JudikaturDSB

K202.046/0012-DSK/2006 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
05. April 2006

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Mag. PREISS, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 5. April 2006 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der Ä GmbH in Wien (Antragstellerin) vom 7. Dezember 2005 auf Genehmigung der Verwendung von Daten aus Unterlagen von Gebietskrankenkassen wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, entschieden:

Dem Antrag wird Folge gegeben und die Genehmigung zur Verwendung der folgenden Datenarten: Geburtsdatum, Geburtsort, Herkunftsland, Geschlecht, Landeskrankenkasse, Anmeldung, Abmeldung, Forstamt, Beschäftigungsbeginn, Beschäftigungsende, Art der Tätigkeit („beschäftigt als“) und Lohn, aus Unterlagen der neun österreichischen Gebietskrankenkassen über den Einsatz von ZwangsabeiterInnen bei den Reichsforsten 1938-1945 in einer MS-Access-Datenbank für Zwecke einer Studie über die Reichsforste in der NS-Zeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich erteilt. Die Genehmigung ist an die Erfüllung der folgenden Bedingungen bzw. Auflagen geknüpft:

1. Das mit diesem Bescheid erteilte Recht auf Verwendung, insbesondere Ermittlung der Daten darf nur durch den wissenschaftlichen Leiter der Antragstellerin, Univ. Prof. DDr. Q, oder deren Mitarbeiterinnen Frau MMaga. T und Frau Maga. U persönlich ausgeübt werden.

2. Der Zugang zur Datenbank ist in geeigneter Weise entsprechend § 14 Abs 2 Z 4 und 5 DSG 2000 durch namentliche Anmeldung des Benutzers und Vergabe eines Passwortes zu sichern.

Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 10/2004 (AVG), iVm §§ 1, 3 Abs 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 i. d.F. BGBl II Nr. 460/2002 (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten.

B e g r ü n d u n g:

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke einer Studie über die Reichsforste in der NS-Zeit die Erteilung einer Genehmigung für die Verwendung von Daten, welche bei den neun österreichischen Gebietskrankenkassen über den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen bei den Reichsforsten vorhanden sind.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Die Antragstellerin führt im Auftrag der Österreichischen Bundesforste eine Studie über die Reichsforste 1938-45 durch. Ein Teil dieser Studie betrifft den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen.

Dazu möchte die Antragstellerin eine umfassende statistische Gesamterhebung über den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen bei den Reichsforsten auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich 1938-45, konkret dessen Umfang, weiters die Herkunft (Nationalität), das Geschlecht, das Alter, die Arbeitsbedingungen, Einsatzgebiete (lokale Verteilung) und Aufgabenbereiche der ZwangsarbeiterInnen, durchführen. Die hiefür benötigten Daten sollen bei allen österreichischen Gebietskrankenkassen ermittelt und in einer MS-Access-Datenbank mit den im Spruch aufgezählten Datenarten gespeichert werden. Voraussichtlich werden Daten von mehreren hundert Personen einfließen.

Die Datenanwendung soll unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Q, dem wissenschaftlichen Leiter der Antragstellerin, durchgeführt werden, dem die Mitarbeiterinnen MMaga. T und Maga. U zur Seite stehen. Alle drei Personen verfügen über mehrjährige wissenschaftliche Erfahrung im Bereich zeitgeschichtlicher Forschung. Sie haben allesamt schon mehrere entsprechende wissenschaftliche Arbeiten (mit-)verfasst bzw. bei Forschungsprojekten mitgearbeitet. Sie waren dabei für namhafte österreichische Einrichtungen, insbesondere auch die Historikerkommission, tätig.

Im schriftlich abgefassten Forschungsbericht werden die Daten statistisch nach den Kategorien Alter, Geschlecht, Nationalität, zeitliche Entwicklung des Einsatzes von ZwangsarbeiterInnen, regionale Verteilung, Art der Beschäftigung sowie im historischen Kontext und jenem der rezenten Forschungsliteratur ausgewertet.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem schlüssigen Vorbringen im Antrag bzw. dessen auftragsgemäßer Verbesserung sowie den angeschlossenen Lebensläufen von MMaga. T und Maga.U. Die wissenschaftliche Qualifikation von Univ.-Prof. DDr. Q ergibt sich aus dem Akt der Datenschutzkommission K202.001.

Die von der Datenschutzkommission befragten neun Gebietskrankenkassen haben nichts vorgebracht, was dem Antrag in sachverhaltsmäßiger Hinsicht widerspricht. Insbesondere wird nicht bestritten, dass die Krankenkassen über die zur Verarbeitung beabsichtigten Daten verfügen.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; nur indirekt personenbezogen sind Daten für einen Auftraggeber, Dienstleister oder Empfänger einer Übermittlung dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, dass dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann.

Gemäß § 4 Z 8 DSG 2000 bedeutet Verwenden von Daten jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten.

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Auch wenn die Antragstellerin die Verwendung der Namen der Betroffenen nicht beabsichtigt, ist von einer Verwendung personenbezogener Daten (§ 4 Z 1 und 8 DSG 2000) auszugehen, weil die eine Person beschreibenden Datenarten von einer derartigen Dichte sind, dass daraus Rückschlüsse auf einzelne Betroffene möglich sind, sodass also nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um identifizierbare Daten handelt.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass hinsichtlich der Daten, deren Verwendung die Antragstellerin beabsichtigt, weder die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 DSG 2000 noch jene des Abs. 2 Z 1 oder 2 erfüllt sind. Somit kommt diese gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 DSG 2000 nur mit Genehmigung der Datenschutzkommission nach Abs. 3 in Betracht, sodass der Antrag zulässig ist.

Wie die Antragstellerin zutreffend darlegt, handelt es sich bei den Betroffenen um einen relativ großen Personenkreis, wobei davon auszugehen ist, dass viele von ihnen bereits verstorben sind (wobei dieser Umstand für die Antragstellerin nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist) oder über zahlreiche Länder verteilt leben. Somit ist von einer Unverhältnismäßigkeit des Aufwands iSd § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 auszugehen.

Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der NS-Zeit geht die Datenschutzkommission grundsätzlich von einem wichtigen öffentlichen Interesse aus (wobei mangels Verwendung sensibler Daten im vorliegenden Fall bloß einfaches öffentliches Interesse ausreichend wäre), mit der Begründung, dass die Erforschung und objektive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dem Ansehen Österreichs in der Welt nützlich sein wird (vgl. etwa die Bescheide vom 25. Februar 2000, K202.001/3-DSK/00 bzw. K202.002/2-DSK/00, sowie vom 24. April 2001, K202.010/2-DSK/01, abrufbar im Rechtsinformationssystem des Bundes unter www.ris.bka.gv.at). Daher ist auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 erfüllt.

Da es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person handelt, muss die nach § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 nachzuweisende fachliche Qualifikation hinsichtlich der für sie bei der Datenverwendung handelnden Personen vorliegen. Auch davon ist auf Grund der festgestellten Qualifikationen der drei in der Auflage 1. bezeichneten Personen auszugehen.

Diese Auflage war gleichzeitig erforderlich, um die Durchführung der Datenverwendung ausschließlich durch die drei entsprechend dem § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 qualifizierten Personen sicherzustellen und so eine Verwendung durch Unbefugte möglichst hintanzuhalten.

Um die Einhaltung der Auflage 1. in technischer Hinsicht abzusichern, schien die Auflage 2. geeignet und erforderlich. Entsprechend einer Ermessensübung im Sinne des DSG 2000 konkretisiert diese Auflage die Datensicherheitsmaßnahmen des § 14 Abs. 2 Z 5 und 6 DSG 2000 für den vorliegenden Fall und schreibt den Passwortschutz (anders als § 14 Abs. 2 DSG 2000, der dem Auftraggeber beim Einsatz der Datensicherheitsmaßnahmen einen Spielraum gewährt) verbindlich vor.

Auf die sich aus § 46 Abs. 5 DSG 2000 ergebende Verpflichtung, den Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist, wird an dieser Stelle nochmals hingewiesen.

Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG iVm §§ 46 Abs. 3, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

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