12Os20/92-9 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Massauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert G***** wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 2 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Oktober 1991, GZ 7 b Vr 2409/91-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Robert G***** und des Verteidigers Dr. Herzka zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Nichtunterstellung der dem Angeklagten laut Urteilsspruch als Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (bloß) nach § 212 Abs. 2 Z 2 StGB zur Last fallenden Tathandlungen (auch) unter Abs. 1 leg. cit. sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung - unter Neufassung des gesamten Schuldspruchs - in der Sache selbst erkannt:
Robert G***** ist schuldig, er hat in der Nacht zum 2.März 1991 in Wien als dem Polizeigefangenenhaus Wien dienstzugeteilter Polizeibeamter unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner amtlichen Obhut anvertrauten, am 1.Februar 1974 geborenen, sohin minderjährigen Carmen G***** diese zur Unzucht mißbraucht, indem er, nachdem er sie von ihrer Zelle in ein zwei Stockwerke höher gelegenes (sogenanntes) Beidienstzimmer gebracht hatte und sie und er selbst sich entkleidet hatten, zu einem Mundverkehr mit ihr ansetzte und anschließend mit ihrer Einwilligung einen Geschlechtsverkehr vollzog.
Er hat hiedurch das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 und 2 Z 2 StGB begangen und wird hiefür nach § 212 Abs. 1 StGB zu 1 (einem) Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 20.Juli 1969 geborene (inzwischen suspendierte) Polizeibeamte Robert G***** wurde wegen der aus dem Spruch ersichtlichen Tathandlungen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnises nach § 212 Abs. 2 Z 2 StGB schuldig erkannt. Dieser (anklagedifforme) Schuldspruch basiert im wesentlichen darauf, daß die dem Anklagevorwurf (auch) in Richtung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB zugrunde gelegene Beugung des Opferwillens mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nach tatrichterlicher Überzeugung durch die Verfahrensergebnisse nicht zweifelsfrei erwiesen wurde, weil, diese Tatmodalitäten betreffend, eine aggravierende Schilderung der Pflichtverletzungen des Angeklagten durch die in Schubhaft angehaltene Asylwerberin Carmen G***** vor allem auf Grund deren damals aktuell gewesenen Interesses an der Abwendung einer unmittelbar drohenden Abschiebung aus Österreich und des aus der Sicht einer tatsächlich vorausgegangenen Vergewaltigung atypischen Folgeverhaltens des Opfers nicht auszuschließen gewesen sei.
Davon ausgehend sprachen die Tatrichter Robert G***** von dem weiteren Anklagevorwurf, Carmen G***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt und dadurch das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO frei.
Die Staatsanwaltschaft bekämpft den (infolge seiner Beschränkung auf die bloß rechtliche Tatqualifikation formell verfehlten) Freispruch sowie das Unterbleiben einer Tatbeurteilung (auch) nach § 212 Abs. 1 StGB mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies (gleichfalls zum Nachteil des Angeklagten) den Strafausspruch mit Berufung.
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.
Die Mängelrüge (Z 5) allerdings zeigt in keinem Punkt eine formell mangelhafte Begründung entscheidender Tatsachenfeststellungen auf. Das nach dem im Akt erliegenden Lichtbild (101) geringfügige Hämatom in der (richtig - 97:) rechten Ellenbeuge der Carmen G*****, das nach deren Angaben auf den Fingerdruck des Angeklagten zurückzuführen gewesen sein soll, findet zwar in den Urteilsgründen nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der beweiswürdigenden Abwägung zwischen der Verantwortung des Angeklagten und den Angaben des Tatopfers, sondern lediglich zum Verweisungserkenntnis gemäß § 366 Abs. 2 StPO Erwähnung. Abgesehen davon, daß diese Begründungspassage ohnedies sinngemäß die mangelnde Erweisbarkeit einer nach § 201 Abs. 2 StGB tatbestandsspezifischen Verursachung des objektivierten Verletzungsmerkmals zum Ausdruck bringt, kommt dem relevierten Verfahrensergebnis nach seiner aktenkundigen Beschaffenheit keine entscheidende Bedeutung zu. Ein Hämatom der in Rede stehenden Art fügt sich nämlich nach allgemein einsichtigen Erfahrungswerten in die Darstellung sowohl des Angeklagten als auch der Zeugin G***** und entbehrt damit vorweg jedweden fallspezifischen Beweiswerts.
Jene weiteren Einwände, die auf eine vom angefochtenen Urteil abweichende Gewichtung in den Urteilsgründen ohnedies gewürdigter Verfahrensergebnisse ausgerichtet sind, erschöpfen sich im Ergebnis in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Dies gilt für die vom Zeugen Wolfgang K***** deponierte Ankündigung des Angeklagten, sich im Gefangenenhaus "einen blasen" zu lassen (297), der das Erstgericht - der Beschwerdeauffassung zuwider - denklogisch nicht zwingend ein auf Willensbeugung des Unzuchtspartners abzielendes Vorhaben entnehmen mußte, ebenso wie für einen allfälligen Anreiz zu einer wahrheitswidrigen Aggravierung den Angeklagten belastender Angaben, den das Erstgericht - aus der Sicht für ein Verbrechensopfer (wenigstens subjektiv) erhöhter Hoffnung auf behördliches Entgegenkommen erneut denkmöglich - aus dem Asylstreben der Zeugin G***** ableitete. Der Einwand unzureichender Gründe für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen geht damit insgesamt ins Leere.
Schließlich liegt auch die behauptete Undeutlichkeit der Feststellungen zu einem (allfälligen) Freiheitsentzug (durch Türverriegelung) als Nötigungsmittel nicht vor. Bringen doch die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit unmißverständlich zum Ausdruck, daß das Erstgericht im Zweifel vom geschlechtlichen Mißbrauch der Carmen G***** mit deren Einverständnis und ohne Einsatz der in § 201 Abs. 2 StGB angeführten Tatbegehungsmittel ausging (300 bis 302, 311).
Rechtliche Beurteilung
Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder erweist sich zunächst als nicht gesetzmäßig ausgeführt, indem sie unter Übergehung der tatrichterlichen Verneinung eines dem sexuellen Mißbrauch entgegenstehenden Opferwillens und des Einsatzes tatbildlicher Nötigungsmittel durch den Angeklagten Feststellungsmängel zur Frage einer willensbeugenden Gewaltausübung geltend macht.
Soweit sie allerdings die (zusätzliche) Unterstellung der Tathandlungen (auch) unter § 212 Abs. 1 StGB anstrebt, kommt ihr Berechtigung zu. Davon ausgehend, daß der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen das Alter der seiner amtlichen Obhut anvertrauten, von ihm sexuell mißbrauchten Minderjährigen kannte (300), liegt im konkreten Fall (echt) idealkonkurrierendes Zusammentreffen des (insoweit ohne Rücksicht auf das Alter des Tatopfers verwirklichten) Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 2 Z 2 StGB mit der (am Tatbestandskriterium der Minderjährigkeit orientierten) Begehungsform nach Abs. 1 leg. cit. vor, weil der hier tataktuelle Unrechtsgehalt nur durch die Subsumtion unter beide Mißbrauchstatbestände voll erfaßt wird.
In (nur) teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher spruchgemäß reformatorisch zu entscheiden.
Bei der dadurch bedingten Neubemessung der Strafe war die (eintätige) Deliktsverwirklichung nach sowohl Abs. 1 als auch nach Abs. 2 Z 2 des § 212 StGB erschwerend (der dem Angeklagten als Beamten zur Last fallende spezifische Vertrauensbruch stellt hingegen ein nach § 212 Abs. 2 Z 2 StGB essentielles Tatbestandskriterium dar), während das Geständnis des Angeklagten und sein bisheriger ordentlicher Lebenwandel als mildernd ins Gewicht fielen. Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe erwies sich eine Freiheitsstrafe in dem bereits im Verfahren erster Instanz ausgesprochenen Ausmaß auch bei (nunmehr) vollständiger Subsumtion der (vom Rechtsmittelverfahren unberührt festgestellt gebliebenen) Tathandlungen als unrechts- und schuldangemessen.
Zur Gewährung der bedingten Strafnachsicht schließt sich der Oberste Gerichtshof den in diesem Punkt zutreffenden erstgerichtlichen Erwägungen an.
Mit ihrer hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Neubemessung der Sanktion zu verweisen.