5Ob13/17y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Gert L*, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, sämtliche übrigen Wohnungseigentümer der Liegenschaft *, EZ 337 * als Antragsgegner, darunter 73. Dkfm. Dr. L*, 74. Mag. I*, 115. Dr. M*, 116. A*, diese vertreten durch Dr. Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. November 2016, GZ 40 R 47/16g 49, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 25. November 2015, GZ 17 MSch 7/13t 39, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht übermittelt.
Text
Begründung:
Der Antragsteller begehrt die Zustimmung sämtlicher Antragsgegner zu drei von ihm durchgeführten Änderungen nach § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG zu ersetzen und zwar hinsichtlich
a) der Installation einer Nieder-temperatur Fußbodenheizung in der Küche der Wohnung W20 im Haus A* samt Subwärmezählern in den Wohnungen W20 und W16 dieses Hauses und die Installation eines Gesamtwärmezählers in der Heizanlage der Liegenschaft;
b) des Verschlusses des im Zuge der geplanten Küchenentlüftung geschaffenen Lochs in der Fassade mit Isoliermaterial, aus optischen Gründen Anbringung einer Abdeckplatte im Ausmaß von ca 20 cm, dies lediglich bis zur nächsten ordentlichen Fassadensanierung oder Anfärbelung, zu welchem Zeitpunkt auf Kosten des Antragstellers das gegenständliche Loch endgültig verschlossen wird;
c) der zweimaligen Durchbohrung der Brüstungsplatte der westseitigen Loggia im obersten Geschoss der Liegenschaft in der Wohnung W20 im Haus A* und des Einsatzes zweier Rohre als Wasserspeier.
Das Erstgericht gab dem Antrag zur Gänze statt. Das Rekursgericht wies einen gegen die Kostenentscheidung erhobenen Rekurs der 73. und des 74. Antragsgegners als verspätet zurück. Dem Rekurs der 115. und 116. Antragsgegner gab es teilweise Folge und wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung hinsichtlich der Punkte 1a (Installation der Fußbodenheizung samt Subwärmezähler) und 1b (Verschluss des Loches in der Fassade) ab. Hinsichtlich Punkt 1c (Durchbohrung der Brüstungsplatte) bestätigte es den erstinstanzlichen Sachbeschluss. Es sprach aus, dass „der Wert des Entscheidungsgegenstands“ insgesamt 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof, dem die Akten mit einem als „außerordentlichen Revisionsrekurs“ bezeichneten Schriftsatz des Antragstellers vorgelegt wurde, ist (derzeit) zur Entscheidung über das Rechtsmittel noch nicht berufen:
1. Im allgemeinen Außerstreitverfahren ist der Revisionsrekurs – außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Das gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.
2. In diesem wohnrechtlichen Außerstreit-verfahren gelten gemäß § 52 Abs 2 WEG die Allgemeinbestimmungen über das Außstreitverfahren mit den in (unter anderem) § 37 Abs 3 Z 16 MRG genannten Besonderheiten. Nach dieser Bestimmung sind die in Abs 1 genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögens-rechtlicher Natur und die maßgebliche Wertgrenze beträgt 10.000 EUR.
3.1. Bei der Bewertung hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 3 AußStrG die gesetzlichen Bewertungsregeln der §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56 Abs 3, 57, 58 und 60 JN sinngemäß anzuwenden ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 59 Rz 34). Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts, hat eine Zusammenrechnung nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RIS Justiz RS0042741; RS0053096; RS0118275). Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sind zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS Justiz RS0037648). Er ist aber dann nicht anzunehmen, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS Justiz RS0037648 [T18]; RS0037899). Bei Beurteilung dieser Frage ist vom Vorbringen des Klägers – hier Antragstellers – auszugehen (RIS Justiz RS0042741).
3.2. Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, stehen nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS Justiz RS0110012). Ein Zusammenhang ist auch zu verneinen, wenn einzelne, voneinander unabhängige Störungshandlungen verschiedene körperliche Teile der Liegenschaft betreffen, selbst wenn diese in physischer Nähe zueinander stehen (RIS Justiz RS0037899 [T26]).
4. Hier will der Antragsteller die Zustimmung der Antragsgegner zu drei unterschiedlichen, miteinander nicht einmal physisch in irgendeinem Zusammenhang stehenden Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekten ersetzt erhalten. Er selbst bewertete sie in seinem Antrag jeweils gesondert (mit je 2.000 EUR) und auch das Rekursgericht sprach – völlig richtig – von drei gesonderten Begehren, die es auch in tatsächlicher und rechtlicher Sicht unterschiedlich beurteilte. Die Eigenschaft der allen drei Begehren zugrundeliegenden Wohnungseigentümereigenschaft reicht für sich alleine nicht aus, um einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang zu begründen, sodass die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung iSd § 55 Abs 1 JN nicht vorliegen. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist daher für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gemäß § 55 Abs 4 JN gesondert zu beurteilen (RIS Justiz RS0042741 [T18]).
5. Das Rekursgericht hat allerdings die nach obigen Ausführungen gebotene Differenzierung bei seiner Gesamtbewertung des Entscheidungsgegenstands unterlassen was – im Sinn einer Bewertung jedes einzelnen Entscheidungsgegenstands – zu berichtigen sein wird.
6. Sollte sich dabei ergeben, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei getrennter Betrachtung jeweils 10.000 EUR nicht übersteigt, käme eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 63 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 52 Abs 2 WEG ausspricht, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Ob der Schriftsatz des Antragstellers diesfalls den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder allenfalls einer Verbesserung bedarf, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen.
7. Jedenfalls wird die Zustellung der Rekursentscheidung auch durch Hausanschlag iSd § 52 Abs 2 Z 4 WEG durch das Erstgericht zu veranlassen sein.