JudikaturDSB

K202.067/0006-DSK/2008 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2008

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER und Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ sowie der Schriftführerin Mag. FRITZ in ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2008 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag des Vereins „Institut D***-Forschung“ (Antragsteller) in N*** vom 30. April 2008 (Eingangsdatum: 2. Mai 2008) betreffend Genehmigung einer Datenanwendung mit dem Zweck „Namentliche Erfassung von Österreicherinnen und Österreichern im Konzentrationslager X***“, wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF entschieden:

Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 65/2002, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idF BGBl. II Nr. 371/2006 (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen des Antragstellers

Der den Antrag stellende Verein (Antrag vom 30. April 2008, auftragsgemäß bescheinigt und verbessert mit Eingabe vom 4. Juni 2008) bringt vor, als unabhängiges, gemeinnütziges, wissenschaftliches Forschungsinstitut, finanziert durch öffentliche Stellen (Zukunftsfonds der Republik Österreich, Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, Nationalfonds der Republik Österreich) – was ein wichtiges öffentliches Interesse an dem Projekt indiziere – an einem Projekt zur möglichst vollständigen Erfassung der im nationalsozialistischen Konzentrationslager X*** inhaftiert gewesenen Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten. Ziel sei die Erstellung eines „Gedenkbuches KZ X***“, das genaue statistische Angaben zu den Österreicherinnen und Österreichern aller Verfolgtengruppen enthalten soll. Eine Veröffentlichung personenbezogener Daten sei nicht bzw. nur bei nachweislich verstorbenen Menschen oder bei Vorliegen einer Zustimmung des Betroffenen vorgesehen . Zur Erschließung zusätzlicher Quellen, insbesondere zur Ermittlung von Daten jener Personen, die in Konzentrationslagern inhaftiert, aber nach 1945 nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt wurden (insbesondere „Kriminelle“ und „Asoziale“), sei die Verarbeitung von personenbezogenen Daten aus bei mehreren Polizeibehörden noch als Archivgut vorhandenen Haftbüchern und Haftkarteien geplant. Die mit dieser Aufgabe betrauten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen seien nachweislich qualifizierte Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Sozial-, Geschichts- und Politikwissenschaften und hätten sich gegenüber dem Antragsteller zur Verschwiegenheit und zur Wahrung des Datengeheimnisses verpflichtet. Wegen der unklaren Quellenlage und der damit nicht gegebenen Möglichkeit, eine Zustimmung der Betroffenen einzuholen (von denen überdies ein hoher Prozentsatz wahrscheinlich nicht mehr am Leben sei, was aber jeweils im Einzelfall erst zu überprüfen wäre), sei die Einholung von Betroffenenzustimmungen unmöglich, jedenfalls aber untunlich.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Die Datenschutzkommission legt das, durch verschiedene Urkunden (u.a. Vereinsstatuten des Antragstellers, CVs und Publikationslisten der die Studie durchführenden Personen bescheinigte Vorbringen des Antragstellers ihrer Entscheidung zu Grunde.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

§ 46 DSG 2000 lautet unter der Überschrift „Wissenschaftliche Forschung und Statistik“:

§ 46 . (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten, die nicht öffentlich zugänglich sind, nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist zu erteilen, wenn

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Da es sich beim gegenständlichen Antrag um die Ermittlung noch nicht unter Kontrolle des Auftraggebers befindlicher Daten über zumindest teilweise noch lebende Personen aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen (Archiven) handelt, und die Daten zumindest während ihrer Auswertung zeitweise direkt personenbezogen verwendet werden sollen, ist eine Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 erforderlich.

Die Verwendung von Daten betreffend Inhaftierung in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager begründet wegen verschiedener möglicher, ja wahrscheinlicher Implikationen (Schlüsse auf politische, philosophische oder religiöse Überzeugung sowie auf rassische oder ethnische Herkunft des Betroffenen) stets die Vermutung der Verarbeitung sensibler Daten.

Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der NS-Zeit geht die Datenschutzkommission regelmäßig von einem wichtigen öffentlichen Interesse im Sinn des § 46 Abs. 3 DSG 2000 aus, da die Erforschung und objektive Aufarbeitung der NS-Vergangenheit dem Ansehen Österreichs in der Welt nützlich sein wird (vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 05. April 2006, GZ K202.046/0012-DSK/2006, RIS).

Der Antragsteller hat weiters die Untunlichkeit der Einholung von Betroffenenzustimmungen (§ 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000) und die wissenschaftliche Qualifikation der mit dem Projekt befassten Mitarbeiterinnen bescheinigt (§ 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000).

Zur Wahrung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen waren in Punkt 2. des Spruchs verschiedene Auflagen festzusetzen, die insbesondere der Sicherstellung der nicht-personenbezogenen Veröffentlichung der Forschungsergebnisse bzw. der Minimierung der personenbezogenen Verwendungsdauer der Daten (§ 46 Abs. 5 DSG 2000) sowie der Gewährleistung der technischen Datensicherheit dienen.

Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.

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