JudikaturDSB

2022-0.442.409 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Text

GZ: 2022-0.442.409 vom 22. Juni 2022 (Verfahrenszahl: DSB-D124.4479)

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des mj. Fabian A*** (Beschwerdeführer), vertreten durch Mag. Ursula A***, vom 22. Juli 2021 gegen die Leiterin der Volksschule N*** (Beschwerdegegnerin) wegen behaupteter Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt , dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch das Anfertigen eines Lichtbildes am 20. Mai 2021 im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen .

Rechtsgrundlagen : Art. 2, Art. 4, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 1 Abs. 1, 2, 13, 17 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 4 und Abs. 7, 47, 51 Abs. 1 und Abs. 3, 56 Abs. 1 bis Abs. 4, 61 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 62 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 idgF; § 1 Abs. 2 Z 2 der Schulveranstaltungenverordnung 1995 (SchVV), BGBl. Nr. 498/1995 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Mit Eingabe vom 22. Juli 2021 behauptete der mj. Beschwerdeführer , vertreten durch dessen Mutter und gesetzliche Vertretungsbefugte, eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und brachte zusammengefasst wie folgt vor:

Eine an der von der Beschwerdegegnerin geleiteten Volksschule tätige Lehrerin habe während des Unterrichts ein Foto des Beschwerdeführers mittels Handykamera angefertigt und anschließend per „WhatsApp“ übermittelt, um dessen angeblich unangemessenes Verhalten zu dokumentieren. Diese Vorgehensweise sei auch von anderen Eltern berichtet worden. Darüber hinaus sei ein „Soziogramm" der gesamten Klasse, somit auch des Beschwerdeführers, erstellt worden. Bei einem Gespräch in der zuständigen Bildungsdirektion mit der betroffenen Lehrerin, der Beschwerdegegnerin, Elternvertretung und Personal der Bildungsdirektion habe sich herausgestellt, dass dies nicht anonymisiert durchgeführt worden sei. Die Lehrerin habe die von ihr interpretierten Ergebnisse auszugsweise vorgestellt, wobei der Beschwerdeführer von anderen (namentlich genannten) Schülern als „sozial unverträglich“ eingestuft worden sei. Ein vom Beschwerdeführer während des Unterrichts verfasster Tagebucheintrag zu einem Vorfall in der Klasse sei von der Lehrerin gelesen worden. All diese Verarbeitungstätigkeiten seien den Erziehungsberechtigten des Beschwerdeführers nicht angezeigt worden. Insbesondere sei seitens des Beschwerdeführers bzw. dessen gesetzlichen Vertretern keine diesbezügliche Einwilligung erteilt worden. Es entziehe sich daher auch deren Kenntnis, ob die Ergebnisse der Verarbeitungen an Dritte übermittelt bzw. offengelegt oder wie lange diese von der Klassenlehrerin auf deren Handy weiterhin gespeichert bzw. archiviert werden bzw. worden seien.

2. Mit Erledigung vom 27. Juli 2021 forderte die Datenschutzbehörde die Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme auf.

3. Mit Eingabe vom 26. August 2021 brachte die Beschwerdegegnerin wie folgt vor:

Die besagte Klassenlehrerin habe am 20. Mai 2021 ein Foto des Beschwerdeführers angefertigt und dieses der Mutter und Vertreterin im vorliegenden Verfahren per „WhatsApp“ geschickt. Hintergrund sei ein Vorfall am Vortag gewesen, wonach die Mutter des Beschwerdeführers der Lehrerin vorgeworfen habe, sie lasse den Beschwerdeführer nicht essen. Das Foto sei als „Beweis“ angefertigt worden, um diese Vorwürfe zu entkräften. Das Foto zeige den Beschwerdeführer beim Essen nach der dafür vorgesehenen Pause. Die ursprüngliche Idee der Nutzung von „WhatsApp“ als Kommunikationsmittel sei auf Bitte der Eltern während der Zeit des pandemiebedingten „Lock-Downs“ an Stelle des Elternheftes von der Lehrerin verwendet worden. Der Beschwerdegegnerin sei diese Verwendung erst am 15. April 2021 bekannt geworden, woraufhin dies (wiederholt) ausdrücklich untersagt worden sei und erneut darauf hingewiesen worden, dass dies gegen eine ausdrückliche Weisung vom Frühjahr 2020 verstoße. Zum „Soziogramm“ werden festgehalten, dass dies von der Klassenlehrerin angefertigt worden sei, nachdem die Mutter des Beschwerdeführers eine andere Sitzordnung in der Klasse begehrt habe. Die Lehrerin habe dabei die Kinder anonymisierte Fragebögen zum „Klassenklima“ beantworten lassen. Dies ermögliche das (objektivierte) Ablesen von Freundschaftskonstellationen. Eine Auswertung (in diesem Fall: zur Wahl eines Lieblingssitznachbarn) sei nur durch Zuordnung zu einem Verfasser bzw. einer Verfasserin möglich gewesen. Dafür habe die Klassenlehrerin einen Zahlencode verwendet, der nur von ihr selbst einem Kind zugeordnet werden könne. Die Auswertung sei händisch in einem Kreisdiagramm (Soziogramm) dargestellt worden. Auf dem der Eingabe an die Datenschutzbehörde beigelegten Kopie des Originals seien die Namen jedoch – aus Gründen des Datenschutzes – geschwärzt worden. Der Tagebucheintrag des Beschwerdeführers stehe im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem traumatischen Vorfall innerhalb der Klasse, der in Zusammenarbeit mit der zuständigen Schulpsychologin mit den Kindern aufgearbeitet werden musste und diente daher der „Aufarbeitungs-Hilfe“ durch die Niederschrift von Vorfällen und Emotionen. Darüber hinaus seien keine weiteren Daten zum Beschwerdeführer verarbeitet worden. Am Beginn der Volksschulzeit habe sich die Mutter und Vertreterin des Beschwerdeführers mit der Verarbeitung von Fotos und persönlichen Daten des Beschwerdeführers einverstanden erklärt. Auch diese Einverständniserklärung war – neben einer Kopie des „Soziogramms“ – der Beschwerde beigelegt.

4. Mit Erledigung vom 16. September 2021 forderte die Datenschutzbehörde die Beschwerdegegnerin zur ergänzenden Stellungnahme auf.

5. Mit Eingabe vom 18. September 2021 bestätigte die Beschwerdegegnerin , dass die betroffene Klassenlehrerin alle Fotos des Beschwerdeführers gelöscht habe. Auch habe die Beschwerdegegnerin die Fotos des Beschwerdeführers auf der Homepage der Schule gelöscht. Das „Soziogramm“ sei nur handschriftlich (nicht digitalisiert) aufgezeichnet worden, überdies nur für die Klassenlehrerin in Bezug auf das soziale Klassenklima relevant sowie verständlich.

6. Mit Erledigung vom 6. Oktober 2021 gewährte die Datenschutzbehörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör.

7. Mit Eingabe vom 18. Oktober 2021 brachte der mj. Beschwerdeführer , vertreten durch dessen Mutter und gesetzliche Vertretungsbefugte, vor, dass es betreffend die Fotos darum gehe, dass von der Klassenlehrerin Fehlverhalten von Kindern mittels Bild bzw. Video auf ihrem Telefon dokumentiert und entweder via WhatsApp an den jeweiligen Elternteil übermittelt bzw. diesen bei Gesprächen vorgespielt worden sei. In seinem Fall handle es sich um die Bildübermittlung am 20. Mai 2021. Die Einverständniserklärung für Erinnerungsfotos und die Übermittlung von Informationen bestehe ausdrücklich weiterhin, nicht jedoch für das Anfertigen von diffamierenden Fotos. Den Eltern des Beschwerdeführers seien die „Soziogramme“ beim Gespräch in der Bildungsdirektion präsentiert worden. Die behauptete sofortige Vernichtung könne daher nicht den Tatsachen entsprechen. Der Beschwerdeführer habe betreffend den Tagebucheintrag zwei Sätze selbst verfasst und nach vehementer Aufforderung von der Klassenlehrerin gemeinsam mit einer weiteren Lehrkraft (nicht der Klassenlehrerin) weitere Sätze zum Vorfall niedergeschrieben.

8. Mit Erledigung vom 19. Oktober 2021 forderte die Datenschutzbehörde die Beschwerdegegnerin erneut zur Stellungnahme auf.

9. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2021 verwies die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen auf ihr bisherigen Vorbringen, insbesondere darauf, dass die Klassenlehrerin am besagten Tag ein einziges Bild des Beschwerdeführers angefertigt habe und dies ausschließlich als Erklärung an die Mutter und Vertreterin im vorliegenden Verfahren übermittelt habe. Diese habe damals vor dem Schulgebäude gewartet, da sie als Begleitperson in den Wald mitgegangen sei. Da der Beschwerdeführer aber zu essen begonnen habe, habe die Klassenlehrerin durch das Anfertigen und anschließenden Übermittlung des Bildes über den Grund der zeitlichen Verzögerung informieren wollen. Der Tagebucheintrag des Beschwerdeführers sei nicht von der Beratungslehrerin in Auftrag gegeben worden und habe diese lediglich einen Teil davon überflogen. Anschließend habe sie mit der Klasse Gespräche zur Aufarbeitung „des Vorfalls“ geführt.

10. Mit Erledigung vom 28. Oktober 2021 gewährte die Datenschutzbehörde dem Beschwerdeführer erneut Parteiengehör.

11. Mit Eingabe vom 15. November 2021 führte der Beschwerdeführer , vertreten durch dessen Mutter und gesetzliche Vertretungsbefugte, aus, dass die Einverständniserklärung keinesfalls für das Anfertigen von Bildmaterial zur „Beweisführung“ oder/und als pädagogische Maßnahme gegeben worden sei. Der Beschwerdeführer sei das einzige Kind, von welchem Bildmaterial in solchen Situationen angefertigt worden sei. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit so weitreichenden Konsequenzen (insb. in Bezug auf das „Soziogramm“), welche zur Isolation des Beschwerdeführers führe, erscheine sonderbar. Insbesondere habe die Vertretungsbefugte keine Informationen über bspw. die Aufbewahrungsdauer erhalten.

B. Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand ist die Frage, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem die Klassenlehrerin des Beschwerdeführers ein Lichtbild sowie ein „Soziogramm“ angefertigt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Bei dem Beschwerdeführer handelte es sich im verfahrensrelevanten Zeitpunkt (konkret: Mai 2021) um ein minderjähriges Kind im Volksschulalter. Die Vertreterin im vorliegenden Verfahren ist dessen Mutter und gesetzlich Obsorgeberechtigte.

2. Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um die Leiterin der Volksschule N***, B***–Gasse 1* in *031 D****, bei welcher es sich gleichzeitig um die vom Beschwerdeführer im verfahrensrelevanten Zeitpunkt besuchte Schule handelte.

3. Am 20. Mai 2021 fertigte eine an der genannten Schule tätige Lehrerin, welche die Klassenlehrerin des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt war, während der Unterrichtszeit bzw. im Rahmen einer Schulexkursion mittels Handykamera ein Bild des Beschwerdeführers an und übermittelte dies anschließend per „WhatsApp“ an die Mutter des Beschwerdeführers. Das Foto wurde bis zum Ende des vorliegenden Verfahrens seitens der Lehrerin gelöscht und darüber hinaus auch nicht an Dritte weitergegeben. Der Beschwerdeführer ist auf dem genannten Bild deutlich erkennbar und zeigt diesen bei der Essenseinnahme zum Zeitpunkt des Beginns der Schulexkursion. Zu diesem Zeitpunkt gab es seitens der Beschwerdegegnerin eine (aufrechte) Anordnung, welche den Bediensteten die Verwendung des genannten Messaging-Dienstes (WhatsApp), nicht aber das Anfertigen von Fotos der Kinder, untersagte.

4. Hintergrund der Lichtbildanfertigung (Punkt C.3.) waren zeitlich vorgelagerte Uneinigkeiten der Klassenlehrerin und der Mutter des Beschwerdeführers betreffend den Zeitpunkt der Essenseinnahme durch den Beschwerdeführer bzw., ob die Klassenlehrerin diesem die Essenseinnahme gänzlich verbiete.

5. Am 13. September 2018 unterfertige die Mutter und gesetzlich Obsorgeberechtigte des Beschwerdeführers bei der Beschwerdegegnerin folgendes Schriftstück:

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass Fotos aus dem Schulalltag, auf denen möglicherweise auch mein Kind zu sehen ist, auf unserer Schulhomepage im Internet oder in Zeitungen veröffentlicht werden.

Die Fotos zeigen Kinder beim Spielen, beim Arbeiten, in der Freizeit, bei Festen,…

Auf der Homepage werden keine Bilder mit vollständigen Namen der Kinder

veröffentlicht!

Familienname des Kindes: A*** 1A

Vorname des Kindes: Fabian

Datum: 13.9.2018

Unterschrift: Ursula A***

Ich, Ursula A*** , stimme ausdrücklich zu, dass

meine persönlichen und die personenbezogenen Daten meines Kindes

Fabian A*** von der Volksschule N***, B***–Gasse 1*

in *031 D**** verarbeitet und verwaltet werden.

Die Zustimmungserklärung kann jederzeit schriftlich mittels eines Briefes an die Schulleitung der Volksschule N*** widerrufen werden. Durch den Widerruf wird die Rechtmäßigkeit der bis dahin erfolgten Verarbeitung nicht berührt.

N***, 13 . September 2018 Ursula A***

Beweiswürdigung : Die zu den Punkten C.1. – C.5. getroffenen Feststellungen beruhen auf übereinstimmendem und insofern unstrittigen Vorbringen der Parteien sowie auf den durch diese vorgelegten Unterlagen.

6. Die Klassenlehrerin des Beschwerdeführers fertigte eine handschriftliche Notiz bzw. Zeichnung an, die der graphischen Darstellung der Beziehungen innerhalb des Klassenverbandes des Beschwerdeführers und in weiterer Folge der Sitzordnungsgestaltung dienten. Der Beschwerdeführer wurde in diesem Zusammenhang namentlich genannt sowie dessen Beziehung durch farbliche Verbindungslinien (abhängig von der Anzahl der Nennung durch die anderen Kinder) dargestellt (in weiterer Folge: „Soziogramm“).

7. Die Mutter bzw. die Obsorgeberechtigten des Beschwerdeführers haben von dem genannten Soziogramm durch ein Gespräch in der zuständigen Bildungsdirektion Kenntnis erlangt.

Beweiswürdigung : Die zu Punkt C.6. getroffene Feststellung beruht auf dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdegegnerin (bzw. der Stellungnahme der Klassenlehrerin) sowie auf den vorgelegten Unterlagen, deren Echtheit vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden ist. Die Feststellung unter Punkt C.7. beruht auf dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers (bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Allgemeines

D.1.1. Zum minderjährigen Beschwerdeführer

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass Personen, die nicht prozessfähig sind, durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teilnehmen. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden daher grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten (vgl. VwGH vom 25. Februar 2016, Ra 2016/19/0007).

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim geltend gemachten Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG um ein höchstpersönliches Recht handelt (vgl. ganz allgemein das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und des Privat- und Familienlebens § 1 DSG, DSGVO iVm Art. 8 EU-GRC bzw. Art. 8 EMRK sowie OGH vom 11. Oktober 2010, 6 Ob 112/10d in Bezug auf § 26 DSG 2000).

Vor dem Hintergrund des besonderen Schutzanspruches von Kindern – sinngemäß ableitbar aus Art. 8 bzw. ErwGr. 38 der DSGVO, aus Art. 24 EU-GRC sowie dem BVG Kinderrechte – vertritt die Datenschutzbehörde in ihrer ständigen Spruchpraxis die Ansicht, dass die Vertretungsmöglichkeit in datenschutzrechtlichen Fragen ein am Wohl der Minderjährigen ausgerichtetes Handeln des gesetzlichen Vertreters erfordert.

Im gegenständlichen Fall liegen keine Anhaltspunkte dahingehend vor, dass das Einschreiten der Mutter als gesetzliche Vertreterin den Interessen oder gar dem Willen des Beschwerdeführers (vgl. § 138 Z 6 ABGB) widerspricht, sondern verfolgt die gesetzliche Vertreterin – unabhängig von der tatsächlichen Wirksamkeit ihres Handelns – vielmehr die Wahrung der (datenschutzrelevanten) Rechte ihres Kindes (Z 11 leg. cit.), insbesondere in Bezug auf das Anfertigen von Lichtbildern.

In einem Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Vertretungsbefugnis der Mutter im gegenständlichen Verfahren als gegeben erachtet werden kann.

D.1.2. Zur Verantwortlichkeit der Beschwerdegegnerin

Auch wenn verfahrensgegenständlich eine Verletzung von § 1 DSG (und somit des Datenschutzgesetzes) moniert worden ist, kann sinngemäß auf die Bestimmungen der DSGVO, insbesondere Art. 4 Z 7 zurückgegriffen werden, wonach „Verantwortlicher“ jene natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle ist, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet .

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, wurden die konkret in Frage stehenden Verarbeitungsvorgänge (Anfertigen der Lichtbilder, Erstellung des Soziogrammes) zwar durch die Klassenlehrerin als natürliche Person vorgenommen.

Nach herrschender Literatur (vgl. etwa Kühling/Buchner in Datenschutz-Grundverordnung (2017), Art. 4 Rz. 9-10) und Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis des BVwG vom 27. April 2022, GZ: W214 2237072-1) sind Handlungen einer einzelnen natürlichen Person – sofern sie für eine Organisation oder andere Stelle tätig wird – dieser jedoch in der Regel als verantwortliche Stelle (aus datenschutzrechtlicher Sicht) zuzurechnen.

Sowohl das Anfertigen des Lichtbildes des Beschwerdeführers iZm einer Schulexkursion (vgl. 51 Abs. 3 SchUG) als auch das Erstellen des Soziogrammes als Teil der Unterrichtsgestaltung (vgl. § 51 Abs. 1 SchUG) ist als Erfüllung dienstlicher (Lehrerinnen-)Pflichten zu qualifizieren und entsprechend den nachfolgenden Ausführungen zuzurechnen.

Bereits nach der Spruchpraxis der Datenschutzkommission war davon auszugehen, dass im Bereich der Schulen, die selbst nur „unselbständige Anstalten“ sind, die Schulleiterin (nach alter Rechtslage „Auftraggeberin“) datenschutzrechtliche Verantwortliche ist (Bescheid der DSK vom 20. Juni 2008, GZ K600.055-001/0002-DVR/2008, abrufbar im RIS).

An dieser Rechtsansicht hat sich insofern nichts geändert, als dass § 56 SchUG weiterhin die Leiterin bzw. den Leiter als entscheidungsbefugtes Organ auf Ebene der einzelnen Schule benennt.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hielt betreffend die Verantwortlichkeit im schulischen Bereich (konkret: Leistungsbeurteilung) fest, dass die Unterrichts- und Erziehungsarbeit (§ 17 Abs. 1 SchUG) durch einen einzelnen Lehrer – ungeachtet einer gewissen funktionalen Selbständigkeit, etwa durch eigene Aufzeichnungen desselben – stets in organisatorische Einordnung in die Schule und unter Dienst- und Fachaufsicht des Schulleiters (§ 56 SchUG) zu erfüllen sei. Vor dem Hintergrund eines in der Regel vielköpfigen Lehrkörpers wäre die Annahme der selbstständigen datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit eines einzelnen Lehrers schon aus Zweckgründen verfehlt und obliege die (maßgebliche) Gestaltung des datenschutzrechtlichen Rahmens (etwa durch schulische Weisungen) und somit letztlich die Verantwortlichkeit nach Art. 4 Z 7 DSGVO dem Leiter der jeweiligen Schule (vgl. das Erkenntnis des BVwG vom 30. September 2020, GZ: W274 2225135-1).

Auch wenn im Rahmen der verfahrenseinleitenden Eingabe grundsätzlich die Volksschule selbst und nicht die Beschwerdegegnerin (als Leiterin derselben) bezeichnet worden ist, war vor diesem Hintergrund sowie aufgrund der Tatsache, dass die darauffolgenden Stellungnahmen stets durch die Beschwerdegegnerin selbst als Leiterin der Volksschule ergingen, diese als Verantwortliche (und Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren) zu qualifizieren (vgl. hierzu auch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2020, GZ W274 2220424-1/3, wonach je nach Ermittlungsergebnis eine amtswegige Berichtigung der Parteienbezeichnung zu erfolgen hat, sollte sich die durch den Beschwerdeführer Gewählte als verfehlt darstellen).

D.2. In der Sache

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.

Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig.

Eingriffe einer staatlichen Behörde sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig (§ 1 Abs. 2 DSG).

D.2.1. Zu dem angefertigten Lichtbild (Spruchpunkt 1)

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, wurde das verfahrensgegenständliche Lichtbild im Zuge einer Schulexkursion und somit während des aufrechten Schulunterrichts aufgenommen.

Hierzu ist eingangs zu erwähnen, dass sich die vorliegende Beschwerde ausdrücklich auf das Anfertigen des Lichtbildes , nicht aber auf die Übermittlung per WhatsApp, bezog , womit auf die von der Beschwerdegegnerin ins Treffen geführte „Anordnung“ (vgl. Punkt C.3.) auch nicht weiter einzugehen war (vgl. zur Begrenzung des Beschwerdegegenstandes das Erkenntnis des BVwG vom 15. Oktober 2021, GZ: W211 2233114-1/9E).

Bei einer Schulexkursion handelt es sich um eine Schulveranstaltung iSd. § 13 SchUG iVm. § 1 Abs. 2 Z 2 SchVV, welche der Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichtes dient und somit von den Aufsichtspflichten des jeweiligen Lehrers bzw. der Lehrerin (§ 51 Abs. 3 SchUG) bzw. im weiteren Sinne des Leiters bzw. der Leiterin (vgl. § 56 Abs. 4 SchUG) mitumfasst ist.

Die Datenschutzkommission hat im Zusammenhang mit der Videoüberwachung an einer Schule ausgesprochen, dass diese - sofern sie der Aufsichtsführung über Schüler dient - Teil der verpflichtenden Erziehungsarbeit ist, womit sie als „hoheitliche“ Datenverarbeitung einer ausdrücklichen, hinreichend determinierten gesetzlichen Ermächtigung bedarf (Bescheid der DSK vom 20. Juni 2008, K600.054-001/0002-DVR/2008, abrufbar im RIS).

Diese Spruchpraxis kann sinngemäß auf den vorliegenden, weitaus gleich gelagerten Fall übertragen werden.

Insofern war auch auf das Vorbringen, die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers hätte eine „Einverständniserklärung“ (offenbar gemeint: Zustimmungserklärung iSd. § 1 Abs. 2 DSG) erteilt (vgl. Punkt C.5.), aufgrund der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage und damit zusammenhängenden Untauglichkeit dieses Erlaubnistatbestandes nicht weiter einzugehen.

Wie bereits festgehalten, erfolgt seitens der betroffenen Klassenlehrerin zwar weder – mit Ausnahme der Mutter des Beschwerdeführers – eine Offenlegung gegenüber Dritten, noch eine dauerhafte Speicherung (vgl. Punkt C.3., wonach das Lichtbild vor Abschluss des Verfahrens gelöscht worden ist), wodurch womöglich von einer geringeren, nicht aber gänzlich entfallenden Schutzwürdigkeit der Daten des Beschwerdeführers auszugehen war.

Betreffend gesetzlicher Erlaubnistatbestand kommen insbesondere die Bestimmungen des SchUG in Betracht, welches einerseits verschiedene Pflichten des Lehrpersonals, andererseits Informationsrechte der Erziehungsberechtigten vorsehen.

Laut § 51 Abs. 1 und Abs. 3 leg. cit. ist die Hauptaufgabe des Lehrers bzw. der Lehrerin die Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Er bzw. sie hat die Schülerinnen und Schüler bei allen Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulhauses zu beaufsichtigen (§ 51 Abs. 1 und Abs. 3 SchUG).

Im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler hat der Lehrer in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können (§ 47 Abs. 1 leg. cit.). Wenn es die Erziehungssituation eines Schülers erfordert, haben der Klassenvorstand oder der Schulleiter das Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten zu pflegen (§ 48 leg. cit.).

Daneben normiert § 62 Abs. 1 leg. cit., dass Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte eine möglichst enge Zusammenarbeit in allen Fragen der Erziehung und des Unterrichtes der Schüler zu pflegen haben und zu diesem Zweck Einzelaussprachen und gemeinsame Beratungen zwischen diesen zu führen sind.

Gemäß § 19 Abs. 1 leg. cit. sind die Erziehungsberechtigten von der Beurteilung der Leistungen der Schülerin oder des Schülers durch Schulnachrichten in Kenntnis zu setzen . Darüber hinaus ist den Erziehungsberechtigten Gelegenheit zu Einzelaussprachen zu geben. Gemäß Abs. 1a leg. cit. sind an Volksschulen darüber hinaus regelmäßig Gespräche zwischen Lehrerin oder Lehrer, Erziehungsberechtigten und Schülerin oder Schüler vorzusehen. Die Verständigungen gemäß diesen Bestimmungen haben ausschließlich Informationscharakter.

Gesetze, mit denen die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine staatliche Behörde für zulässig erklärt wird, müssen den Eingriffszweck hinreichend genau umschreiben und präzise regeln , unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten zur Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben verarbeitet werden dürfen ( Grabenwarter/Frank , B-VG § 1 DSG Rz. 5 unter Verweis auf VfSlg. 18.146/2007).

Vor dem Hintergrund dieser Literatur bzw. Judikatur kann für den vorliegenden Fall festgehalten werden, dass alleine aus der (regelmäßigen) Informationsverpflichtung gegenüber Erziehungsberechtigten über bestimmte Tatsachen und Verhaltensweisen ihrer Kinder zweifelsohne keine Verarbeitungsermächtigung der Beschwerdegegnerin (bzw. des ihr unterstellten Lehrpersonals) abgeleitet werden kann. Die genannten Bestimmungen sehen diesbezüglich regelmäßige Gespräche bzw. Aussprachen, jedoch keine – ausdrückliche oder implizite – Verarbeitung von Daten (insb. nicht in der Form von Lichtbildern) vor.

Darüber hinaus ist noch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdegegnerin zu keinem Zeitpunkt vorbrachte oder sich diesbezügliche Anhaltspunkte ergaben, dass das angefertigte Lichtbild der (formellen) Entkräftung allfälliger Vorwürfe iZm. der Schul- oder Dienst- bzw. Fachaufsicht durch die zuständige Behörde (Bildungsdirektion) dienen würde oder diente.

Mangels ausreichend gesetzlich determinierten Rechtsgrundlage iSv. § 1 Abs. 2 DSG war der Beschwerde daher in diesem Punkt stattzugeben . Da das verfahrensgegenständliche Lichtbild jedoch – wie festgestellt – bereits gelöscht worden war, erübrigte sich ein diesbezüglicher Leistungsauftrag nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO.

D.2.2. Zu dem angefertigten Soziogramm (Spruchpunkt 2)

Hier ist eingangs darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorliegenden Soziogramm zwar aufgrund der namentlichen Nennung des Beschwerdeführers – somit aufgrund dessen Identifizierbarkeit – um personenbezogene Daten handelt, die DSGVO aber mangels (teilweiser) automatisierter Verarbeitung keine Anwendung findet (Art. 2 Abs. 1 leg. cit.).

Demgegenüber spielt es im Hinblick auf eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung (bzw. sonstiger Rechte und Pflichten nach dem DSG) keine Rolle, auf welche Weise Daten verarbeitet werden; folglich sowohl handschriftliche, als auch mündliche Mitteilung eine Verletzung dieser Bestimmung bewirken können (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2018, Ra 2015/04/0087 sowie den Bescheid der DSB vom 10. September 2018, GZ: DSB D123.098/0003 DSB/2018).

Wie den Feststellungen bzw. dem Parteienvorbringen zu entnehmen ist, diente das Anfertigen des Soziogrammes der Gestaltung der Sitzordnung innerhalb der Klasse des Beschwerdeführers und handelt es sich daher zweifelsohne um einen geradezu zentralen, integralen Bestandteil der Unterrichts- und Erziehungsarbeit durch die zuständige Klassenlehrerin iSv. §§ 17 Abs. 1 und 51 Abs. 1 SchUG.

Eine überschießende bzw. unverhältnismäßige Verarbeitung wurde vom Beschwerdeführer weder vorgebracht noch ergaben sich diesbezügliche Anhaltspunkte.

Folglich war die in Frage stehende Verarbeitung durch eine ausreichend gesetzlich determinierte Rechtsgrundlage iSv. § 1 Abs. 2 DSG gedeckt und die Beschwerde in diesem Punkt gemäß § 24 Abs. 5 DSG abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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