JudikaturOGH

5Ob130/23p – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M* Aktiengesellschaft, * , vertreten durch Dr. Martin Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin F*, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 Abs 1 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Mai 2023, GZ 40 R 142/23p 51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die antragstellende Hauptmieterin begehrt von der Antragsgegnerin als Vermieterin die Durchführung von – unter Bezugnahme auf im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten konkretisierte – Erhaltungsarbeiten, weil es über Dachflächenfenster, Badezimmerlüfter, Terrassentür und die Kuppelkonstruktion wiederholt zu Wassereintritten in die Wohnung der A n tragstellerin gekommen war.

[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Das Rekursgericht verwies zutreffend auf die ständige Rechtsprechung (RIS Justiz RS0070562), dass im (wohnrechtlichen) Außerstreitverfahren an die Bestimmtheit des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind und das Gericht allenfalls den Antragsteller im Zug des Verfahrens ausgehend von gewonnenen Beweisergebnissen zur Präzisierung anzuleiten und eine exekutierbare Entscheidung im Rahmen des weiten Begehrens zu treffen hat (5 Ob 178/21v mwN). Eben dies ist hier geschehen, konkretisierte die Antragstellerin doch in der Tagsatzung vom 5. Dezember 2022 ihr Begehren unter Hinweis auf die in den beiden Gutachten detailliert festgehaltenen Erhaltungsarbeiten. Dieser Präzisierung ist das Erstgericht im Spruch seiner Entscheidung gefolgt. Die Frage nach der ausreichenden Konkretisierung eines – hier im Weg der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG durchzusetzenden – Exekutionstitels hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0037874 [T39]; 5 Ob 178/21v). Dass der die durchzuführenden Erhaltungsarbeiten konkret nennende Spruch des Erstgerichts ausreichend bestimmt ist, ist keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[6] 2. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehören zu den vom Vermieter durchzuführenden Erhaltungsarbeiten auch die notwendigen oder zumindest zweckmäßigen Vor und Nacharbeiten (5 Ob 143/14m; 5 Ob 181/16b je mwN). Ob solche notwendigen oder zumindest zweckmäßigen Vor oder Nacharbeiten vorliegen, ist aus dem funktionellen Zusammenhang mit der eigentlichen Erhaltungsarbeit zu schließen. Sie sind zu deren Durchführung notwendig, ermöglichen oder erleichtern sie oder dienen dazu, den ursprünglichen Zustand nach Abschluss der Erhaltungsarbeit wiederherzustellen (5 Ob 181/16b). Ihnen ist gemeinsam, dass sie als notwendige Folge der eigentlichen Erhaltungsarbeit in direktem Zusammenhang mit dieser stehen, selbst aber nicht ein Teil der eigentlichen Erhaltungsmaßnahme sind (5 Ob 143/14m; 5 Ob 181/16b). Diese Abgrenzung hat nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erfolgen und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (5 Ob 181/16b). Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen sind in der Rechtsprechung grundsätzlich geklärt, sodass nicht jeder neu auftretende Sachverhalt der Befassung des Obersten Gerichtshofs bedarf (5 Ob 83/06a; 5 Ob 6/22a).

[7] 3. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind (wie dies auch im Rekursverfahren schon der Fall war) nur mehr betreffend die Behebung der Schäden im Bereich des Dachs, der Dachflächenfenster und der Kuppel der Satz „Überprüfung der Gläser der Kuppel auf sicheren Sitz“, betreffend die Behebung der Schäden im Innenbereich der Wohnung der Satz „vor dem Einbau der neuen Fenster kann eine Bauteiltrocknung im Bereich der Fensteröffnungen notwendig werden; die Notwendigkeit ist vor dem Einbau der Fenster festzustellen“ und bei der Behebung der Schäden an der Terrasse der Satz „vor dem Einbau der abgehängten Decke im Bad kann eine Bauteiltrocknung notwendig werden; die Notwendigkeit ist vor dem Einbau festzustellen“. Das Rekursgericht legte diese Spruchpunkte dahin aus, es handle sich dabei nicht um Aufträge zur Durchführung konkreter Erhaltungsarbeiten, damit werde vielmehr die Art der Durchführung der zuvor genannten und von der Rekurswerberin nicht bekämpften Erhaltungsarbeiten vorgeschrieben. Es gehe dabei um die bautechnische Selbstverständlichkeit, im Zusammenhang mit dem aufgetragenen Einbau neuer Teile bautechnisch zu untersuchen, ob davon betroffene Gebäudeteile Schäden aufweisen, die vor der Durchführung der explizit aufgetragenen Erneuerungsarbeiten behoben werden müssen. Dies sei bei der Kuppel die Gewährleistung des sicheren Sitzes, beim Einbau der neuen Fenster das Erfordernis der Bauteiltrockenheit im Bereich der Fensteröffnungen und beim Einbau der abgehängten Decke im Bad die ebenfalls erforderliche Bauteiltrockenheit. Diese Auslegung ist nicht korrekturbedürftig und entspricht den in der zitierten Rechtsprechung bereits aufgestellten Grundsätzen. Davon auszugehen, dies sei im Sinn eines Auftrags zur Überprüfung (auf sicheren Sitz bzw Bauteiltrockenheit) vor dem unbekämpft aufgetragenen Einbau neuer Bauteile zu verstehen, ist unbedenklich. Die (allenfalls) im Zusammenhang damit stehenden zweckmäßigen Arbeiten wurden ihrer Art nach beschrieben. Dies reicht für eine ausreichende Bestimmtheit aus (5 Ob 6/22a). Dass diese noch strittigen Überprüfungsarbeiten erst im Zug der Neuherstellung nach Demontage der Kuppel, Abbruch der durchfeuchteten Deckenuntersichten und Fensterlaibungen und der durchfeuchteten abgehängten Decke bautechnisch möglich sein werden, ergibt sich aus den Sachverständigengutachten und kann im Sinn der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts als bautechnische Selbstverständlichkeit bezeichnet werden. Dass keine Rechtsprechung dazu besteht, welche konkrete bautechnische Selbstverständlichkeit beim Einbau neuer Teile im Sinn des hier gefassten Spruchs gegeben ist, liegt auf der Hand und begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

[8] 4. Einer näheren Erörterung der vom Rekursgericht monierten Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsgegnerin bedarf es nicht. Tatsächlich hat sie weder gegen die Konkretisierung des Antragsbegehrens noch gegen die Gutachten irgendwelche Einwände erhoben. Das Erstgericht folgte in tatsächlicher Hinsicht den beiden Sachverständigengutachten, eine Beweisrüge erhob die Antragsgegnerin im Rekursverfahren nicht. Auf eine Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht der Antragsgegnerin kommt es daher rechtlich gar nicht an.

[9] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[10] 6. Die Revisionsrekursbeantwortung war der Antragstellerin nicht freigestellt und ist deshalb nicht zu honorieren (RS0113633).

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