1Ob19/06k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Waltraud V*****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wider den Antragsgegner A*****, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 6.696,80 EUR sA, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 17. November 2005, GZ 2 R 431/05t-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 10. Oktober 2005, GZ 30 Nc 3/05h-7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses an die Antragstellerin zu veranlassen sowie den Revisionsrekurs des Antragsgegners dem Obersten Gerichtshof erst nach Einlangen einer Revisionsrekursbeantwortung oder nach fruchtlosem Verstreichen der Beantwortungsfrist neuerlich vorzulegen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin begehrte gemäß §§ 26 Abs 6, 117 Abs 4 WRG 1959 die Festsetzung einer Entschädigung.
Der Antragsgegner wendete - abgesehen von Einwendungen in der Sache - die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs und die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein.
Das Erstgericht verwarf die „erhobene Unzuständigkeitseinrede", sprach aus, dass es „sachlich zuständig" sei und stellte ferner fest, dass über den vorliegenden Antrag „im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden" sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Der Antragsgegner wendet sich gegen diese Entscheidung mit Revisionsrekurs. Dieses Rechtsmittel legte das Erstgericht sogleich dem Obersten Gerichtshof vor. Es vermerkte auf dem Rechtsmittelschriftsatz, es handle sich gemäß § 68 Abs 1 AußStrG um ein einseitiges Verfahren, „weil nicht über die Sache entschieden" worden sei.
Der Oberste Gerichtshof kann über das vorgelegte Rechtsmittel noch nicht entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 203 Abs 7 AußStrG sind hier bereits die Bestimmungen des neuen Außerstreitrechts anzuwenden, weil der Beschluss erster Instanz erst nach dem 31. 12. 2004, nämlich am 10. 10. 2005 erging. Nach § 68 Abs 1 AußStrG ist das Revisionsrekursverfahren zweiseitig, wenn mit dem angefochtenen Beschluss „über die Sache entschieden" wurde. Die gleiche Wendung findet sich in § 45 AußStrG zur Zulässigkeit des Rekurses, in § 48 Abs 1 AußStrG zur Rekursbeantwortung und in § 50 Abs 1 Z 4 AußStrG zur Rekursentscheidung durch das Erstgericht. Insofern wird in den Gesetzesmaterialien erläutert, dass „diese Formulierung ... etwas weiter als Entscheidung 'in der Sache'" sei, weil sie nicht nur stattgebende und abweisende, sondern auch zurückweisende Entscheidungen über einen Rechtsschutzantrag" erfasse. Eine „Zweiseitigkeit als allgemeine Regel und damit auch für alle Zwischenstreite anzuordnen wäre überschießend, weil nicht in jedem Zwischenstreit auch die Rechtsposition der anderen Verfahrenspartei berührt" werde (Fucik/Kloiber, AußStrG - Kurzkommentar ErläutRV zu § 48, siehe auch deren Kommentierung bei § 45 Rz 2).
2. Dem neuen Außerstreitrecht ist als Leitgedanke zu entnehmen, das rechtliche Gehör des Rechtsmittelgegners jedenfalls nicht auf einen hinter den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zurückbleibenden Standard abzusenken. Gemäß § 521a Abs 1 Z 3 und Abs 2 ZPO ist das Rechtsmittelverfahren auch dann zweiseitig, wenn ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen wurde. Diesen Bestimmungen analog wurde das Rechtsmittelverfahren nach Ergehen eines Beschlusses über die anzuwendende Verfahrensart gemäß § 40a JN bereits vor Inkrafttreten des neuen Außerstreitrechts für zweiseitig gehalten (RIS-Justiz RS0041890 T 2; Ballon in Fasching² I § 40a JN Rz 12; Mayr in Rechberger, ZPO² § 40a JN Rz 6; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 80 f je mN aus der Rsp). Diese Ansicht ist auf dem Boden der neuen Rechtslage für das Außerstreitverfahren fortzuschreiben, wurde doch dem § 40a JN durch § 56 AußStrG nicht derogiert (Zechner aaO § 519 ZPO Rz 86 [unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien]). Die voranstehenden Erwägungen sind daher in folgender Weise zusammenzufassen:
Spricht das Erstgericht aus, dass eine bestimmte Rechtssache im Außerstreitverfahren zu erledigen ist, und wies es ferner eine vom Antragsgegner erhobene Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück, so handelt es sich dabei um Entscheidungen „über die Sache" im Sinne des Außerstreitgesetzes. Im Licht der erörterten Rechtslage liegt hier kein Zwischenstreit vor, der - nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien - „die Rechtsposition der anderen Verfahrenspartei" - im Anlassfall jene der Antragstellerin, die den Zuspruch einer nach ihren Behauptungen durch die Gerichte in sukzessiver Kompetenz zuzuerkennenden Entschädigung anstrebt - nicht „berührt". Das anhängige Revisionsrekursverfahren ist somit zweiseitig, weshalb dem Erstgericht der aus dem Spruch dieser Entscheidung folgende Auftrag zu erteilen ist.