JudikaturDSB

K202.070/0010-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. STAUDIGL, Dr. BLAHA, Dr. KOTSCHY, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. HEILEGGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 5. Dezember 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, C***, Abteilung I*** (Antragsteller) vom 24. Juni 2008 auf Genehmigung der Übermittlung von Adressen aller Patienten, die in einem definierten Zeitraum eine Hüft- oder Kniegelenksendoprothese erhalten haben, durch (genannte) öffentliche Krankenanstalten im Land Oberösterreich, zur Erhebung der Wartezeiten auf Operationstermine zum Hüft- oder Kniegelenksersatz wird entschieden:

Der Antrag wird a b g e l e h n t.

Rechtsgrundlagen: § 47 Abs. 3 und 4 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF.

B e g r ü n d u n g

Der Antragsteller begehrt für Zwecke der Erhebung der Wartezeiten auf Operationstermine zum Hüft- oder Kniegelenksersatz die Übermittlung von Adressen jener Patienten, die in einem definierten Zeitraum eine Hüft- oder Kniegelenksendoprothese erhalten haben.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Im Auftrag der oö. Gesundheitslandesrätin soll die Abteilung I*** des Antragstellers eine Patientenbefragung zur Erhebung der Wartezeiten auf Operationstermine zum Hüft- oder Kniegelenksersatz durchführen, da diese Wartezeiten nirgendwo strukturiert erfasst seien.

Es sollen daher von folgenden Krankenanstalten die Daten Vorname, Nachname und Adresse aller Patienten, die in den letzten drei Monaten vor Beginn der Befragung eine Hüft- oder Kniegelenksendoprothese erhalten haben, ermittelt werden:

In der Folge soll alle drei Monate eine weitere Befragung erfolgen, bis pro Krankenanstalt mindestens 200 ausgefüllte Fragebögen mit ca. 10 % Sonderklasse-Anteil vorliegen. Diese Anzahl wäre aus statistischer Sicht notwendig, um haltbare Aussagen sowohl auf Krankenanstaltenebene als auch auf Oberösterreichebene treffen zu können.

Mit diesen Daten sollen die Patienten schriftlich über die Befragung mittels Telefoninterview informiert werden – das bezogene Schreiben sowie der Fragebogen sind als Beilage ./1 und ./2 diesem Bescheid angeschlossen. Die Befragung soll vom Betroffenen verweigert werden können.

Überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen stünden dieser geplanten Datenübermittlung deshalb nicht entgegen, da die Daten nur für diesen Zweck verwendet werden und zu keinen personenbezogenen Ergebnissen führen.

Die Befragung durch Telefoninterviews soll durch einen – noch auszuwählenden – Dienstleister („Call-Center“) durchgeführt werden, welchen die genannten Daten übermittelt und deren Mitarbeiter vertraglich zur Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten Daten verpflichtet werden. Die beim Antragsteller mit der gegenständlichen Befragung betrauten Mitarbeiter sind als Organe des Landes zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet.

Die Durchführung der Patientenbefragung durch die Krankenanstalten selbst wurde nicht in Erwägung gezogen. Die Krankenanstaltenträger wurden schon mehrmals vom Antragsteller um Auskunft über die Wartezeiten auf gegenständliche Operationen ersucht. Die Daten sind auch zur Verfügung gestellt worden. Der Antragsteller erwartet allerdings die verlässlicheren und detaillierten Daten aus der direkten Kommunikation mit den Patienten selbst, zB die Differenzierung der Wartezeit nach Sonderklassepatienten und Patienten der allgemeinen Gebührenklasse. Die Sonderklasseversicherung stelle eine nicht unrelevante Einkommensquelle für Krankenanstalten dar und sei dadurch ein Anreiz, so versicherte Patienten bevorzugt zu behandeln.

Der Antragsteller sieht auch keine rechtliche Grundlage, die Krankenanstalten zu einer derartigen Befragung unter Verwendung des Fragebogens zu verpflichten.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 24. Juni 2008 und dessen Beilagen, sowie auf der auf Grund des Verbesserungsauftrages der Datenschutzkommission abgegebenen Stellungnahme vom 1. August 2008. Dass der Antragsteller die Ankündigung der Interviews selbst durchführt sowie für die Telefoninterviews ein Call-Center als Dienstleister heranzieht, ergibt sich aus der Beilage „Wartezeit auf Hüft- und Knieendoprothesen – Vorgehensweise“ zum Antrag.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet „Verwenden von Daten“ jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) einschließlich des Ermittelns, als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten.

Für die Zurverfügungstellung von Adressen zur Benachrichtigung und Befragung von Betroffenen enthält das DSG 2000 in seinem § 47 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Zurverfügungstellung von Adressen zur Benachrichtigung und Befragung von Betroffenen

§ 47. (1) Soweit gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, bedarf die Übermittlung von Adreßdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen zum Zweck ihrer Benachrichtigung oder Befragung der Zustimmung der Betroffenen.

(2) Wenn allerdings angesichts der Auswahlkriterien für den Betroffenenkreis und des Gegenstands der Benachrichtigung oder Befragung eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich ist, bedarf es keiner Zustimmung, wenn

1. Daten desselben Auftraggebers verwendet werden oder

2. bei einer beabsichtigten Übermittlung der Adreßdaten an Dritte

a) an der Benachrichtigung oder Befragung auch ein öffentliches Interesse besteht oder

b) der Betroffene nach entsprechender Information über Anlaß und Inhalt der Übermittlung innerhalb angemessener Frist keinen Widerspruch gegen die Übermittlung erhoben hat.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor und würde die Einholung der Zustimmung der Betroffenen gemäß Abs. 1 einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, ist die Übermittlung der Adreßdaten mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 4 zulässig, falls die Übermittlung an Dritte

1. zum Zweck der Benachrichtigung oder Befragung aus einem wichtigen Interesse des Betroffenen selbst oder

2. aus einem wichtigen öffentlichen Benachrichtigungs- oder Befragungsinteresse oder

3. zur Befragung der Betroffenen für wissenschaftliche oder statistische Zwecke erfolgen soll.

(4) Die Datenschutzkommission hat die Genehmigung zur Übermittlung zu erteilen, wenn der Antragsteller das Vorliegen der in Abs. 3 genannten Voraussetzungen glaubhaft macht und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen der Übermittlung nicht entgegenstehen. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten als Auswahlkriterium, notwendig ist.

(5) Die übermittelten Adreßdaten dürfen ausschließlich für den genehmigten Zweck verwendet werden und sind zu löschen, sobald sie für die Benachrichtigung oder Befragung nicht mehr benötigt werden.

(6) In jenen Fällen, in welchen es gemäß den vorstehenden Bestimmungen zulässig ist, Namen und Adresse von Personen, die einem bestimmten Betroffenenkreis angehören, zu übermitteln, dürfen auch die zum Zweck der Auswahl der zu übermittelnden Adreßdaten notwendigen Verarbeitungen vorgenommen werden.“

Der Antrag ist zulässig. Weder beabsichtigt der Antragsteller, für die Übermittlung der Adressdaten (selbst oder durch Dritte) die Zustimmung der Betroffenen (§ 47 Abs. 1 DSG 2000) einzuholen noch ist angesichts der Auswahlkriterien für den Betroffenenkreis und des Gegenstands der Benachrichtigung oder Befragung eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich (§ 47 Abs. 2 DSG 2000), da Gegenstand der Übermittlung sensible Daten, nämlich Gesundheitsdaten über eine zuletzt durchgeführte Hüft- oder Kniegelenksoperation sind. Daher ist die Übermittlung der Adressdaten von den Krankenanstalten an den Antragsteller von einer Genehmigung der Datenschutzkommission abhängig (§ 47 Abs. 3 leg.cit.).

Gemäß Abs. 4 leg.cit. hat die Datenschutzkommission die Genehmigung zu erteilen, wenn der Antragsteller das Vorliegen der in Abs. 3 genannten Voraussetzungen glaubhaft macht und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen der Übermittlung nicht entgegenstehen. Es müssen daher folgende Voraussetzungen für die Genehmigung vorliegen:

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen würde einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern; und

2. es liegt ein wichtiges Interesse des Betroffenen selbst oder ein wichtiges öffentliches Benachrichtigungs- oder Befragungsinteresse vor oder die Befragung der Betroffenen erfolgt für wissenschaftliche oder statistische Zwecke; und

3. überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen stehen der Übermittlung nicht entgegen.

Die Einholung der Zustimmung von diesem – unbekannten – Kreis der Betroffenen zur Adressübermittlung würde einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern und die Befragung erfolgt für statistische Zwecke (§ 47 Abs. 3 Z 3 DSG 2000), sodass die ersten beiden Voraussetzungen gegeben sind.

Die dritte Voraussetzung, dass überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen der Übermittlung nicht entgegen stehen, liegt hingegen aus folgenden Gründen nicht vor: Den Interessen des Antragstellers, die Wartezeiten auf gegenständliche Operationen geordnet festzuhalten und in der Folge diese zu verkürzen (siehe Beilage „Ankündigung des Telefoninterviews“), stehen die Interessen der Patienten entgegen, dass dem Antragsteller nicht zur Kenntnis gelangt, dass kürzlich eine Hüft- oder Kniegelenksoperation bei ihnen durchgeführt wurde. Diese Interessenabwägung würde zu Lasten des Patienten gehen, würde die Anfrage zur Befragung durch die Krankenanstalten selbst erfolgen (da diesen das Faktum der Operation bereits bekannt ist) (vgl. auch den Bescheid der Datenschutzkommission vom 25. April 2008, K202.062/0006- DSK/2008, RIS). Da die Anfrage zur Befragung aber durch den Antragsteller erfolgt, verschiebt sich die Interessenslage in Richtung des Patienten. Es stünde nämlich auch das – aus datenschutzrechtlicher Sicht – gelindere Mittel der Anfrage zur Befragung durch die Krankenanstalten selbst zur Verfügung, welches in die Interessenabwägung einzubeziehen ist. Dazu hat der Antragsteller zwar angegeben, dass dann eine Differenzierung in Wartezeiten der Sonderklassepatienten (die für Krankenanstalten eine nicht unrelevante Einkommensquelle darstellen würden) sowie Patienten der allgemeinen Gebührenklasse möglich wäre.

Da aber nicht ersichtlich ist, warum dies nicht auch aus den Daten der Krankenanstalten selbst hervorgehen soll, die dem Antragsteller – wie angegeben – auf Antrag zur Verfügung gestellt wurden, vermag dieses Argument nicht zu überzeugen. Andere Gründe, warum der Antragssteller auf dieses gelindere Mittel nicht zurückgreifen will, hat er nicht vorgebracht.

Überhaupt geht die Tatsache, dass der Antragsteller über (objektive) Wartezeiten von Patienten schon durch die Krankenanstalten selbst Bescheid weiß, zu seinen Lasten. Der Antragsteller hat auch nicht vorgebracht, dass ihm selbst die Daten der Patienten nicht zur Kenntnis gelangen (im Unterschied zur Interessenabwägung im oben zitierten Bescheid vom 25. April 2008). Bei dieser Interessensabwägung ist die Übermittlung der Daten unverhältnismäßig, sodass die dritte Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Dazu kommt noch, dass in dem Informationsschreiben über die Ankündigung des Telefoninterviews nicht auf die Freiwilligkeit der Teilnahme bzw. auf die Möglichkeit der Verweigerung hingewiesen werden soll und die Fragestellung über die Erhebung der Wartefrist auf die Operation hinaus weitere Fragen umfassen sollen, wodurch ebenfalls die Verhältnismäßigkeit der Vorgangsweise in Zweifel zu ziehen ist.

Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass entgegen der (offenbaren) Ansicht des Antragstellers („…keine rechtliche Grundlage … Krankenanstalten … zu verpflichten …“) auch eine Genehmigung nach § 47 Abs. 3 DSG 2000 für wissenschaftliche/statistische Zwecke (als speziellere Vorschrift gegenüber § 46 DSG 2000 – siehe den Bescheid der Datenschutzkommission vom 7. September 2006, GZ K202.047/0009- DSK/2006, RIS) die Krankenanstalten zu keiner Datenübermittlung verpflichtet, sondern diese nur ermöglicht. Es muss daher stets auch die Bereitschaft des datenschutzrechtlichen Auftraggebers der gegenständlichen Daten, diese an den Antragsteller zu übermitteln, vorliegen.

Rückverweise