17R11/17i – LG Wr. Neustadt Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht hat durch den Richter Mag. Edelmann als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Mag. Schirnhofer und MMag. Hornberg in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. W***** E***** GmbH , 2. W***** N***** GmbH, beide vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei B ***** , wegen EUR 1.146,70 sA , über Rekurs der betreibenden Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Baden vom 23.11.2016, 4 E 1274/16f-6, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibenden Parteien haben die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit ihrem am 22.04.2016 beim Erstgericht eingelangten Exekutionsantrag begehrte die Erstbetreibende wider die Verpflichtete aufgrund des Versäumungsurteils des Bezirksgerichtes Baden vom 19.01.2016, 15 C 1012/15z, Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 29.02.2016, zur Hereinbringung von EUR 1.146,70 sA die Bewilligung der Fahrnisexekution; hinsichtlich der Kosten gemeinsam mit der Zweitbetreibenden. Unter einem begehrte die Zweitbetreibende aufgrund des selben Titels die Herausgabe des *****, die der Verpflichteten wegzunehmen und der Zweitbetreibenden gegen Empfangsbestätigung einzuhändigen seien. Die Exekution sei als Einzelvollzug unter Beteiligung der Zweitbetreibenden, die Bedienstete zur Demontage der ***** beistelle, zu vollziehen. Um Öffnung der Wohnung werde ersucht, Sperrkosten seien bekanntzugeben (ON 1).
Mit Beschluss vom 12.05.2016 wurde die Exekution antragsgemäß mit folgendem Beisatz bewilligt: „Die Beiziehung eines Schlossers zur Wohnungsöffnung hat nur nach Maßgabe des § 26a EO zu erfolgen. Nur in einem der dort genannten Fälle können Schlossergebühren zugesprochen werden. Sollte aus diesem Grund eine Vorankündigung des Termins an die verpflichtete Partei gewünscht sein, möge sich die betreibende Partei mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher in Verbindung setzen“.
Am 05.09.2016 um 09.00 Uhr fand in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Betreibenden ein Vollzugsversuch statt, in dessen Zuge eine Schlossöffnung des Gartentores durch den anwesenden Schlosser ***** erfolgte. Anschließend verzichtete der Mitarbeiter der Betreibenden auf die Öffnung des Haustores, da eine Öffnung ohne Schlosszerstörung nicht möglich sei. Aus diesem Grund blieben sowohl Herausgabe- als auch Fahrnisexekution ergebnislos (AS 17).
Mit Kostenbestimmungsantrag vom 03.10.2016 beantragten beide Betreibenden, die Schlosserkosten vom 05.09.2016 in Höhe von EUR 158,40 als weitere Exekutionskosten zu bestimmen und legten unter einem eine Rechnung des Versteigerungshauses ***** über eine Schlossöffnung EUR 97,00 und einen Fahrkostenanteil EUR 35,00, gesamt EUR 132,00 plus USt, gesamt brutto EUR 158,40 vor (AS 15; ON 5). Für den Kostenbestimmungsantrag selbst verzeichneten die Betreibenden keine Kosten.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Aus dem Bericht des Gerichtsvollziehers ergebe sich, dass für die Verpflichtete niemand anwesend gewesen und die Herausgabe nicht vollzogen worden sei, da der Mitarbeiter der Betreibenden auf die Schlossöffnung verzichtet habe. Eine Schlossöffnung eines Gartentores habe stattgefunden. Die Betreibende behaupte in ihrem Antrag keine der in § 26a EO genannten Gründe, auch ergäben sich die Voraussetzungen des § 26s EO aus dem gegenständlichen Akt, insbesondere dem Vollzugsbericht nicht. Mangels Anhaltspunkte, dass eine Türöffnung gemäß § 26a EO zulässig gewesen wäre, handle es sich bei den angefallenen Schlosserkosten nicht um zur Rechtsverwirklichung notwendige Kosten im Sinne des § 74 EO.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Betreibenden mit einem auf antragsgemäße Kostenbestimmung gerichteten Abänderungsantrag.
Die Verpflichtete beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerber argumentieren, im Zuge des Vollzugsversuches sei das Gartentor geöffnet worden. Bei der Haustür habe es sich um ein Schloss gehandelt, das nur durch Schlosszerstörung habe geöffnet werden können, weshalb es damals bei der Öffnung des Gartentores verblieben sei. Die Beiziehung eines Schlossers sei schon zur Öffnung des Gartentores notwendig und zweckmäßig gewesen. Überdies habe erst durch das Öffnen des Gartentores festgestellt werden können, ob die Voraussetzungen des § 26a Abs 1 Z 4 EO gegeben seien, also eine am Vollzugsort anwesende Person nicht öffne und daher eine gewaltsame Öffnung zulässig wäre oder eine allenfalls anwesende Person doch zur freiwilligen Öffnung bewegt werden könne. Kosten seien selbst ohne erzielten Erfolg als zur Rechtsverwirklichung notwendig anzusehen, wenn der Betreibende bei der Antragstellung von seiner Notwendigkeit ausgehen habe dürfen und ihm der Misserfolg nicht zur Last gelegt werden könne. Wie bei der Räumungsexekution seien auch bei der Herausgabeexekution Schlosserkosten im Fall der Öffnung durch den Verpflichteten im Umfang der Bereitstellungskosten des Schlossers dem Betreibenden zuzugestehen.
Hiezu war zu erwägen:
Für den Kostenersatzanspruch des Betreibenden kommt es nach § 74 EO allein auf die Verursachung der Kosten durch das (konkrete) Exekutionsverfahren an. Entscheidend ist, dass die Kosten zur Verwirklichung des betriebenen Anspruches in diesem Exekutionsverfahren (notwenigerweise) aufgewendet wurden. Da es lediglich auf die Verursachung ankommt, bedarf es zur Begründung des Kostenersatzanspruchs keines Verschuldens des Verpflichteten (Verursachungsprinzip). Schon zufolge seines Leistungsverzugs hat er dem Betreibenden alle Kosten zu ersetzen, die ihm dadurch entstanden sind. Zur Rechtsverwirklichung notwendig sind Kosten, sofern sie nicht durch die ihren Ersatz Ansprechende selbst verschuldet wurden, dann, wenn einerseits die die Kosten verursachende Maßnahme für den Fortgang des Exekutionsverfahrens notwendig und erfolgreich war und andererseits der damit verbundene Aufwand in einem wirtschaftlich vertretbaren Ausmaß zum angestrebten Erfolg steht (vgl Jakusch in Angst³§ 74 Rz 13ff).
Grundsätzlich obliegt die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für ein Öffnen von verschlossenen Türen vorliegen, dem Gerichtsvollzieher im Rahmen seiner amtswegigen Tätigkeit zur Erfüllung des Vollzugsauftrages (Jakusch in Angst/Oberhammer EO 3 § 26a Rz 2; RPflE 2001/120 unter Verweis auf Mohr, Die Fahrnisexekution nach der EONov 1995 in ÖJZ 1996,81). Ein Schlosser, der im Zuge des Exekutionsverfahrens etwa zur Öffnung des Vollzugsortes beigezogen wird, ist nicht Sachverständiger. Die Entlohnung des Schlossers hat nicht nach einem verbindlichen Tarif auf Grundlage des Gebührenanspruchsgesetzes zu erfolgen, sondern nach den Regeln des Werkvertrages. Mit der Beauftragung entsteht ein Werkvertrag zwischen Gericht und Schlosser, an dem weder der betreibende Gläubiger noch der Verpflichtete beteiligt sind. Eine beschlussmäßige Bestimmung der Entlohnung ist nicht notwendig; ein dennoch ergangener Beschluss bedeutet rechtlich nichts weiter, als dass der in Rechnung gestellte Betrag dem Grunde und der Höhe nach vom Gericht als Auftraggeber akzeptiert wird. Den Parteien des Exekutionsverfahrens steht gegen einen solchen Beschluss kein Rechtsmittel zu. Sie können gegen die Entlohnung des Schlossers nur im Rahmen eines allenfalls gegen sie gerichteten justizverwaltungsbehördlichen Einhebungsverfahrens Stellung beziehen. Der Verpflichtete kann überdies die Entlohnung des Schlossers anlässlich der Bestimmung dieser Kosten als weitere Exekutionskosten bekämpfen. Die Aufforderung des Gerichts an den betreibenden Gläubiger, die Kosten des Schlossers an diesen zu bezahlen, ist, auch wenn sie in der äußeren Form eines Beschlusses ergeht, keine gerichtliche Entscheidung, sondern eine bloße Anregung, die für ihn nicht verpflichtend ist. Ein Rekurs dagegen ist daher unzulässig (vgl. Jakusch aaO § 74 Rz 45 mwN).
Von der (einstweilen vom Betreibenden zu tragenden; § 26a Abs 3 EO) Entlohnung des Schlossers ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die entstandenen Schlosserkosten auch zur Rechtsverwirklichung notwendig waren, ob also die die Kosten verursachende Maßnahme (hier: die Öffnung des Gartentores) für den Fortgang des Exekutionsverfahrens notwendig und erfolgreich war.
Nach § 26a EO dürfen verschlossene Haus- und Wohnungstüren u.a. geöffnet werden, wenn diese bei einem Vollzugsversuch, der bei Unternehmen zur Geschäftszeit, sonst an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen sowie von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr durchgeführt wurde, versperrt waren. Selbst bei Unternehmen muss daher der gewaltsamen Öffnung ein vergeblicher Vollzugsversuch vorangehen, der hier nicht vorliegt.
Soweit der Rekurs argumentiert, erst durch das Öffnen des Gartentores habe festgestellt werden können, ob die Voraussetzungen des § 26a Abs 1 Z 4 EO gegeben seien, übersieht er, dass der Begriff der Wohnung iSd § 26 EO nicht nur die eigentlichen Wohnräume des Verpflichteten umfasst, sondern alle Bereiche sowohl innerhalb als auch außerhalb von Gebäuden, in denen der Verpflichtete (allein oder gemeinsam mit Dritten) Gewahrsame ausübt. Dazu gehören neben der Wohnung im engeren Sinn zB auch der Dachboden, der Keller oder sonstige Lagerräume, aber auch ein Garten (Jakusch aaO § 26 Rz 2). Schon die Öffnung des Gartentores wäre daher nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26a EO zulässig gewesen, weshalb eine Öffnung desselben zur Prüfung der Voraussetzungen ausscheidet.
Die unzulässige Öffnung einer Haus- oder Wohnungstüre stellt jedoch keine notwendige Maßnahme für den Fortgang des Exekutionsverfahrens dar, sodass es sich bei den damit verbunden Kosten nicht um Exekutionskosten handelt.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.