JudikaturOGH

4Ob364/77 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 1977

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei W*, Kaufmann in *, vertreten durch Dr. Erwin Englert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F* Handelsgesellschaft m.b.H. Co. KG, *, vertreten durch Dr. Walter Strigl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 110.000, ), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. April 1977, GZ 1 R 67/77 12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. Jänner 1977, GZ 37 Cg 1381/76 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte verwendet bei ihrer Werbung in Tageszeitungen und anderen periodischen Druckschriften, aber auch auf ihren Lieferfahrzeugen, den ständig wiederkehrenden Werbetext: „Fliesen aus aller Welt: Billiger als in aller Welt!“

Nach Ansicht des klagenden Mitbewerbers sei dieser Slogan in zweifacher Hinsicht zur Irreführung geeignet: Die Beklagte biete keineswegs Fliesen aus aller Welt an, und sie sei auch bei Festsetzung ihrer Preise nicht einmal billiger als ihre Konkurrenten im Wiener Raum, geschweige denn das billigste Unternehmen überhaupt. Gestützt auf § 2 UWG, hilfsweise auch auf § 1 UWG, begehrt der Kläger daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr die Angabe, sie biete Friesen aus aller Welt billiger als in aller Welt an, zu unterlassen; gleichzeitig stellt der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte leugnet jeden Wettbewerbsverstoß. Die Ankündigung „Fliesen aus aller Welt“ entspreche den Tatsachen, weil sie nicht nur Fliesen aus vielen europäischen Ländern, sondern sogar aus mehreren Erdteilen, insbesondere aus Asien, vertreibe. Der zweite Teil des Slogans („Billiger als in aller Welt“) sei hingegen eine sofort als marktschreierisch erkennbare Superlativ-Behauptung, welche mangels Eignung zur Irreführung nicht unter § 2 UWG falle. Die Berufung des Klägers auf die Generalklausel des § 1 UWG sei gleichfalls verfehlt.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Die beiden, nur durch einen Doppelpunkt getrennten, Teile des beanstandeten Slogans bildeten eine Einheit und könnten daher auch nur einheitlich beurteilt werden. Schon die Ankündigung „Fliesen aus aller Welt“ sei eine Übertreibung, weil auch die Beklagte nicht behaupte, daß sie etwa Fliesen auch aus Amerika, Afrika und Australien importiere. Mit den folgenden Worten „Billiger als in aller Welt“ habe die Beklagte jedoch zweifellos im Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Angaben über die Preisbemessung ihrer Waren gemacht, die zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignet seien. Marktschreierische Werbung läge nur dann vor, wenn sie von niemandem wörtlich genommen, sondern von jedermann sofort auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt würde; gerade bei großen und bekannten Unternehmen, wie es die Beklagte sei, würden aber Ankündigungen erfahrungsgemäß eher ernst genommen als etwa bei einem Hausierer. Da sich die Beklagte auch nicht in einer Branche betätige, in der Übertreibungen geradezu typisch sind, sei nicht auszuschließen, daß durch den beanstandeten Satz, welcher eine an sich überprüfbare Tatsachenbehauptung enthalte, doch gewisse Käuferschichten irregeführt werden konnten. Daß aber das Angebot der Beklagten tatsächlich international oder auch nur auf dem inländischen Markt besonders billig wäre, sei nicht einmal behauptet worden.

Infolge Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Der beanstandete Slogan werde von den Kaufinteressenten kaum dahin verstanden werden, daß die Beklagte Fliesen aus allen Ländern der Erde – also auch aus solchen, die gar keine Fliesen erzeugen – importiere und dabei billiger sei als irgendein Unternehmen auf der ganzen Erde. Da die Beklagte auch nicht behauptet habe, daß sie etwa billiger als jedes andere Unternehmen in Österreich oder auch nur in Wien sei, könne der Durchschnittskäufer dem beanstandeten Werbetext nur entnehmen, daß die Beklagte „eher billig verkaufe“; das sei aber keine überprüfbare Tatsachenbehauptung, sondern eine der Beurteilung nach § 2 UWG entzogene subjektive Werbung. Der Slogan „Fliesen aus aller Welt: Billiger als in aller Welt“ sei ein in die Ohren gehender Spruch, dessen Wahrheitsgehalt vom Publikum keineswegs so ernst genommen werde wie derjenige einer trockenen Tatsachenbehauptung. Gerade Großmärkte und ähnliche Betriebe bedienten sich bei ihrer Werbung heutzutage sehr oft solcher Sprüche, wie sie früher nur auf Jahrmärkten und dergleichen üblich und für diese Veranstaltungen typisch waren. Namentlich auf dem Sektor der Bodenbeläge, Teppiche und Fliesen kämen Übertreibungen dieser Art so oft vor, daß sich das Publikum schon daran gewöhnt habe. Da auch die Generalklausel des § 1 UWG das begehrte Unterlassungsgebot nicht rechtfertigen könne, habe das Klagebegehren abgewiesen werden müssen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 2.000, übersteigt, wird vom Kläger seinem ganzen Umfang nach mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten; der Revisionsantrag geht auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Beklagte hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Soweit der Kläger zunächst die Auffassung des angefochtenen Urteils bekämpft, der beanstandete Slogan „Fliesen aus aller Welt: Billiger als in aller Welt“ sei eine nicht wörtlich zu nehmende „marktschreierische Anpreisung“, kann ihm allerdings nicht gefolgt werden: Eine Werbung dieser Art ist nach Lehre ( Hohenecker Friedl , Wettbewerbsrecht 25 f) und Rechtsprechung (SZ 18/210 = ZBl 1937/176; JBl 1964, 91 = ÖBl 1963, 110; ÖBl 1965, 119; ÖBl 1966, 18 = GRURAusl 1967, 220; ÖBl 1966, 65; EvBl 1969/428 = ÖBl 1969, 82; ÖBl 1970, 52; ÖBl 1973, 131; ÖBl 1975, 146 u.v.a., zuletzt etwa 4 Ob 306/76, 4 Ob 383/76, 4 Ob 323/77) dadurch gekennzeichnet, daß sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst gemeinten Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden Anpreisung liegt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Die Ankündigung eines Fliesenhändlers: „Fliesen aus aller Welt: Billiger als in aller Welt!“ wird von keinem vernünftigen Kaufinteressenten wörtlich genommen und dahin verstanden werden, daß der betreffende Händler tatsächlich Fliesen aus allen Ländern der Erde – also nicht nur, wie hier, aus Europa und Asien, sondern auch aus Amerika, Afrika und Australien – liefern könne und dabei billiger sei als jedes vergleichbare Unternehmen auf der ganzen Erde; sie wird vielmehr schon wegen der zweimaligen, offenkundig übertreibenden Bezugnahme auf Mitbewerber und Preise in „aller Welt“, welche einen konkreten Qualitäts- und Preisvergleich von vornherein ausschließt, sogleich als nicht ernst gemeinte Anpreisung erkannt und von jedermann unschwer als übertriebene Werbung ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit verstanden werden. Ob die – freilich ohne Deckung in den Verfahrensergebnissen getroffene – Feststellung des Berufungsgerichtes zutrifft, daß solche Übertreibungen „gerade auf dem Sektor der Bodenbeläge, Teppiche und Fliesen“ besonders häufig vorkommen, ist dabei ohne rechtliche Bedeutung, weil der beanstandete Werbeslogan auch bei Verwendung in einer an sich seriösen Branche in jedem Falle als „marktschreierische Anpreisung“ beurteilt werden müßte. Das angefochtene Urteil verweist dabei hinsichtlich der Ankündigung „Billiger als in aller Welt“ mit Recht auf die Entscheidungen ÖBl 1966, 18 = GRURAusl 1967, 220 sowie ÖBl 1966, 65, in welchen der Oberste Gerichtshof Ankündigungen wie „K hat die billigsten Preise“, „Billiger als hier haben Sie noch nie gekauft“ und „Zu Preisen wie noch nie“ gleichfalls als nicht ernst zu nehmende, reklamehafte Übertreibung gewertet hat.

Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die Qualifikation des beanstandeten Werbeslogans als „marktschreierische Anpreisung“ im konkreten Fall noch nicht zur Abweisung des Klagebegehrens führen muß: Daß der Geschäftsverkehr eine bestimmte Werbebehauptung als nicht wörtlich aufzufassende Übertreibung ansieht, schließt nicht aus, daß die betreffende Ankündigung unter Umständen doch in einem bestimmten, eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen wird; auch Ausdrücke und Wendungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibungen verstanden werden, lassen sich sehr oft nach Abzug dieses Übermaßes doch noch auf einen sachlich nachprüfbaren „Tatsachenkern“ – etwa auf die Behauptung erstklassiger Qualität oder besonders günstiger Preise (vgl. SZ 31/64 = ÖBl 1958, 60; ÖBl 1960, 49; JBl 1962, 331 = ÖBl 1962, 49 = GRURAusl 1962, 459) – zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird und daher im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist (vgl. Baumbach-Hefermehl , Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 11I 775 ff § 3 dUWG Anm 55 ff). In der Tat enthält auch der beanstandete Werbeslogan einen solchen „Tatsachenkern“ im Sinne einer objektiv nachprüfbaren Aussage über die Waren der Beklagten und die Preisgestaltung ihres Unternehmens: Während die Ankündigung der Beklagten, sie führe „Fliesen aus aller Welt“, trotz ihrer reklamehaft übertriebenen Fassung jedenfalls dahin verstanden werden muß, daß sich das Verkaufsprogramm der Beklagten nicht auf österreichische Erzeugnisse beschränkt, sondern auch ein reichhaltes Lager von Fliesen ausländischer Herkunft umfaßt, ist der Anpreisung „Billiger als in aller Welt“ in diesem Zusammenhang immerhin noch die konkrete Behauptung einer besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit zu entnehmen; trifft das eine oder das andere nicht zu, dann ist der beanstandete Werbeslogan ungeachtet dessen, daß er an sich eine „marktschreierische Anpreisung“ ist, doch zur Irreführung der Kaufinteressenten im Sinne des § 2 UWG geeignet.

Im konkreten Fall ist auf Grund des insoweit unbestritten gebliebenen Vorbringens der Beklagten davon auszugehen, daß sie Fliesen aus mehreren europäischen Ländern (Niederlande, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Italien) und darüber hinaus auch aus Japan und Südkorea vertreibt; dem Erfordernis eines internationalen Warenangebotes, welches die Ankündigung von Fliesen „aus aller Welt“ im Sinne der obigen Ausführungen erwarten läßt, ist damit nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes durchaus entsprochen, eine Irreführung des Publikums daher insoweit nicht zu befürchten. Ob das aber auch für den zweiten Teil des beanstandeten Slogans („Billiger als in aller Welt“) gilt, kann derzeit noch nicht beurteilt werden: Wie schon ausgeführt, läßt diese Anpreisung zwar sicherlich nicht die billigsten Preise im internationalen Vergleich, wohl aber eine erheblich unter dem Preisniveau der unmittelbaren österreichischen Mitbewerber der Beklagten liegende, besonders preisgünstige Einkaufsquelle erwarten. Der Kläger hat wiederholt in Abrede gestellt, daß die Beklagte diese Voraussetzung erfüllt, und insbesondere schon in der Klage (ON 1 S. 2) ausdrücklich behauptet und – durch Parteienvernehmung – unter Beweis gestellt, daß die Beklagte „bei Festsetzung ihrer Preise nicht billiger (ist) als ihre Mitbewerber im Wiener Raum“. Sollte sich dieses Vorbringen – welches die Beklagte nur ganz allgemein bestritten hat, ohne ihm aber konkrete Tatsachenbehauptungen entgegenzusetzen – als richtig erweisen, das Fliesenangebot der Beklagten also nicht fühlbar billiger sein als das Angebot ihrer Konkurrenten in Wien und Umgebung, dann müßte in der Ankündigung „Billiger als in aller Welt“ im Sinne der obigen Rechtsausführungen eine zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignete Angabe und damit ein Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG angenommen werden. In Stattgebung der Revision des Klägers mußten daher die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache zur Behebung des aufgezeigten Feststellungsmangels an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen werden.

Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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