K121.572/0003-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. ZIMMER, Dr. KOTSCHY, Dr. BLAHA, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 14. April 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Karl G*** (Beschwerdeführer) aus L***burg vom 21. Oktober 2009 gegen das Amt der niederösterreichischen Landesregierung (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Datenermittlung für Zwecke einer medizinischen Eignungsuntersuchung wird entschieden:
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1, 9 Z 11 und 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idF vor BGBl. I Nr. 133/2009, iVm § 57 Abs. 1 lit d) des niederösterreichischen Landes-Vertragsbedienstetengesetzes (Nö LVBG), nö LGBl. 2300-45.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer hat mit e-mail vom 21. Oktober 2009 bei der Datenschutzkommission Beschwerde erhoben wegen der Übermittlung sensibler Gesundheitsdaten an die Personalabteilung des Landes NÖ im Zuge der Unkündbarstellung von Mitarbeitern der nö Landesverwaltung. Zur näheren Begründung seiner Beschwerde verweist der Beschwerdeführer auf den seiner Beschwerde angeschlossenen mail-Verkehr mit dem BM für Gesundheit, aus dem Folgendes hervorgeht: Der Beschwerdeführer sieht die Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch bewirkt, dass im dienstrechtlichen Verfahren betr. die Unkündbarstellung von Vertragsbediensteten der mit der gesundheitlichen Untersuchung beauftragte Arzt die erhobenen Gesundheitsdaten an die Personalabteilung des Dienstgebers übermittelt und nicht nur die Information, ob der Mitarbeiter gesundheitlich „geeignet“ oder „nicht geeignet“ sei. Zur Illustration für das Ausmaß der Gesundheitsdatenübermittlung ist der Beschwerde ein Fragebogen angeschlossen, der im Zuge der Untersuchung ausgefüllt und vom untersuchenden Arzt an die Personalabteilung weitergeleitet werde.
Der Beschwerdegegner , von der Datenschutzkommission zur Stellungnahme aufgefordert, wandte mit Stellungnahme vom 26. November 2009 gegen das Beschwerdevorbringen ein, § 57 Abs. 1 lit d des NÖ Landes-Vertragsbedienstetengesetzes sehe vor, dass bei Übernahme eines Vertragsbediensteten in ein unkündbares Dienstverhältnis auch seine gesundheitliche Eignung für die jeweilige Verwendung zu prüfen sei. Dafür werde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Das vom Beschwerdeführer angeführte (veraltete) Beiblatt stelle eine Grundlage bei der ärztlichen Untersuchung dar und sei somit integrierender Bestandteil des Befundes im angeforderten Gutachten. Dieses ärztliche Gutachten - samt dem einen Bestandteil des Gutachtens bildenden Anamneseblatt - werde nach der Entscheidung über die Unkündbarstellung im Personalakt des Betroffenen abgelegt. Dieses Vorgehen sei durch die zitierte landesrechtliche Bestimmung iVm § 9 Z 11 DSG 2000 legitimiert. Im Übrigen habe sich der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Stellungnahme der entsprechenden ärztlichen Untersuchung nicht unterzogen, weshalb kein Eingriff in seine Rechte vorliege.
Der Beschwerdeführer replizierte hierauf im Parteiengehör, dass die richtige Vorgehensweise wäre, allein den Arzt über die gesundheitliche Eignung entscheiden zu lassen. Im Übrigen habe er sich inzwischen auch der ärztlichen Untersuchung unterzogen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, anlässlich einer Unkündbarstellung Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers im Wege der Übermittlung dieser Daten durch den um ein Gutachten ersuchten Arzt zu ermitteln.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Landes-Vertragsbediensteter in Niederösterreich und am LandesKlinikum L***burg – E***brunn beschäftigt und ist dort Vorsitzender des Angestellten-Betriebsrats. Er strebt den Übertritt in ein unkündbares Dienstverhältnis an.
Aus Anlass des entsprechenden dienstrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde er vom Beschwerdegegner im September 2009 aufgefordert, sich einer amtsärztlichen Eignungsuntersuchung zu unterziehen; im Rahmen dieser Untersuchung hatte der Beschwerdeführer einen Fragebogen zu beantworten, der dem medizinischen Sachverständigen offenbar als Grundlage für seine Befundaufnahme dienen sollte. Dieser Fragebogen (mit dem Namen des Beschwerdeführers versehen und mit 21. September 2009 datiert) umfasst folgende Fragen:
Dieser Fragebogen wurde anlässlich der ärztlichen Untersuchung am 3. Dezember 2009 auch ausgefüllt und in der Folge samt den damit erhobenen Gesundheitsdaten an die beauftragende Personalabteilung weitergeleitet. Er wird nunmehr als Teil des Gutachtens über die gesundheitliche Eignung für die Unkündbarstellung des Beschwerdeführers von der Personalabteilung des Beschwerdegegners aktenmäßig verwahrt.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen, was den zitierten Inhalt des Fragebogens angeht, auf der als Beilage zur Beschwerde vom 21. Oktober 2009 vorgelegten Urkundenkopie, deren Echtheit unbestritten ist. Die glaubwürdigen Angaben zur dienstlichen Stellung wurden dem Vorbringen des Beschwerdeführers entnommen, der Ablauf und das Vorgehen beim durchgeführten Verfahren entsprechend dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdegegners (Stellungnahme vom 26. November 2009, LAD2-*-1*/*8-2*) festgestellt.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 7 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.“
§ 9 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei
Verwendung sensibler Daten
§ 9 . Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn
§ 57 Abs. 1 Nö LVBGB lautet samt Überschrift
„ § 57
Übernahme des Vertragsbediensteten in ein unkündbares
Dienstverhältnis
(1) Der Vertragsbedienstete ist in ein unkündbares Dienstverhältnis zu übernehmen, wenn
Als Dienstzeit gelten die im bestehenden oder in einem früheren Dienstverhältnis zum Land zurückgelegten Zeiten, soweit sie für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen zur Gänze angerechnet wurden, sowie bis zu einem Jahr dauernde Zeiten eines Präsenz- oder Zivildienstes.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Der Beschwerdeführer hat die Zulässigkeit der Ermittlung seiner Gesundheitsdaten und Aufbewahrung im Personalakt durch die Dienstbehörde im Zuge des Verfahrens über die Unkündbarstellung bestritten. Wohl sei ihm die die Existenz des § 57 Abs. 1 lit d) Nö LVBG bekannt, wonach die gesundheitliche Eignung anlässlich der Unkündbarstellung zu überprüfen sei, doch sei die beschwerdegegenständliche Vorgangsweise überschießend, weil es ausreichen müsste, dass der untersuchende Arzt die gesundheitliche Eignung beurteile und nur das Ergebnis der Beurteilung an die Personalabteilung weitergegeben werde, während die erhobenen Gesundheitsdaten beim untersuchenden Arzt verbleiben sollten.
Hiezu ist folgendes auszuführen:
1. Gemäß § 57 Abs. 1 lit d) Nö LVBG ist das Amt der nö. Landesregierung als Dienstbehörde verpflichtet, vor der Unkündbarstellung eines Landes-Vertragsbediensteten auch dessen gesundheitliche Eignung für seine Verwendung zu überprüfen.
Vor dem Hintergrund, dass zwecks Überprüfung der gesundheitlichen Eignung regelmäßig ein ärztliches Gutachten von der Dienstbehörde in Auftrag gegeben wird, bringt der Beschwerdeführer nun vor, dass es überschießend sei, wenn seine Dienstbehörde den Inhalt des Befundes des ärztlichen Sachverständigen zur Kenntnis erhalten wolle, weil es vielmehr ausreichen müsse, wenn das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen - nämlich „geeignet“ oder „nicht geeignet“ - an die Dienstbehörde übermittelt werde.
Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch die rechtliche Stellung eines Sachverständigen: Es ist nicht die Aufgabe des Sachverständigen, mit rechtlicher Wirkung über die den Gegenstand des Gutachtens bildende Fragestellung zu entscheiden. Der sachverständige Gutachter hat vielmehr dem zur Entscheidung befugten behördlichen Organ nur seine sachverständige Meinung zur Gutachtensfrage samt den Sachargumente zu liefern, die das behördliche Organ in die Lage versetzen sollen, eine logisch nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Zu diesem Zweck müssen dem zur Entscheidung befugten Organ auch alle zur Begründung der sachverständigen Äußerung notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, d.h. im vorliegenden Fall auch das Ergebnis der Anamnese über den Gesundheitszustand des Betroffenen. Das Vorhandensein dieser Informationen bei der Behörde ist auch im Interesse der Nachprüfbarkeit der behördlichen Entscheidung - etwa im dienstrechtlichen Verfahren - unerlässlich. Die Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers als Teil des ärztlichen Sachverständigengutachtens an seine Dienstbehörde ist daher nach Auffassung der Datenschutzkommission gegeben, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen war.
Angesichts der ausdrücklichen landesgesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 1 lit d) nö LVBG werden auch die vom Beschwerdeführer geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der beschwerdegegenständlichen Vorgangsweise mit § 9 DSG 2000 nicht geteilt, da der Tatbestand des § 9 Z 11 DSG 2000 erfüllt ist: Die Ermittlung von Gesundheitsdaten entspricht im vorliegenden Fall einer Pflicht des Auftraggebers auf dem Gebiet des Dienstrechts, sodass sich die Zulässigkeit der Datenverwendung aus einer gesetzlichen Pflicht des Auftraggebers ergibt.
2. Der Beschwerdeführer rügt auch die Art der Fragen, die im Rahmen der gesundheitlichen Untersuchung mit Hilfe eines Fragebogens gestellt werden, als überschießend, ohne allerdings konkret zu begründen, welche der Fragen unverhältnismäßig seien.
Nun muss bedacht werden, dass aus dem Zusammenhang der Unkündbarstellung folgt, dass hier die (gesundheitliche) Eignung im Lichte der voraussichtlichen zukünftigen Verwendung bis zur Pensionierung untersucht werden soll. Dieser Aspekt, dass auch die voraussichtliche zukünftige Entwicklung der Gesundheit des Betroffenen prognostiziert werden soll, verlangt eine relativ umfassende gesundheitliche Untersuchung, um die künftige Entwicklung abschätzen zu können. Vor diesem Hintergrund findet die DSK keinen Grund dafür, die in dem der Beschwerde beigelegten Fragebogen enthaltenen Anamnesefragen als grundsätzlich überschießend und daher unzulässig zu beurteilen: Auch weit zurückliegende oder für den Laien nicht als maßgeblich erkennbare gesundheitliche Ereignisse können für die Gesundheitsprognose von Bedeutung sein.
Mangels näherer Ausführungen in der Beschwerde, worin genau eine Unverhältnismäßigkeit bei den einzelnen Fragen zu erblicken sei, kann zu diesem Beschwerdepunkt im vorliegenden Bescheid auch keine näheren Beurteilung der Berechtigung des Beschwerdevorbringens vorgenommen werden. Im Übrigen hat die Datenschutzkommission jedoch unabhängig vom vorliegenden Verfahren ein amtswegiges Prüfverfahren nach § 30 DSG 2000 eingeleitet, in dem die Frage der optimalen Tiefe und Intensität der Gesundheitsdatenerhebung im vorliegenden Kontext mit der Beschwerdegegnerin erörtert und allenfalls in Form einer Empfehlung festgelegt werden wird.