K121.422/0002-DSK/2009 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HEILEGGER, Mag. HUTTERER, Dr. KOTSCHY, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 25. Februar 2009 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Max A*** (Beschwerdeführer) aus Wien, vertreten durch Dr. Karl H***, Rechtsanwalt in **** Wien, vom 4. September 2008 gegen das Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in Folge Übermittlung der Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers wird entschieden:
- Die Beschwerde wird abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 Z 3, 7 Abs. 2 Z 2, 31 Abs. 2 DSG 2000, § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG und § 6 Abs.1 und 3
AMFG.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
1) Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde vom 4. September 2008 (bei der Datenschutzkommission eingelangt am 5. September 2008) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass ein Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin (Regionalgeschäftsstelle T***straße) am 8. Jänner 2008 in E-Mails die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers an potenzielle Arbeitgeber (Unternehmen, bei denen er sich um eine Stelle beworben hatte) übermittelt habe, ohne dass es dafür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung gebe oder seine Zustimmung vorgelegen sei.
2) Die Beschwerdegegnerin bestritt das Beschwerdevorbringen sachverhaltsmäßig nicht, brachte jedoch vor, in der Absicht gehandelt zu haben, den Beschwerdeführer bei der Arbeitssuche zu unterstützen. Insbesondere habe der Sachbearbeiter der Beschwerdegegnerin mit dem Beschwerdeführer „im Vorfeld das Förderungsangebot besprochen“; dabei habe er die Sachlage so verstanden, dass der Beschwerdeführer mangels ausdrücklicher Ablehnung der Nennung seiner Sozialversicherungsnummer damit einverstanden gewesen sei, dass Namen und SVNr. an die vom Beschwerdeführer dem AMS bekanntgegebenen interessierten Arbeitgeber zur allfälligen Beantragung einer Förderung mitgeteilt würden.
Das AMFG (§ 6 Abs. 3) sehe ausdrücklich vor, dass mit der Vormerkung eines Arbeitssuchenden beim AMS dieses berechtigt sei, die zum Zweck der Vermittlung seitens vorgemerkter Personen bekanntgegebenen Daten an interessierte Unternehmen weiterzugeben.
Für diesen Zweck habe der zuständige Sachbearbeiter E-Mails an Unternehmen versandt, bei denen sich der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Aussage beworben habe, um diese auf die Möglichkeit der Gewährung von Förderungen für ein solches Beschäftigungsverhältnis hinzuweisen. Dabei sei der Name des Beschwerdeführers in Verbindung mit dessen Sozialversicherungsnummer genannt worden, um Personenverwechslungen auszuschließen und einstellungswilligen Arbeitgebern die Beantragung von Förderungen bzw. die Einholung von konkreten Auskünften darüber umgehend zu ermöglichen.
3) Der Beschwerdeführer hat sich zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers an potenzielle Arbeitgeber zu übermitteln.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer war Anfang Jänner 2008 beim Arbeitsmarktservice als arbeitsuchend vorgemerkt und wurde auf Grund einer länger dauernden Arbeitslosigkeit (mehr als 365 Tage netto) als Langzeitarbeitsloser eingestuft. Die zur Betreuung des Beschwerdeführers zuständige Stelle war die Regionale Geschäftsstelle Wien T***straße.
Der den Beschwerdeführer betreuende Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin, Mag. Oskar D***, besprach mit dem Beschwerdeführer die Kontaktaufnahme mit den vom Beschwerdeführer genannten potentiellen Arbeitgebern, um diese über die Förderungsmöglichkeiten zu informieren und dadurch die Vermittlungschancen zu steigern. Am 8. Jänner 2008 versandte Mag D*** E-Mails an 1. die J**-CH** Filmproduktion GmbH (office@J**-Ch**.at) und 2. die W** W** Werbeagentur Ges.m.b.H. (a***.b***@W** W**.com). Diese E-Mails bestanden aus dem Inhalt einer Vorlage („Schimmelbrief“), in der der Betreuer auf die Möglichkeit aufmerksam machte, für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen Förderungen (Eingliederungsbeihilfe, Kurskosten für Spezialausbildungen und Arbeitstrainings) zu erhalten. Diese Vorlage wurde sinngemäß jeweils um den Satz ergänzt, dass dies auch für „Herrn Max A*** 1235******“ zutreffe, der sich beim jeweiligen Unternehmen beworben habe. „1235 ******“ ist die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers und auf den von diesem mit der Beschwerde vorgelegten Kopien von Ausdrucken der fraglichen E-Mails (von Mag. D*** an den Beschwerdeführer weitergeleitet).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 6 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundsätze“ auszugsweise:
„ § 6 . (1) Daten dürfen nur
...
3. soweit sie für den Zweck der Datenanwendung wesentlich sind, verwendet werden und über diesen Zweck nicht hinausgehen,
...“
§ 7 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Zulässigkeit der Verwendung von Daten“:
„ § 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
§ 6 Abs. 1 bis 3 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes – AMFG, BGBl. Nr. 31/1969 idF BGBl. I Nr. 68/2002 lautet unter der Überschrift „Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten“:
„ § 6 . (1) Bei der Arbeitsvermittlung dürfen nur solche Daten erhoben und verarbeitet werden, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Besetzung der offenen Stelle oder mit der beabsichtigten beruflichen Verwendung der Arbeitsuchenden stehen. Insbesondere dürfen Daten, welche ausschließlich die persönliche oder religiöse Sphäre betreffen, und Daten über die Mitgliedschaft in Parteien oder Vereinen nicht erfasst werden. Die erhobenen und verarbeiteten Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Arbeitsvermittlung verwendet und nur jenen Personen zugänglich gemacht werden, die mit der Arbeitsvermittlung befasst sind.
(2) Die Aufnahme einer offenen Stelle gilt als Zustimmung zur Weitergabe der Daten an Arbeitsuchende; gerechtfertigte Einschränkungen, insbesondere sachlich gebotene Sperrvermerke, sind jedoch zu beachten. Auf Verlangen sind den Arbeitsuchenden schriftliche Unterlagen über die angebotene Stelle zur Verfügung zu stellen.
(3) Die Vormerkung einer arbeitsuchenden Person gilt als Zustimmung zur Weitergabe der Daten an Arbeitgeber; gerechtfertigte Einschränkungen, insbesondere sachlich gebotene Sperrvermerke, sind jedoch zu beachten.“
§ 31 Abs. 4 Z 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 101/2007, lautet unter der Überschrift „Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger“:
„ § 31 . (1) Die in den §§ 23 bis 25 bezeichneten Versicherungsträger und die Träger der im § 2 Abs. 2 bezeichneten Sonderversicherungen werden zum Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im folgenden kurz Hauptverband genannt) zusammengefaßt.
(2) Dem Hauptverband obliegt
[...]
2. die zentrale Erbringung von Dienstleistungen für die Sozialversicherungsträger,
[...}
(4) Zu den zentralen Dienstleistungen im Sinne des Abs. 2 Z 2 gehören:
1. die Vergabe von einheitlichen Versicherungsnummern und deren Verknüpfung mit dem entsprechenden bereichsspezifischen Personenkennzeichen (§ 9 des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004) zur Verwaltung personenbezogener Daten im Rahmen der der Sozialversicherung gesetzlich
übertragenen Aufgaben;“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Der Beschwerde kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
Nach § 6 Abs. 1 AMFG dürfen bei der Arbeitsvermittlung nur solche Daten erhoben und verarbeitet werden, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Besetzung der offenen Stelle oder mit der beabsichtigten beruflichen Verwendung der Arbeitsuchenden stehen. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Übermittlung dieser Daten bestimmt § 6 Abs. 3 AMFG, dass die Vormerkung einer arbeitsuchenden Person beim AMS als Zustimmung zur Weitergabe dieser Daten an Arbeitgeber gilt.
Jede Ermächtigung zur Datenverwendung, also auch bei einer gesetzlichen Ermächtigung zur Weitergabe von Daten, ist im Lichte der Grundsätze des § 6 DSG 2000 zu verstehen, nach dessen Abs. 1 Z 3 nur solche Daten verwendet (weitergegeben) werden dürfen, die für den Zweck der Verwendung (Weitergabe) wesentlich sind. Über die Zulässigkeit der Verwendung personenbezogener Daten herrscht somit ein generelles Erforderlichkeitsprinzip.
Die Weitergabe der Sozialversicherungsnummer ist im Zuge der Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz, also „im Zusammenhang mit der Besetzung einer offenen Stelle“ erfolgt; und zwar wurden die stellenanbietenden Unternehmen vom AMS auf besondere Förderungsmöglichkeiten bei Einstellung des Beschwerdeführers hingewiesen. Dieser spezielle Hinweis ist als sachdienlich zu bewerten, da er einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Entschluss eines Unternehmens, einen Arbeitssuchenden einzustellen, leisten kann. Für die effiziente Behandlung von Rückfragen von interessierten Unternehmen darüber, in welcher Höhe eine Förderung im Einzelfall erfolgen könne, wurde im vorliegenden Fall dadurch vorgesorgt, dass der betroffene Arbeitssuchende mit einer im Arbeits- und Sozialbereich tauglichen eindeutigen Identifikation beschrieben wurde, nämlich mit Namen und Sozialversicherungsnummer.
Die Sozialversicherungsnummer wurde somit nicht als genereller Identifikator verwendet, d.h. in Zusammenhängen, die mit sozialversicherungsrechtlichen Sachverhalten nichts zu tun haben – eine solche Verwendung wurde von der DSK bereits wiederholt als unzulässig bezeichnet (vgl. etwa Bescheid der DSK vom 2. November 2004, GZ: K120.941/0012-DSK/2004, RS 2, RIS). Vielmehr wurde die SVNr. in dem in unmittelbarem Konnex mit Sozialversicherungsagenden – insbesondere Arbeitslosenversicherungsagenden – stehenden Bereich der Arbeitsmarktverwaltung verwendet – im vorliegenden Zusammenhang, um eine effiziente Kommunikation über konkrete Förderungsmöglichkeiten zu erleichtern, wofür die eindeutige und unverwechselbare Bezeichnung des betroffenen Arbeitnehmers notwendig ist. Es muss dabei auch bedacht werden, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Datenverwendung in einer Vermittlungssituation gehandelt hat. Der um die Vermittlung Bemühte – im vorliegenden Fall das AMS – wird demjenigen, der einen Arbeitnehmer möglichst einstellen soll, im Interesse der Sache die notwendigen Informationen rasch und vollständig zur Verfügung stellen müssen, wenn er nicht durch die Notwendigkeit mehrfacher Nachfragen die Bereitwilligkeit des potentiellen Arbeitgebers zur Fortführung des Vermittlungsgesprächs gefährden will. Hinzu kommt, dass der „sprechende“ Teil der Sozialversicherungsnummer, nämlich das Geburtsdatum, den Übermittlungsempfängern aus den Vorstellungsgesprächen mit dem Beschwerdeführer ohnehin schon bekannt sein musste. Weiters ist zu beachten, dass es sich bei den Datenempfängern um vom Beschwerdeführer benannte und von ihm bereits kontaktierte potentielle Arbeitgeber handelte, die mit seinem Einverständnis über die Förderungsmöglichkeiten belehrt werden und die dafür erforderlichen Daten übermittelt erhalten sollten. Das Vermittlungs-/ Förderungsverfahren war also bereits in ein sehr konkretes Stadium getreten.
Es kann somit im Zusammenhang mit der Erleichterung des Austausches von Information über Förderungsmöglichkeiten in der Übermittlung der Sozialversicherungsnummer als eindeutigen Identifikator für förderungsrelevante Arbeitssuchende, die mit dem Übermittlungsempfänger nach eigener Aussage bereits aussichtsreichen Kontakt aufgenommen haben und zur Übermittlung von Förderungsinformation ihr Einverständnis erklärt haben, keine überschießende Datenverwendung erkannt werden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.