JudikaturLG Wr. Neustadt

17R104/97h – LG Wr. Neustadt Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 1997

Kopf

Das Landesgericht Wr.Neustadt als Rekursgericht hat durch den Richter des Landesgerichtes Dr.Reitprecht als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter des Landesgerichtes Dr.Sulzbacher und Mag.Edelmann in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, 8051 Graz, Wienerstraße 286, vertreten durch Putz Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S*****, Angestellte, 2753 Markt Piesting, Feldgasse 25, wegen S 1.603,20 s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 25.3.1997, 14 C 301/97z-2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt in ihrer Mahnklage unter Berufung auf eine seit 30.9.1996 fällige Rechnung und ein Anerkenntnis S 852,-- sowie als "vereinbarte Nebengebühren" Inkassokosten von S 751,20. Zu diesen brachte sie vor, es bestehe eine Vereinbarung, dergemäß sich die Beklagte verpflichtet habe, die aufgelaufenen Inkassokosten zu ersetzen. Die Nebengebühren würden auf den Titel der Vereinbarung gestützt.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Erstgericht den beantragten Zahlungsbefehl über S 852,-- samt Zinsen unter Zuspruch von S 628,88 an Kosten erlassen und hinsichtlich des weiteren Betrages von S 751,20 s.A. die Klage zurückgewiesen. Begründet wurde dies zusammengefaßt damit, daß nach ständiger Rechtsprechung für die Geltendmachung von vorprozessualen Kosten (Kosten eines Inkassobüros, Mahnkosten) der Rechtsweg unzulässig sei. Derartige Kosten könnten erst dann selbständig eingeklagt werden, wenn ihre Akzessorietät mit dem Hauptanspruch etwa durch Abschluß einer Vereinbarung aufgehoben worden sei oder der Hauptanspruch nicht mehr bestehe. Im vorliegenden Fall seien die Eintreibungskosten gemeinsam mit dem Hauptanspruch geltend gemacht worden. Die Akzessorietät dieser Kosten sei nicht aufgehoben, sondern durch Parteienvereinbarung bekräftigt worden. Nicht jede Vereinbarung nehme dem Kostenersatzanspruch die Natur eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs eigener Art. Nur wenn die Parteien etwa die Auflösung des schon bestehenden Zusammenhanges zwischen Haupt- und Nebenanspruch ausdrücklich vereinbart hätten, wie beispielsweise bei einem Vergleich über die Detektivkosten anläßlich der Rückziehung der Ehescheidungsklage, bei einer außergerichtlichen Bereinigung der Hauptsache mit der Verpflichtung dem Gegner die Prozeßkosten zu ersetzen, oder beim Untergang des Hauptanspruchs vor seiner gerichtlichen Geltendmachung, gehe die Akzessorietät der vorprozessualen Kosten verloren.

Lediglich gegen den zurückweisenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin (auch) mit einem Aufhebungsantrag, wobei dem Erstgericht im Umfang der geltend gemachten Inkassospesen die Erlassung eines Zahlungsbefehls aufgetragen werden möge.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst macht die Rekurswerberin geltend, die Akzessorietät werde durch Abschluß einer Vereinbarung derart aufgehoben, daß sie als vorprozessuale Kosten gesondert einzuklagen seien. Auch über einen Anspruch prozeßrechtlicher Natur könne eine Vereinbarung getroffen werden. Die Klägerin habe sich in der Mahnklage auf eine geschlossene Vereinbarung berufen, weshalb die Kostenforderung ihres öffentlich rechtlichen Charakters entkleidet und der ordentliche Rechtsweg zulässig sei.

Dazu ist folgendes zu sagen:

Nach ständiger Rechtsprechung bilden Prozeßkosten - und gleich zu behandelnde vorprozessuale Kosten (MGA ZPO14 E 19 zu § 41) - grundsätzlich einen vom Ausgang des Rechtsstreites abhängigen Teil des Hauptanspruchs und können nicht mit selbständiger Klage geltend gemacht werden, außer die Akzessorietät des Kostenersatzanspruches ist untergegangen, sodaß sich dieser Anspruch verselbständigt hat (vgl 2 Ob 45/95; 4 Ob 515/94 uva). Auch das Rekursgericht vertritt - entgegen M.Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß, 176 f - die überwiegend anerkannte Auffassung, daß vorprozessuale Kosten, zu denen nach Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich auch Mahn- und Inkassospesen als Aufwand zur Vorbereitung des Prozesses durch außergerichtliche Geltendmachung des Anspruches gehören (Rechberger-Simotta, Grundriß4, Rz 292 mwN), nur im Rahmen des Prozeßkostenanspruches geltend gemacht werden können, solange die Akzessorietät des Kostenanspruches nicht untergegangen ist. Werden derartige Kosten als Hauptanspruch verlangt, ist dieses (Teil)Begehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen (für viele: SZ 46/103; 2 Ob 59/93).

Es ist richtig, daß vorprozessuale Kosten nach der Rechtsprechung dann gesondert einklagbar sind, wenn deren Akzessorietät durch den Abschluß einer privatrechtlichen Vereinbarung aufgehoben wurde, der Hauptanspruch nicht mehr besteht, oder es aus anderen Gründen zu keinem Hauptprozeß mehr kommen kann (MGA ZPO14 E 7 ff zu § 41 mwN). Die letztgenannten Fälle scheiden hier aus, weil die vorprozessualen Kosten gemeinsam mit dem Hauptanspruch geltend gemacht werden.

Im Einklang mit dem Landesgericht Salzburg (zB 54 R 81/96, 53 R 203/96, 22 R 320/96d), dem Senat 35 des LG für ZRS Wien (zB 35 R 604/96z, 35 R 635/96h) sowie auch dem Landesgericht Krems und dem Landesgericht St.Pölten ist das Rekursgericht - entgegen der Auffassung des Rekurswerbers - der Meinung, daß nicht jede privatrechtliche Vereinbarung vorprozessuale Kosten ihrer Akzessorietät zum Hauptanspruch und ihres öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet. Es bedarf vielmehr einer solchen Vereinbarung, die einen eigenen privatrechtlichen Verpflichtungsgrund, unabhängig vom ursprünglich zugrundeliegenden Rechtsgrund schafft, wie beispielsweise das (konstitutive) Anerkenntnis (vgl HS 8299/3) oder der Vergleich (vgl SZ 47/107; SZ 39/29; 8 Ob 64/83 ua). Auch aus der im Rekurs zitierten Entscheidung des OGH (JBl 1954, 568 = SZ 27/115) ist für die Klägerin nichts zu gewinnen. Daraus kann nämlich nicht geschlossen werden, der OGH vertrete denselben Standpunkt wie die Rekurswerberin, weil dort nur allgemein von einem "Privatrechtstitel" oder einer "Vereinbarung" gesprochen wird, ohne auf die Art der Vereinbarung näher einzugehen, zumal dazu kein Anlaß bestand. Das gilt im übrigen auch für die - soweit überblickbar zu dieser Frage zuletzt ergangene - Entscheidung 2 Ob 59/93 (mwN), in der der OGH den in Vorentscheidungen immer wieder verwendeten Leitsatz ("Nur dann, wenn vorprozessuale Kosten Inhalt einer privatrechtlichen Vereinbarung geworden und so ihres öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet sind, können sie mit selbständiger Klage geltend gemacht werden") referiert und in concreto die Zulässigkeit des Rechtsweges verneint, ohne sich überhaupt mit der Frage befassen zu müssen, welche Qualität diese Vereinbarung haben müßte, um die Rechtswegzulässigkeit zu bejahen.

Das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses hat die Klägerin in Bezug auf die Inkassokosten nicht behauptet, sodaß eine qualifizierte, die Zulässigkeit des Rechtsweges im Sinne der vorstehenden Erwägungen bewirkende Vereinbarung, nicht vorliegt.

Die Rekurswerberin vertritt in ihren weiteren Ausführungen den Standpunkt, diese Auslegung widerspreche der Verpflichtung, nationales Recht EU-konform auszulegen. Aus der Empfehlung der Kommission der EU vom 12.5.1995 über die Zahlungsfristen (Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften Nr. 127/19; Art 3 lit c) ergebe sich, daß Voraussetzungen zu schaffen seien, die eine angemessene Entschädigung des Gläubigers für den ihm durch den Zahlungsverzug seines Schuldners entstandenen Schaden ermöglichen. Die Mitgliedsstaaten seien in der genannten Empfehlung aufgefordert worden, neben der Anerkennung des Anspruchs auf Verzugszinsen auch für die Anerkennung eines Anspruchs auf andere Schadenersatzzahlungen zum Ausgleich des Schadens, der dem Gläubiger durch die verspätete Zahlung entstehe, zu sorgen. Diese Schadenersatzzahlungen sollten insbesondere die administrativen Kosten decken, die durch die Betreibung der Forderung entstanden seien, sohin die von gewerblichen Inkassounternehmen verrechenbaren Inkassogebühren. In der dieser Empfehlung zugrundeliegenden Mitteilung habe die Kommission ausdrücklich festgehalten, daß sich eine solche Verpflichtung zum Schadenersatz etwa hinsichtlich der Kosten eines Inkassobüros in mehreren Mitgliedstaaten als besonders wirksame Maßnahme zur Hebung der Zahlungsmoral erwiesen habe. Jede volkswirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete daher eine Durchsetzungsmöglichkeit von vorprozessualen Kosten bei unbestrittenen Forderungen. Zur volkwirtschaftlichen Bedeutung von Inkassoinstituten werden in der Folge von der Rekurswerberin Auszüge aus einem Artikel von Univ.Prof. Mag.Dr.Romuald Bertel in RZ 1997, 50 zitiert und zusammenfassend auf die verdienstvolle Tätigkeit der Inkassowirtschaft auch im Interesse der Justiz hingewiesen.

Zunächst ist diesen Ausführungen zu entgegnen, daß es sich bei der erwähnten Empfehlung der EU-Kommission um eine an die EU-Mitgliedsstaaten handelt, in diesem Sinn gesetzgeberisch tätig zu werden. Empfehlungen sind nicht verbindlich (Art 189 EG-Vertrag). Daß nach der "EU-Rechtslage der Ersatz derartiger Kosten als Schadenersatz sui generis zu verstehen sei", kann daher nicht gesagt werden.

Die Gerichte der Mitgliedsstaaten sind zwar verpflichtet, Empfehlungen bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen; insbesonders dann, wenn sie Aufschluß über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorschriften ergänzen (Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht, 181 mwN).

Die von der Rekurswerberin mit ihren Auführungen relevierte Frage, ob dem Gläubiger die für die Verfolgung seines Anspruchs entstandener Inkassokosten vom Schuldner zu ersetzen sind, ist aber von der hier zu beurteilenden Frage zu unterscheiden, wie diese geltend zu machen sind. Dazu genügt es aber auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach vorprozessuale Kosten grundsätzlich nur als akzessorischer Anspruch im Kostenverzeichnis geltend zu machen sind. Für die Lösung dieser Rechtsfrage ist aber der angeführten Empfehlung der EU-Kommission nichts zu entnehmen. Lediglich unter dem Gesichtspunkt, ob Inkassokosten im Sinne des § 41 Abs 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, könnten die von der Klägerin angestellten Erwägungen (Inkassoinstitute hätten eine volkswirtschaftliche Bedeutung, ihre Tätigkeit sei verdienstvoll und ihre Einschaltung sei eine besonders wirksame Maßnahme) - bei deren Zutreffen im Einzelfall - berücksichtigt werden. Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist daraus jedoch nichts zu gewinnen. Gleiches gilt auch für die im Rekurs angestellten Überlegungen zur Verfahrensökonomie.

Schließlich sei noch folgendes erwähnt:

Abgesehen davon, daß die Klägerin das Begehren auf Ersatz der Inkassokosten in erster Instanz auf den Titel des Schadenersatzes nicht gestützt hat, kommt eine Berufung auf diesen Rechtsgrund nicht in Betracht. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits (2 Ob 59/93) ausgesprochen, er vermag sich der von M.Bydlinski (Kostenersatz im Zivilprozeß, 176 ff) vertretenen Rechtsmeinung, eine Partei könne frei wählen, ob sie jene vorprozessuale Kosten, für die das Kostenersatzrecht der ZPO sinngemäß herangezogen werden könne, im Kostenverzeichnis oder aber als materielle Forderung, etwa als Nebenforderung in der Klage geltend mache, in dieser allgemeinen Form nicht anzuschließen. Auch das Rekursgericht vertritt daher die Auffassung, daß die Klägerin vorprozessuale Kosten - selbst wenn sie in der Klage entsprechende materiell-rechtliche Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte - nicht als Schadenersatzanspruch im Hauptbegehren, sondern nur im Kostenverzeichnis als akzessorischen Anspruch, dessen Berechtigung nur nach den §§ 40 ff ZPO zu beurteilen wäre, geltend machen kann (so schon hg 17 R 136/96p ua).

Die im Rekurs vorgetragenen Argumente sind zusammenfassend daher nicht geeignet, ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Rekursgerichtes (17 R 129/96h, 17 R 135/96s, 18 R 220/96y uva) zu bewirken, weshalb dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte. Da die Judikatur (Nachweise bei Fucik in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 40) - trotz der Kritik der Lehre (Fasching LB2 Rz 461) - die Umdeutung eines Kostenbegehrens im Punktum als Kostenverzeichnis iSd § 40 a JN ablehnt, hat es bei der Zurückweisung der Klage im vom Erstgericht ausgesprochenen Umfang zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ist jedenfalls in § 528 Abs 2 Z 1 ZPO begründet.

Landesgericht Wr.Neustadt

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