JudikaturOGH

1Ob67/23v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* G*, vertreten durch Mag. Thomas Wurisch, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen die beklagte Partei L* GmbH, *, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen 14.634,60 EUR sA und Zwischenantrag auf Feststellung, im Verfahren über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 29. November 2022, GZ 1 R 303/22h 51, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Judenburg vom 24. August 2022, GZ 2 C 333/21d 45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die angefochtene Entscheidung durch einen Ausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu ergänzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 14.636,60 EUR sA (Entgelt aufgrund der Dienstbarkeitsvereinbarung vom 7. 12. 2017) und stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung dieser Dienstbarkeit, den er nicht bewertete.

[2] Das Erstgericht sprach dem Kläger 14.636,60 EUR sA zu und stellte fest, dass die zwischen ihm und der Beklagten am 7. 12. 2017 abgeschlossene Vereinbarung, mit der eine Grundinanspruchnahme seiner Parzelle durch eine Druckrohrleitung und eine Zufahrt zu einem Kraftwerk auf der Parzelle der Beklagten um ein Entgelt von 8.400 EUR jährlich zuzüglich 13 % Umsatzsteuer und Wertsicherung vereinbart worden sei, aufrecht und wirksam sei .

[3] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, traf aber keinen Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO.

[4] Dagegen erhob die Beklagte den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit der Ausführung der ordentlichen Revision und beantragte nachfolgend hilfsweise, „das Rechtsmittel als außerordentliche Revision zu behandeln“.

[5] Das Berufungsgericht, dem das Erstgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision vorlegte, stellte den Akt zur Vorlage der außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof zurück. Rechtlich führte es aus, die Streitwerte des Zahlungsbegehrens und des Zwischenantrags auf Feststellung seien zusammenzurechnen. Auf Zwischenanträge auf Feststellung sei auch § 58 JN anzuwenden. Nach den Verfahrensergebnissen bestehe die „Zahlungspflicht“ der Beklagten bis 31. 12. 2059. Bei Anwendung von § 58 JN ergebe sich – selbst ohne Berücksichtigung von Umsatzsteuer und Wertsicherung – unter Zugrundelegung einer Zahlungspflicht der Beklagten aufgrund des Vertrags mit dem Kläger ein Streitwert von 333.834,60 EUR (14.634,60 EUR an Leistung zuzüglich 319.200 EUR für den Feststellungsantrag [das Leistungsbegehren umfasse die Jahre bis inklusive 2021, danach seien noch 38 Jahre á 8.400 EUR anzusetzen]). Ein Bewertungsausspruch sei entbehrlich, weil es sich bei § 58 JN um eine zwingende Bewertungsvorschrift handle. Der von der Beklagten fälschlicherweise gestellte Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision verbunden mit der ordentlichen Revision sei in eine außerordentliche Revision nach § 505 Abs 4 ZPO umzudeuten.

[6] Daraufhin veranlasste das Erstgericht die Vorlage des Rechtsmittels der Beklagten an den Obersten Gerichtshof. Die Vorlage einer außerordentlichen Revision der Beklagten ist jedoch verfrüht:

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

[8] 2. Die Streitwerte der Klage – des Zahlungsbegehrens – und des Zwischenantrags auf Feststellung sind zusammenzurechnen (RS0039661). Eine Ausnahme liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts war sowohl die inhaltliche Entscheidung über das Zahlungsbegehren als auch über den Zwischenfeststellungsantrag, dem bereits das Erstgericht – wenn auch unrichtig mit Beschluss und nicht mit Urteil (§ 236 Abs 1, § 393 Abs 2 ZPO; RS0039720) – stattgab.

[9] 3. Eine Bewertung nach § 58 Abs 1 JN findet nur statt, wenn es sich um Streitigkeiten über das Recht zum Bezug der dort genannten Leistungen oder Nutzungen handelt (RS0111964 [T2]). Als wiederkehrende Leistungen werden solche verstanden, die nicht fortlaufend, sondern in zeitlichen Abständen erbracht oder gezogen werden. Wohnungs , Dienstbarkeits und Fruchtgenussrechte fallen nicht darunter (2 Ob 68/09b mwN = RS0125623; Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 58 JN Rz 1 f). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Rückstellungsbeschluss wird vom Kläger im Zwischenfeststellungsantrag kein Recht auf Bezug von wiederkehrenden Nutzungen im Sinn des § 58 Abs 1 JN geltend gemacht, sondern die Feststellung des „aufrechten“ Bestands einer Vereinbarung über eine Dienstbarkeit begehrt (vgl Gitschthaler aaO § 58 JN Rz 2 [zu Dienstbarkeitsrechten] unter Verweis auf 2 Ob 558/95 und 7 Ob 528/91). Damit kommt eine Bewertung nach § 58 Abs 1 JN nicht in Betracht.

[10] 4. Dem Zwischenantrag auf Feststellung liegt keine ziffernmäßig bestimmte Forderung – und damit kein geldgleicher Anspruch im Sinn des § 56 Abs 2 JN (vgl dazu RS0042439; RS0114182) – zugrunde, begehrt doch der Kläger die Feststellung des Bestehens einer Vereinbarung mit einem bestimmten Inhalt.

[11] Auch wenn der Kläger den Streitgegenstand des Zwischenfeststellungsantrags nach § 56 Abs 2 erster Satz JN bewertet hätte, wäre die gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO erforderliche Bewertung des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz nicht entbehrlich (RS0042296). Gleiches gilt, wenn der Kläger – wie hier – einen Feststellungsantrag nach § 236 ZPO nicht bewertete, sodass dessen Streitwert gemäß § 56 Abs 2 dritter Satz JN 5.000 EUR beträgt (1 Ob 290/04k SZ 2005/21; RS0042296 [T3]). Letztere Norm ist keine den Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz zwingend determinierende Bewertungsvorschrift, wird sie doch in § 500 Abs 3 ZPO nicht erwähnt (RS0119818).

[12] 5. Das Berufungsgericht hat daher den Entscheidungsgegenstand gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu bewerten. Sollte es aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, läge ein Fall des § 508 Abs 1 ZPO vor. Diesfalls hätte das Berufungsgericht über den entsprechenden Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO zu entscheiden. Sollte das Berufungsgericht in seinem nachzuholenden Bewertungsanspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR bewerten, wäre das Rechtsmittel neuerlich dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.

[13] 6. Der Akt ist daher dem Berufungsgericht zur Bewertung des Entscheidungsgegenstands zurückzustellen.

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