11Os9/22s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kostersitz als Schriftführer in der Strafsache gegen A* M* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. Oktober 2021, GZ 11 Hv 36/21i 66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält – wurde A* M* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 18. April 2021 in R* D* M* unter Missachtung ihrer Abwehrversuche und trotz ihrer Gegenwehr durch Gewalt, indem er dieser zuerst das T Shirt zerriss und dann ihre Hände gegen das Bett drückte, gegen ihren Willen zur Duldung des Beischlafs genötigt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider steht die Feststellung, wonach der Angeklagte unter Einsatz von physischer Kraft gegen den Körper der D* M* mit dieser gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr vollzog, zur – weil der Einsatz von Gewalt diesbezüglich gerade nicht festgestellt wurde – überdies nicht entscheidenden (RIS Justiz RS0117499) Konstatierung, wonach der Angeklagte danach D* M* an der Hand nahm und in einem anderen Zimmer gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr fortsetzte (US 4), nicht im Widerspruch.
[5] Soweit es ihr nicht (als Aufklärungsrüge) um den Verfahrensaspekt unterlassener Beweisaufnahme – mit anderen Worten (gerade) unterbliebenen Vorkommens eines bestimmten Beweismittels in der Hauptverhandlung – geht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 481; vgl RIS Justiz RS0117749 [insbesondere T1], RS0117516 [insbesondere T1, T5]), ist eine Tatsachenrüge (Z 5a) nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS Justiz RS0117446 [insbesondere T1, T10], RS0117749, RS0118780, 11 Os 29/16y, jüngst 11 Os 105/21g).
[6] Die Tatsachenrüge entfernt sich zur Gänze von diesen Anfechtungskriterien. Sie erschöpft sich vielmehr in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, indem sie unter isolierter Betrachtung einzelner Details der Angaben der D* M* zu nicht entscheidenden Tatsachen (ob der Angeklagte die Zeugin an den Unter oder Oberarmen oder an den Händen auch während eines Positionswechsels festgehalten hat) der (ursprünglich zum objektiven Tathergang geständigen [ON 7 S 3] und später) leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch verhelfen will und abweichend von den tatrichterlichen Konstatierungen (US 4) behauptet, der Geschlechtsverkehr habe jedenfalls bereits vor dem Einsatz von Körperkraft stattgefunden.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.