1Ob216/20a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers C***** H*****, wegen Ablehnung, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 4. Juni 2020, GZ 5 Nc 3/20k 2, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Der Antragsteller beantragte vor dem Landesgericht Linz die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage (gegen den Bund). Seine Ablehnung des zuständigen Richters dieses Landesgerichts wurde zurückgewiesen. Im dagegen erhobenen Rekurs lehnte der Antragsteller die für die Entscheidung zuständigen Mitglieder des „Senats 4“ des Oberlandesgerichts Linz als befangen ab; er vermute, dass diesem sein Rekurs zur Entscheidung zugeteilt werde. Dieser Senat sei „offenkundig befangen“, weil er in einer vorangegangenen Rechtsmittelentscheidung die dort angestrebte Rechtsverfolgung des Antragstellers als offenbar mutwillig angesehen habe.
[2] Die Mitglieder des Senats 4, der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über den Rekurs des Antragstellers zuständig ist, gaben in ihrer Stellungnahme zur Ablehnung an, nicht befangen zu sein. Die beanstandete Formulierung in der Entscheidung laute: „Zu Recht ist das Erstgericht daher davon ausgegangen, dass sich ein verständiger Rechtssuchender auf eigenes Prozesskostenrisiko nicht auf die Führung eines derartigen Verfahrens einlassen würde, was die angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar mutwillig im Sinne des § 63 Abs 1 ZPO erscheinen lässt.“
[3] Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Linz (als Erstgericht) den „Ablehnungsantrag“ zurück. Der Ablehnungswerber könne weder taugliche Befangenheitsgründe aufzeigen noch nachweisen. Er behaupte, die (namentlich nicht genannten) Mitglieder des Senats 4 hätten in einem vorangegangenen Verfahren nicht zu seinen Gunsten entschieden. Eine Befangenheit sei jedoch jeweils in Bezug auf die konkrete Rechtssache und nicht allfällige frühere Verfahren zu prüfen, wobei weder eine angebliche Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter einen Ablehnungsgrund bilde. Eine Befangenheit der Mitglieder des Senats 4 infolge der vom Ablehnungswerber missbilligten früheren Rechtsmittelentscheidung liege nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
[5] 1. Der Antragsteller hat mit seinem Rekurs zugleich den Vorsitzenden des Ablehnungssenats als befangen abgelehnt. Diese Ablehnung wurde inzwischen rechtskräftig zurückgewiesen (1 Ob 142/20v). An diesen Beschluss ist das erkennende Rechtsmittelgericht gebunden (RIS Justiz RS0042079 [T1]).
[6] 2. In Ablehnungssachen richten sich das Rekursverfahren (soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen enthalten) und die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Vertretungszwang besteht, nach den Vorschriften, die für das Hauptverfahren maßgeblich sind (RS0006000; RS0035708 [T2]). Dem Ablehnungsverfahren liegt ein Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugrunde, weshalb der selbstverfasste Rekurs des Ablehnungswerbers im Sinn des § 72 Abs 3 ZPO keiner Anwaltsunterfertigung bedarf (vgl RS0035708 [T5]; RS0036113 [T2]).
[7] 3. Der mit dem vorliegenden Rekurs verbundene Verfahrenshilfeantrag des Antragstellers (über den gemäß § 65 Abs 2 ZPO stets das Prozessgericht erster Instanz zu entscheiden hätte) hindert die Entscheidung nicht, weil – wie dargelegt – kein Vertretungszwang besteht, im Rechtsmittelverfahren über die Ablehnung das Neuerungsverbot gilt (RS0006000 [T13]) und an der Aussichtslosigkeit des Rekurses mangels Darlegung tauglicher Befangenheitsgründe in erster Instanz auch eine anwaltliche Vertretung nichts ändern könnte (1 Ob 133/20w; 1 Ob 142/20v [betreffen jeweils den Ablehnungswerber]).
[8] 4. Abgesehen davon, dass über die Ablehnung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden wird (§ 24 Abs 1 JN), ist gemäß § 526 Abs 1 ZPO über einen Rekurs ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Entgegen dem darauf abzielenden Antrag des Rechtsmittelwerbers ist der ZPO eine mündliche Verhandlung über den Rekurs fremd (1 Ob 133/20w; 1 Ob 142/20v; Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 526 ZPO Rz 1).
[9] 5. Zur Frage der behaupteten Befangenheit ist dem Rekurswerber entgegenzuhalten, dass er die Ablehnung mit der behaupteten Unrichtigkeit einer früheren Rechtsmittelentscheidung des auch nunmehr zuständigen Rechtsmittelsenats begründete, und sich auch seine Rechtsrüge im Wesentlichen auf diese Behauptung beschränkt. Weder die Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch einen Richter könnte jedoch einen Ablehnungsgrund bilden. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen, das den Parteien nicht die Möglichkeit bieten soll, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0111290). Vermeintliche Entscheidungsfehler – noch dazu in einem anderen Verfahren – sind in der Regel kein Ablehnungsgrund. Es ist auch nicht Aufgabe des zur Beurteilung einer aus der Entscheidung eines Richters abgeleiteten Ablehnung berufenen gerichtlichen Organs, diese Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047; RS0111290 [T7]).
[10] Soweit der Rekurswerber eine Befangenheit aus der Diktion der seinerzeitigen Entscheidung – die er als respektlose Unterstellung offenbar voreingenommener Richter qualifiziert – ableiten will, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Formulierung, die angestrebte Rechtsverfolgung erscheine als offenbar mutwillig im Sinne des § 63 Abs 1 ZPO, ihre Basis im Wortlaut der genannten Norm hat. Danach ist eine Rechtsverfehlung als mutwillig anzusehen, „wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falls ... von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde.“
[11] Mit diesen Grundsätzen stimmt der angefochtene Beschluss überein.
[12] 6. Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.