JudikaturDSB

2020-0.176.429 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
21. April 2022

Text

GZ: 2020-0.176.429 vom 21. April 2022 (Verfahrenszahl: DSB-D202.241)

[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über den Antrag der Erna A***, BA, MA (Antragstellerin), vom 6. November 2019 auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 7 DSG zur Verarbeitung personenbezogener Daten für wissenschaftliche Zwecke durch Einsichtnahme in die bei der Bezirkshauptmannschaft N***, Steiermark, verwahrten „Einsatztagebücher Murenkatastrophe im R***tal 201*“ für den Zweck der Fallanalyse im Rahmen der Erarbeitung einer Dissertation:

Der Antrag wird zurückgewiesen .

Rechtsgrundlagen : § 7 Abs. 2 Z. 1, Abs. 3 und 4 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, sowie § 2b Z. 12 und § 2d Abs. 7 des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG), BGBl. Nr. 341/1981 idgF

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Antragstellerin und Verfahrensgang :

1. Mit E-Mail vom 6. November 2019 (auch Eingangsdatum bei der Datenschutzbehörde) hat die Antragstellerin wie folgt vorgebracht (Fettdruck im Original):

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte hiermit um eine Genehmigung zur Verarbeitung personenbezogener Daten für wissenschaftliche Zwecke ansuchen.

Konkret betrifft die Anfrage den Bestand der Einsatztagebücher/-protokolle , die im Zuge der Murenkatastrophe im R***tal 201* (A***dorf, J***hausen) angelegt wurden und die in der Bezirkshauptmannschaft N*** (Steiermark) aufliegen. Nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen kann ich diese Dokumente nach Vorliegen eines Bescheids ihrerseits einsehen.

Verwendungszweck ist eine Fallanalyse des Murenabgangs im Rahmen meines Dissertationsprojekts an der B****-Universität ****. Die Anonymisierung und der Schutz personenbezogener Daten wird gewährleistet.

Mit besten Grüßen und einer freundlichen Bitte um Bearbeitung meines Anliegens

Erna A***“

2. Die Datenschutzbehörde erließ mit Schreiben vom 27. November 2029, GZ: DSB-D202.241/0001-DSB/2019 eine Verfahrensanordnung mit folgendem Inhalt:

Betrifft: Mangelbehebungsauftrag

Ihr am 6. November 2019 bei der Datenschutzbehörde eingelangter Antrag erweist sich aus folgenden Gründen als mangelhaft (in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig) und bedarf der Verbesserung:

A) Frage der Genehmigungspflicht des Vorhabens :

Gemäß § 7 Abs. 3 DSG hat die Datenschutzbehörde unter näher umschriebenen Bedingungen eine Genehmigung für die Verarbeitung personenbezogener Daten für im öffentlichen Interesse liegende wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke zu erteilen, wenn die Verarbeitung nicht auf einen der Tatbestände gemäß § 7 Abs. 1 und 2 DSG gestützt werden kann. Eine Genehmigung der Einsichtnahme in Akten, sonstige behördliche Dokumente oder Archivgut kann von der Datenschutzbehörde daher nur insoweit „genehmigt“ werden, als es sich dabei um einen Schritt im Prozess einer Datenverarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO handelt. Die Datenschutzbehörde kann insbesondere keinen Verwahrer von Akten, sonstigen behördlichen Dokumenten oder Archivgut dazu verpflichten, einer Forscherin oder einem Forscher Einsicht zu gewähren (siehe auch unten, Punkt B 4.). Diese archivrechtliche Frage ist vor einer Antragstellung gemäß § 7 Abs. 3 DSG zu klären.

Diesbezüglich wäre von der Antragstellerin Folgendes klarzulegen:

1. Ob das Forschungsvorhaben im Rahmen einer wissenschaftlichen Einrichtung des Bundes erfolgt und

2. warum das Vorhaben nicht durch die datenschutzrechtliche Ausnahmebestimmung des § 2d Abs. 7 des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG), BGBl. Nr. 341/1981 idgF gedeckt ist (§ 7 Abs. 2 Z 1 DSG)?

Sollte der Antrag aufrechterhalten werden, wäre auf folgende Punkte einzugehen:

B) Fehlende Nachweise gemäß § 7 Abs. 3 DSG :

Es fehlen folgende Elemente zu einem gesetzmäßig gemäß § 7 Abs. 3 DSG belegten Antrag:

1. Nachweise dazu, dass die Einholung der Einwilligung der betroffenen Personen mangels deren Erreichbarkeit nicht möglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, etwa durch Angaben zur Zahl und Identifizierbarkeit der betroffenen Personen (§ 7 Abs. 3 Z 1 DSG);

2. ein Nachweis oder zumindest eine Glaubhaftmachung, dass an der beantragten Verarbeitung ein öffentliches Interesse besteht (§ 7 Abs. 3 Z 2 DSG);

3. ein Nachweis der fachlichen Eignung der Antragstellerin als der für die beabsichtigte Datenverarbeitung Verantwortlichen, eventuell auch durch Angabe des wissenschaftlichen Betreuers oder der wissenschaftlichen Betreuerin des Forschungsvorhabens und deren Qualifikationen, wenn es sich um Forschung für eine akademische Abschlussarbeit handelt (§ 7 Abs. 3 Z 3 DSG);

4. die vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände (vermutlich: die Bezirkshauptmannschaft N***) unterfertigte Erklärung, dass er der Antragstellerin die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt (§ 7 Abs. 4 DSG).

Zur Notwendigkeit der Vorlage einer nicht durch eine Bedingung eingeschränkten Erklärung gemäß § 7 Abs. 4 DSG (früher: § 46 Abs. 3a DSG 2000), siehe den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 24.11.2017, GZ: DSB-D202.197/0003-DSB/2017 (öffentlich zugänglich im Rechtsinformationssystem des Bundes - RIS).

Bitte beheben Sie diese Mängel, indem Sie den Antrag nochmals verbessert einbringen oder ergänzen.

Für die Erfüllung dieses Mangelbehebungsauftrags wird eine Frist von drei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens gesetzt. Sollte keine Verbesserung erfolgen, ist gemäß § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Zurückweisung des Antrags, in eventu mit dessen Abweisung zu rechnen.“

3. Diese Verfahrensanordnung ist der Antragstellerin am 9. Dezember 2019 an der von ihr angegebenen elektronischen Zustelladresse erna.a*** @b***uni.at zugestellt worden. Eine elektronische Zustellbestätigung befindet sich im Akt, und es liegt keiner Fehlermeldung eines an der Übermittlung beteiligten Mailservers vor.

B. Sachverhaltsfeststellungen :

4. Die Datenschutzbehörde legt das oben dargestellte Anbringen sowie den Verfahrensablauf ihrer Entscheidung zu Grunde.

5. Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Verwaltungsakten der Datenschutzbehörde (Eingangsstück und Verfahrensanordnung in GZ: DSB-D202.241/0001-DSB/2019).

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

C.1. Summe :

6. Der gestellte Antrag ist nicht zulässig, da, da ein gesetzlich geforderter Nachweis von der Antragstellerin nicht vorgelegt worden ist, und weil überdies gesetzliche Voraussetzungen der Antragstellung (Erforderlichkeit der Genehmigung) nicht gegeben sind.

C.2. Zweck und Gegenstand einer Genehmigung gemäß § 7 Abs. 3 DSG :

7. Gemäß § 7 Abs. 3 DSG hat die Datenschutzbehörde unter näher umschriebenen Bedingungen eine Genehmigung für die Verarbeitung personenbezogener Daten für im öffentlichen Interesse liegende wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke zu erteilen, wenn die Verarbeitung nicht auf einen der Tatbestände gemäß § 7 Abs. 1 und 2 DSG gestützt werden kann. Eine Genehmigung der Einsichtnahme in Akten, sonstige behördliche Dokumente oder Archivgut kann von der Datenschutzbehörde daher nur insoweit „genehmigt“ werden, als es sich dabei um einen Schritt im Prozess einer Datenverarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO handelt.

8. Gegenstand einer Genehmigung nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 (nunmehr: § 7 Abs. 3 DSG) kann nämlich nur die Genehmigung zur automationsunterstützten Verarbeitung von Daten lebender Betroffener durch den Forscher bzw. den datenschutzrechtlich verantwortlichen Auftraggeber sein. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn Daten einer für andere Zwecke bestehende Datenanwendung für Forschungszwecke analysiert oder wenn personenbezogene Daten aus (Papier-) Akten oder Archivgut für Forschungszwecke systematisch datenbankmäßig oder tabellarisch erfasst, verglichen, geordnet oder in sonstiger Weise ausgewertet und benützt werden sollen (DSB, 24.11.2017, DSB-D202.197/0003-DSB/2017, RIS mwN).

C.3. Erfordernis des Nachweises gemäß § 7 Abs. 4 DSG :

9. Die Datenschutzbehörde kann keinen Verwahrer von Akten, sonstigen behördlichen Dokumenten oder Archivgut dazu verpflichten, einer Forscherin oder einem Forscher Einsicht zu gewähren. Die von der Antragstellerin wiedergegebene, anderslautende Information der verwahrenden Behörden ( „Nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen kann ich diese Dokumente nach Vorliegen eines Bescheids ihrerseits einsehen“ ) verkennt die Rechtslage. Diese archivrechtliche Frage ist nämlich gemäß § 7 Abs. 4 DSG ausdrücklich vor einer Antragstellung zu klären und eine entsprechende Zustimmungserklärung des Verfügungsbefugten von der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller der Datenschutzbehörde vorzulegen. Daraus folgt, dass die Vorlage einer entsprechenden Erklärung gesetzliche Voraussetzung einer Antragstellung ist, und zur Frage einer möglichen Zustimmung des Verfügungsbefugten kein amtswegiges Ermittlungsverfahren stattzufinden hat.

10. Die Antragstellerin hat, trotz Aufforderung (siehe oben, Rz 2), keine solche Zustimmungserklärung vorgelegt.

11. Dies reicht bereits aus, um den Antrag spruchgemäß zurückzuweisen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Einbringung nicht erfüllt worden sind.

C.4. Entfall der Genehmigungspflicht bei Forschungsvorhaben gemäß § 2d Abs. 7 FOG :

12. Der Antrag ist aber auch aus einem zweiten Grund nicht zulässig.

13. Die Antragstellerin als Forscherin ist, trotz der Tatsache, dass sie eine Einzelperson ist, eine „wissenschaftliche Einrichtung“ im Sinne der Definition des § 2b Z. 12 FOG. Gemäß § 2d Abs. 7 FOG ist für wissenschaftliche Forschung auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 lit. j DSGVO im Sinne des § 7 Abs. 2 Z 1 DSG die Einholung einer Genehmigung der Datenschutzbehörde gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 DSG nicht erforderlich , wenn die Verarbeitung in Übereinstimmung mit dem 2. Abschnitt des FOG erfolgt. Das heißt, wenn Daten für Forschungszwecke verarbeitet werden, und die im zuletzt bezeichneten Gesetzesabschnitt festgelegten besonderen Datenschutzvorschriften für solche Verarbeitungen eingehalten werden, ist keine Genehmigung erforderlich. Damit entfällt eine entscheidende Voraussetzung der Erteilung einer solchen (§ 7 Abs. 2 Z. 3 DSG), da hier eine gemäß besonderen gesetzlichen Vorschriften (§ 7 Abs. 2 Z. 1 DSG) erlaubte Datenverarbeitung vorliegt.

14. Auch aus diesem Grund war der Antrag daher zurückzuweisen.

[Gebührenmitteilung nicht wiedergegeben]

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