3Ob73/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen E* 2014, wohnhaft bei ihrer Mutter I*, Kroatien, diese vertreten durch die Forsthuber Partner Rechtsanwälte OG in Baden, (rechtlicher) Vater Ing. A*, vertreten durch die Beck + Partner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 12. November 2024, GZ 16 R 310/24p 4, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Mit Beschluss vom 7. Juli 2024 verwarf das Erstgericht die von der Mutter erhobene Einrede der internationalen Unzuständigkeit.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und erklärte den ordentlichen R evisionsrekurs für nicht zulässig. Diese Entscheidung wurde dem ausgewiesenen Vertreter der Mutter am 20. November 2024 (im Weg des ERV) zugestellt.
[3] Mit E ingabe vom 1. Dezember 2024 beantragte die Mutter unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses, ihr zur Erhebung einer „außerordentlichen Revision“ gegen die Entscheidung des Rekursgerichts die Verfahrenshilfe unter anderem durch Beigabe eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Einen gleichlautenden Antrag stellte sie auch mit einer dem Verfahrenshilfeantrag angeschlossenen, vorab an das Erst- und das Rekursgericht gefaxten Eingabe vom 28. November 2024 .
[4] Das Erstgericht wies den Verfahrenshilfeantrag mit Beschluss vom 24. Jänner 2025 ab; diesen Beschluss stellte es dem für die Mutter bisher einschreitenden Rechtsvertreter, nicht aber der Mutter persönlich zu.
[5] Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist trug das Erstgericht der Mutter mit der erneut nur an ihren bisherigen Rechtsvertreter zugestellten Aufforderung vom 17. März 2025 auf, die E ingabe vom 28. November 2024 unter anderem durch Unterschrift eines Rechtsanwalts zu verbessern.
[6] Der bisherige Vertreter teilte mit Eingabe vom 24. März 2025 mit, dass zur Mutter kein belastbarer Kontakt mehr bestehe und daher weder der Beschluss vom 24. Jänner 2025 noch der Verbesserungsauftrag vom 17. März 2025 an diese hätte weitergeleitet werden können. Er empfehle, der Mutter die Schriftstücke im Postweg zuzustellen.
[7] Nach Ablauf der Verbesserungsfrist legte das Erstgericht die von ihm als außerordentlicher Revisionsrekurs gewertete E ingabe der Mutter vom 28. November 2024 unter Hinweis auf die nicht erfolgte Verbesserung vor.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Aktenvorlage ist verfrüht.
[9] 1. Gemäß § 7 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Verfahrenshilfe im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Beantragt eine Partei innerhalb einer verfahrensrechtlichen Notfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenshilfe und wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen, so beginnt die Frist gemäß § 7 Abs 2 letzter Satz AußStrG mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisende n Beschlusses (RS0111923) .
[10] Hier hat die Mutter fristgerecht nach Zustellung der Rekursentscheidung einen Verfahrenshilfeantrag unter anderem durch Beigebung eines Rechtsanwalts gestellt, um diese mit „außerordentlicher Revision“ zu bekämpfen. In dem von ihr selbst verfassten Schreiben vom 28. November 2024 hat sie zwar laienhaf t dargetan, aus welchen Gründen sie das Rechtsmittel erheben will. Nach dem Inhalt des Schreiben s wollte sie damit das Rechtsmittel aber nicht ausführen; dies sollte ausdrücklich erst durch den Verfahrenshelfer erfolgen. Der Antrag auf Verfahrenshilfe unterbrach damit nach § 7 Abs 2 AußStrG die Frist für die Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Rekursgerichts (vgl 5 Ob 200/19a Pkt 3. ; 4 Ob 2/09m Pkt 1.5.).
[11] 2.1. Hat eine Partei in einem Verfahren außer Streitsachen – wie hier – eine Verfahrensvollmacht erteilt, so sind bis zu deren Kündigung oder Widerruf (vgl § 6 Abs 4 und § 24 Abs 1 AußStrG iVm § 36 ZPO) alle dieses Verfahren betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten vorzunehmen (§ 24 Abs 1 AußStrG iVm § 93 Abs 1 ZPO; RS0006023; RS0102501). Eine daneben auch an die Partei selbst erfolgte Zustellung ist für den Lauf von Rechtsmittelfristen bedeutungslos (3 Ob 4/24w Rz 2; vgl auch RS0036252).
[12] Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in einem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts, den eine anwaltlich vertretene Partei selbst stellt, im Zweifel auch die Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem bisherigen Rechtsvertreter liegt. Anderes gilt nur dann, wenn das Gericht die Partei über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses befragt und die Partei dies verneint (RS0035624; RS0035752 [insb T3]; vgl auch Rechberger in Rechberger 2 § 7 AußStrG Rz 10). Daraus wird abgleitet, dass ein Beschluss, mit dem ein von der Partei selbst gestellter Verfahrenshilfeantrag abgewiesen wird, der Partei und nicht dem (bisherigen) Rechtsvertreter zuzustellen ist. Nur die persönliche Zustellung löst die Rechtsmittelfrist gegen die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag und nach deren ungenützten Ablauf den Neubeginn des Fristenlaufs iSd § 7 Abs 2 letzter Satz AußStrG aus ( 6 Ob 142/22h Rz 14, 16, 17; 3 Ob 130/05x; vgl auch RS0110717).
[13] 2.2. Daraus folgt, dass die Frist zur Bekämpfung der vorliegenden Rekursentscheidung noch nicht begonnen hat, weil die Abweisung des von der Mutter gestellten Verfahrenshilfeantrags mangels Zustellung an diese selbst noch nicht rechtskräftig ist.
[14] 3. Festgehalten wird, dass im Revisionsrekursverfahren Anwaltszwang besteht (RS0119968 [T14]) und im Anwaltsprozess eine Partei, die die Gewährung der Verfahrenshilfe erfolglos begehrte, im weiteren Verfahren so zu behandeln ist, als hätte sie keinen Verfahrenshilfeantrag gestellt und demgemäß Zustellungen solange an den letzten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen haben, bis die Bestellung eines anderen Rechtsanwalts angezeigt wird (RS0106741 [T1, T2]; Zib in Fasching/Konecny 3 § 36 ZPO Rz 22). Diese Rechtsfolge tritt jedoch erst mit Rechtskraft der Abweisung des Verfahrenshilfeantrags (für künftige Zustellungen) ein, was eine wirksame Zustellung des darüber ergangenen Beschlusses voraussetzt (RS0106741 [T5]), die hier aber noch nicht erfolgt ist.
[15] 4. Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.