1Ob133/17s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M***** A*****, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, gegen den Antragsgegner F***** A*****, vertreten durch Dr. Hans Wabnig, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. Mai 2017, GZ 21 R 52/17v 28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 20. Dezember 2016, GZ 31 Fam 53/15m 24, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin konnte im erstinstanzlichen Verfahren keinen konkreten Aufteilungsvorschlag unterbreiten, begehrte aber für das bei der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft noch vorhandene und heute nicht mehr verfügbare eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse sowie für sämtliche Aufwendungen und Wertzuwächse im Vermögen des Antragsgegners eine „angemessene“ Ausgleichszahlung.
Der Antragsgegner wendete ein, der Antragstellerin stehe kein Aufteilungsanspruch und keine Ausgleichszahlung zu.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 1.000 EUR zu zahlen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin, mit dem sie primär „eine ihrem Beitrag entsprechend angemessene Ausgleichszahlung samt Zinsen“ anstrebte, nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Im dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt die Antragstellerin „eine ihrem Beitrag entsprechend angemessene Ausgleichszahlung“, in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag. Sie erklärt, den zweitinstanzlichen Beschluss „in seinem ganzen Umfang“ zu bekämpfen, als ihr mit Ausnahme des bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrags von 1.000 EUR „keine weitere Ausgleichszahlung“ zuerkannt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs bedarf einer Verbesserung:
1. In § 9 AußStrG ist für das Verfahren außer Streitsachen dem Antragsteller die Erleichterung eingeräumt, dass der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen muss, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet (§ 9 Abs 1 AußStrG). Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, so hat das Gericht die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 9 Abs 2 AußStrG). Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist ist ein ziffernmäßig nicht bestimmter Antrag zurückzuweisen, wobei der Antragsteller auf diese Rechtsfolge in der Aufforderung hinzuweisen ist (§ 9 Abs 3 AußStrG).
2. Beim Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Rahmen des Aufteilungsverfahrens handelt es sich um keinen konkreten, der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand, sondern vielmehr um ein Instrument, mit dem bei der realen Zuteilung (oder Belastung) des vorhandenen Vermögens verbleibende Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollen (1 Ob 262/15h mwN; RIS Justiz RS0057583 [T13]). Es genügt vorerst, die Zuweisung bestimmter Vermögensgegenstände und eine angemessene Ausgleichszahlung zu fordern oder im verfahrenseinleitenden Schriftsatz überhaupt nur die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens zu begehren (1 Ob 262/15h mwN; RIS Justiz RS0128864).
3. Auch in Rechtsmitteln im Aufteilungsverfahren hat jedoch der Rechtsmittelwerber anzugeben, in welchem Umfang er die getroffene Entscheidung anficht und in welcher Weise er eine Abänderung anstrebt. Dabei sind die Anforderungen an den Revisionsrekurs deutlich strenger als an einen Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss nach § 47 Abs 3 AußStrG. Nur in dieser Norm wird angeordnet, dass im Zweifel der gesamte Beschluss als angefochten anzusehen sei. § 65 Abs 3 AußStrG ist § 506 ZPO und zu einem großen Teil auch § 467 ZPO nachgebildet, weshalb auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (RIS Justiz RS0123420). Dabei kann zwar der Umfang der Anfechtung auch unter Heranziehung des gesamten Vorbringens ermittelt werden (RIS Justiz RS0043631; RS0043636). Insbesondere dann, wenn die angefochtene Entscheidung der Teilrechtskraft fähig ist, muss aber vom Rechtsmittelwerber verlangt werden, dass er deutlich angibt, wogegen er sich wendet und welche andere Entscheidung er anstrebt (1 Ob 262/15h mwN; vgl 10 Ob 66/05m [28. 6. 2005], jeweils zum Aufteilungsverfahren).
Fehlt einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinn des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist – auch im Verfahren außer Streitsachen nach § 10 Abs 4 AußStrG – ein Verbesserungsverfahren einzuleiten; das gilt nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen eines Rechtsmittelantrags (RIS Justiz RS0109506).
4. Nach der von der Antragstellerin (naturgemäß) nicht angefochtenen Zuerkennung der Ausgleichszahlung von 1.000 EUR durch das Erstgericht wäre es an ihr gelegen, wenn sie sowohl im Rekurs wie auch im Revisionsrekursverfahren lediglich die Höhe der Ausgleichszahlung kritisiert, die begehrte Zahlung entweder ziffernmäßig bestimmt anzugeben oder, für den Fall, dass sie der Ansicht wäre, eine solche Ausgleichszahlung könne von ihr noch nicht beziffert werden, konsequenterweise bloß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Ergänzung des Beweisverfahrens um jene Schritte zu fordern, deren Unterbleiben ihre ziffernmäßige Konkretisierung tatsächlich hinderten. Schon im Rekursverfahren wären daher die Vorinstanzen aufgerufen gewesen, das vage Begehren auf Zuspruch einer „ihrem Beitrag entsprechend angemessenen Ausgleichszahlung samt Zinsen“ von der Antragstellerin präzisieren zu lassen.
Das Erstgericht wird – in Entsprechung des § 71 Abs 4 iVm § 51 Abs 2 AußStrG – der Antragstellerin hinsichtlich des ebenfalls nicht konkreten Begehrens im außerordentlichen Revisionsrekurs einen befristeten Verbesserungsauftrag zu erteilen haben, um einen eindeutigen Rechtsmittelantrag nachzutragen. Zur Durchführung des Versuchs, diesen Mangel zu beheben, ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen (vgl 10 Ob 66/05m).