JudikaturDSB

2022-0.332.606 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2022

Text

GZ: 2022-0.332.606 vom 8. Juni 2022 (Verfahrenszahl: DSB-D124.4108)

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Caroline A*** (Beschwerdeführerin), vertreten durch die B*** Rechtsanwälte OG, vom 17. Mai 2021 gegen Vera N*** (Beschwerdegegnerin), vertreten durch die C*** Rechtsanwälte OG, wegen 1) Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und 2) Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung wie folgt:

- Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen .

Rechtsgrundlagen : Art. 2 Abs. 2 lit. c der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; § 4 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRC), ABl. Nr. C 202 vom 7.6.2016, S. 389.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

A.1. Mit Eingabe vom 17. Mai 2021 behauptete die Beschwerdeführerin eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie eine unrechtmäßige Datenverarbeitung. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass die Beschwerdegegnerin am 23. April 2021 ein Telefonat aufgezeichnet und diese Aufzeichnung an Dritte weitergeleitet habe.

A.2. Mit Stellungname vom 9. Juli 2021 brachte die Beschwerdegegnerin zusammengefasst vor, dass diese tatsächlich ein Telefonat zwischen ihr und der Beschwerdeführerin aufgezeichnet habe. Die Beschwerdegegnerin sei mit Wolfgang K*** befreundet gewesen. Aus der gemeinsamen Freundschaft war ihr bekannt, dass die Beschwerdeführerin Verfehlungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft zu Wolfgang K*** getätigt habe. Die Beschwerdegegnerin habe sich verpflichtet gefühlt, Wolfgang K*** darüber in Kenntnis zu setzen. Die Informationsweitergabe sei vor dem gegenständlichen Telefonat erfolgt.

A.3. Mit Stellungnahme vom 25. August 2021 brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass der Beschwerdegegnerin auch bekannt gewesen sei, dass sie eine Abtreibung hinter sich hatte. Wolfgang K*** habe über die Verfehlungen und die Abtreibung nicht Bescheid gewusst. Die Beschwerdegegnerin habe diese Informationen mündlich an Wolfgang K*** weitergegeben. In Folge habe die Beschwerdegegnerin auch eine Aufzeichnung eines Telefonats an Wolfgang K*** übermittelt. Im Rahmen des Telefonats seien die Verfehlungen der Beschwerdeführerin sowie ihre Abtreibung thematisiert worden.

A.4. Mit Stellungnahmen vom 17. Dezember 2021 und vom 19. April 2021 brachte die Beschwerdegegnerin zusammengefasst vor, dass Wolfgang K*** ein berechtigtes Interesse gehabt habe, über die Umstände informiert zu werden. Neben der mündlichen Mitteilung sei auch eine Aufzeichnung über ein Telefonat übermittelt worden, damit Wolfgang K*** der Beschwerdegegnerin Glauben schenkt. Die Beschwerdegegnerin habe die Aufzeichnung auch an ihre Schwester übermittelt, weil die Beschwerdeführerin mehrfach Kontakt zu dieser aufgenommen habe. Darüber hinaus habe die Beschwerdegegnerin die Aufzeichnungen an Claudia L*** übermittelt, der Ehegattin eines der besten Freunde von Wolfgang K***. Claudia L*** sei die erste Person gewesen, die Wolfgang K*** nach Erhalt der Information über die Verfehlungen der Beschwerdeführerin angerufen habe. Die Beschwerdeführerin habe nach Kenntnis der Tonbandaufzeichnung selbst mehrere Telefonate im Freundeskreis geführt, um ihre Sicht der Dinge den jeweiligen Freunden vorab darzulegen. Auch Wolfgang K*** habe mehrere Personen aus dem gemeinsamen Freundeskreis über die Verfehlungen informiert. Die Beschwerdegegnerin übermittelte zwei Audiodateien an die Datenschutzbehörde.

A.5. Mit Stellungnahmen vom 11. Jänner 2022 und vom 4. Mai 2022 wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

B. Beschwerdegegenstand

Die Beschwerdeführerin hat sich in ihren Eingaben ausdrücklich auf eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG sowie auf eine unrechtmäßige Datenverarbeitung nach Art. 6 und Art. 9 DSGVO gestützt.

Davon ausgehend ergibt sich als Beschwerdegegenstand die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt und gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a iVm Art. 6 DSGVO verstoßen hat, indem sie

a) ein zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin geführtes Telefonat aufgezeichnet hat, in dessen Rahmen Verfehlungen („Seitensprünge“) in einer Lebensgemeinschaft und eine Abtreibung der Beschwerdeführerin thematisiert wurden und

b) diese Aufzeichnung mithilfe des Instant-Messaging-Diensts „WhatsApp“ zumindest an Wolfgang K*** (der ehemalige Partner der Beschwerdeführerin), Claudia L*** (die Ehegattin eines Freundes von Wolfgang K***) und Esther N*** (die Schwester der Beschwerdegegnerin) übermittelt hat.

Zuvor ist jedoch zu prüfen, ob die DSGVO sachlich überhaupt Anwendung findet.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Die Beschwerdeführerin war mit der Beschwerdegegnerin befreundet. Aus dieser Freundschaft war der Beschwerdegegnerin bereits länger bekannt, dass es zu Verfehlungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und Wolfgang K*** gekommen ist. Die Verfehlungen wurden seitens der Beschwerdeführerin begangen. Der Beschwerdegegnerin war auch bekannt, dass die Beschwerdeführerin eine Abtreibung hinter sich hatte.

Die Beschwerdegegnerin hat Wolfgang K*** am 23. April 2021 mündlich über die Verfehlungen der Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt wusste Wolfgang K*** über die Verfehlungen und die Abtreibung nicht Bescheid.

Darüber hinaus zeichnete die Beschwerdegegnerin am 23. April 2021 mit einem Smartphone ein Telefonat auf, das mit der Beschwerdeführerin geführt wurde. Es handelt sich um zwei Audiodateien. Im Rahmen des Telefonats wurden die Verfehlungen („Seitensprünge“) der Beschwerdeführerin sowie ihre Abtreibung thematisiert. Im Anschluss übermittelte die Beschwerdegegnerin die Aufzeichnung mithilfe des Instant-Messaging-Diensts „WhatsApp“ an Wolfgang K***. Der Beschwerdeführerin war nicht bewusst, dass das Telefonat aufgezeichnet wurde. Die beiden Audiodateien werden den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt.

Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin die genannte Aufzeichnung an Claudia L*** übermittelt. Claudia L*** war die Ehegattin eines Freundes von Wolfgang K***. Wolfgang K*** hat Claudia L*** nach Erhalt der Information über die Verfehlungen angerufen. Laut Angabe der Beschwerdegegnerin habe sich Claudia L*** bei der Beschwerdegegnerin über die Aufzeichnung erkundigt.

Schließlich hat die Beschwerdegegnerin die genannte Aufzeichnung an ihre Schwester, Esther N***, weitergegeben. Laut Angabe der Beschwerdegegnerin habe die Beschwerdeführerin Esther N***mehrfach telefonisch kontaktiert, um den Vorfall zu besprechen.

Die Beschwerdeführerin hat für die Anfertigung und Übermittlung der genannten Aufzeichnung keine Einwilligung abgegeben.

Beweiswürdigung : Die Feststellungen ergeben sich aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin und sind unstrittig. So hat die Beschwerdegegnerin insbesondere die mündliche Mitteilung sowie die darauffolgende Anfertigung und Übermittlung der Gesprächsaufzeichnung ausdrücklich eingeräumt.

Die in den Sachverhaltsfeststellungen genannten Audiodateien wurden im Rahmen der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 17. Dezember 2021 vorgelegt (AUDIODATEI-XYZ) und liegen dem Akt bei. Der Inhalt der Audiodateien ist den Parteien bekannt.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung

a) Zur „Haushaltsausnahme“ der DSGVO

Zu überprüfen ist zunächst, ob der vorliegende Sachverhalt vom sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO (und in Folge des DSG) erfasst ist:

Gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. c findet die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten (umgangssprachlich auch als „Haushaltsausnahme“ oder „Bagatellklausel“ bezeichnet).

Die Normierung der Haushaltsausnahme stellt eine Abwägungsentscheidung des Unionsgesetzgebers in Bezug auf das in Art. 8 EU-GRC primärrechtlich festgelegte Recht auf Schutz personenbezogener Daten dar. Gemäß Art. 52 Abs. 1 EU-GRC müssen Einschränkungen der durch sie gewährleisteten Rechte und Freiheiten daher entsprechend gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten.

Als Abgrenzungskriterium gilt das Fehlen jeglichen Bezugs zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit. Das zentrale Kriterium für die Anwendbarkeit der „Haushaltsausnahme“ – und damit für die Nichtanwendbarkeit der DSGVO – ist die Zurechenbarkeit der Datenverarbeitung zum privaten Bereich (vgl. Heißl in Knyrim [Hrsg.], DatKomm Art. 2 DSGVO, Rz. 70).

Hierbei gilt es zu beachten, dass sich die Ausdrücke „persönlich“ und „familiär“ auf die Tätigkeit der Person, die personenbezogene Daten verarbeitet, und nicht auf die Person, deren Daten verarbeitet werden, beziehen. (vgl. das Urteil des EuGH vom 10. Juli 2018, C-25/17 Rz. 41 mwN).

Der Begriff der „Familie“ ist dabei nicht streng familienrechtlich auszulegen, sondern umfasst unabhängig von Ehe und Kindschaft auch weitere, von der Verkehrsanschauung als „familiär“ bezeichnete Beziehungen . Insofern ist es unerheblich, ob eine förmliche Bindung besteht oder ob persönliche Beziehungen auf rein informellerer Basis bestehen (vgl. Ernst in Paal/Pauly [Hrsg.], Datenschutz-Grundverordnung. Kommentar, Art. 2, Rz. 18; vgl. das Urteil des OGH vom 23. Juni 2021, 6 Ob 56/21k, wonach auch bloß „lose Bekanntschaften“ in Form von nicht näher bekannten „Facebook Freunden“ der Anwendung der „Haushaltsausnahme“ nicht entgegenstehen, sofern es sich um ein privates Facebook-Profil handelt und dieses nicht zu beruflichen oder wirtschaftlichen Zwecken verwendet wird).

Die DSGVO selbst nennt diesbezüglich etwa das Führen eines Schriftverkehrs oder die Nutzung sozialer Netze und Online-Tätigkeiten im Rahmen einer persönlichen oder familiären Tätigkeit (vgl. ErwGr. 18 DSGVO). Dies gilt allerdings nur insoweit, als Daten in geschlossenen Gruppen ausgetauscht werden, die keinen Bezug zu beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeiten der Nutzer haben (vgl. Ennöckl in Sydow [Hrsg.], Europäische Datenschutzgrundverordnung. Handkommentar, Art. 2, Rz. 13; vgl. auch das zuvor zitierte Urteil des EuGH vom 10. Juli 2018, C-25/17, Rz. 42 mwN., wonach eine Tätigkeit dann „ nicht als ausschließlich persönlich oder familiär im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden [kann] , wenn sie zum Gegenstand hat, personenbezogene Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich zu machen, oder wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet “).

Ausgehend von dieser Judikatur des EuGH hat der OGH bereits festgehalten, dass eine Datenverarbeitung im Zusammenhang mit einem privaten Facebook-Profil, welches in keiner Verbindung zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit steht, von der „Haushaltsausnahme“ erfasst ist (vgl. das zuvor zitierte Urteil des OGH vom 23. Juni 2021, 6 Ob 56/21k).

Demzufolge gilt die „Haushaltsausnahme“ auch für die ausschließlich private Nutzung von Diensten wie WhatsApp, sofern damit keine uneingeschränkte Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet einhergeht (vgl. Bergauer in Jahnel [Hrsg.], DSGVO. Kommentar, Art. 2, Rz. 27).

b) In der Sache

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeuten diese Überlegungen Folgendes:

Wie festgestellt, hat die Beschwerdegegnerin die gegenständliche Aufzeichnung mithilfe des Instant-Messaging-Diensts „WhatsApp“ einem geschlossenen und begrenzten Personenkreis – nämlich Wolfgang K*** (der ehemalige Partner der Beschwerdeführerin), Claudia L*** (die Ehegattin eines Freundes von Wolfgang K***) und Esther N*** (die Schwester der Beschwerdegegnerin) – übermittelt.

Trotz umfangreichen Ermittlungsverfahrens sind keine Anhaltspunkte vorhanden, dass diese Datenverarbeitung in irgendeiner Verbindung mit einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit steht.

Die Beschwerdegegnerin hat überzeugend dargelegt, dass die Aufzeichnung nur angefertigt und in Folge an die genannten Personen übermittelt wurde, um den Beweis für die – wie diese es genannt hat – „Verfehlungen der Beschwerdeführerin“ zu erbringen.

Ob es sich im Verhältnis zwischen Beschwerdegegnerin und Wolfgang K*** um eine Freundschaft handelte oder – wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht – lediglich um eine „lose Bekanntschaft“, kann dahingestellt bleiben (vgl. erneut das zuvor zitierte Urteil des OGH vom 23. Juni 2021, 6 Ob 56/21k und die obigen Überlegungen).

Maßgeblich ist, dass es sich bei der hier relevanten Datenverarbeitung um eine ausschließlich private Angelegenheit innerhalb eines eingegrenzten Bekanntenkreises handelt.

c) Zusammenfassung und Ergebnis

Die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit c DSGVO ist anwendbar , da die Anfertigung und Übermittlung der gegenständlichen Aufzeichnung mithilfe von „Whatsapp“ an individuell bestimmte Empfänger (und nicht an einen unbestimmten bzw. unbegrenzt öffentlichen Adressatenkreis) anlässlich eines im persönlichen Rahmen geführten Schriftverkehrs durchgeführt wurde.

Da die Verordnung nicht anwendbar ist, kann folgerichtig auch keine Verletzung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a iVm Art. 6 DSGVO vorliegen.

D.2. Recht auf Geheimhaltung

a) Verhältnis von § 1 Abs. 1 DSG und Art. 2 Abs. 2 DSGVO

Im nächsten Schritt ist auf das Verhältnis zwischen DSGVO und dem DSG in Bezug auf die in Art. 2 Abs. 2 DSGVO genannten Ausnahmetatbestände einzugehen.

Nach Art. 16 Abs. 2 AEUV besteht eine Unionskompetenz zur Erlassung von Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen.

Soweit daher ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich von Art. 8 EU-GRC fällt, haben allfällige verfassungsgesetzliche Bestimmungen, die dieselbe Garantie bieten, im Umfang dieser Übereinstimmung „ruhend in Kraft“ zu bleiben und richtet sich die Beurteilung ausschließlich nach der unionsrechtlichen Bestimmung (vgl. dazu jüngst den Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2019, GZ 1 BvR 276/17, Rz 47 ff; vgl. dazu weiters VfSlg. 19.632/2012, wo der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass er im Falle der Übereinstimmung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten mit der EU-GRC letztere als Kontrollmaßstab heranzieht).

Im vorliegenden Fall kann nicht gesagt werden, dass der Schutzbereich von § 1 DSG über jenen von Art. 8 EU-GRC hinausgeht, sodass § 1 Abs. 1 DSG gar nicht zur Anwendung gelangt.

Aber selbst, wenn man einen Anwendungsfall des § 1 DSG erblicken würde, wäre der Beschwerde kein Erfolg beschieden:

Die (einfachgesetzliche) Bestimmung des § 4 Abs. 1 DSG erklärt neben dem DSG die DSGVO für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden, für anwendbar, ohne konkret auf die Ausnahmetatbestände in Art. 2 Abs. 2 DSGVO Bezug zu nehmen.

Diesbezüglich wird jedoch den Bestimmungen der DSGVO auf nationaler Ebene ein grundsätzlich unbeschränkter sachlicher Anwendungsbereich eröffnet (vgl. Kunnert in Bresich/Dopplinger/Dörnhöfer/Kunnert/Riedl , DSG § 4, Anm. 3), sodass aufgrund von Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommene Verarbeitungsvorgänge auch vom DSG nicht erfasst werden (vgl. ErlAB, 1761 BlgNR. XXV GP, S. 4).

Die Datenschutzbehörde übersieht nicht, dass die in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO normierte „Haushaltsausnahme“ im Wesentlichen inhaltsgleich der Vorgängerbestimmung des Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 95/46/EG (DS-RL) entspricht und nach der diesbezüglichen Judikatur des EuGH die Mitgliedstaaten dadurch nicht gehindert waren, den Geltungsbereich innerstaatlichen Rechtsvorschriften, welche in Umsetzung der DS-RL erlassen wurden, auf vom Anwendungsbereich der DS-RL nicht erfasste Bereiche auszudehnen, soweit dem keine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entgegenstand (vgl. das bereits zitierte Urteil des EuGH vom 6. November 2003, C-101/01, Rz. 98).

Der österreichische Gesetzgeber hatte von dieser – unter der DS-RL geschaffenen – Möglichkeit Gebrauch gemacht und legte spezifische datenschutzrechtliche Regelungen für Verarbeitungstätigkeiten zu privaten bzw. familiären Zwecken in der früheren Bestimmung des § 45 DSG 2000 (vgl. Stammfassung BGBl. I Nr. 165/1999) fest. Die soeben zitierte Bestimmung sah keine generelle Ausnahme vom Grundrecht auf Datenschutz vor, was aufgrund ihres einfachgesetzlichen Charakters auch gar nicht möglich gewesen wäre (vgl. Jahnel , Handbuch Datenschutzrecht, S. 433 ff).

Mit Blick auf die geltende Rechtslage ist hervorzuheben, dass die DSGVO selbst – aufgrund der im Wesentlichen wortgleich übernommenen Bestimmung der „Haushaltsausnahme“ – nicht hinter den Schutzumfang der DS-RL zurückfällt, eine zu § 45 DSG 2000 ähnliche Bestimmung vom österreichischen Gesetzgeber im DSG jedoch im Weiteren nicht (mehr) vorgesehen wurde.

Daraus lässt sich schließen, dass der österreichische Gesetzgeber den Schutzumfang des DSG nicht auf Sachverhalt ausdehnen wollte, die den ausschließlich persönlichen oder familiären Bereich betreffen.

b) Ergebnis

Unter Zugrundelegung der obigen Überlegungen ist im Ergebnis die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO auch im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung von § 1 Abs. 1 DSG anzuwenden und ist folglich auch der Anwendungsbereich des DSG nicht eröffnet .

Folglich kann mangels Anwendung von § 1 Abs. 1 DSG auch keine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung vorliegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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