2022-0.876.190 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2022-0.876.190 vom 15. Dezember 2022 (Verfahrenszahl: DSB-D124.1413/22)
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Ignaz A*** (Beschwerdeführer) vom 30. Oktober 2022 gegen die Botschaft der Republik N*** in Wien (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
- Die Beschwerde wird zurückgewiesen .
Rechtsgrundlagen : Art. 4 Z 7, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 31 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über Diplomatische Beziehungen, BGBl. Nr. 66/1966 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer brachte in seiner Eingabe vom 30. Oktober 2022 an die Datenschutzbehörde im Wesentlichen vor, die Beschwerdegegnerin habe im Rahmen der n*** Wahlen eine Liste mit allen Wahlberechtigten öffentlich ausgehängt. Es seinen darauf für alle Passanten der Name, das Geburtsdatum sowie die Wählerregisternummer ersichtlich gewesen.
Die Datenschutzbehörde manuduzierte den unvertretenen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. November 2022 über ihre voraussichtliche Unzuständigkeit und räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, seine Beschwerde zurückzuziehen. Der Beschwerdeführer äußerte sich in weiterer Folge nicht mehr.
B. Beschwerdegegenstand
Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie im Rahmen der n*** Wahlen den Namen, das Geburtsdatum und die Wählerregisternummer des Beschwerdeführers veröffentlicht hat.
Zunächst ist jedoch die Frage der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde zu klären.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um die Botschaft der Republik N*** in Wien.
Im Rahmen der n*** Wahlen 2022 wurde ein Wählerverzeichnis, auf welchem unter anderen der Name, das Geburtsdatum und die Wählerregisternummer des Beschwerdeführers ersichtlich waren, auf der Außenseite des Amtsgebäudes der Beschwerdegegnerin ausgehängt und war dieses Wählerverzeichnis somit für die Allgemeinheit einsehbar.
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner verfahrenseinleitenden Eingabe vom 30. Oktober 2022, welcher überdies eine Bildaufnahme des veröffentlichten Wählerverzeichnisses beigefügt war.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Gemäß Art. 55 Abs. 1 DSGVO ist jede Aufsichtsbehörde für die Erfüllung der Aufgaben und die Ausübung der Befugnisse, die ihr mit der DSGVO übertragen wurden, im Hoheitsgebiet ihres eigenen Mitgliedstaats zuständig .
Die Datenschutzbehörde ist somit die für das Hoheitsgebiet der Republik Österreich zuständige Aufsichtsbehörde (vgl. § 18 Abs. 1 DSG).
Gegenständlich ist jedoch zu beachten, dass sich die Beschwerde gegen die Botschaft eines Drittstaates richtet.
Das moderne Völkerrecht zählt hierbei Botschaften nicht zu Exklaven eines anderen Staates, sondern ordnet sie dem Empfangsstaat zu (vgl. Doehring , Völkerrecht, § 12, Rz 676). Da sich gegenständlich die Botschaft der Republik N*** in Wien befindet, zählt sie somit zum österreichischen Staatsgebiet und wäre die Datenschutzbehörde für die dortigen Datenverarbeitungen daher grundsätzlich die gemäß Art. 55 Abs. 1 DSGVO zuständige Aufsichtsbehörde.
Allerdings enthält bereits Art. 55 Abs. 2 DSGVO die Ausnahme, dass keine Zuständigkeit der lokalen Aufsichtsbehörde besteht, wenn die Verarbeitung durch Behörden oder private Stellen anderer Mitgliedstaaten auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c oder e DSGVO erfolgt. In diesem Fall ist die Aufsichtsbehörde des betroffenen Mitgliedstaates zuständig und das Verfahren nach Art. 56 DSGVO findet keine Anwendung.
Daraus folgt zunächst, dass der österreichischen Datenschutzbehörde bereits keine Zuständigkeit gegenüber Behörden oder privaten Stellen zukommt, deren Datenverarbeitung einem anderen Mitgliedstaat zuzurechnen sind.
Folglich muss dies auch für Behörden oder private Stellen gelten, deren Datenverarbeitungen einem Drittstaat – hier: Botschaft der Republik N*** – zuzurechnen sind.
2. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zusätzlich das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, welches sowohl von der Republik Österreich als auch der Republik N*** ratifiziert wurde:
Diese Übereinkommen sieht an verschiedenen Stellen Privilegien und Immunitäten der Missionen und des diplomatischen Personals vor der Ausübung inländischer staatlicher Gewalt vor (siehe bspw. Art. 22 und Art. 31).
Gemäß Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen genießen Diplomaten, bis auf gewisse, gegenständlich nicht einschlägige Fälle, jedenfalls Immunität von der Strafgerichtsbarkeit, der Zivilgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtbarkeit des Empfangsstaats , auch wenn sie gemäß Art. 41 Abs. 1 leg. cit. verpflichtet sind, die Gesetze und anderen Rechtsverschriften des Empfängerstaates – sohin auch die DSGVO, die als unmittelbar anwendbarer Rechtsakt der Europäischen Union innerstaatlichen Gesetzen gleichgestellt ist – zu beachten.
Kraft dieser völkerrechtlichen Regelung kann der von der Republik N*** entsendete Botschafter bzw. die ihm unterstehende Mission daher von der Datenschutzbehörde nicht belangt werden (vgl. dazu im Wesentlichen Schmidl , in Jahnel (Hrsg.) Jahrbuch Datenschutzrecht 2021, Die DSGVO und internationale Organisationen, S. 25) und ist gegenständlich auch nicht ersichtlich, dass er im Rahmen der Veröffentlichung des beschwerdegegenständlichen Wählerverzeichnisses ausschließlich in privatrechtlicher Funktion gehandelt hätte (vgl. dazu Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts 5 VI Rz 1557, wonach eine Sanktionierung denkbar wäre, sofern diplomatisches Personal ausschließlich in privatrechtlicher Funktion handelt).
Folglich war die Beschwerde aufgrund der völkerrechtlich verankerten Immunität des datenschutzrechtlich Verantwortlichen zurückzuweisen .
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.