2020-0.436.002 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2020-0.436.002 vom 8. September 2020 (Verfahrenszahl: DSB-D124.909)
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Dr. Markus A*** (Beschwerdeführer) vom 7. Juni 2019 gegen die N***AdressverlagsgmbH (Beschwerdegegnerin), vertreten durch RA Mag. Uwe K***, wegen Verletzung im Recht auf Auskunft wie folgt:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, indem sie am 4. Juni 2019 und 9. September 2019 (im laufenden Verfahren vor der Datenschutzbehörde) eine unvollständige Auskunft erteilt hat.
2. Der Beschwerdegegnerin wird aufgetragen, dem Beschwerdeführer innerhalb einer Frist von vier Wochen bei sonstiger Exekution eine dem Art. 12 Abs. 1 iVm Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO entsprechende Auskunft zum Zustandekommen der errechneten Geo_Milieus zu erteilen.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Rechtsgrundlagen : Art. 4 Z 1, Art. 4 Z 4, Art. 12 Abs. 1 und Abs. 6, Art. 15 Abs. 1, sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung-DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S 1; iVm §§ 1 Abs. 3 DSG, 4 Abs. 6, 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer machte mit Eingabe vom 7. Juni 2019 eine Verletzung im Recht aus Auskunft geltend, da die Beschwerdegegnerin auf sein Auskunftsersuchen vom 28. Mai 2019 betreffend Errechnung der sogenannten „Dominanten Geo Milieus“ mit Schreiben vom 4 Juni 2019 geantwortet habe, es handle sich dabei um „Wahrscheinlichkeitsberechnungen“, deren Berechnungsmethodik als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gemäß § 4 Abs. 6 DSG jedoch nicht beauskunftet werden würde.
Der Beschwerdeführer habe von der V***adressenlieferant GmbH im Jänner 2019 eine Datenauskunft betreffend der „Dominanten Geo_Milieus“ erhalten und sei betreffend dieser – von der V***adressenlieferant GmbH zugekauften – Daten auf den Datenlieferanten „N***AdressverlagsgmbH“ verwiesen worden. Der Beschwerdeführer verlangte, die Datenschutzbehörde möge feststellen, dass die Beschwerdegegnerin Auskunft zur Berechnungsmethodik zu geben habe, da es sich um persönliche und konkrete Aussagen zur Person des Beschwerdeführers handle, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden.
2. Mit Stellungnahme vom 9. September 2019 brachte die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen vor, dass es sich bei den Geo_Milieus um eine Segmentation von Gesellschaften auf Grundlage von Wertorientierungen und Lebensstilen in 18 Nationen für strategisches Marketing auf Basis sozialwissenschaftlicher Forschung unter Abbildung der gesellschaftlichen Strukturen handle, in dem ähnliche Grundorientierungen, Werte, Lebensstile und Wohnumfelder zusammengefasst und vergleichbar gemacht würden. Das Berechnungsmodell beruhe auf einer „Hypothesenbildung“ auf Grundlage eigener Forschung und vorhandener Daten (...) und werden diese unter Einbeziehung von Milieuexperten durchgeführt. Weder würden persönliche und konkrete Aussagen zum Beschwerdeführer gemacht noch würden diese der Öffentlichkeit zugänglich. Die Wahrscheinlichkeiten der Geo_Milieus würden von der Firma Z***Marketing GmbH in E*** (Y***) errechnet. In der Stellungnahme enthalten, war eine Auskunftstabelle mit gesamt zehn Geo_Milieus und den errechneten Wahrscheinlichkeiten für den Beschwerdeführer. Ebenso angeschlossen war eine Erklärung zur Bedeutung der zehn Geo_Milieus. Die Beauskunftung der Berechnungsmethodik stelle ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar, wobei die Beauskunftung von Parametern im Rahmen einer Auskunft erhebliche Rechtsnachteile nach sich ziehe, da diese „Parameter“ von anderen imitiert bzw. nachgestellt werden können.
3. Im Rahmen des gewährten Parteiengehörs (Schreiben der Datenschutzbehörde vom 21. Oktober 2019) stellte der Beschwerdeführer eine Reihe neuer Anträge (etwa Verletzung im Recht auf Geheimhaltung, Löschung der Daten und Untersagung der Verarbeitung) sowohl gegen die Beschwerdegegnerin als auch gegen die V***adressenlieferant GmbH, ohne auf den ursprünglichen Beschwerdegegenstand einzugehen. Die Anträge wurden unter gesonderten Verfahrenszahlen protokolliert (D124.2633 und D205.366).
B. Beschwerdegegenstand
Ausgehend vom Parteienvorbringen ergibt sich als Beschwerdegegenstand in diesem Verfahren die Frage, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch eine unvollständige Auskunftserteilung in seinem Recht auf Auskunft verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers vom 28. Mai 2019 wurde mit Schreiben vom 4.Juni 2019 – wie folgt – beantwortet:
In obiger Angelegenheit nehme ich bezug auf Ihr Schreiben vom 28.05.2019, eingelangt am 31.05.2019 und darf Ihnen wunschgemäß die Parameter zu GeoMilieus mitteilen:
Bei Geo Milieus handelt es sich um eine Segmentation von Gesellschaften auf Grundlage von Wertorientierungen und Lebensstilen in 18 Nationen für strategisches Marketing auf Basis sozialwissenschaftlicher Forschung unter Abbildung der gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Veränderungen, in dem ähnliche Grundorientierungen, Werte, Lebensstile, Wohnumfelder zusammengefasst und durch ein einheitliches Positionierungsschema vergleichbar gemacht werden. Die Segmentierung ist ausreichend fein, aber nicht übertrieben und hilft bei Marketingplanungen, welche in den angeführten Gruppen (Milieus) erfasst und eine Ressourcenberechnung ermöglichen. Dieses Berechnungsmodell basiert auf einer Hypothesenbildung auf Grundlage eigener Forschung und vorhandener Daten unter Einbeziehung von Milieuexperten samt anschließender Überprüfung und Korrektur der Hypothese und Ausdifferenzierung zur Ermittlung einer strategischen Landkarte, in der Produkte, Marken und Medien positioniert werden können.
Die angeführten Wahrscheinlichkeitswerte klassifizieren im Einzelnen (laut Z***Marketing):
Dominantes_geo_milieu_person:
-Wahrscheinlichkeitswert_konservative
Leitmilieu im traditionellen Bereich mit einer hohen Verantwortungsethik: Stark von christlichen Wertvorstellungen geprägt, hohe Wertschätzung von Bildung und Kultur, kritisch gegenüber aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen
-Wahrscheinlichkeitswert_traditionelle
Das auf Sicherheit, Ordnung und Stabilität fokussierte Milieu: Verwurzelt in der alten kleinbürgerlichen Welt, in der traditionellen Arbeiterkultur und im traditionell ländlichen Milieu
-Wahrscheinlichkeitswert_etablierte
Die leistungsorientierte Elite mit starkem Traditionsbewusstsein: Deutliche Exklusivitäts-und Führungsansprüche, hohes Standesbewusstsein und ausgeprägtes Verantwortungsethos
-Wahrscheinlichkeitswert_performer
Die flexible und global orientierte moderne Elite: Effizienz, Eigenverantwortung und individueller Erfolg haben oberste Priorität; Hohe Business- und IT-Kompetenz
-Wahrscheinlichkeitswert_postmaterielle
Weltoffene Gesellschaftskritiker: Gebildetes, vielfältig kulturinteressiertes Milieu; kosmopolitisch orientiert, aber kritisch gegenüber Globalisierung; sozial engagiert
-Wahrscheinlichkeitswert_digitale individualisten
Die individualistische und vernetzte Lifestyle-Avantgarde: Mental und geographisch mobil, online und offline vernetzt, ständig auf der Suche nach neuen Erfahrungen
-Wahrscheinlichkeitswert_buergerliche_mitte
Der leistungs- und anpassungsbereite Mainstream: Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, gesicherten und harmonischen Verhältnissen, Halt und Orientierung, Ruhe und Entschleunigung
-Wahrscheinlichkeitswert_adaptiv_pragmatische
Die neue flexible Mitte: Ausgeprägter Lebenspragmatismus, Streben nach Verankerung, Zugehörigkeit, Sicherheit; Grundsätzliche Leistungsbereitschaft, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung
-Wahrscheinlichkeitswert_konsumorientierte_basis
Die um Teilhabe bemühte, konsumorientierte Unterschicht: Ausgeprägte Gefühle der Benachteiligung, Zukunftsängste und Ressentiments; bemüht, Anschluss zu halten an den Lebensstil und die Konsumstandards der Mitte
-Wahrscheinlichkeitswert_hedonisten
Die momentbezogene, erlebnishungrige untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, Suche nach Spaß und Unterhaltung; Verweigerung von Konventionen der Mehrheitsgesellschaft
Die von Ihnen angesprochenen Sie selbst betreffenden prozentuellen Werte basieren grundsätzlich auf wissenschaftlich anerkannten Wahrscheinlichkeitsberechnungen auf Basis vorhandener sozialwissenschaftlicher Forschung und Daten der Bevölkerung in mehreren Ländern unter Abbildung der gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Veränderungen, in dem ähnliche Grundorientierungen, Werte, Lebensstile, Wohnumfelder zusammengefasst und durch ein einheitliches Positionierungsschema vergleichbar gemacht werden und werden diese Berechnungen auf Grundlage eigener Forschung und vorhandener Daten unter Einbeziehung von Milieuexperten durch Z***Marketing GmbH durchgeführt. Unter Hinweis auf bestehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können wir Ihnen aber die dahinterliegende Berechnungsmethodik bedauerlicherweise nicht offenlegen und dürfen diesbezüglich auf § 4 Abs 6 Datenschutzgesetz verweisen. Wir bitten um Ihr Verständnis.
Wir hoffen, mit dieser Auskunft Ihre offenen Fragen beantwortet haben zu können.
Im laufenden Verfahren vor der Datenschutzbehörde wurde im Rahmen der Stellungnahme des Beschwerdegegners zusätzlich folgende (auszugsweise) Auskunft über die konkret errechneten Geo_Milieus erteilt:
Folgende auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung basierende Einstufung nach den Geo_Milieus der Z***Marketing (welche die aus der Marktforschung bekannten Sinus-Milieus für Dialogmarketing auf den geografischen Raum umlegen) sind zum Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin errechnet, zugeordnet und gespeichert:
Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den im Akt aufliegenden, beiden Parteien bekannten und unbestritten gebliebenen Schreiben und Stellungnahmen.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Zur Auskunft von Daten/Informationen für die Errechnung der Geo-Milieus (Spruchpunkt 2a.)
a. Gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, […] zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind;
b. Das BVwG hat im Teilerkenntnis vom 20. August 2020, GZ W258 2217446-1/15E, ausgesprochen, dass es sich bei statistisch errechneten Daten, die einer bestimmten Person zugeordnet werden, um personenbezogene Daten handelt.
Auch im gegenständlichen Fall liegen diese Voraussetzungen unzweifelhaft vor, da die „Geo-Milieu Daten“ auf eine identifizierte natürliche Person, nämlich den Beschwerdeführer, Bezug nehmen, mögen sie auch statistisch bzw. unter Zuhilfenahme von Wahrscheinlichkeitsrechnungen errechnet worden sein (vgl. ebenso Kühling/Bucher , Kommentar zur DS-GVO, Rz 15 zu Art. 4 Ziffer 1, Klabunde in Ehmann/Selmayr , Datenschutz-Grundverordnung, Art. 4, Rz 10 oder vgl. Ziebarth in Sydow , Europäische Datenschutz-Grundverordnung, Handkommentar, Art. 4 Rz. 41). Ohne die Zuordnung wäre auch eine personalisierte bzw. zielgerichtete Werbeaktivität gar nicht möglich. Hinzuweisen ist, dass bereits die seinerzeitige Datenschutzkommission Einschätzungen mit Hilfe statistischer Hochrechnungen betreffend eine wahrscheinliche Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Ziel- oder Altersgruppe, als personenbezogene Daten qualifizierte (vgl. Jahnel , Handbuch Datenschutzrecht, Rz 3/72; vgl. auch den Bescheid der DSK vom 20. Mai 2005, GZ K120.908/0009-DSK/2005). Vor diesem Hintergrund handelt es sich gegenständlich bei den mit prozentuellen Wahrscheinlichkeiten der Geo_Milieu Daten des Beschwerdeführers jedenfalls um auskunftspflichtige personenbezogene Daten iSv Art. 4 Z 1 DSGVO.
In einem weiteren Schritt, ist zu klären, inwieweit es sich bei der Verarbeitung um Profiling handelt.
c. Wie die Beschwerdegegnerin selbst ausführt, werden bei den sogenannten Geo_Milieus ähnliche Grundorientierungen, Werte, Lebensstile und Wohnumfelder zusammengefasst und vergleichbar gemacht, wobei das Berechnungsmodell auf einer „Hypothesenbildung“ auf Grundlage eigener Forschung und vorhandener Daten (...) unter Einbeziehung von Milieuexperten beruhe, samt anschließender Überprüfung und Korrektur der Hypothesen durch die Firma Z***Marketing GmbH in E***, um Marketingplanungen durchzuführen.
d. Art 4 Z 4 DSGVO definiert „Profiling“ als jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte , die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage , Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen;
e. Bei der Segmentierung, Errechnung und Zuordnung von Geo_Milieus werden in einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten verarbeitet, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, diesfalls insbesondere, um Aspekte bezüglich wirtschaftlicher Lage, persönlicher Vorlieben, Interessen etc. zu analysieren, zu segmentieren und Wahrscheinlichkeiten einer Zuordnung zu Geo_Milieus zu errechnen, um zielgerichtetes strategisches Marketing, Produktplanung und Werbezusendungen vorzunehmen.
f. Die Subsummierung unter den Begriff des Profilings erfordert – dem Wortlaut des Art 4 Z 4 DSGVO zufolge – nicht, dass Analysen oder Vorhersagen über eine natürliche Person ausschließlich automationsunterstützt erfolgen, wie dies etwa Art. 22 DSGVO für „automatisierte Entscheidungen im Einzelfall“ normiert. Vielmehr ist aus dem letzten Satz zu ErwGr 71 klar ersichtlich, dass der Unionsgesetzgeber die Begriffe „Profiling“ und „automatisierte Entscheidungsfindung“ getrennt betrachten wollte, wenn normiert ist („(…) Automatisierte Entscheidungsfindung und Profiling auf der Grundlage besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten sollten nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein“).
Dementsprechend ist in den Leitlinien zu automatisierten Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling für die Zwecke der Verordnung 2016/679 “ (WP 251 rev.01) vom 6. Februar 2018 unter Punkt A. („Profiling“) zu lesen:
„Artikel 4 Absatz 4 bezieht sich auf „jede Art der automatisierten Verarbeitung“, nicht auf eine „ausschließlich“ automatisierte Verarbeitung (wie sie in Artikel 22 beschrieben wird). Es muss sich bei Profiling um eine Art der automatisierten Verarbeitung handeln – auch wenn ein Eingreifen einer Person nicht unbedingt die Aktivität aus der Definition ausschließt.“
Die Datenschutzbehörde erachtet daher, die Errechnung und Zuordnung von Geo_Milieu-Wahrscheinlichkeiten zu einer bestimmten Person als Form eines Profilings im Sinne des Art. 4 Z 4 DSGVO für Zwecke des strategischen Marketings, der Produktplanung und Werbezusendung.
g. In einem weiteren Schritt ist zu klären, ob und gegebenenfalls nach welchen Vorschriften des Art. 15 DSGVO sich ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Auskunft betreffend das Zustandekommen der errechneten Wahrscheinlichkeiten ergibt.
h. Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO sieht vor, dass bei Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person zu erteilen sind, wobei in ErwGr 63 erwähnt ist, dass die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigt werden sollen, was jedoch nicht dazu führen darf, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Errechnung und Zuordnung der gegenständlich errechneten Geo_Milieus jedenfalls um ein Profiling iS des Art. 4 Z 4 DSGVO. Da Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO die spezifischen Auskunftsrechte nicht abschließend auf Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO beschränkt, sondern diese Rechte durch das Wort zumindest („at least“) auch auf andere Fälle ausgedehnt sehen wil l, erübrigt sich für dieses Verfahren eine weitergehende Prüfung, ob die errechneten Wahrscheinlichkeitswerte nicht ohnehin unter Art. 22 Abs. 4 DSGVO zu subsumieren sind (vgl. etwa der Wahrscheinlichkeitswert_konservative, (…) „stark von christlichen Wertvorstellungen geprägt“ ).
i. Folglich wird in den bereits erwähnten Leitlinien zu Art. 22 DSGVO auch ausgeführt, dass sich die Erläuterungen auf „alle“ Profiling-Tätigkeiten und automatisierte Entscheidungen beziehen.
Zur Auskunftserteilung halten die Leitlinien auf S. 18 Folgendes fest:
„Gemäß Artikel 15 hat die betroffene Person das Recht, Einzelheiten zu den zwecks Profiling verwendeten personenbezogenen Daten zu verlangen, einschließlich der zur Profilerstellung verwendeten Datenkategorien. Neben der Übermittlung allgemeiner Informationen zur Verarbeitung ist der Verantwortliche gemäß Artikel 15 Absatz 3 verpflichtet, die zur Profilerstellung verwendeten Eingabedaten zur Verfügung zu stellen; zudem muss er Informationen zum Profil und Details zu den Segmenten, in die die betroffene Person eingeteilt wurde, mitteilen. (…)“
Der inhaltliche Auskunftsanspruch bei Geo_Milieu Daten richtet sich daher nach Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO, wobei konkret für eine Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO die Parameter / Eingangsvariablen einer errechneten Zuordnung, ihr Einfluss auf die errechnete Zuordnung, also im Wesentlichen die Gewichtung der Parameter, die Informationen zum Zustandekommen der Parameter / Eingangsvariablen (bspw. ob der Parameter „Wohnumfeld“ statistisch hochgerechnet wurde), eine Erklärung, weshalb der Betroffene einem bestimmten Bewertungsergebnis zugeordnet wurde und eine Aufzählung der Profilkategorien , die für eine Zuordnung möglich sind, zu beauskunften wären (so Zavadil in Dako 2020/33 für die Auskunft bei einer „Automatisierten Entscheidungsfindung“ , „Der besondere Auskunftsanspruch über die involvierte Logik einer Datenverarbeitung“ mwN) oder ähnliche dem Informationsgehalt gleichwertige Informationen zu geben, die den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte auf Richtigstellung, Löschung und Überprüfung der Rechtmäßigkeit wahrzunehmen.
2. Zum Einwand, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Beschwerdegegners berührt sei:
a. Gegen eine derartige Auskunft spricht auch nicht das von der Beschwerdegegnerin pauschal angeführte Betriebs- und Geschäftsgeheimnis für die errechnete Zuordnung. Denn geschuldet ist im Rahmen der Auskunft keineswegs die Logik des Algorithmus, dessen Source Code, der Kompilations-Code oder die vollständige Dokumentation, sondern lediglich Informationen für Betroffene im konkreten Einzelfall , die die Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit und die Richtigkeit bzw. Aktualität der Eingangsvariablen im Fall des Betroffenen gewährleisten sollen. Die Datenschutzbehörde verkennt dabei nicht, dass die Berechnungsmethodik der Geo_Milieus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den europarechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2016/943/EU (Know-How Richtlinie) unterliegt, da die wissenschaftlich entwickelte Berechnungsmethodik zweifellos einen nicht unerheblichen kommerziellen Wert darstellt, sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile in den entsprechenden Verkehrskreisen allgemein bekannt ist und entsprechende Geheimhaltungsmaßnahmen evidentermaßen gesetzt werden (vgl. Art. 2 Z. 1 leg. cit.). Allerdings bewertet die Datenschutzbehörde durch die Entscheidung der Beauskunftung von Parametern und deren Gewichtung im Einzelfall, das Risiko einen (vollständigen) Algorithmus offen zu legen und/oder imitieren zu können bzw. die genaue Anordnung und Zusammensetzung des Algorithmus zu offenbaren, als gering, zumal die Datenschutzbehörde es der Beschwerdegegnerin anheimstellt, durch ähnliche dem Informationsgehalt gleichwertige Informationen, die den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte auf Richtigstellung, Löschung und Überprüfung der Rechtmäßigkeit wahrzunehmen, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
b. Ganz grundsätzlich wird ausgeführt, dass die Auskunftsverweigerung unter Berufung auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegenüber den im Verfassungsrang stehenden bzw. primärrechtlichen verbrieften Rechten nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 8 EU-GRC sowie § 1 Abs. 3 DSG auf Auskunft bzw. Richtigstellung von Daten des Betroffenen weniger schwer zu gewichten sein wird. Betreffend die – vom Beschwerdegegner ins Treffen geführten – Bestimmung des § 4 Abs. 6 DSG, wonach das Auskunftsrecht nicht bestehe, wenn das Geschäfts-und Betriebsgeheimnis des Verantwortlichen gefährdet werde, ist festzuhalten, dass es sich hiebei um eine Ausnahme vom Recht auf Auskunft handelt und Ausnahmen von den allgemeinen Bestimmungen der DSGVO – der Rechtsprechung des EuGH folgend – eng auszulegen sind (vgl. zuletzt das Urteil vom 16. Juli 2020, C-311/18, Rz 84). Abgesehen davon wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, wonach die Auskunft auch derart erteilt werden kann, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht berührt werden.
c. Abzuweisen war hingegen das Begehren des Beschwerdeführers die Beschwerdegegnerin möge ihre Berechnungsmethodik (vollkommen) offenlegen. Weder erscheint dies für ein Auskunftsbegehren zwecknotwendig, noch ergibt sich dies aus der Bestimmung des Art. 15 Abs. 1 lit. h DSGVO, wo lediglich von „aussagekräftigen Informationen zur involvierten Logik und deren Auswirkungen“ die Rede ist, nicht aber von der involvierten Logik selbst.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.