5Ob130/23p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M*Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Martin Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin F*, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 Abs 1 MRG infolge des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Mai 2023, GZ 40 R 142/23p 51, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 23. März 2023, GZ 46 MSch 1/21x 43, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird an das Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Hauptmieterin einer Wohnung in einem Haus, das im Hälfteeigentum der Antragsgegnerin steht. Diese ist ob der zweiten Liegenschaftshälfte fruchtgenussberechtigt. Die Antragstellerin begehrt von der Vermieterin die Durchführung von – im Detail unter Bezugnahme auf das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten konkretisierten – Erhaltungsarbeiten, weil es über Dachflächenfenster, Badezimmerlüfter, Terrassentür und Kuppelkonstruktion wiederholt zu Wassereintritten in die Wohnung gekommen sei.
[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig.
[4] Eine Zustellung der Entscheidungen der Vorinstanzen durch Hausanschlag ist nach der Aktenlage unterblieben.
[5] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Antragsgegnerin die Abänderung im Sinn einer Antragsabweisung an, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Oberste Gerichtshof kann über den außerordentlichen Revisionsrekurs derzeit noch nicht entscheiden.
[7] 1. Nach § 37 Abs 3 Z 2 MRG ist in einem Verfahren, das von einem oder mehreren Hauptmietern des Hauses gegen den oder die Vermieter eingeleitet wird, der verfahrenseinleitende Antrag auch jenen anderen Hauptmietern des Hauses zuzustellen, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung darüber unmittelbar berührt werden könnten; diesen Hauptmietern ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben, wofür es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Sachvorbringen erstatten können.
[8] 2. Eine unmittelbare Interessenbeeinträchtigung der übrigen Hauptmieter besteht in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG deshalb, weil der Vermieter die zur ordnungsgemäßen Erhaltung oder nützlichen Verbesserung des Hauses aufgewendeten Beträge als Ausgaben in die Hauptmietzinsrechnung einstellen darf und sich zur Rechtfertigung dieses Vorgehens auch den übrigen Hauptmietern gegenüber auf die im Verfahren erteilten Aufträge berufen kann. Im Verfahren, das der Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten dient, geht die ständige Rechtsprechung (RIS Justiz RS0070366 [T9, T10]; RS0070534 [T2]; 5 Ob 161/20t [zu § 22 Abs 1 Z 1 WGG]) in Übereinstimmung mit der Lehre ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht I 23 § 37 MRG Rz 68 mwN; T. Klicka in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 4 § 37 MRG Rz 86) daher von einer Teilnahmeberechtigung aller Hauptmieter des Hauses aus.
[9] 3. Diese Grundsätze sind auch in diesem Verfahren anzuwenden, in dem die Qualifikation der begehrten Arbeiten – die nach den Feststellungen des Erstgerichts einen geschätzten Kostenaufwand von 118.425 EUR netto erfordern werden – als Erhaltungsarbeiten im Sinn der §§ 3 und 6 MRG strittig ist. Die Interessen anderer Hauptmieter könnten durch die stattgebende Entscheidung über den Antrag auf Erhaltungsarbeiten unmittelbar berührt werden. Diesen ist daher rechtliches Gehör einzuräumen (vgl RS0006036).
[10] 4. Nach der Aktenlage dürfte es im Haus weitere Hauptmieter geben, die dem bisherigen Verfahren nicht beigezogen wurden. Diesen ist Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen oder auch nicht (RS0123128). Die allfällige Verletzung des Parteiengehörs weiterer Hauptmieter wäre dann als saniert anzusehen, wenn diese nach Zustellung der Sachentscheidung kein zulässiges Rechtsmittel erheben oder den Stand des Verfahrens genehmigen (5 Ob 237/09b).
[11] 5. Das Erstgericht wird daher zunächst die Zustellung dieses Beschlusses und der Rekursentscheidung samt Rechtsmittelbelehrung an die übrigen Hauptmieter durch Hausanschlag zu veranlassen haben. Der Akt ist erst nach dem Einlangen allfälliger weiterer Rechtsmittel oder nach ungenütztem Ablauf der hiefür offenstehenden Fristen wieder vorzulegen.