung des Sachverständigengutachtens) betreffen das erstinstanzliche Verfahren, deren Vorliegen das Rekursgericht verneint hat. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz im Sinn des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RS0050037; RS0007232; 4 Ob 232/19z).

[10] Soweit im außerordentlichen Revisionsrekurs „ausdrücklich“ die – zur ermittelten Sachverhaltsgrundlage diametral entgegengesetzte – „ergänzende Feststellung“ begehrt wird, dass die Betroffene noch in der Lage und auch willig sei, eine gewählte Erwachsenenvertretung zu errichten, ist darauf hinzuweisen, dass auch die Bekämpfung der Beweiswürdigung in dritter Instanz ausgeschlossen ist (RS000679 [T1 und T4]).

[11] Auch die behauptete – aber nicht näher dargelegte – Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.

[12] Ausgehend von der bindenden Sachverhaltsgrundlage, wonach die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen (insbesondere wegen leichter Beeinflussbarkeit und mangelnder Fähigkeit zu kritischen Abwägungen und dazu, sich einen Überblick über die persönliche und finanzielle Situation zu verschaffen) derart eingeschränkt ist, dass sie keine Wahl eines Vertreters gemäß § 264 ABGB vornehmen kann, wonach weder der Einschreiter noch dessen Lebensgefährtin (insbesondere aufgrund ihrer finanziellen Situation und daraus resultierender Interessenkollisionen) für eine solche Tätigkeit geeignet sind und auch sonst keine geeignete Person dafür zur Verfügung steht, sowie wonach ebenso wenig ein naher Angehöriger im Sinn des § 268 Abs 2 ABGB zur Ausübung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung gefunden werden kann, ist die Beurteilung des Rekursgerichts, dass keine Verletzung des Stufenbaus nach § 274 ABGB vorliege, keine Verkennung der Rechtslage.

[13] 5. Zusammenfassend war der vom Adoptivsohn der Betroffenen im eigenen Namen erhobene Revisionsrekurs mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen. Der von ihm als Rechtsbeistand der Betroffenen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs war mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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