17R42/16x – LG Wr. Neustadt Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht hat durch den Richter Mag. Edelmann als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Mag. Schirnhofer und MMag. Hornberg in der Exekutionssache der betreibenden Partei B... , vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei S... H... wegen € 629,-- sA, über Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 14.03.2016, 11 E 912/16t-2, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
„Aufgrund des Zahlungsbefehles des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 17.10.2014, Vollstreckbarkeitsdatum 01.12.2014, 14 C 871/14a, und der Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 16.12.2014, 20.10.2015 und 10.11.2015 zu jeweils 11 E 6000/14z, wird der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei zur Hereinbringung von € 701,-- samt 12 % Zinsen (jährlich) aus € 629,-- ab 11.09.2012, 4 % Zinseszinsen (jährlich) seit 24.10.2014, der Kosten von € 195,88 zuzüglich 4 % Zinsen (jährlich) seit 17.10.2014, der Kosten von € 164,78, € 17,90 und € 25,-- und der mit € 163,29 bestimmten Antragskosten die Exekution durch Pfändung der verpflichteten Partei gegen den vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger bekanntgegebenen Drittschuldner (ausgenommen A... und E... H...) zustehenden Bezüge gemäß § 290a EO und Überweisung der gepfändeten Bezüge zur Einziehung bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung, unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen, bewilligt.
Dem Drittschuldner wird verboten, aus den gepfändeten Bezügen an die verpflichtete Partei Zahlungen zu leisten.
Der verpflichteten Partei wird jede Verfügung über das gepfändete Einkommen und insbesondere die gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt. Die gepfändete und überwiesene Forderung ist beschränkt pfändbar. Die unpfändbaren Beträge ergeben sich aus den Tabellen, welche unter der Internet-Webseite www.justiz.gv.at (Informationsbroschüre für Arbeitgeber) abgerufen werden können. Die verpflichtete Partei hat dem Drittschuldner unverzüglich allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben. Der Drittschuldner darf an den betreibenden Gläubiger erst vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zahlen. Dem Drittschuldner wird aufgetragen, sich binnen vier Wochen gemäß § 301 EO zu äußern.“
Die Rekurskosten der betreibenden Partei werden mit € 210,84 (darin € 35,14 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Betreibende beantragte im vereinfachten Bewilligungsverfahren die Forderungsexekution gemäß § 294a EO, wobei sie auf eine Pfändung und Überweisung der Forderung sowie auf die Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner verzichtete, sollte als Drittschuldner das A... oder E... H... aufscheinen.
Das Auskunftsverfahren ergab keinen Dienstgeber.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Exekutionsantrag abgewiesen. Zur Begründung wurde unter Berufung auf Entscheidungen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien ausgeführt, ein Antrag auf Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO sei bei gleichzeitigem Verzicht auf die Zustellung der Exekutionsbewilligung an bestimmte Drittschuldner unschlüssig und ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens abzuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Betreibenden mit dem Begehren, den Exekutionsantrag zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerberin beruft sich auf die Entscheidung 46 R 387/15z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien. Durch die Aufnahme eines Beisatzes im Sinne einer negativen Auswahl eines bestimmten Drittschuldners sei der Exekutionsantrag nicht unschlüssig. Allenfalls wäre der Beisatz zu eliminieren, der Exekutionsantrag im Übrigen aber zu bewilligen.
Hiezu wurde erwogen:
Bei der Forderungsexekution bei unbekanntem Drittschuldner gemäß § 294a EO handelt es sich nicht etwa um ein besonderes Exekutionsmittel oder um eine besondere Art der Forderungsexekution, sondern vielmehr um eine normale Forderungsexekution im Sinne des § 294 EO. Die Besonderheit dieser Bestimmung liegt darin, dass die gemäß § 54 EO erforderliche Bezeichnung des Rechtsgrundes der Forderung und des Drittschuldners unterbleiben kann; Exekutionsobjekt sind hier zunächst (nur) alle denkbaren Forderungen nach § 290a EO, wobei sich die Exekution nach Bekanntwerden des Drittschuldners aufgrund der Anfrage an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger durch Zustellung des Zahlungsverbotes an den konkreten Drittschuldner auf die konkrete Forderung gegen diesen „kanalisiert“. Ebenso kann diese Forderungsexekution jederzeit durch Angabe eines konkreten Drittschuldners durch den betreibenden Gläubiger auf die konkrete Forderung gegen diesen „kanalisiert“ werden. Die „Kanalisierung“ erfolgt durch die Zustellung eines Zahlungsverbotes an den konkreten Drittschuldner. Die Sperrfrist des § 294a Abs 2 EO kommt dann zur Anwendung, wenn die Exekution durch Zustellung eines Zahlungsverbotes an einen Drittschuldner auf diesen „kanalisiert“ oder aus anderen Gründen eingestellt oder beendet wurde (Oberhammer in Angst/Oberhammer, EO³ Rz 1 ff zu § 294a EO mwN). Vor der „Kanalisierung“ der Exekution nach § 294a EO auf einen bestimmten Drittschuldner kann nur ein neuerlicher Vollzug durch neuerliche Anfrage beim Hauptverband beantragt werden, welcher Antrag nicht als neuer Exekutionsantrag aufzufassen ist (RIS-Justiz RS0004256).
Zur Frage, ob ein Betreibender bei einem Exekutionsantrag gemäß § 294a bestimmte Drittschuldner vom Vollzug ausnehmen kann, existieren unterschiedliche Literatur- und Judikaturauffassungen. Das Landesgericht Ried (6 R 351/09y), Oberhammer (aaO Rz 6/1) sowie der Senat 46 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (vgl ua 46 R 425/15p, 46 R 50/16t) sprechen sich für die Zulässigkeit der Ausnahme vom Vollzug aus. Es komme zu keiner „Kanalisierung“, wenn der betreibende Gläubiger im Antrag einzelne Drittschuldner ausgenommen habe und die Drittschuldneranfrage zu einem dieser Drittschuldner führe. Ein solcher Fall sei jenem einer negativen Drittschuldnerauskunft gleichzuhalten, weshalb die Exekution nach § 294a EO zu bewilligen sei und ein weiterer Vollzug möglich bleibe. Die „negative Auswahl“ von Drittschuldnern sei zulässig.
Demgegenüber vertritt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (vgl 4 R 205/15v) sowie der Senat 47 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (vgl ua 47 R 6/16d, 47 R 333/15s, 47 R 336/15g) die Auffassung, der Antrag auf Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO bei gleichzeitigem Verzicht auf Zustellung der Exekutionsbewilligung an bestimmte Drittschuldner sei unschlüssig und ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens sofort abzuweisen. § 294a Abs 1 Z 3 EO, der in Verbindung mit § 294 EO die Zustellung der Exekutionsbewilligung (Zahlungsverbot) an den Drittschuldner zwingend („hat“) vorschreibe, räume dem betreibenden Gläubiger im Gegensatz zu § 301 Abs 1 EO (Verzicht auf Abgabe einer Drittschuldnererklärung) keine Wahlmöglichkeit ein.
Nach Abwägung der wechselseitigen Argumente schließt sich der erkennende Senat aus folgenden Überlegungen der erstgenannten Auffassung an:
Die Exekutionsbewilligung bedeutet inhaltlich die Anordnung staatlicher Zwangsgewalt, um den im Exekutionstitel verbrieften Anspruch in bestimmter Weise zu verwirklichen, und bildet so die Grundlage für den nachfolgenden Vollzug der Exekution. Sie steckt den Rahmen des Exekutionsverfahrens ab und bestimmt, zugunsten wessen und gegen wen zur Befriedigung oder Sicherung welchen Anspruchs mit welchen Mitteln, allenfalls unter Heranziehung welcher Exekutionsobjekte, das Verfahren geführt wird (Jakusch aaO Rz 30 zu § 3).
Bei der Ausnahme bestimmter Drittschuldner vom Exekutionsvollzug geht der Betreibende selbst davon aus, über diese Drittschuldner keine Befriedigung erlangen zu können. Berücksichtigend, dass es um seinen Befriedigungsanspruch geht, die Vorgangsweise auch für den Verpflichteten (jedenfalls im Regelfall) kostengünstiger ist, spricht nichts Entscheidungswesentliches gegen die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise, auch wenn die Abwicklung für die Entscheidungsorgane erschwert wird. Dieser Auffassung steht auch § 294a Abs 1 Z 3 EO nicht entgegen, zumal er in Verbindung mit § 294a Abs 1 EO zu lesen ist und der Gläubiger in Bezug auf vom Vollzug auszunehmenden Drittschuldnern das Zustehen von Forderungen im Sinne des § 290a EO nicht behauptet.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und der Exekutionsantrag zu bewilligen.
Die Kostenentscheidungen fußen jeweils auf § 74 EO. Barauslagen für eine Insolvenzabfrage stehen nach der Rechtsprechung des Landesgerichtes Wiener Neustadt (vgl 17 R 100/12w) nicht zu.
Die Unzulässigkeit des weiteren Rechtszuges beruht auf § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO.