JudikaturOGH

4Ob96/15v – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** Ö*****, vertreten durch Dr. Karl Krückl und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Ing. K***** K*****, vertreten durch Mag. Anatol Schürer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Februar 2015, GZ 14 R 182/14d 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Perg vom 8. August 2014, GZ 31 C 44/14s 13, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit ihrer Eigentumsfreiheitsklage machte die klagende Liegenschaftseigentümerin die Freiheit ihres Eigentums von außerbücherlichen Nutzungsrechten des Beklagten, dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft, geltend. Ihr Unterlassungsbegehren besteht aus drei gesondert bewerteten Ansprüchen. Zuletzt begehrte die Klägerin, 1. dem Beklagten das Betreten der Liegenschaft zum halben Erdkeller und dessen Mitbenützung, 2. das Betreten der Liegenschaft zum Garagennebenraum und dessen Benützung und 3. das Befahren der Liegenschaft mit Fahrzeugen, insbesondere durch Kraftfahrzeuge durch das bei der südlichen Einfahrt befindliche Garagentor jeweils zu verbieten. Das erste Begehren bewertete die Klägerin mit 4.000 EUR, die beiden restlichen Begehren mit jeweils 3.000 EUR.

Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, dass sie ihre Liegenschaft von allfälligen Mitbenützungsrechten Dritter lastenfrei erworben habe. Der Beklagte behaupte zu Unrecht, ihm stünde ein Nutzungsrecht an ihrer Liegenschaft in Form der Betretung des Kellers und der Garage sowie der Zufahrt zum Haus durch das Zufahrtstor zu. Die jeweilige Benützung durch den Kläger werde rechtsgrundlos ausgeübt. Aus dem Klagsvorbringen ist kein Zusammenhang der drei geltend gemachten Eingriffshandlungen abzuleiten.

Das Erstgericht gab der Klage in Punkt 2 statt (Betreten der Liegenschaft zum Garagennebenraum und dessen Benützung) und wies das Mehrbegehren ab. Der stattgebende Teil des Ersturteils erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und verurteilte den Beklagten auch zur Unterlassung im Sinne des Punkts 3 (Befahren der Liegenschaft mit Fahrzeugen). Im Übrigen (Punkt 1; Betreten der Liegenschaft zum Erdkeller und dessen Mitbenützung) gab es ihrer Berufung keine Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und erachtete die ordentliche Revision zunächst für nicht zulässig.

Über einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erachtete.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die dagegen erhobene Revision der Klägerin kommt (derzeit) nicht in Betracht, weil die Zulässigkeit der Revision noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

Das Berufungsgericht hat nur eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands insgesamt vorgenommen, ohne die mit Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche einzeln zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise wäre nur dann zutreffend, wenn die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN stünden.

Das ist jedoch nicht der Fall:

Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert (RIS Justiz RS0037899 [T3]). Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag bzw einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (RIS Justiz RS0037899 [T3]; 5 Ob 169/13h). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht demgegenüber nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS Justiz RS0037899).

Nach der Rechtsprechung stehen mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS Justiz RS0037899 [T2]; RS0110012; 1 Ob 113/14w ua; ebenso zur actio confessoria 3 Ob 276/08x). Der Zusammenhang liegt auch dann nicht vor, wenn einzelne, voneinander unabhängige Störungshandlungen verschiedene körperliche Teile der Liegenschaft betreffen, auch wenn diese in einer physischen Nähe zueinander stehen (6 Ob 79/98f; 6 Ob 80/98b). In einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt.

Für die Lösung der Frage, ob der Beklagte berechtigt ist, die klägerische Liegenschaft zum Erdkeller zu betreten bzw diesen zu benützen, bedarf es anderer Sachverhaltselemente, als für die Beurteilung, ob er die Liegenschaft (zu welchem Zweck auch immer) mit Fahrzeugen befahren darf. Damit unterscheiden sich die relevierten Störungshandlungen sowohl räumlich (Störungsort) als auch sachlich (Störungsart). Ein tatsächlicher Zusammenhang ist daher ebenso zu verneinen wie ein rechtlicher Zusammenhang, zumal Letzterer nicht schon allein deshalb vorliegt, weil § 523 ABGB die Rechtsgrundlage für die Unterlassungsbegehren ist (6 Ob 79/98f; 6 Ob 80/98b).

Die Zusammenrechnung kann hier entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht darauf gestützt werden, dass nach seiner Auffassung dem Fahrtrecht ohne Mitbenutzungsrecht (zum Keller) keine selbständige Bedeutung zukomme. Abgesehen davon, dass auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens die beiden Unterlassungsansprüche nicht das idente verfahrensrechtliche Schicksal teilen, ist aus dem für die Frage der Zusammenrechnung allein relevanten (RIS Justiz RS0106759; RS0037899 [T5]) Klagsvorbringen nicht abzuleiten, dass der Beklagte die Liegenschaft der Klägerin nur im Zusammenhang mit der Benützung des Kellers befährt.

Das Berufungsgericht wird daher im Sinne der vorstehenden Ausführungen die beiden Unterlassungs-begehren, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren, jeweils gesondert zu bewerten haben. Sollte sich ergeben, dass hinsichtlich keines der Begehren ein Wert des Entscheidungsgegenstands von über 5.000 EUR gegeben ist, wäre die Revision der Klägerin ungeachtet des nachträglichen Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Dem Obersten Gerichtshof werden die Akten nur dann wieder vorzulegen sein, wenn zumindest hinsichtlich eines der Begehren ausgesprochen wird, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteigt.

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