K121.530/0009-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KOTSCHY, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 18. November 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des DI Ignaz R*** (Beschwerdeführer) in Wien, vom 13. Mai 2009 (ha. eingelangt am 18. Mai 2009), gegen den Magistrat der Stadt Wien (Beschwerdegegner, Magistratsabteilung 15 – Gesundheitsdienst der Stadt Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf
Geheimhaltung, wird entschieden:
– Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und 2, § 4 Z 12 und § 9 Z 12 Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000, BGBl I Nr. 165/1999 idgF,iVm § 58 Abs. 1 und 2 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens (Dienstordnung für die Gesundheitsämter - Besonderer Teil), MBl. I S 327/1935 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
1. Mit Beschwerde vom 13. Mai 2009 macht der Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten dadurch geltend, dass erhobene Daten von Schülern und ihren Eltern durch die SchulärztInnen an den Beschwerdegegner (Magistratsabteilung 15, MA 15) weitergegeben würden, wobei sich der abschließende Beschwerdeantrag ausdrücklich (nur) auf die Daten des Beschwerdeführers bezieht (arg.: „Die Übermittlung der Daten an die MA 15 zu
Studienzwecken ist somit nicht zulässig und verletzt mein Recht auf Geheimhaltung meiner besonders schutzwürdigen Daten.“)
Am 24. April 2009 sei ein Schreiben der Leiterin des schulärztlichen Dienstes der Stadt Wien an alle SchulärztInnen ergangen, mit der Aufforderung, Kopien aller Gesundheitsblätter und Elternfragebögen der *** Schulstufe so bald als möglich an die MA 15 für Zwecke einer Studie zu senden. In diesen Unterlagen seien eine Vielzahl an sensiblen Daten zum Gesundheitszustand der SchülerInnen und der Eltern (Blankoformulare sind auch der Beschwerde angeschlossen) enthalten gewesen. Diese Aufforderung habe auch die Daten seines Sohnes (*** Klasse Volksschule) sowie seine und die Daten seiner Frau betroffen. Für die Weitergabe fehle eine Rechtsgrundlage im Sinn des § 1 Abs. 2 DSG 2000, auch würde eine Zustimmung zur Weitergabe nicht vorliegen.
Im konkreten Fall seien die Daten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend (DVR 2109254) sowie des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (DVR 0064301) erhoben worden. Als sensible Daten hätten diese aber bei den SchulärztInnen zu verbleiben. Der Beschwerdeführer fühlt sich daher in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt.
2. Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, führte der Beschwerdegegner zum Sachverhalt aus, dass es zu den Aufgaben des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien gehört,
Gesundheitsdaten zu dokumentieren und auszuwerten sowie den schulärztlichen Dienst in den städtischen Pflicht- und Berufsschulen zu besorgen. Der Beschwerdegegner werde hier als Bezirksverwaltungsbehörde tätig. Die Datenanwendung „Dokumentation schulärztlicher Leistungen in den öffentlichen Pflichtschulen und Berufsschulen der Stadt Wien“ sei auch beim Datenverarbeitungsregister gemeldet und werde rechtmäßig betrieben. Nach Ausführungen zu den Rechtsgrundlagen (Zuständigkeit, Amtsverschwiegenheit) meinte der Beschwerdegegner, da die SchulärztInnen in einem Dienstverhältnis zum Beschwerdegegner, MA 15, stünden und dem Beschwerdegegner daher organisatorisch und funktionell zuzuordnen seien, sei keine Übermittlung iSd § 7 Abs. 2 DSG 2000 erfolgt, sondern eine bloße Weitergabe der Daten im Rahmen des schulärztlichen Dienstes innerhalb desselben Aufgabengebietes von den SchulärztInnen an die Leiterin des Schulärztlichen Dienstes, ihrer gesetzlichen Vorgesetzten.
Zum Zweck der Datenverwendung für eine Studie wird
klargestellt, dass eine nicht personenbezogene statistische Auswertung für die Erstellung eines neuen Wiener Kindergesundheitsberichtes 2010 (in Anlehnung an den Wiener Gesundheitsbereicht 2000) vorgesehen sei. Die Anonymisierung der Bögen solle dabei durch die Leiterin des Schulärztlichen Dienstes erfolgen. Dies sei im Rahmen des § 46 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 zulässig.
Obwohl die gegenständliche Datenverwendung als zulässig erachtet werde, sei die Weitergabe der SchülerInnendaten von den SchulärztInnen an deren Leiterin unverzüglich nach Bekanntwerden dieses Verfahrens gestoppt worden, um den Ausgang des Verfahrens abwarten zu können.
B. Beschwerdegegenstand
Aufgrund der Formulierung des Beschwerdeantrags ergibt sich, dass Gegenstand der Beschwerde die Frage ist, ob der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat, dass er die im Elternfragebogen enthaltenen Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers, die beim Schularzt der Schule seines Sohnes aufbewahrt waren, für Zwecke der Auswertung für den Wiener Kindergesundheitsbericht 2010 verwendet hat.
C. Sachverhalt
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Vater eines Sohnes, der die *** Klasse der öffentlichen Volksschule *** besucht. Im Rahmen der schulärztlichen Tätigkeit wurde dieses Kind vom Schularzt der Schule untersucht und es wurde ein Gesundheitsblatt für den Schüler angelegt. Darüber hinaus wurde den Eltern ein sogenannter Elternfragebogen zur Ausfüllung übermittelt. Diese ausgefüllten Unterlagen sind zunächst beim Schularzt der genannten Schule verblieben.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das insoweit unbestritten blieb. Letzteres ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beschwerdegegners in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2009.
Der Elternfragebogen enthält eingangs folgende Erklärung:
„Liebe Eltern!
Ihre Angaben sind nur für die Schulärztin/den Schularzt bestimmt. Sie werden streng vertraulich behandelt und sollten in Ihrem eigenen Interesse in einem Kuvert verschlossen der Schulärztin/dem Schularzt übermittelt werden. Ein vollständiges Ausfüllen erleichtert die Arbeit der Schulärztin/des Schularztes.“ (Fettdruck im Original) Folgende Daten wurden im Elternfragebogen zu den Eltern – getrennt nach Vater und Mutter - abgefragt:
Am Ende des Formulars sind das „Bundesministerium für Gesundheit und Frauen“ und das „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur“, jeweils mit einer DVR-Nummer genannt. Ein Hinweis auf andere Behörden als allenfalls Verantwortliche für die Datenerhebung findet sich im Formular nicht.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Formular selbst, das der Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegt hat.
Am 21. April 2009 richtete der Beschwerdegegner, „MA 15 – Gesundheitsdienst der Stadt Wien, Gesundheitsvorsorge Kinder und Jugendliche – Schulärztlicher Dienst“, folgendes Schreiben an alle städtischen SchulärztInnen:
„Liebe KollegInnen!
DRINGEND
Die von uns SchulärztInnen erhobenen Daten können nun in einer Studie ausgewertet werden. Dazu benötigen wir folgende Unterlagen:
*** Schulstufe und *** Schulstufe: GESUNDHEITSBLATT
ELTERNFRAGEBOGEN
Bitte die oben angeführten Unterlagen nach Möglichkeit in der Schule kopieren und in ein Kuvert stecken, mit Schulkennzahl und Bezirk beschriften (jahrgangsweise – nicht nach Klassen getrennt), zukleben. Voraussetzung sind vollständig ausgefüllte Gesundheitsblätter (Größe, Gewicht, Sehtest). Bitte ehebaldigst mit der Dienstpost an den Schulärztlichen Dienst übermitteln.
Wer an der Schule keine Möglichkeit zum Kopieren hat, muss bitte mit den vollständigen Unterlagen zu uns kommen und wir kopieren hier und geben Ihnen/Euch die Blätter sofort wieder mit.
Danke für Ihre/Eure Mühe
Mit freundlichen Grüßen
e.h. DDr. Eva M***“
DDr. Eva M*** war dabei als Leiterin des Schulärztlichen Dienstes (einer Organisationseinheit innerhalb der MA 15 – Gesundheitsdienst der Stadt Wien) tätig.
Beweiswürdigung: Diese Feststellung ergibt sich aus diesem mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben selbst. Die Feststellungen zur Funktion der handelnden Organe ergeben sich aus zwei E-Mails des Beschwerdegegners (vertreten durch die MA 26) vom 7. September 2009.
In der Folge wurden der vom Beschwerdeführer ausgefüllte Elternfragebogen und das Gesundheitsblatt des Sohnes des Beschwerdeführers vom Schularzt an die Leiterin des Schulärztlichen Dienstes zum Zweck der Erarbeitung des Wiener Kindergesundheitsberichtes 2010 durch die damit im Gesundheitamt betraute Stelle weitergeleitet. Die Magistratsabteilung 15 des Magistrats der Stadt Wien ist bei der Erstellung des Wiener Kindergesundheitsberichts als Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) tätig.
Beweiswürdigung: Die erste Feststellung ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen und wurde vom Beschwerdegegner nicht bestritten. Die zweite Feststellung stützt sich auf die Angaben des Beschwerdegegners in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2009.
B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften (Fettdruck jeweils durch die Datenschutzkommission):
Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet:
„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
…“
Gemäß § 4 Z 12 DSG 2000 bedeutet der Begriff „Übermitteln von Daten“ im Sinne der Bestimmungen des DSG 2000 die Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten; darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers.
Gemäß § 1 des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens, dRGBl. I S 531/1934 idF GBlÖ Nr 686/1938, sind zur einheitlichen Durchführung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Stadt- und Landkreisen in Anlehnung an die untere Verwaltungsbehörde Gesundheitsämter einzurichten.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z I lit. d leg.cit. obliegt den Gesundheitsämtern (ua.) die Durchführung der ärztlichen Aufgabe der Schulgesundheitspflege.
§ 4 Abs. 6 Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens, dRGBl. I S 177/1935 idF GBlÖ Nr 686/1938, lautet unter der Überschrift
„Aufgabengebiet der Gesundheitsämter“:
„(6) Zu § 3, I, d: Die Schulgesundheitspflege , in der jedes Schulkind vorsorglich hinsichtlich seiner körperlichen und geistigen Gesundheit laufend überwacht werden soll, ist im Gesundheitsamt zusammenzufassen. Zu ihrer Durchführung kann das Gesundheitsamt auch andere Ärzte als Schulärzte heranziehen. Diese sollen ebenso wie das Gesundheitsamt den Erziehungsberechtigten in Fragen, welche die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes betreffen, für eine ärztliche Beratung zur Verfügung stehen. Ärztliche Behandlung in der Schulgesundheitspflege ist nicht Aufgabe des Gesundheitsamts.“
§ 11 leg.cit. lautet unter der Überschrift „Besetzung der Gesundheitsämter mit Ärzten“:
„(1) Beamtete Ärzte sind der Amtsarzt als Leiter des Gesundheitsamts und die neben ihm beim Gesundheitsamt als Beamte im Haupt- oder Nebenamt angestellten Ärzte.
(2) Hilfsärzte sind die beim Gesundheitsamt auf Grund eines Dienstvertrages als voll oder teilweise beschäftigte Angestellte tätigen Ärzte.“
§ 10 leg.cit. lautet:
„Die Durchführung der nach § 3 des Gesetzes den Gesundheitsämtern obliegenden Aufgaben wird in der Dienstordnung (§ 2 des Gesetzes) näher geregelt.“
Gemäß § 1 Z 4 Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens ( Dienstordnung - Allgemeiner Teil ), sRGBl. I S 215/1935 idF GBlÖ Nr. 686/1938, hat das Gesundheitsamt die ihm gesetzlich obliegenden Aufgaben nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Es hat insbesondere die der gesundheitlichen Für- und Vorsorge erforderlichen Untersuchungen und Feststellungen vorzunehmen.
Die relevanten Bestimmungen der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens ( Dienstordnung für die Gesundheitsämter - Besonderer Teil ), MBl. I S 327/1935, lauten:
„Abschnitt XV
Schulhygiene.
§ 55
Gesundheitliche Beaufsichtigung der Schulen (auch
Waisenhäuser, Kindergärten und ähnlicher
Einrichtungen).
Das Gesundheitsamt wacht darüber, daß die Schulgebäude und die dem Unterricht dienenden Einrichtungsgegenstände (Schulbänke usw.) den Anforderungen der Hygiene genügen.
§ 56
Der beamtete Arzt hat innerhalb eines in der Regel
fünfjährigen Zeitraumes jede Schule seines Bezirks abwechselnd im Sommer und Winter auf ihre Baulichkeit und Einrichtung sowie auf den Gesundheitszustand der Schüler unter Zuziehung des Schulvorstandes und des Schularztes zu besichtigen. Der Leiter des Kreises, der Schulrat, bei Fortbildungs- und Fachschulen der Vorsitzende des Schulvorstandes, sind rechtzeitig vorher zu benachrichtigen. Das Gesundheitsamt hat rechtzeitig Neu- und Umbauten von Schulen anzuregen, wenn die vorhandenen Schulen den Anforderungen der Hygiene nicht mehr genügen, und die Baupläne für Neu- und Umbauten rechtzeitig zu prüfen. Zur Prüfung der Bauvorhaben hat der beamtete Arzt, soweit erforderlich, Ermittlungen an Ort und Stelle, insbesondere Besichtigungen der Bauplätze vorzunehmen.
§ 57
Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen und in den Schulen.
Das Gesundheitsamt hat darüber zu wachen, daß der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen nach Möglichkeit vorgebeugt wird, und daß die gesetzlichen Vorschriften zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen genaue Beachtung finden. Vor Abgabe seines Gutachtens hat der Amtsarzt in der Regel eine örtliche Besichtigung vorzunehmen und zu prüfen, welche Maßregeln zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit zu treffen sind. Ist eine Schule geschlossen worden, so hat der Amtsarzt sich im allgemeinen erst dann für die Wiedereröffnung auszusprechen, wenn die Schule oder Schulklasse und die dazugehörigen Nebenräume gründlich gereinigt und entkeimt worden sind.
§ 58
Schulgesundheitspflege
(1) Der Amtsarzt hat darüber zu wachen, daß der
schulärztliche Dienst einschließlich der Schulzahnpflege einwandfrei durchgeführt wird;
Schulärzte unterstehen der Dienstaufsicht des Amtsarztes . Dieser soll sich am schulärztlichen Dienst beteiligen, sofern es seine übrigen Amtsgeschäfte zulassen.
(2) Zum schulärztlichen Dienst gehören:
(a) Reihenuntersuchungen , insbesondere bei der Einschulung und bei der Entlassung; Anlegung einer Kartei ,
(b) besondere Überwachung der Schüler, deren Gesundheitszustand eine fortlaufende Kontrolle erforderlich macht,
(c) schulärztliche Sprechstunden für Eltern, Schüler und Lehrer,
(d) Herbeiführung gesundheitsfürsorgerlicher Maßnahmen für die Schüler,
(e) Beratung und Belehrung der Lehrer in Fragen der Gesundheitspflege,
(f) Mitarbeit bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in den Schulen.
(3) Das Gesundheitsamt hat auf die gesundheitliche Erziehung der Schüler hinzuwirken. Nach Möglichkeit sind auch Vorträge der Schulärzte vor Lehrern, ferner für Schüler der oberen Klassen und für Eltern vorzusehen und anzuregen.“
§ 66 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl I Nr. 78/2001, lautet:
„15. ABSCHNITT
SCHULÄRZTLICHE BETREUUNG
Schulgesundheitspflege
§ 66. (1) Schulärzte haben die Aufgabe, die Lehrer in gesundheitlichen Fragen der Schüler, soweit sie den Unterricht und den Schulbesuch betreffen, zu beraten und die hiefür erforderlichen Untersuchungen der Schüler durchzuführen .
(2) Die Schüler sind verpflichtet, sich - abgesehen von einer allfälligen Aufnahmsuntersuchung - einmal im Schuljahr einer schulärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Darüber hinaus sind Untersuchungen mit Zustimmung des Schülers möglich. Sofern bei Untersuchungen gesundheitliche Mängel festgestellt werden, ist der Schüler hievon vom Schularzt in Kenntnis zu setzen.
(3) Insoweit bei Lehrerkonferenzen oder Sitzungen des Klassen- und Schulforums bzw. des Schulgemeinschaftsausschusses Angelegenheiten des Gesundheitszustandes von Schülern oder Fragen der Gesundheitserziehung behandelt werden, sind die Schulärzte zur Teilnahme an den genannten Konferenzen bzw. Sitzungen mit beratender Stimme einzuladen.
(4) Soweit Verordnungen auf Grund der Abs. 1 bis 3 nicht von den dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur unterstehenden Schulbehörden des Bundes erlassen werden, sind sie vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zu erlassen.“
§ 41 Abs. 3 des Gesetzes über die äußere Organisation der öffentlichen Pflichtschulen und öffentlichen Schülerheime im Lande Wien und über die Zusammensetzung des Kollegiums des Stadtschulrates für Wien (Wiener Schulgesetz – WrSchG), LGBl. Nr. 20/1976 idgF., lautet unter der Überschrift „Gesetzlicher Schulerhalter“:
„(3) Die Beistellung der für die Tagesbetreuung (ausgenommen die Lernzeiten) an ganztägigen Schulformen erforderlichen Lehrer oder Betreuer und die Beistellung von
Schulärzten sowie die Beistellung der für die Schülerheime erforderlichen Betreuer obliegt der Gemeinde Wien .“
Gemäß § 45 Abs. 1 WrSchG hat die Gemeinde Wien zur Erfüllung der ihm auf Grund schulrechtlicher Vorschriften obliegenden Aufgaben für jede Schule einen Schularzt zu bestellen. Gemäß Abs. 2 leg.cit. können sich die für die Wahrnehmung von Aufgaben der allgemeinen Gesundheitsvorsorge zuständigen Organe des Landes und der Gemeinde Wien, soweit diese Maßnahmen, wie die Vornahme von Impfungen, gezielten Reihenuntersuchungen u. dgl., aus praktischen Gründen in der Schule durchgeführt werden, unbeschadet der Zuständigkeit des Bundes zur Regelung des Gesundheitswesens, des Schularztes bedienen.
2. Rechtliche Schlussfolgerungen
a) Von der Beschwerde betroffen sind nur die mithilfe des Elternfragebogens erhobenen Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers, d.s. – neben seinen Identifikations- und Ansprechdaten (Name und Anschrift; Telefon) die Daten zuckerkrank (Ja/Nein) und übergewichtig (Ja/Nein)): Zwar wird in den Beschwerdeausführungen auch auf das – das untersuchte Kind betreffende – Gesundheitsblatt Bezug genommen und auch darauf, dass mit dem Elternfragebogen auch Daten der Ehegattin des Beschwerdeführers ermittelt würden, doch ist angesichts der Formulierung des Beschwerdeantrags, in dem sich der Beschwerdeführer nur auf seine eigenen sensiblen Daten bezieht, davon auszugehen, dass er nicht auch
vertretungshalber für seinen minderjährigen Sohn handeln wollte – ein Vertretungshandeln für seine Gattin kommt mangels eigener Vollmacht schon deshalb nicht in Frage, weil das Grundrecht auf Datenschutz ein höchstpersönliches Recht ist, dessen Verletzung nur vom Betroffenen selbst (bzw. seinem gesetzlichen oder ausdrücklich im konkreten Fall bezeichneten Verteter) geltend gemacht werden kann.
b) Der Beschwerdeführer rügt die Weitergabe seiner mithilfe des Elternfragebogens erhobenen Gesundheitsdaten vom Schularzt an die Leiterin des schulärztlichen Dienstes zwecks Durchführung einer wissenschaftlichen Studie als unzulässig, da es hiefür an einer Rechtsgrundlage mangle. § 1 Abs. 2 DSG 2000 fordere nämlich stets für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz durch eine staatliche Behörde eine Rechtsgrundlage in Form eines Gesetzes im formellen Sinn.
Diese Rechtsansicht ist für die Zulässigkeit von
Übermittlungen im Sinne des § 4 Z 12 DSG 2000 richtig. Gerade das Vorliegen einer „Übermittlung“ wird jedoch vom Beschwerdegegner bestritten: Die von der Gemeinde Wien beizustellenden Schulärzte (§ 41 Abs. 3 WrSchG) seien Mitarbeiter des im Rahmen der MA 15 eingerichteten
schulärztlichen Dienstes, dessen Leiterin um die Zurverfügungstellung der beschwerdegegenständlichen Daten für Zwecke des Wiener Kindergesundheitsberichtes ersucht habe. Es handle sich daher nicht um eine Weitergabe von Daten an einen anderen Auftraggeber.
Richtig ist, dass der schulärztliche Dienst von den bei den Bezirksverwaltungsbehörden eingerichteten Gesundheitsämtern zu besorgen ist (§ 3 Abs. 1 Z I lit. d des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens). Die Funktion des Gesundheitsamtes erfüllt im Rahmen der Gebietskörperschaft „Stadt Wien“ die MA 15. Die Schulärzte sind somit Organe der MA 15, ihre Tätigkeit ist datenschutzrechtlich dem Auftraggeber „Magistrat der Stadt Wien“ zuzurechnen, dessen Teil die MA 15 ist. Wenn nun die MA 15 zusätzlich auch für die Erstellung des „Wiener Kindergesundheitsberichts“ zuständig ist, liegt Identität des Auftraggebers vor, und zwar sogar im Hinblick auf die innerhalb des Magistrats zuständige Unterorganisation MA 15. Es tritt bei der beschwerdegegenständlichen Datenweitergabe somit kein Auftraggeberwechsel ein.
Die Verwendung der Gesundheitsdaten aus den schulärztlichen Untersuchungen für den Kindergesundheitsbericht stellt auch keinen Zweckwechsel dar, dem die rechtliche Qualität einer „Verwendung für ein anderes Aufgabengebiet“ iSd des § 4 Z 12 DSG 2000 zukäme, vielmehr sind sogar beide Aktivitäten gleichermaßen dem Teilaufgabengebiet „(gesundheitliche) Vorsorge für Kinder und Jugendliche“ zuzurechnen.
Nach der Definition des § 4 Z 12 DSG 2000 stellt die Weitergabe von Daten aus schulärztlichen Untersuchungen von den Schulärzten an die innerhalb der MA 15 zur Erstellung des Kindergesundheitsbericht zuständigen Stellen somit keine „Übermittlung“ dar, da weder ein Wechsel des Auftraggebers noch ein solcher des Aufgabengebietes gegeben ist. Eine eigene besondere Rechtsgrundlage für diese Weitergabe ist daher nicht erforderlich.
Der Beschwerdeführer hat jedoch ein weiteres Argument ins Spiel gebracht, das eine Besonderheit der Weitergabe von medizinischen Daten betrifft: Sie seien in jenem besonderen Vertrauensverhältnis ermittelt worden, das zu einem untersuchenden Arzt bestehe und dieses Vertrauensverhältnis dürfe nicht ohne Weiteres durch Weitergabe der Daten kompromittiert werden, umso mehr als im Erhebungsbogen, mit dem die beschwerdegegenständlichen Daten ermittelt wurden, ausdrücklich versichert werde, dass die ermittelten Daten beim Schularzt verbleiben. Behauptet wird somit letztlich, dass im vorliegenden Fall speziell ermittelter sensibler Daten eine Weitergabebeschränkung bestehe, die strenger sei als das allgemein geltende Übermittlungsverbot für
personenbezogene Daten.
Diese Rechtsauffassung kann angesichts des § 46 Abs. 1 DSG 2000 nicht geteilt werden: In dieser Bestimmung wird die Weiterverwendung von Daten für wissenschaftliche Studien/Statistiken auch ohne Zustimmung des Betroffenen (d.h auch eines Patienten) erlaubt, wenn der Auftraggeber der wissenschaftlichen Studie die hiefür zu verwendenden Daten bereits aus einem anderen Zweck (z.B. Behandlung, Vorsorgeuntersuchung etc) vorrätig hat. Selbstverständlich ist Voraussetzung für diese Ermächtigung zur erleichterten Weiterverwendung, dass die Daten zunächst – unabhängig von der intendierten wissenschaftlichen Weiterverwendung – zulässigerweise ermittelt wurden.
c) Zu prüfen ist daher, ob die für Zwecke des Wiener Kindergesundheitsberichts 2010 durch die Leiterin des schulärztlichen Dienstes von den Schulärzten angeforderten – und in diesem Stadium (noch) nicht anonymisierten – Unterlagen im Hinblick auf die Daten des Beschwerdeführers
„zulässigerweise ermittelt“ worden waren.
Dem Beschwerde gegner ist zunächst in seiner
Argumentation zur Zulässigkeit der Daten ermittlung zu folgen, dass ihm als Gesundheitsamt (ua.) die Durchführung der ärztlichen Aufgabe der Schulgesundheitspflege obliegt (§ 3 Abs. 1 Z I lit. d des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens) und dass die Schulgesundheitspflege auch den schulärztlichen Dienst umfasst, zu dem wiederum (ua.) Reihenuntersuchungen, insbesondere bei der Einschulung und bei der Entlassung der Schulkinder sowie die Anlegung einer Kartei mit den Ergebnissen der Untersuchungen gehören (§ 58 Abs. 2 lit. a Dienstordnung – Besonderer Teil; § 66 Abs. 1 SchUG). Für die Ermittlung der Gesundheitsdaten der Schüler durch Reihenuntersuchungen durch den Schularzt und die Speicherung der dadurch ermittelten Gesundheitsdaten beim Schularzt besteht daher eine ausdrückliche einfachgesetzliche Rechtsgrundlage.
Die Ermittlung und Speicherung von Gesundheitsdaten der Eltern ist von dieser Rechtsgrundlage nicht
ausdrücklich mitumfasst . Nach dem Stand der heutigen medizinischen Wissenschaft gehört jedoch zur Anamnese eines Untersuchten auch die Erhebung der Gesundheitshistorie seiner nächsten Familienangehörigen, also insbesondere Eltern und Geschwister. Die Frage nach der Familiengeschichte des Krankheitsbildes „Diabetes“ ist für die Gesundheitsentwicklung des untersuchten Schulkindes von unmittelbarer Bedeutung. Dasselbe gilt für die Frage nach allfälligem Übergewicht des Schülers und auch der Familienangehörigen, da dies
Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten des untersuchten Schülers, die weitgehend von den familiären Ernährungsgewohnheiten abhängig sind, zulässt.
Es besteht nun kein Zweifel, dass ein Arzt bei einer Vorsorgeuntersuchung eines Patienten diesem Fragen über wesentliche Krankheitsvorkommnisse in seiner engeren Familie stellen und der Patient diese auch beantworten darf. Datenschutzrechtlich stützt sich diese Vorgangsweise auf § 9 Z 12 DSG 2000, wonach Daten von ärztlichem Personal unter anderem „zum Zweck der Gesundheitsvorsorge“ verwendet (d.h. auch erfragt) werden dürfen. Dass der Untersuchte selbst diese Fragen beantworten darf, ergibt sich daraus, dass derartige Informationen erstens gleichzeitig auch Daten über ihn selbst sind und zweitens ihre Verwendung durch den Untersuchten – aus der Sicht des Familienangehörigen – auch auf § 9 Z 8 DSG 2000 gestützt werden könnte, nämlich „lebenswichtige Interessen eines anderen “(d.i. der Untersuchte im Verhältnis zum Familienangehörigen).
Der Umstand, dass im vorliegenden Fall die beschwerdegegenständlichen Familienanamnesedaten nicht vom Untersuchten – wie sonst üblich - sondern von seinen Eltern erfragt wurden, liegt darin begründet, dass Schulkinder der 4. Schulstufe diesbezüglich keine verlässlichen Auskunftspersonen sind. Die Eltern handeln bei Ausfüllung des Elternfragebogens somit „im Namen“ der Untersuchten – sie handeln als deren gesetzliche Vertreter.
Die Zulässigkeit der Ermittlung der beschwerdegegenständlichen Daten ist daher durch § 9 Z 12 DSG 2000 iVm § 58 und § 66 SchUG gesichert.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Erfordernisse des § 46 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 für die Zulässigkeit der Weiterverwendung von Daten für
wissenschaftliche Zwecke jedenfalls gegeben sind, sodass eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Geheimhaltung nicht erfolgt sein konnte.
Dem Beschwerdeführer ist allerdings zuzugestehen, dass die auf dem Elternfragebogen gegebenen Informationen insbesondere zur Frage des Auftraggebers oder zu allfälliger weiterer Datenverwendungen dürftig, wenn nicht überhaupt irreführend sind. Verletzungen der Informationspflicht nach § 24 DSG 2000 können in einem Verfahren nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 jedoch nicht releviert werden, da es sich hier nicht um die Verletzung subjektiver Rechte des Betroffene, sondern nur um die Verletzung von gesetzlichen Pflichten des Auftraggebers handelt. Die Datenschutzkommission kann den vorliegenden Fall jedoch zum Gegenstand eines amtswegigen Verfahrens nach § 30 Abs. 2 DSG 2000 machen. Darüber wird gesondert zu beschließen sein.