K211.797/0004-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
Im einem Kontroll- und Ombudsmannverfahren gemäß § 30 DSG 2000 gab der Einschreiter bekannt, dass er gegen den Inhaber einer Wirtschaftsauskunftei (Gewerbe gemäß § 152 GewO 1994) vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (LG ZRS) Löschungsklage erhoben habe. Der Auftraggeber verarbeite und übermittle für Zwecke seines Unternehmens Daten des Einschreiters. Einen vom Einschreiter gemäß § 28 Abs. 2 DSG 2000 erhobenen Widerspruch habe er missachtet und die Löschung verweigert.
Der Einschreiter forderte die Datenschutzkommission gemäß § 32 Abs. 6 DSG 2000 auf, diesem Rechtsstreit auf seiner Seite als Nebenintervenientin beizutreten.
Die Datenschutzkommission hat am 27. April 2007 zu GZ:K211.797/0004-DSK/2007 beschlossen, als Nebenintervenientin in das Verfahren einzutreten, und die Finanzprokuratur um Vertretung ersucht.
Die Finanzprokuratur hat daraufhin namens der Datenschutzkommission folgenden Schriftsatz beim LG ZRS Wien eingebracht:
„An das Landesgericht für ZRS Wien
Schwarzenbergplatz 11
1040 Wien 13 Cg 16/07d
Klagende Partei : Dr. Franz K****
****
****
vertreten durch: Dr. Friedrich A***,
Dr. Elisabeth C***
Partner
Rechtsanwälte,
****
Beklagte Partei : Norbert N***
****
****
vertreten durch: D*** T***
Rechtsanwälte
Partnerschaft
****
wegen: Löschung
(Stw.: Euro 8.720,--)
B E I T R I T T
der Datenschutzkommission als Nebenintervenientin
auf Seiten der klagenden Partei
1-fach,
1 Rubrik
Die Gleichschriften werden dem KV und BV gem. § 112 ZPO direkt zugestellt.
I.
1. Mit Schreiben vom 6. April 2007 hat der Kläger, vor der Datenschutzkommission vertreten durch den Z****- Datenschutzverein, an die Datenschutzkommission das Begehren gerichtet, ihm durch Nebenintervention in dieser Prozesssache vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien beizustehen.
Beweis : Schreiben vom 6. April 2007 (Seite 5, „Anträge“, Punkt 3.)
Die Datenschutzkommission hat am 27. April 2007 über dieses Anbringen beraten und beschlossen, dem Verfahren als Nebenintervenientin beizutreten und die Finanzprokuratur gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Prokuraturgesetz um Vertretung zu ersuchen.
Der Beitritt der Datenschutzkommission gründet sich auf § 32 Abs 6 DSG 2000.
2. Zu den weiteren tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Nebenintervention wird ausgeführt:
Der Beklagte ist Inhaber des im Österreichweiten Vergleich als „bedeutend“ einzustufenden gewerblichen Unternehmens mit dem Gegenstand „Auskunftei über Kreditverhältnisse“ (§ 152 GewO 1994) unter der Geschäftsbezeichnung „L***“. Nach eigenen Angaben verarbeitet er über 2,5 Millionen Datensätze („Einträge“) von Schuldnern (Betroffenen iSd DSG 2000). Der Beklagte behauptet auf seiner Website (http://www.L***.at, Stand: 17. April 2007) „monatlich jeweils 20.000 neue Fälle gegen die konkrete Zahlungsanstände bekanntgeworden sind“, zu verarbeiten.
Beweis : Ausdrucke von der Website des Beklagten
Demnach ist von der Datenverwendung durch den Beklagten eine große Zahl von Rechtssubjekten (Privatpersonen, Unternehmer, natürliche wie juristische Personen) betroffen.
Der Beklagte eröffnet den Zugang zu seinem Datenbestand über Dritte, und zwar über das zu den Marktführern der Branche gehörende Auskunfteiunternehmen T*** Gesellschaft m.b.H., das über seine Portalseite Zugriff auf die Bonitätsinformationen „L***“ (Bezeichnung durch T***) anbietet.
Beweis : Kopie einer (anonymisierten) Auskunft gemäß § 26 Abs 1 DSG 2000, erstellt von der T***
Zu den Kunden der T*** gehören unter anderem (neben Versandhäusern und Banken) einige der wichtigsten Telekom- und Mobilfunkunternehmen Österreichs; eine — unter anderem auf Grundlage von Daten des Beklagten - vorgenommene positive Bonitätsbeurteilung durch die T*** Ges.m.b.H. ist Voraussetzung, um mit einem dieser Unternehmen in ein vertragliches (Dauer)Schuldverhältnis (etwa einen Telekom- oder Mobilfunkvertrag) treten zu können. Die T*** beschreibt dies in ihrer Selbstdarstellung als „vier marktführende Daten produzierende Unternehmen wurden „übernommen oder eingebunden (L*** und F***-Data in Österreich)“ (Unterstreichung durch die Datenschutzkommission).
Beweis : Ausdrucke aus der Website der T*** (Referenzen)
Die Nebenintervention der Datenschutzkommission ist daher geboten, um die rechtlich geschützten Interessen einer größeren Zahl von Betroffenen, insbesondere jene der Einhaltung der Grundsätze der Datenverwendung gemäß § 6 DSG 2000 und der Sicherstellung des Widerspruchs- und Löschungsrechts gemäß § 27 f DSG 2000, zu wahren.
Die Datenschutzkommission erklärt daher, dem Rechtsstreit auf Seiten der klagenden Partei als Nebenintervenientin beizutreten.
II.
In der Sache selbst bringt die Datenschutzkommission vor:
1. Wirksamer Widerspruch des Klägers, Löschungsanspruch gem. § 28 Abs 2 DSG 2000
Der Kläger hat der Datenverwendung durch den Beklagten gemäß § 28 Abs. 2 DSG 2000 wirksam widersprochen.
Der Beklagte betreibt eine Datenanwendung, die als „öffentlich-zugängliche“ Datei gemäß § 28 Abs 2 DSG 2000 zu werten ist: Der Umstand, dass der Zugang nur gegen Entgelt möglich ist, hindert den Charakter einer Datei als „öffentlich zugänglich“ nicht, solange nur jedermann bei Entrichtung des Entgelts Zugang gewährt wird, was bei der Datenbank des Beklagten der Fall ist (vgl. etwa auch das Grundbuch oder das Firmenbuch als „öffentliche Bücher mit Zugangsentgelt“). (Zur Öffentlichkeit einer Datei vergleiche im Übrigen auch die Erwägungen des OGH in SZ 2005/181 wo sogar das - nur für Banken zugängliche — lnformationsverbundsystem „Warnliste“ im Ergebnis als öffentlich zugängliche Datei (iSv § 33 Abs 1 2. Satz DSG 2000) bewertet worden ist. In einem Größenschluss muss dies auch für Datenverwendung durch den Beklagten gelten, der die von ihm verarbeiteten Daten sinngemäß jedermann zum „Kauf“ anbietet.
Da die Aufnahme von Schuldnerdaten in die Datei des Beklagten nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, hätte der nachweisliche Widerspruch des Klägers gemäß § 28 Abs 2 zweiter Satz DSG 2000 zwingend zur Löschung sämtlicher auf den Kläger bezogener Daten in der Schuldner-Datenbank des Beklagten binnen acht Wochen führen müssen.
Der Widerspruch gemäß § 28 Abs 2 DSG 2000 stellt eine Sonderform der Ausübung des Löschungsrechts gemäß § 27 Abs 1 Z 2 DSG 2000 dar, deren Besonderheit darin liegt, dass keine Begründung erforderlich ist und somit das bloße Verlangen des Betroffenen genügt, um eine Löschungsverpflichtung beim datenschutzrechtlichen Auftraggeber zu erzeugen. Dieser Verpflichtung ist innerhalb von 8 Wochen nachzukommen oder zu begründen, warum der Auftraggeber dieser Verpflichtung nicht nachkommen zu müssen glaubt.
Der Beklagte hat weder die Löschung vorgenommen, wie dies § 28 Abs. 2 letzter Satz DSG verlangt, noch hat er jemals eine begründete Ablehnung des Widerspruchsbegehrens dem Kläger zukommen lassen; dies, obwohl jeder Widerspruch nach § 28 Abs. 2 DSG gleichzeitig ein Löschungsbegehren darstellt, sodass — wenn der Widerspruch nach Meinung des Auftraggebers nicht zulässig gewesen wäre —- zumindest das darin enthaltene Löschungsbegehren gemäß § 27 Abs 4 DSG 2000 innerhalb von 8 Wochen hätte beantwortet werden müssen. Schon dadurch wurde der Kläger vom Beklagten im Recht auf Löschung verletzt. Die bloße Bekanntgabe von Gründen für eine Löschungsverweigerung im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausreichend — der Auftraggeber hat seine Begründung dem Betroffenen direkt mitzuteilen.
2. Löschungsanspruch, gestützt auf unzulässige Datenverwendung
Als zusätzliche Gründe für das berechtigte dringliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Löschungsanspruchs wird Folgendes ins Treffen geführt:
Es bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der in der Datenbank des Beklagten verarbeiteten Daten — ein Verdacht, den die Datenschutzkommission auch aus anderen Beschwerdeverfahren gewonnen hat — sowie an der rechtlichen Zulässigkeit der Art der Ermittlung jener Exekutionsdaten durch den Beklagten, die einen wesentlichen Bestandteil der in der Datenbank des Beklagten vorhandenen Daten darstellen.
a) Gemäß DSG 2000 liegt die Verantwortung für die Richtigkeit der verwendeten Daten stets beim datenschutzrechtlichen Auftraggeber, soweit die Daten nicht ausschließlich auf Grund von Angaben des Betroffenen ermittelt wurden, was hier nicht einmal ansatzweise behauptet worden ist. „Richtigkeit“ von Daten bedeutet, dass sie im Hinblick auf den Verwendungszweck im Ergebnis sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind“ (§ 6 Abs 1 Z 4 DSG 2000).
Der Verwendungszweck der Daten liegt hier in der Vermittlung eines vollständigen und objektiv richtigen Bildes über die Kreditwürdigkeit des Klägers. Gelingt dem Beklagten - wovon auszugehen ist - der Beweis der Richtigkeit der verwendeten Daten nicht, so sind diese gemäß § 27 Abs 1 4. Satz DSG 2000 zu löschen.
In der bereits oben zitierten Entscheidung SZ 2005/181 hat der OGH zu den Grundsätzen der Datenverwendung nach Treu und Glauben im Zusammenhang mit bonitätsrelevanten Daten ausgeführt: „Der in § 6 Abs 1 Z 1 DSG verankerte Grundsatz, wonach Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen, erfordert eine entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte, seine Kreditwürdigkeit aber massiv beeinträchtigende Datenverwendung zur Wehr zu setzen.“ Dass der Beklagte der Erfüllung dieser aus § 24 DSG 2000 erfließenden lnformationsverpflichtung nachgekommen ist, scheint nicht der Fall zu sein‚ sodass voraussichtlich auch diesbezüglich ein Verstoß gegen die Verarbeitung nach „Treu und Glauben“ vorliegt.
Im Gegensatz zu den Behauptungen des Beklagten hat das Bestehen einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe nach § 152 GewO 1994 keine unbeschränkte Berechtigung zur Verarbeitung bonitätsrelevanter Daten zur Folge. Die Bestimmungen des DSG 2000, insbesondere des 2. Abschnitts („Verwendung von Daten“,) gelten vielmehr auch für Gewerbetreibende nach § 152 GewO 1994 ohne Ausnahmen.
b ) Unrechtmäßige Verwendung von Daten der Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens
Der Beklagte hat selbst darauf hingewiesen und Beweise dafür vorgelegt, dass er Daten des Klägers aus den Geschäftsbehelfen des Exekutionsverfahrens (§ 73a EO) ermittelt (s. Klagebeantwortung, Seite 5, Punkt 8. und Beilage./4).
Diese Datenermittlung erfolgt rechtswidrig und damit entgegen
§ 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000:
§ 73 a EO idF BGBl. Nr. 201/1996 lautet unter der Überschrift
„Elektronische Einsicht in Geschäftsbehelfe des
Exekutionsverfahrens“:
„§ 73a. (1) Der Bundesminister für Justiz hat nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine Sicherung vor Mißbrauch die Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens, insbesondere die Namensverzeichnisse, die Register über Pfändungen und die Listen der Vermögensverzeichnisse, zu bestimmen, in die Rechtsanwälte, Notare und Körperschaften des öffentlichen Rechts mittels automationsunterstützter Datenübermittlung Einsicht nehmen dürfen, wenn sie die auf diese Weise erlangten Daten zur Einleitung eines Rechtsstreites oder einer Exekution, zur Geltendmachung von Einwendungen gegen eine bereits eingeleitete Exekution oder sonst zur Führung eines gerichtlichen Verfahrens benötigen.“
Eine Weiterübermittlung dieser Daten, ja überhaupt eine andere Verwendung als für Zwecke der „Einleitung eines Rechtsstreites oder einer Exekution, zur Geltendmachung von Einwendungen gegen eine bereits eingeleitete Exekution oder sonst zur Führung eines gerichtlichen Verfahrens“ stellt eine im Sinne des Einleitungssatzes leg.cit. missbräuchliche und daher unzulässige Datenübermittlung dar. Datenschutzrechtlichen Auftraggebern mit Zugang zu diesen Daten ist es kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verwendungsbeschränkung nicht gestattet, solche Daten an gewerbliche Auskunfteiunternehmen (entgeltlich oder unentgeltlich) zu übermitteln. Die Behauptung des Beklagten (Klagebeantwortung, Seite 5, 8.), die Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens und seine eigene Datei hätten denselben Zweck, nämlich die „Hintanhaltung der Schädigung von Wirtschaftstreibenden durch das Verhalten von Schuldnern“, verkennt die Rechtslage.
Die Behauptung des Beklagten (Klagebeantwortung, Seite 2 f), solche Daten wären „Daten über anhängige Exekutionsverfahren aus Edikten der Exekutions- und Bezirksgerichte (die damit öffentlich kundgemacht sind)“ ist ebenfalls unzutreffend: Eine öffentliche und personenbezogene Kundmachung von Edikten ist im Exekutionsverfahren nur bei der Versteigerung von Liegenschaften (§§ 70 f, 171 ff EO) vorgesehen. Alle anderen Zustellungen im Exekutionsverfahren erfolgen nur zwischen den Parteien. Hinsichtlich welcher Daten des Klägers eine Ermittlung aus öffentlich zugänglichen Edikten oder der Ediktsdatei der Justiz erfolgt ist, wird der Beklagte zu beweisen haben. In der gesetzlichen, öffentlich zugänglichen Ediktsdatei der Justiz kann in den vorgesehenen Edikten des Exekutionsverfahrens nicht nach den Namen der Verpflichteten gesucht werden (sondern nur objektbezogen nach Versteigerungsgegenständen); in den Ediktsdaten des lnsolvenzverfahrens konnte die Datenschutzkommission überdies bei einer Abfrage des Namens „Franz K***“ am 18. April 2007 keine Daten des Klägers auffinden. Zu dem vom Beklagten angegebenen AZ: 1 E 831/05g des BG Fürstenfeld sind in der Ediktsdatei der Justiz ebenfalls keine Daten auffindbar. Es handelt sich bei den als Beilage./5 zur Klagebeantwortung vorgelegten Datenausdrucken ausschließlich um Daten der nichtöffentlichen und gemäß § 73a EO einer Verwendungsbeschränkung unterliegenden Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens. Wie der Kläger schließlich — laut Datenbank der L*** — 2004 vor dem BG Fürstenfeld zu GZ 1 E 83/05g den bereits durch BGBI. Nr. 628/1991 abgeschafften Offenbarungseid abgelegt haben soll, wäre ebenfalls vom Beklagten zu erklären. Auch dieses Beispiel zeigt die von der DSK schon aus anderem Anlass bereits mehrfach festgestellte mangelnde Verlässlichkeit und Aktualität der in der Datenbank des Beklagten verarbeiteten Daten.
Beweis : Ausdruck der Abfrage vom 18.4.2007
Beim Beklagten wurden die Daten des Exekutionsverfahrens daher prima facie sämtlich rechtswidrig, weil entgegen § 6 Abs 1 Z 1, 7 Abs 1 und 2 Z 1 und möglicherweise auch entgegen 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 verwendet (ermittelt, gespeichert und übermittelt). Sie wären daher schon gemäß § 27 Abs 1 Z 1 DSG 2000, spätestens jedoch nach Geltendmachung des Löschungsrechts (Widerspruchsrechts) des Klägers nach § 28 zu löschen gewesen.
Aus dem vom Beklagten vorgelegten Berufungsurteil des OLG Wien vom 11. November 1998, GZ: 17 R 202/98w-19 in der Sache O*** gegen N*** (GZ 4 Cg 33/97w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) wegen Unterlassung und Widerruf, lässt sich für den Standpunkt des Beklagten nichts gewinnen.
Dieses Urteil basiert auf einer Auslegung von § 1330 Abs. 2 ABGB. Das Erst- wie das Berufungsgericht sind mangels eines (rechtzeitigen) entsprechenden Vorbringens der Klägerin auf datenschutzrechtliche Fragen nicht eingegangen Überdies hat sich die Rechtslage durch Inkrafttreten des DSG 2000 per 1. Jänner 2000 grundlegend geändert.
3 . Die Nebenintervenientin stellt aus all diesen Gründen den
Antrag
der Klage stattzugeben und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.“
Nach öffentlich-mündlicher Verhandlung, Richterwechsel (neues AZ: 55 Cg 63/07z), Verfahrenswiederholung und zwischenzeitig erfolgter Klaglosstellung (unbestrittene Löschung der Daten des Klägers durch den Beklagten) – wodurch ein Großteil der vorgesehenen Beweisaufnahme entfallen konnte -, schränkte der Kläger sein Begehren vor Schluss der Verhandlung auf die Kosten des Verfahrens ein.
Das LG ZRS Wien erließ daraufhin folgendes Urteil:
„55 Cg 63107z-13
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien fasst durch den Richter Mag. Andreas Grieb in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz K*** , ****, ****, vertreten durch Dr. Friedrich A***, Dr. Elisabeth C*** Partner, Rechtsanwälte in ****, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Datenschutzkommission, vertreten durch die Finanzprokuratur wider die beklagte Partei Norbert N***, ****, ****, vertreten durch D*** T*** Rechtsanwälte Partnerschaft in ****, wegen EUR 8.720,-- s.A.
I. den
B e s c h l u s s
Die Datenschutzkommission wird Nebenintervenientin auf seiten der klagenden Partei zugelassen.
II. erkennt nach öffentlicher, mündlicher Verhandlung zu Recht:
Im Namen der Republik
Die beklagte Partei ist schuldig,
der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterlnnen binnen 14 Tagen
die mit EUR 2.614,38 (darin
EUR 334,56 Ust und EUR 614,85
Barauslagen) sowie der Nebenintervenientin die mit
EUR 1.479‚ 68 bestimmten Kosten
zu ersetzen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Der Kläger begehrte, dass der Beklagte, welcher ein Wirtschaftsauskunftsunternehmen im Sinne des österreichischen Datenschutzgesetzes betreibt, dem bereits außergerichtlich an ihn erfolgten Widerspruch nach § 28 Abs 2 DSG nachkomme und die Daten des Klägers binnen 14 Tagen lösche. Dem vom Beklagten beantragten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hält der Kläger entgegen, dass dieses wegen der bloßen Interpretation innerstaatlicher Normen nicht in den Zuständigkeitsbereich des EuGH falle.
Die Datenschutzkommission trat als Nebenintervenientin auf Seite des Klägers dem Verfahren bei und führte dazu aus, dass es sich bei dem Beklagten um den Inhaber eines als "bedeutend" einzustufenden gewerblichen Unternehmens mit dem Gegenstand "Auskunftei über Kreditverhältnisse" handle und daher eine große Zahl von Rechtssubjekten betroffen sei.
Die Datenschutzkommission beantragte der Klage stattzugeben
und brachte vor, dass der Beklagte bereits aufgrund des
erfolgten Widerspruches des Klägers sämtliche ihn betreffenden
Daten löschen hätte müssen, da die Aufnahme von Schuldnerdaten
in die Datei des Beklagten nicht gesetzlich vorgeschrieben
ist. Auch wenn der Zugang zu den Daten nur gegen Entrichtung
eines Entgeltes zulässig ist, so handelt es sich trotzdem um
öffentlich-zugängliche Daten. Weiters bestehen erhebliche
Zweifel an der Richtigkeit der in der Datenbank des Beklagten
verarbeiteten Daten und der rechtlichen Zulässigkeit der Art
der Ermittlung der Exekutionsdaten. Aufgrund des in § 6 Abs 1
Z 1 DSG verankerten Grundsatzes, wonach Daten nur nach Treu
und Glauben verwendet werden dürfen, hätte die Verwendung der
Daten einer entsprechenden Benachrichtigung des Klägers
bedurft. Das Bestehen einer Gewerbeberechtigung für das
Gewerbe nach § 152 GewO verschafft darüberhinaus keine
unbeschränkte Berechtigung zur Verarbeitung bonitätsrelevanter
Daten. Bestritten wird weiters, dass die Daten über anhängige
Exekutionsverfahren aus Edikten der Exekutions- und
Bezirksgerichte stammen, weil die öffentliche und
personenbezogene Kundmachung von Edikten im
Exekutionsverfahren nur bei der Versteigerung von
Liegenschaften vorgesehen ist.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Er wendete ein, dass die von ihm verarbeiteten Daten in Edikten und Pfändungsprotokollen öffentlich kundgemacht sind und ohne Einwilligung des Klägers von ihm verarbeitet werden dürfen. Außerdem habe der Beklagte als Wirtschaftsauskunftsunternehmen die Berechtigung zur Verarbeitung von Bonitätsdaten und wurde dies beim der Datenschutzkommission gemeldet. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten ist all seinen Kunden bekannt, dass die bekanntgegebenen Exekutions- und Insolvenzdaten vertraulich zu behandeln sind sowie die Datei nur gegen Entrichtung eines Entgeltes zugänglich und damit nicht öffentlich ist. Weiters bestehe auch kein Geheimhaltungsinteresses, sondern ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, Informationen über potentielle Schuldner zu erlangen.
Der Beklagte beantragte weiters die Zurückweisung der Nebenintervention durch die Datenschutzkommission, da diese nicht vom Ausgang des Verfahrens in ihren Rechten berührt ist. Auch wird eingewandt, dass das Sammeln von Exekutionsdaten per se nicht unzulässig sei. § 152 Abs 1 GewO verbiete nur die Auskunftei über private Verhältnisse, woraus in einem Umkehrschluss vom Beklagten gefolgert wird, dass vom Gewerbetreibende die Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit sehr wohl zulässig sei. Es bestehe darüber hinaus ein legitimes Interesse an der Information über gegen Schuldner anhängige Exekutionsverfahren, andernfalls das Führen eines Gewerbes nach § 152 GewO gar nicht möglich wäre.
Der Beklagte beantragte weiters ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, ob die Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie einer gesetzlichen Regelung, nämlich einerseits dem § 28 Abs 2 DSG betreffend bonitätsrelevanter Daten entgegenstehen, ohne den § 152 GewO seinen Anwendungsbereich zu nehmen bzw. eine Verarbeitung bonitätsrelevanter Daten ab Widerspruch ohne Interessenabwägung zu verhindern.
Nach unstrittiger Löschung der Daten schränkte der Kläger auf Kosten ein.
Beweisaufnahme:
Vorgelegte Urkunden Beilage ./A bis ./L sowie ./I bis ./II und ./1 bis ./11 und beigeschaffter Akt des Bezirksgerichtes Fürstenfeld 1 E 83/05g.
Feststellungen:
Der Beklagte hat öffentlich zugängliche Daten des Klägers und einer Vielzahl anderer Personen für sein Wirtschaftsauskunftsunternehmen **** im Sinne des § 152 GewO verarbeitet. Die Verarbeitung der Bonitätsdaten des Klägers ist nicht gesetzlich vorgesehen. Diese Daten werden vom Beklagten zu einer Datei verarbeitet und können von jedermann, der bestätigt ein berechtigtes Interesse daran zu haben und gegen Zahlung einer Gebühr, im Internet abgefragt werden. Der Kläger erhob mit Schreiben an den Beklagten vom 9.6.2006 unter Verweis auf §§ 28 f DSG betreffend seiner durch den Beklagten verarbeiteten Daten Widerspruch und forderte deren Löschung. Diesem Begehren kam der Beklagte zunächst wegen behaupteter Unvollständigkeit des Widerspruches (Fehlen der Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises) nicht nach (Antwortschreiben ./B vom 12.6.2006). Der Kläger forderte mit weiteren Schreiben seiner Rechtsvertreter vom 11.12.2006 und 15.1.2007 nochmals die Löschung durch den Beklagten, der dies neuerlich am 16.1.2007 ablehnte.
Mittlerweile hat der Beklagte die Daten des Klägers jedoch gelöscht (AS 107).
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich im wesentlichen auf die vom Kläger vorgelegten Urkunden Beilagen ./A bis ./L und jene des Beklagten Beilagen ./1 bis ./11.
Dass der Beklagte ein Wirtschaftsauskunftsunternehmen im Sinne des § 152 GewO führt und Exekutions- und Insolvenzdaten des Klägers verarbeitet hat, welche seinen Kunden gegen Entrichtung eines Entgeltes zugänglich waren, ergibt sich aus den Beilagen ./H, ./1 und ./2. Auch die Erhebung eines Widerspruches durch den Kläger steht unstrittig fest (Beilage ./C) . Das die vom Beklagten verarbeiteten Daten öffentlich zugänglich waren, ergibt sich aus den Beilagen ./4 bis ./7 und ./11. Daher waren weitere Beweisaufnahme im Hinblick auf den hinreichend geklärten Sachverhalt nicht erforderlich.
Rechtliche Beurteilung:
1.) Zum Löschungsbegehren
Gegen eine nicht gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Datei kann der Betroffene jederzeit auch ohne Begründung seines Begehrens Widerspruch erheben. Die Daten sind dann binnen acht Wochen vom Auftraggeber zu löschen 28 DSG)
Auch wenn der Zugang zu den Daten nur gegen Entrichtung eines Entgeltes möglich ist, so steht dieser doch einem unbeschränkten Personenkreis zur Verfügung und ist damit ein öffentlicher (vgl. auch K211.593/OO11-DSK/2005) Der Beklagte führte in seiner öffentlich zugänglichen Datei die Exekutions- und Insolvenzdaten des Klägers, deren Aufnahme in diese nicht aufgrund einer gesetzlichen Anordnung erfolgte.
Dadurch dass der Kläger einen Widerspruch nach § 28 DSG erhob, hätte der Beklagte innerhalb von acht Wochen die den Kläger betreffenden Daten löschen müssen. Für die Wirksamkeit des Widerspruchs ist nach § 28 Abs 2 DSG weder eine Begründung noch die Legitimation durch einen Personalausweis erforderlich. Der den Widerspruch Erhebende hat nur durch Angaben zu seiner Identität ausreichend darzulegen, der Betroffene zu sein. Durch die Angabe von Name, Adresse, Geburtsdatum und seiner Unterschrift im erfolgten Widerspruch bzw. in der Vollmachtserklärung lag eine ausreichende Identifikation des Klägers vor.
Auch wenn der Beklagte das Gewerbe der Auskunftei über Kreditverhältnisse nach § 152 GewO betreibt und zulässigerweise Exekutions- und Insolvenzdaten des Klägers verarbeitet, ist dieser an die Bestimmungen des DSG gebunden. Diesbezüglich ist auf § 8 Abs 2 DSG zu verweisen, welcher normiert, dass auch bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten das Recht zur Erhebung eines Widerspruches gemäß § 28 DSG unberührt bleibt. Die Gewerbeberechtigung kann nämlich nicht zur Aushöhlung des Datenschutzes führen, wie er im DSG angeordnet ist, sondern gibt lediglich den Rahmen vor, in dem sich der Beklagte gewerblich betätigen darf.
2) Zur Nebenintervention:
Die hat, wenn ein Betroffener es verlangt und es zur Wahrung der nach dem DSG geschützten Interessen einer größeren Zahl von Betroffenen geboten ist, einem Rechtsstreit auf Seiten des Betroffenen als Nebenintervenient beizutreten. Weil der Beklagte das Gewerbe der Auskunftei über Kreditverhältnisse gemäß § 152 GewO betreibt und damit nicht nur Daten des Klägers verarbeitet, ist der Beitritt der Datenschutzkommission in diesem Verfahren als Nebenintervenient geboten, um die nach dem DSG geschützten Interessen einer größeren Zahl von Betroffenen zu wahren.
3) Zum Vorabentscheidungsverfahren
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Artikel 234 EGV kann der EuGH zwecks Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen angerufen werden. Nicht in die Zuständigkeit des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren fallen Vorschriften des nationalen Rechts. Der EuGH hat weder über ihre Auslegung noch über ihre Gültigkeit zu entscheiden (Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH, 19). Bei dem vom Beklagten beantragten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geht es nicht um Fragen der Gültigkeit oder Auslegung des Gemeinschaftsrechts, sondern lediglich um die Überprüfung nationaler Normen und liegt daher keine Zuständigkeit des EuGH vor.
Richtlinien verpflichten den nationalen Gesetzgeber innerhalb einer bestimmten Frist diese im nationalen Recht umzusetzen. Im Gesetzgebungsverfahren ist dieser nicht bloß an die jeweilige Richtlinie gebunden, sondern kann auch darüberhinaus tätig werden und bleibt ihm die national eingeräumte Kompetenz zur Gesetzgebung erhalten. Die Richtlinie stellt damit keine abschließende Regelung dar, sondern enthält lediglich Ziel— bzw. Rahmenvorgaben an die Mitgliedstaaten (vgl. Fischer-Köck-Karollus, Europarecht4, Rz 1261)
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 ZPO. Die Kostenbestimmung erfolgte antragsgemäß bis auf die vorprozessualen Kosten des Aufforderungsschreibens, das im Einheitssatz gedeckt ist.
Landesgericht für ZRS
Schmerlingplatz 11, 1016 Wien
Abt. 55, am 31.3.2008“
Gegen dieses Urteil stand den Parteien gemäß § 55 ZPO wegen der Einschränkung des Streitgegenstands auf die Kosten des Verfahrens nur das Rechtsmittel des Kostenrekurses offen.
Das Urteil wurde nicht angefochten und ist rechtskräftig geworden.