8Ob94/19k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter in der Ablehnungssache der Antragstellerin R***** B***** OG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, gegen Richterinnen des Oberlandesgerichts Graz, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. August 2019, GZ 2 Nc 12/19i 1, mit dem deren Ablehnungsantrag abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Das unterbrochene Rekursverfahren wird fortgesetzt.
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. 8. 2019 (als Erstgericht), mit dem ihr Antrag auf Ablehnung dreier Richterinnen dieses Gerichts abgewiesen wurde, erhob die Antragstellerin rechtzeitig Rekurs an den Obersten Gerichtshof.
Gleichzeitig stellte sie beim Verfassungsgerichtshof einen Parteienantrag auf Normenkontrolle gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG, der unter anderem auch die Bestimmung des § 19 JN betraf. Das Rekursverfahren wurde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 24. 9. 2019 bis zur Entscheidung über diesen Antrag unterbrochen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mittlerweile mit Beschluss vom 24. 9. 2019 den Normenkontrollantrag als nicht gesetzmäßig begründet zurückgewiesen.
Das Rekursverfahren ist daher fortzusetzen.
II.1. Über das Vermögen der Rekurswerberin wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 6. 12. 2018 das Konkursverfahren eröffnet. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Schuldnerin gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 19. 2. 2019 nicht Folge.
Mit weiterem Beschluss vom 19. 3. 2019, 3 R 33/19a (3 R 34/19y, 3 R 35/19w, 3 R 36/19t, 3 R 38/19m, 3 R 39/19h und 3 R 40/19f) wies das Oberlandesgericht Graz den Rekurs der Antragstellerin gegen die am 17. 12. 2019 erfolgte Bestellung eines Gläubigerausschusses zurück und gab den weiteren mit derselben Entscheidung behandelten Rekursen der Schuldnerin nicht Folge. Auch mit Beschluss vom 16. 4. 2019 wurde Rekursen der Schuldnerin gegen Beschlüsse des Erstgerichts nicht Folge gegeben (3 R 51/19y, 3 R 52/19w, 3 R 53/19t und 3 R 54/19i des Oberlandesgerichts Graz).
2. Mit Schriftsatz vom 15. 5. 2019 lehnte die Schuldnerin sowohl die für das Konkursverfahren zuständige Richterin des Erstgerichts, als auch die Mitglieder des Senats 3 des Oberlandesgerichts Graz als befangen ab. Sowohl das Erst- als auch das Rekursgericht hätten nicht erkannt, dass die Schuldnerin nicht zahlungsunfähig und nicht überschuldet sei. Sie sei lediglich zahlungsunwillig. Die Konkurseröffnung gehe auf betrügerisches Handeln des Gläubigers, über dessen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, sowie seines Vertreters zurück. Die beharrliche haltlose Bejahung der Konkursvoraussetzungen durch die abgelehnten Richter lasse auf psychologische Motive schließen, die ihre Befangenheit begründeten.
3. Mit weiterem Schriftsatz vom 3. 6. 2019 lehnte die Schuldnerin eine weitere Richterin des Erstgerichts sowie neuerlich die Mitglieder des 3. Senats des Oberlandesgerichts ab. Über die bisherigen Ausführungen hinaus brachte sie vor, die Handlungen und Beschlüsse der abgelehnten Richter seien getragen von Abscheu gegenüber der Person des mit der Schuldnerin in Verbindung stehenden B***** L*****, seinem Lebensstil sowie jenem der Gesellschafterinnen der Schuldnerin.
Mit Beschluss vom 8. 7. 2019 wies das Oberlandesgericht Graz durch seinen Senat 7 die Ablehnungsanträge wegen verspäteter Geltendmachung der Befangenheitsgründe ab (das Verfahren 3 R 34/19y betreffend), im Übrigen wies es die Anträge wegen Rechtskraft der betroffenen Entscheidungen als unzulässig zurück.
4. Gleichzeitig mit einem gegen diesen Beschluss vom 8. 7. 2019 erhobenen Rekurs lehnte die Schuldnerin auch die Mitglieder des Senats 7 des Oberlandesgerichts Graz als befangen ab.
Auch diese Richterinnen seien gegenüber der Schuldnerin in gleicher Weise wie die zuvor Abgelehnten voreingenommen. Der Grund dafür sei eine „gerichtsnotorische Aversion“ gegen die Person des B***** L*****, weil dieser nie geheiratet, aber mit acht Frauen elf Kinder habe, darunter sieben von Gesellschafterinnen der Schuldnerin. Bei einer der abgelehnten Richterinnen bestehe eine Nachnamensgleichheit mit einem Anwalt, der seinerseits einen in kriminelle finanzielle Machenschaften verstrickten Mandanten vertrete. Dies begründe den Verdacht einer fehlenden Unabhängigkeit.
III. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Graz durch seinen 2. Senat – nach Einholung von Stellungnahmen der betroffenen Richterinnen – diesen Ablehnungsantrag ab. Die Entscheidung des 7. Senats vom 8. 7. 2019 sei gut nachvollziehbar begründet. Im Ablehnungsverfahren sei von vornherein nicht zu prüfen, ob das Insolvenzverfahren etwa zu Unrecht weitergeführt werde. Inwiefern eine behauptete Voreingenommenheit gegenüber der Person des B***** L***** auf die Entscheidungsfindung Einfluss gehabt haben könnte, sei überhaupt nicht nachvollziehbar. Die abgelehnte Vorsitzende des Senats 7 sei tatsächlich mit einem Rechtsanwalt verheiratet. Sie habe in ihrer Äußerung jedoch mitgeteilt, dass sie dessen Mandanten und insbesondere die von der Schuldnerin genannte Person nicht kenne. Ein die Entscheidungsfindung beeinflussender Zusammenhang könne damit nicht hergestellt werden.
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs der Schuldnerin macht Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und begehrt die „ersatzlose Behebung“ des angefochtenen Beschlusses, in eventu (zumindest erkennbar) auch die Abänderung des Beschlusses im antragsstattgebenden Sinn.
Gleichzeitig lehnte die Schuldnerin nunmehr die an der Entscheidung beteiligten Richter des Senats 2 des Oberlandesgerichts Graz als befangen ab. Begründet wird dies damit, dass die Senatsmitglieder
- die von der Schuldnerin im Verfahren mehrfach vorgebrachten Beschuldigungen Dritter nicht nach § 78 StPO bei der Staatsanwaltschaft angezeigt haben,
- sie auf die Ablehnungsgründe nicht „tauglich“ eingegangen seien,
- die eingeholten Stellungnahmen der abgelehnten Richterinnen nicht an die Rekurswerberin übermittelt haben.
Der Rekurs wurde dem Obersten Gerichtshof direkt vorgelegt. In dem angeschlossenen Aktenvermerk halten die im Rekurs abgelehnten Richter des Senats 2 fest, dass der neuerliche Befangenheitsantrag der Schuldnerin als offenkundig rechtsmissbräuchlich angesehen werde und von der Befassung des Ablehnungssenats daher Abstand zu nehmen sei.
IV. Der Oberste Gerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass rechtsmissbräuchlich unzulässig ständig wiederholte Ablehnungsanträge nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung werden müssen; es ist aber ein Aktenvermerk über die Unterlassung ratsam (RIS Justiz RS0046015).
Die im Rekurs enthaltene Ablehnung des Senats 2 ist die in unmittelbarer Folge dritte Ablehnung eines Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichts Graz durch die Schuldnerin. Den Begründungen dieser Anträge ist zu entnehmen, dass es der Antragstellerin nicht darum geht, konkrete Befangenheitsgründe gegen bestimmte Richter geltend zu machen (mit einer einzigen Ausnahme bei der Vorsitzenden des Senats 7), sondern dass sie alle bisher und künftig mit ihrer Sache befassten Richter pauschal der Voreingenommenheit verdächtigt und ablehnt, deren Entscheidung nicht ihren Zielen und Vorstellungen entspricht.
Damit verkennt sie die Zwecke dieses Rechtsbehelfs. Die Ablehnung soll nicht die Möglichkeit bieten, dass sich Parteien eines nicht genehmen Richters entledigen können (RS0109379; RS0046087; RS0046011). Die Ablehnung des hier als Erstgericht entscheidenden Senats 2 des Oberlandesgerichts Graz stützt sich auf Umstände, die zum Teil außerhalb des hier maßgeblichen Verfahrensgegenstands liegen (Unterlassung einer Anzeige gegen Dritte), und im Übrigen bei Zutreffen Begründungs- Verfahrensmängel darstellen würden, deren Prüfung im Rechtsmittelverfahren stattzufinden hat und die eine Befangenheit nicht indizieren (RS0046090; RS0111290; RS0046049; RS0045916).
Gegen die Beurteilung, dass diese Ablehnung des Senats 2 des Oberlandesgerichts Graz als rechtsmissbräuchlich wiederholte Pauschalablehnung keiner Behandlung zugeführt werden musste, bestehen aufgrund dieser Aktenlage keine Bedenken. Es ist daher über den vorgelegten Rekurs gegen den Beschluss vom 8. 8. 2019 zu entscheiden.
V. Der Rekurs ist gemäß § 24 Abs 2 JN zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
1. Es verwirklicht nach herrschender Rechtsprechung keinen Verfahrensmangel des Ablehnungsverfahrens, wenn der antragstellenden Partei die Stellungnahmen der abgelehnten Richter nicht zur Äußerung zugestellt wurden. Die Einholung einer gesonderten Gegenäußerung des Ablehnungswerbers kann wohl in Einzelfällen zur hinreichenden Klärung des Sachverhalts geboten sein, sie ist aber nicht zwingend vorgeschrieben (RS0045962 [T9]). Es sind zwar alle allenfalls nötig erscheinenden Erhebungen durchzuführen; das besagt aber nicht, dass dem Ablehnungswerber, der ja ohnedies gehalten ist, schon in seinem Ablehnungsantrag Bescheinigungsmittel für den von ihm behaupteten Sachverhalt anzubieten, in jedem Fall die Äußerung des abgelehnten Richters zur Gegenäußerung zugestellt werden muss (RS0045962 [T9; T13; T16]). Gründe, die im vorliegenden Fall eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, liegen nicht vor.
2. Ein Richter ist dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Es genügt, wenn aufgrund der Umstände die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen ist, dass bei seiner Entscheidung andere als rein sachliche Erwägungen eine Rolle spielen könnten (RS0046024 [T2]; RS0045975; RS0046052 ua). Entscheidend ist, ob diese Befürchtung als objektiv gerechtfertigt anzusehen ist.
Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist insbesondere nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die behauptete Unrichtigkeit seiner Entscheidung ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen.
Im vorliegenden Fall laufen die Ausführungen der Rekurswerberin letztlich zentral auf das Argument hinaus, dass die Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung ihres Insolvenzverfahrens nie vorgelegen hätten und alle dieser Ansicht nicht Rechnung tragenden Entscheidungen des Insolvenzgerichts schlichtweg unvertretbar seien. Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass die solcherart kritisierten Entscheidungen weder von den abgelehnten Richtern des 7. Senats des Oberlandesgerichts gefällt wurden, noch ihnen eine Kompetenz zur Überprüfung dieser Entscheidungen im Ablehnungsverfahren zugekommen wäre, geht der Rekurs nicht ein.
Die statt dessen weitwendig ausgebreiteten Darstellungen von Vorkommnissen in- und außerhalb anderer Prozesse und von behaupteten Malversationen durch am gegenständlichen Insolvenzverfahren gar nicht beteiligte Personen stehen – soweit es sich nicht ohnehin um unzulässige Neuerungen handelt – in keinem objektiv fassbaren Zusammenhang mit den Personen der abgelehnten Senatsmitglieder.
3. Die Behauptung einer unsachlichen Beeinflussung der Entscheidungsfindung durch eine „Abscheu“ vor der Person des nicht an der Gesellschaft beteiligten B***** L***** wird im Rekurs nicht mehr aufrecht erhalten. Es wird „der Richterschaft“ des Oberlandesgerichtssprengels nur noch unterstellt, dass sie ein „Interesse am Lebensstil“ dieser Person und ihrer privaten Verbindungen zu den Gesellschafterinnen der Schuldnerin hätten.
Objektive Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Interesse gerade bei den abgelehnten Richtern des Senats 7 vorliegt, nennt der Rekurs allerdings nicht.
Er vermag auch nicht nachvollziehbar zu begründen, was ein neugieriges Interesse am Privat- und Familienleben des Genannten oder der Gesellschafterinnen, selbst wenn es bestünde, mit dem Insolvenzverfahren der Rekurswerberin zu tun hätte. Es wird zwar in den Raum gestellt, aber gar nicht konkret behauptet, dass und weshalb es dort eine sachliche Entscheidungsfindung hindern könnte. Ein konkreter Befangenheitsgrund wird damit nicht dargelegt.
4. Auch das ursprünglich für die Befangenheit der Vorsitzenden des abgelehnten Senats konkret ins Treffen geführte Argument (Ehe mit einem Rechtsanwalt) wird im Rekurs nicht nachvollziehbar dargestellt.
Dem insgesamt unbegründeten Rechtsmittel war daher ein Erfolg zu versagen.