K202.033/0003-DSK/2004 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr.Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. DUSCHANEK, Dr. KOTSCHY, Mag. PREISS, und Dr. STAUDIGL sowie des Schriftführers Mag. FLENDROVSKY in ihrer Sitzung vom 4. Mai 2004 folgenden Beschluss gefasst:
Spruch
Die Datenschutzkommission erteilt gemäß § 46 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000, BGBl Nr. I 165/1999 in der Fassung BGBl I Nr. 136/2001 (DSG 2000), an das Institut W (in der Folge: Institut), vertreten durch Herrn Dipl.-Ing. O, hinsichtlich der in der Projektbeschreibung angeführten Datenarten 'vehicle identification number' und 'make' für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik nach Maßgabe der folgenden Auflagen und Bedingungen:
1) Die Verwendung ist nur für Zwecke des europäischen Forschungsprojekts P zulässig.
2) Der Auftraggeber hat Personen, die er im Rahmen des unter 1) umschriebenen Forschungsprojekts für Tätigkeiten, die einen Zugang zu den personenbezogenen Daten bedingen, heranzieht, nachweislich über die Pflichten aus dem DSG 2000 und diesem Bescheid zu informieren und für eine entsprechende Überwachung der Einhaltung dieser Pflichten zu sorgen. Es dürfen nur Personen herangezogen werden, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren Verlässlichkeit glaubhaft ist und die sich vertraglich und in Schriftform zur Wahrung des Datengeheimnisses (§ 15 DSG 2000) verpflichtet haben.
3) Auf den vom Institut verwendeten Fotos sind alle erkennbaren Kennzeichen und Hinweise auf am Unfall beteiligten Personen unkenntlich zu machen.
4) Bei der Verwendung von Daten ist die Bestimmung des § 46 Abs. 5 DSG 2000 zu beachten.
5) Die vorliegende Genehmigung zur Datenverwendung umfasst die Übermittlung an die Europäische Kommission und die anderen Projektpartner einschließlich der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, wobei im Sinne des Pkt. 7.1.4.9 der Projektbeschreibung (Version vom 27. Februar 2004) Veröffentlichungen keinen Rückschluss auf beteiligte Personen, sei es Autohersteller oder Unfallopfer, zulassen dürfen. Für den Fall, dass eine Zustimmung der Betroffenen vorliegt, dürfen die von der Zustimmung erfassten Daten unter den dort genannten Bedingungen auch veröffentlicht werden.
Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 65/2002, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idF. BGBl II Nr. 460/2002 (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.
Begründung:
Aus dem Antrag, den beigeschlossenen Unterlagen und telefonischen Kontaktaufnahmen zum Projekt P (siehe auch: http://...) ergibt sich der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt:
Der Antragssteller (das Institut W) ist Teilnehmer eines internationalen Projekts mit dem Namen P, an dem acht europäische Länder (Deutschland, Frankreich, Spanien, Niederlande, Großbritannien, Schweden, Finnland, Österreich) mitarbeiten, um neue Richtlinien und Maßnahmen zur Reduktion tödlicher Unfälle und schwerer Verletzungen der Verkehrsteilnehmer zu entwickeln. Dieses Forschungsprojekt ist ein Projekt des EVPSN (European Vehicle Passive Safety Network) und Teil des 5. Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration. Zu diesem Zweck werden in diesen acht Ländern Unfalldaten aufgenommen und in eine zentrale Datenbank der europäischen Union eingetragen, wobei folgende Vorgangsweise seitens des Instituts vorgesehen ist:
1) telefonische Benachrichtigung des Instituts über erfolgten Unfall durch Polizei- bzw. Gendarmeriedienststelle;
2) Aufnahme der Unfalldaten sowohl vor Ort als auch aus den Polizeiakten – die Einsichtnahme in die Polizeiakten erfolgt ausschließlich durch Herrn Dipl.-Ing. O – wobei zwar keine personenbezogene Daten der am Unfall beteiligten Personen, aber die Fahrgestellnummer und Fahrzeugmarke aufgenommen werden. Auf den angefertigten Fotografien werden möglicherweise erkennbare Kennzeichen unkenntlich gemacht.
3) Eingabe dieser Unfalldaten in eine zentrale Datenbank, in die auch die Europäische Union und die Partner dieses Projekts Einsicht haben, durch Mitarbeiter der technischen Universität Graz.
In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:
Die Verwendung von personenbezogenen Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt den Spezialbestimmungen des § 46 DSG 2000.
1. Verwendung von Daten der am Unfall beteiligten natürlichen
Personen
Aus den im Rahmen des Projekts verwendeten Datenblättern ist keinerlei Personenbezug hinsichtlich der am Unfall beteiligten natürlichen Personen ersichtlich. Auf diesen Teil des Sachverhalts sind die Bestimmung des § 46 DSG 2000 somit gar nicht anwendbar, da dafür nämlich die Ermittlung personenbezogener Daten notwendige Voraussetzung ist. Eine Ermittlung von personenbezogenen Daten (§ 4 Z 10 DSG 2000) für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung im Sinne dieser Bestimmung liegt nämlich nur dann vor, wenn Einsicht in personenbezogene Datenbestände genommen wird in der Absicht, sie in personenbezogener Form zu ermitteln und weiterzuverwenden. Mangels entsprechender Felder in den Datenblättern beispielsweise für die Aufnahme von Name oder weiteren Identifizierungsmerkmalen, kann von einer personenbezogenen Verwendung nicht ausgegangen werden. Soweit aus Unfallfotos ein Personenbezug hergestellt werden kann, wird dieser unkenntlich gemacht. Für die Verwendung dieser völlig anonymisierten Daten besteht somit auch in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 1 letzter Satz DSG 2000 keine Genehmigungspflicht, da ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse nicht besteht.
2. Verwendung von Daten der Hersteller der am Unfall beteiligten
Automobile
Aus den im Rahmen des Projektes verwendeten Datenblättern ergibt sich ein direkter Personenbezug zu den Herstellern der unfallbeteiligten Fahrzeuge, über die ermittelten Datenarten vehicle identification number (deutsch: Fahrgestellnummer) und make hergestellt werden kann. Diese Datenarten lassen Rückschlüsse auf das Herstellerland, den Hersteller, den Fahrzeugtyp, das Baujahr und Herstellerwerk sowie weitere produktionsspezifischen Daten zu. Außerdem enthält diese 17-stellige Kennzahl die Seriennummer, mit der ein Fahrzeug eindeutig identifiziert werden kann (weitere Nachweise unter:
http://www.vehicleidentificationnumber.com/vehicle_identification_nu mbers_vin_detail.html).
§ 46 Abs. 2 DSG 2000 sieht für diese Fälle der wissenschaftlichen Forschung, bei denen es nicht nur zur Verwendung personenbezogener Daten kommt, sondern die auch personenbezogene Ergebnisse zum Ziel haben, entweder die Legitimation der Datenverwendung durch besondere gesetzliche Vorschrift (Z1), Zustimmung des Betroffenen (Z2) oder Genehmigung der Datenschutzkommission (Z3) vor. Mangels besonderer gesetzlicher Ermächtigung und auf Grund des zu erwarteten Aufwands bei der Einholung der Zustimmungserklärungen kommt eine Genehmigung durch die Datenschutzkommission in Betracht.
Auf Grund der großen Zahl an Autoherstellern weltweit und des enormen Aufwands, der mit der Einholung der Zustimmung jedes einzelnen Herstellers verbunden bzw. mit der Ermittlung des Verfügungsberechtigten verbunden sein kann, ist das Erfordernis des unverhältnismäßigen Aufwands gemäß § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 erfüllt. Das gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 geforderte öffentliche Interesse wird durch die Förderung der Europäischen Kommission im Rahmen des 5. Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration indiziert, ergibt sich alleine schon aber aus dem Zweck des Forschungsprojekts, das auf die Reduktion tödlicher und schwerer Verletzungsfolgen bei Autounfällen gerichtet ist. Auch die fachliche Eignung des Antragsstellers als Universitätsinstitut bzw. des mit Forschungsarbeiten beauftragten Mitarbeiters ist gemäß § 46 Abs. 3 Z 3 DSG 2000 nicht zu bezweifeln.
Die Erteilung dieser Genehmigung ersetzt nicht die Erfüllung der Meldepflicht gemäß §§ 17 Abs. 1 und 18 Abs. 2 DSG 2000 für die Verarbeitung der übermittelten Daten in einer Datenanwendung bzw. manuellen Datei (§ 58 DSG 2000).
Die Verwaltungsabgabe war gemäß § 78 Abs. 1 AVG, iVm §§ 46, 53 Abs. 1 DSG 2000 vorzuschreiben. Demnach ist für Anträge nach § 46 DSG 2000 keine Befreiung von Verwaltungsabgaben normiert.