K210.544/0004-DSK/2007 – Datenschutzkommission Entscheidung
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[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
E M P F E H L U N G
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HUTTERER, Mag. ZIMMER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 07. März 2007 folgenden Beschluss gefasst:
Auf Grund der Eingabe des Herrn Felix L*** (Einschreiter) aus N*** vom 1. August 2006 betreffend Datenschutzverletzung durch Polizeibeamte im Gefolge einer Amtshandlung im Amtssprengel der Bezirkshauptmannschaft T***, nämlich telefonische Übermittlung von Daten betreffend die am 17. Februar 2006 erfolgte Führerscheinabnahme an seinen Arbeitgeber, ergeht gemäß § 30 Abs 6 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, iVm § 1 Abs 1 und 2, und 8 Abs 4 DSG 2000, § 13 Abs 2 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr.566/1991 idF BGBl. I Nr 151/2004, und §§ 29 Abs 2 Z 2 und 35 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr 120/1997 idF BGBl. I Nr 152/2005, folgende Empfehlung an das Landespolizeikommando für Oberösterreich als datenschutzrechtlichen Auftraggeber der zu DVR: 0478563 registrierten Datenanwendung mit der Bezeichnung „Übermittlung von Verwaltungsstrafanzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörden“:
B e g r ü n d u n g:
Vorbringen der Beteiligten :
Vorbringen des Einschreiters :
Mit Eingabe vom 1. August 2006 behauptete der Einschreiter eine Verletzung in seinem Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass am Morgen des 17. Februar 2006 ein Beamter der Polizeiinspektion A*** (kurz: PI) bei seinem Arbeitgeber - bei dem er als Kraftfahrer beschäftigt gewesen sei - angerufen und dort mitgeteilt habe, dass dem Einschreiter in der Nacht davor wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss in A*** der Führerschein abgenommen worden sei. Daraufhin sei, nach einer telefonischen Rücksprache seines Vorgesetzten mit der PI, dem vollständige Auskunft über den Sachverhalt gegeben worden sei, vom Dienstgeber seine Entlassung ausgesprochen worden. Auch einem Betriebsratsmitglied seines ehemaligen Arbeitgebers, das sich nach dem Sachverhalt erkundigt habe, sei am 23. Februar 2006 volle Akteneinsicht angeboten worden. Er sehe sich dadurch nicht nur in seinem Recht auf Datenschutz verletzt sondern überdies durch die handelnden Beamten geschädigt , da er die Entlassung möglicherweise vermeiden hätte können, wenn er seinen Vorgesetzten selber Bericht erstattet hätte.
Vorbringen der PI :
Die PI machte mit Stellungnahme vom 27. August 2006, GZ: A1/2**2/2006-***, eine Sachverhaltsdarstellung und legte Kopien aus ihren Verwaltungsakten vor (Ausdruck Anzeigeakt GZ: 2**2/1/2006-**i vom 20. Februar 2006 an die Bezirkshauptmannschaft T***, Kopie von Dienstvorschreibung/Dienstbericht für den 16. Februar 2006, fortlaufende Nr.99).
Bestätigt wird darin, dass der Einschreiter am frühen Morgen des 17. Februar 2006 bei einer Fahrzeugkontrolle unter dem Verdacht des Lenkens eines Kfz unter Alkoholeinfluss betreten, und ihm der Führerschein vorläufig abgenommen wurde. Weiters, dass am Morgen des 17. Februar 2006 Herr S*** beim Arbeitgeber des Einschreiters telefonisch kontaktiert und aufgefordert worden sei, sich als Verantwortlicher der F*** AG als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 KFG vom Vorhandensein eines Führerscheins beim Einschreiter zu überzeugen. Es seien aber keine Daten zur konkret vorangegangenen Amtshandlung übermittelt worden. Der handelnde Beamte, Abteilungsinspektor (AI) Peter D***, sei von Gefahr im Verzug ausgegangen, da er angenommen habe, der Einschreiter werde am nächsten Morgen, möglicherweise noch mit Restalkohol im Blut, seinen Dienst als Kraftfahrer antreten. Am 23. Februar 2006 habe der Betriebsrat der F*** AG AI D*** kontaktiert und nach den Gründen für die Verständigung des Arbeitgebers gefragt. Es sei dieselbe Antwort wie oben gegeben worden. Bestritten wird, dass dem Betriebsrat Akteneinsicht angeboten oder gewährt worden sei, oder sonst weitere Daten zur Amtshandlung übermittelt worden seien. Im Übrigen sei an der Verkehrskontrolle zumindest eine weitere Person, ein Bekannter des Einschreiters, beteiligt gewesen, mit dem der Einschreiter auch über ein Mobiltelefon in Kontakt gestanden sei und ihn vom erfolgten Führerscheinentzug verständigt habe.
Vorbringen der BH T*** (und weitere Ermittlungsergebnisse) :
Die Bezirkshauptmannschaft T*** als die örtlich für den Rayon der PI und den Ort der Verkehrskontrolle zuständige Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung legte Kopien von Verwaltungsakten vor (AZ: FE 2***4/2006 der Bundespolizeidirektion N*** [Führerscheinentziehung], GZ: 6***0/06-*** des BPK T*** [Dienstaufsichtsbeschwerde des Einschreiters, Erhebungsbericht des Bezirkspolizeikommandanten Obst. Mag. B*** an das LPK vom 27. August 2006]) und brachte mit Stellungnahme vom 12. Oktober 2006, AZ: VerkR2***-9***- 2006-Dr.***/***, Folgendes vor: Das Verwaltungsstrafverfahren und das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung sei wegen des Hauptwohnsitzes des Einschreiters nach Vorliegen der Anzeige der PI, GZ: 2***2/1/2006-***, am 21. Februar 2006 zuständigkeitshalber an die Bundespolizeidirektion N*** abgetreten worden. Im Zeitpunkt der Verständigung des Arbeitgebers sei in Folge Abnahme des Führerscheins ein Verbot für den Einschreiter wirksam gewesen, Kraftfahrzeuge zu lenken. Daher sei es – in sinngemäßer Anwendung von § 29 Abs 2 Z 2 FSG – angezeigt gewesen, den Dienstgeber zu verständigen. Aus dem unter den vorgelegten Aktenkopien befindlichen Erhebungsbericht des BPK T*** geht hervor, dass Herr Oskar M***, der Dienstvorgesetzte des Einschreiters, ebenfalls, und zwar am Nachmittag des 17. Februar 2006, nach eigenen Angaben mit der PI Kontakt aufgenommen, gezielt nach einer Führerscheinabnahme des Einschreiters gefragt und auch entsprechend Auskunft erhalten hat.
Der Betriebsratsvorsitzende K*** von der F*** AG habe wiederum nachdrücklich angegeben, dass AI D*** nach seinem Wissensstand in Kenntnis der Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Krankenstand war (er also nicht am nächsten Morgen zum Dienst antreten werde), gehandelt habe. AI D***, der niederschriftlich befragt worden sei, habe wiederum betont, im guten Glauben an Gefahr im Verzug gehandelt zu haben. Aus dem Erhebungsbericht (ebenso aus Dienstvorschreibung/Dienstbericht Nr.99 der PI) geht weiters hervor, dass es sich bei dem unbekannten „Bekannten“ des Einschreiters (der ihn angeblich auch bestimmt haben soll, sich der Verkehrskontrolle durch den Versuch eines Fluchtmanövers zu entziehen) um einen Polizeibeamten aus N*** gehandelt haben könnte.
Sachverhalt :
Der folgende Sachverhalt wird als Grundlage der Empfehlung angenommen:
Am 17. Februar 2006 , 01:15 Uhr, fand im Gemeindegebiet von A***, politischer Bezirk T***, Bundesland Oberösterreich, eine Verkehrskontrolle durch die Beamten Abteilungsinspektor Peter D*** und AI R*** der Polizeiinspektion A*** statt. Dabei wurde der Einschreiter als Lenker eines Pkw beim Fahren unter Alkoholeinfluss betreten (Alkomatmessung durch AI D***, gemessener Atemluftalkohol 0,77 bzw. 0,83 mg/l) und ihm gemäß § 39 FSG der Führerschein (Nr. F0***3/2000, BPD N***, Gruppen A, B, C, E) an Ort und Stelle vorläufig abgenommen.
Über diese Amtshandlung wurden am 20. Februar 2006 Daten in Form einer automationsunterstützt erstellten (Verwaltungsstraf )Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft T*** verarbeitet und übermittelt (GZ: 2**2/1/2006-***).
Verantwortlich für die dabei benutzte Datenanwendung ist nach dem Stand des Datenverarbeitungsregisters der zu DVR: 0478563 registrierte Auftraggeber, dies ist das Landespolizeikommando für Oberösterreich . Durchgeführt wurde die Datenanwendung mit der laufenden Nr. 005 im Datenverarbeitungsregister und der vom Auftraggeber gewählten Bezeichnung „Übermittlung von Verwaltungsstrafanzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörden“. Eine Anzeige an die Behörde war vom Augenblick der Feststellung des Alkomat-Messergebnisses an beabsichtigt.
Noch davor, im Laufe des 17. Februar 2006, ereignete sich Folgendes: Um zirka 08:00 Uhr rief AI D*** auf eigene Initiative hin beim Arbeitgeber des Einschreiters, der F*** AG in N***, an und verlangte, mit dem Fuhrparkleiter zu sprechen. Er wurde zu Dieter S*** verbunden. Diesen, einen Kollegen des Einschreiters, forderte AI D*** auf, sich bei Dienstantritt des Einschreiters davon zu überzeugen, dass dieser im Besitz eines Führerscheins sei. S*** meldete dies Oskar M***, seinem und des Einschreiters Dienstvorgesetzten.
Der Einschreiter selbst befand sich an diesem Tag im Krankenstand und war nicht am Arbeitsplatz. Herr M*** telefonierte am Nachmittag des 17. Februar 2006 mit der PI und erhielt (von einem nicht mehr feststellbaren Beamten) Auskunft über die Tatsache, dass dem Einschreiter wegen Lenkens eines Kfz unter Alkoholeinfluss in der Nacht zuvor der Führerschein abgenommen worden war.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen in erster Linie auf den vorgelegten Aktenkopien, insbesondere auf dem Anzeigeakt GZ: 2**2/1/2006 *** (in der von der BH T*** vorgelegten Fassung samt Beilagen), dem Erhebungsbericht des Bezirkspolizeikommandanten Obst. Mag. B*** an das LPK vom 27. August 2006, GZ: 6**0/06-*** [erstattet aus Anlass von Anzeigen des Einschreiters gegen die beteiligten Beamten], und der Dienstvorschreibung/Dienstbericht für den 16. Februar 2006, fortlaufende Nr.99, vorgelegt von der PI mit GZ: A1/2**2/2006-***. Durch diese Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens konnte das Vorbringen des Einschreiters zu Fragen der Datenverwendung in einigen wichtigen Punkten bestätigt werden. Nicht festgestellt werden konnte, dass AI D*** schon bei seinem Anruf am Morgen des 17. Februar 2006 bei der F*** AG ausdrücklich Angaben zur erfolgten Führerscheinabnahme gemacht habe, die Behauptung, dass dem Betriebsrat Akteneinsicht angeboten und gewährt worden sei, sowie der Name jenes Beamten der PI, der dem Vorgesetzen des Einschreiters am Nachmittag die erfolgte Führerscheinabnahme telefonisch bestätigte. Zu den beiden ersten Fakten liegen zu viele gegenteilige bzw. nicht bestätigende Angaben vor (sowohl M*** als auch S*** bestätigten gegenüber dem BPK ausdrücklich die Version von AI D***, und auch der BR-Vorsitzende K*** wollte es zwar hypothetisch nicht ausschließen, dass man ihm auf Anfrage Akteneinsicht gewährt hätte, er habe sich aber nicht für die Akten sondern nur für die ungewöhnliche Art und Weise des „Informationsvorgangs“ interessiert). Zum dritten Faktum hält der sehr sorgfältig und offenkundig auf Basis umfassender Sachverhaltsermittlungen erstellte Bericht des BPK auf Seite 8 fest, bei der Vielzahl der Telefonate auf einer Polizeidienststelle könne solches nach fünf Monaten glaubwürdig nicht mehr nachvollzogen werden. Die Feststellungen zur durchgeführten Datenanwendung stützen sich auf den Stand des Datenverarbeitungsregisters.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Grundrecht auf Datenschutz“:
„ § 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grund-recht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 4 Z 7, 9 und 10 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Definitionen“:
„ § 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
[...]
§ 8 Abs 4 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei der Verwendung nicht-sensibler Daten“:
„(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn
§ 29 Abs 2 FSG lautet unter der Überschrift „Besondere Verfahrensbestimmungen für die Entziehung“:
„ § 29. (1) [...]
(2) Von der vollstreckbaren Entziehung der Lenkberechtigung hat die Behörde zu verständigen:
§ 35 FSG lautet unter der Überschrift „Behörden und Organe“:
„ § 35. (1) Für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Amtshandlungen ist, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese zuständig. Über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.
(2) An der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch die Bezirksverwaltungsbehörden, die Bundespolizeibehörden und den Landeshauptmann haben mitzuwirken:
(3) Die in Abs. 2 genannten Organe haben
§ 39 Abs 1 bis 5 FSG lautet unter der Überschrift „Vorläufige Abnahme des Führerscheines“:
„ § 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht haben einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.
(2) Der vorläufig abgenommene Führerschein oder Mopedausweis ist unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichem Wirkungsbereich er abgenommen wurde; wurde der Führerschein oder Mopedausweis jedoch wegen eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes vorläufig abgenommen, so ist er dem Besitzer wieder auszufolgen, wenn dieser die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper vor Ablauf von zwei Tagen, gerechnet vom Tage der vorläufigen Abnahme, wiedererlangt hat.
(3) Die im Abs. 2 angeführte Behörde hat den vorläufig abgenommenen Führerschein dem Besitzer auf Antrag binnen drei Tagen, gerechnet vom Tage der vorläufigen Abnahme, auszufolgen, sofern nicht ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird.
(4) Wird kein Entziehungsverfahren eingeleitet oder der vorläufig abgenommene Führerschein nach Ablauf der dreitägigen Frist nicht ausgefolgt, ist er unverzüglich der Behörde zu übermitteln, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Wohnsitz hat.
(5) Das Lenken von Kraftfahrzeugen, für die der Besitz einer Lenkberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines oder das Lenken von Motorfahrrädern, Invalidenkraftfahrzeugen oder vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Mopedausweises ist unzulässig.“
§ 13 SPG lautet unter der Überschrift „Kanzleiordnung“:
„ § 13. (1) Die formale Behandlung der von den Sicherheitsdirektionen, den Bundespolizeidirektionen und den Polizeikommanden (§ 10) zu besorgenden Geschäfte ist vom Bundesminister für Inneres jeweils in einer einheitlichen Kanzleiordnung festzulegen. Für die Bundespolizeidirektion Wien können, soweit dies wegen der Größe dieser Behörde erforderlich ist, Abweichungen von der sonst für die Bundespolizeidirektionen geltenden Kanzleiordnung vorgesehen werden.
(2) Der Bundesminister für Inneres, die Sicherheitsdirektionen, Bundespolizeidirektionen und Polizeikommanden sind ermächtigt, sich bei der Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben für die Dokumentation von Amtshandlungen und die Verwaltung von Dienststücken der automationsunterstützten Datenverarbeitung zu bedienen. Zu diesen Zwecken dürfen sie Daten über natürliche und juristische Personen sowie Sachen verwenden, auf die sich der zu protokollierende Vorgang bezieht, wie insbesondere Datum, Zeit und Ort, Fahrzeugdaten, Betreff und Aktenzeichen samt Bearbeitungs- und Ablagevermerken sowie Namen, Rolle des Betroffenen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift und andere zur Erreichbarkeit des Menschen dienende Daten. Soweit es erforderlich ist, dürfen auch sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) sowie Daten im Sinne des § 8 Abs. 4 DSG 2000 verwendet werden. Die Auswählbarkeit von Daten aus der Gesamtmenge der gespeicherten Daten nur nach dem Namen und nach sensiblen Daten darf nicht vorgesehen sein, vielmehr ist für die Auswahl ein auf den protokollierten Sachverhalt bezogenes weiteres Datum anzugeben.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) verantwortlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber
Zur Strafverfolgung sowie zur Durchführung des Bescheidverfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung (einer vorbeugenden Maßnahme im Sinne von § 8 Abs 4 erster Satz DSG 2000) sind nicht die Organe der Bundespolizei berufen sondern gemäß § 35 Abs 1 FSG die Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörden. Die Organe der Bundespolizei haben aber als Organe der zuständigen Behörde gemäß Abs 2 Z 1 leg.cit. an der Vollziehung mitzuwirken. In Abs 3 der Bestimmung sind ihnen sogar über die bloße Funktion als Hilfsorgane hinaus selbständige Aufgaben übertragen: die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des FSG, einschließlich einer Ermächtigung zur Durchführung von Verkehrskontrollen (Verweis auf § 97 Abs 5 StVO), die Setzung von Maßnahmen zur Einleitung und Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren sowie das Einschreiten in im FSG ausdrücklich geregelten Fällen (dazu zählen gemäß §§ 38 Abs 1 und 2 und 39 Abs 1 FSG die vorläufige Abnahme des Führerscheins und eventuell auch der Fahrzeugschlüssel als Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt). Das entsprechende Handeln von Polizeibeamten ist daher zwar grundsätzlich der Führerscheinbehörde zuzurechnen (vgl. auch die Einschränkung „in fachlicher Hinsicht“ in § 35 Abs 2 Z 3 letzter Satz FSG), die organisatorische Abwicklung der zur Erfüllung der Pflichten gemäß § 35 Abs 3 FSG notwendigen Schritte (wie etwa: Form, Inhalt und Aktenlauf der zu erstattenden Meldungen und Anzeigen, einschließlich der Festlegung der für diese Zwecke zu ermittelnden Daten ) fällt aber, soweit nicht durch Weisungen der sachlich zuständigen Behörde im Einzelfall anderes bestimmt worden ist (wofür es hier keinen Anhaltspunkt gibt), in den Bereich des inneren Dienstes der Bundespolizei (oder auch anderer Organe der Straßenaufsicht, vgl. § 35 Abs 2 Z 3 und 4
FSG).
Das Landespolizeikommando (damals noch: Landesgendarmeriekommando) für Oberösterreich hat am 29. März 2000 zu DVR: 0478563 die Datenanwendung „Übermittlung von Verwaltungsstrafanzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörden“ gemeldet, und das bei der Datenschutzkommission eingerichtete Datenverarbeitungsregister hat diese noch am selben Tag registriert. Die darin vorgesehenen Datenarten, Betroffenenkreise, Übermittlungen und Empfängerkreise passen genau auf die im Sachverhalt vorkommenden Verwendungsvorgänge (Datenverarbeitung durch den Wachkörper Bundespolizei, Übermittlung der Daten an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde). Die registrierte Rechtsgrundlage ist § 13 SPG.
Da sich die Ermächtigung gemäß § 13 Abs 2 SPG nicht nur auf die Sicherheitsverwaltung sondern auf alle den Bundespolizeibehörden und den Polizeikommanden gesetzlich übertragenen Aufgaben erstreckt, also auch auf solche gemäß § 35 Abs 3 FSG, findet die Datenverwendung im zu beurteilenden Fall in der referierten Datenanwendung Deckung. Daraus folgt, dass in jenem Verfahrensstadium, in dem Daten des Einschreiters verwendet worden sind (also vor Übermittlung der Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft), das Landespolizeikommando der verantwortliche datenschutzrechtliche Auftraggeber war.
b) inhaltliche Unzulässigkeit der mündlichen Datenübermittlung an den Dienstgeber
In § 29 Abs 2 Z 2 FSG ist zwingend festgelegt, dass Dienstgeber von Berufskraftfahrern von der erfolgten vollstreckbaren Entziehung einer Lenkberechtigung zu verständigen sind. Aus datenschutzrechtlicher Sicht beinhaltet diese Bestimmung die Ermächtigung an die Führerscheinbehörde , folgenden Daten an den Dienstgeber des Betroffenen zu übermitteln:
Darüber hinausgehende Daten werden beim Dienstgeber für den zu erreichenden Zweck der Gesetzesbestimmung (Verhinderung, dass der Betroffene für die Dauer des Verlustes der Lenkberechtigung als Kraftfahrer eingesetzt wird) nicht benötigt.
Die vorläufige Abnahme des Führerscheines ist eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, dass eine Person als Lenker eines Kfz am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kfz nicht zu beherrschen imstande ist. Es muss daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kfz lenken. Diese Annahme ist u.a. dann nicht gerechtfertigt, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kfz lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (VwGH, Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, 2000/11/0213, unter Hinweis auf Erkenntnis vom 23. Jänner1987, 86/11/0146).
Die Ermächtigung gemäß § 29 Abs 1 Z 2 FSG erstreckt sich nicht auf Polizeidienststellen (auch nicht auf Polizeikommanden) und ist in Folge der unmissverständlichen Wortwahl des Gesetzgebers (arg „vollstreckbaren“) auf Fälle beschränkt, in denen ein Bescheid ergangen ist, da nur rechtskräftige Leistungsbescheide vollstreckbar sind (vgl. Walter/Mayer Verwaltungsverfahrensrecht 8.Aufl (2003) Rz 403; die Leistungsverpflichtung ist hier gegebenenfalls in der Pflicht zur Hinterlegung des Führerscheins bei der Behörde gemäß § 29 Abs 3 FSG zu sehen). Die vorläufige Abnahme des Führerscheins gemäß § 39 FSG stellt, wie bereits weiter oben ausgeführt, eine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. Walter/Mayer aaO, Rz 16), die als „faktische Amtshandlung“ weder der Rechtskraft fähig noch vollstreckbar ist. Sie hindert den Betroffenen bloß rechtlich in Folge der Anordnung des § 39 Abs 5 FSG am legalen Lenken von Kraftfahrzeugen, hat aber sonst auf das Bestehen der Lenkberechtigung keine Einfluss (hier ist zwischen dem subjektiv-öffentlichen Recht, Kraftfahrzeuge zu lenken, der Lenkberechtigung gemäß § 1 Abs 2 FSG, und der darüber gemäß § 13 FSG ausgestellten öffentlichen Urkunde, dem Führerschein, zu unterscheiden). Die Lenkberechtigung selbst kann nur durch Bescheid entzogen werden. Die ständige Rechtsprechung des VwGH seit dem Erkenntnis vom 23. November 1978, VwSlg 9698 A/1978 (ausdrücklich für den Anwendungsbereich des FSG für anwendbar erklärt durch Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 99/11/0352) sieht die Ausstellung des Führerscheins nur ausnahmsweise als „Bescheidakt“, durch den eine Erteilung der Lenkberechtigung vorgenommen wird, wenn kein gesonderter Bescheid über die Erteilung der Lenkberechtigung ergangen ist. Für die Lenk- bzw. Lenkerberechtigung (bzw. in der Zeit vor dem KFG 1967:
den Führerschein – hier wurde begrifflich noch nicht zwischen Recht und Urkunde unterschieden) scheint die Erfordernis einer bescheidförmlichen Entziehung dieses subjektiv-öffentlichen Rechts, soweit absehbar, schon lange unstrittig zu sein. Der Gesetzgeber ist bei Erlassung des FSG (die Gesetzesmaterialien [der Wortlaut des geltenden § 29 Abs 2 Z 2 FSG entspricht dem Wortlaut der Regierungsvorlage], RV 714 BlgNR XX GP, AB 823 BlgNR XX GP, verweisen betreffend §§ 29 und 39 FSG auf die früher bestehende Rechtslage, das waren die §§ 75f KFG 1967) wohl davon ausgegangen, dass zur Verhinderung von „Schwarzfahrten“ die vorläufige Abnahme des Führerscheins gemäß § 39 Abs 1 FSG ausreicht. Daraus folgt, dass die Übermittlungsermächtigung des § 29 Abs 2 Z 2 FSG, die sich überdies an die Führerscheinbehörde und nicht an Polizeiorgane richtet (wenngleich die Behörde solche heranziehen kann, was aber im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist, nicht sinngemäß erweitert werden kann.
Daher kann sich das Landespolizeikommando für Oberösterreich dafür, dass Beamte der Polizeiinspektion A*** im Laufe des 17. Februar 2006, den Dienstgeber des Einschreiters zuerst darauf hingewiesen haben, dass mit dem Führerschein des Einschreiters etwas nicht in Ordnung sein könnte, und schließlich auf Rückfrage eines Vorgesetzten des Einschreiters direkte Auskunft über die erfolgte vorläufige Abnahme des Führerscheins gegeben habe, zur Rechtfertigung des Eingriffes in das Grundrecht des Einschreiters auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten nicht auf § 29 FSG berufen .
Andere fallbezogenen Grundlagen für die Vorgehensweise wurden nicht geltend gemacht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Betroffene durch diese datenschutzrechtliche Gesetzesauslegung nur insoweit geschützt wird, als nur die näheren Umstände , unter denen er dem Dienstgeber den Verlust des Führerscheins zu melden hat (arbeitsrechtlich wegen des möglichen Eintritts (länger) dauernder Dienstunfähigkeit bei einem Kraftfahrer, vgl. dazu E OGH vom 4. September 2002, 9 ObA 196/02t), zu seiner Disposition stehen. Ein Recht, diesen Verlust bis zur Mitteilung gemäß § 29 Abs 2 Z 2 FSG geheim zu halten, kann daraus nicht abgeleitet werden.
Es war daher die obige Empfehlung auszusprechen; da der rechtmäßige Zustand pro futuro sehr rasch durch ein Rundschreiben oder ähnliches gesichert werden kann, war eine sechswöchige Frist (etwa für den Zweck der Berichterstattung an übergeordnete Behörden) gemäß § 30 Abs 6 DSG 2000 als angemessen anzusehen.
[Literaturhinweis: veröffentlicht; ZVR 2007/159 (Pürstl)]