2020-0.204.456 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2020-0.204.456 vom 10. August 2020 (Verfahrenszahl: DSB-D124.339)
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Ursula A*** (Beschwerdeführerin), vertreten durch die Q*** Rechtsanwälte OG, Rechtsanwälte in **** Wien, vom 16. Dezember 2019 gegen Dr. Viktor A*** (Beschwerdegegner), vertreten durch XY Partner Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwälte in **** G*****, wegen 1) Verletzung im Recht auf Auskunft sowie 2) im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
1. Der Beschwerde im Recht auf Auskunft wird teilweise stattgegeben und es wird festgestellt , dass der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Auskunft verletzt hat, indem er ihr keine Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO erteilt hat.
2. Dem Beschwerdegegner wird aufgetragen, innerhalb einer Frist von 4 Wochen bei sonstiger Exekution, der Beschwerdeführerin eine Auskunft im Umfang von Spruchpunkt 1 zu erteilen.
3. Der Beschwerde im Recht auf Geheimhaltung wird stattgegeben und es wird festgestellt, der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin dadurch im Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt hat, indem er ohne ihre Kenntnis Tonbandaufnahmen angefertigt hat, um diese gegebenenfalls in einem streitigen Scheidungs- und Unterhaltsverfahren als Beweismittel vorzulegen.
4. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen .
Rechtsgrundlagen : Art. 2 Abs. 2 lit. c, Art. 12, 15, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f, Art. 58 Abs. 2 lit. c sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Mit Beschwerde vom 16. Dezember 2019 bringt die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass sie am 16. Oktober 2019 ein Auskunftsbegehren gemäß Art. 15 DSGVO an den Beschwerdegegner gerichtet habe.
Der Beschwerdegegner habe durch seine anwaltliche Vertretung mittels Schreiben vom 4. November 2019 reagiert, indem er lediglich eine bruchstückchenhafte Negativauskunft erteilt habe. Auch die weitere diesbezügliche Korrespondenz sei fruchtlos geblieben.
Durch die Weigerung des Beschwerdegegners, der Beschwerdeführerin Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, sehe sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO verletzt. Durch die heimlich aufgenommenen und zur Veröffentlichung bestimmten Tonaufzeichnungen von Gesprächen mit der Beschwerdeführerin habe der Beschwerdegegner zudem gegen ihr Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verstoßen, da die Datenverarbeitung entgegen den Grundsätzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 5 DSGVO (insbesondere wider Treu und Glauben) sowie ohne hinreichende Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 6 DSGVO erfolgt sei.
Die Parteien würden sich derzeit in einem streitigen Scheidungs- und Unterhaltsverfahren befinden. Hinsichtlich der unvollständigen Auskunftserteilung berufe sich der Beschwerdegegner auf die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO (Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten). Eine Anwendung von Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO sei jedoch nicht denkbar.
Hinsichtlich der vom Beschwerdegegner behaupteten Datenlöschung betreffend den E-Mail-Account der Beschwerdeführerin negiere er seine Verpflichtung gemäß Art. 32 DSGVO, regelmäßige Backups von dienstlich wie privat genutzten Konten zu erstellen.
Hinsichtlich der vom Beschwerdegegner selbst zugestandenen Speicherung von SMS- und Whatsapp-Verkehr mit der Beschwerdeführerin (siehe Beilage ./2, Pkt. 3), verweise er darauf, dass dieser ohnedies bereits im anhängigen Unterhaltsverfahren vorgelegt worden sei und negiere hierbei, dass die Auskunftspflicht direkt gegenüber dem Auskunftswerber zu erfüllen sei und nicht durch eine Vorlage gegenüber dritten Stellen (wie einem Gericht) substituiert werden könne.
Der Beschwerdegegner habe somit gegen das Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG der Beschwerdeführerin verstoßen und sei den ihn treffenden Pflichten gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO nicht entsprechend nachgekommen.
2. Mit Stellungnahme vom 14. Februar 2020 (ha. eingelangt am 19. Februar 2020) bringt der Beschwerdegegner zusammengefasst vor, dass es richtig sei, dass die Beschwerdeführerin am 16. Oktober 2019 dem Beschwerdegegner über ihren Rechtsvertreter ein Auskunftsersuchen übermittelte und Auskunft über die vom Beschwerdegegner von der Beschwerdeführerin verarbeiteten personenbezogenen Daten, insbesondere ihres E-Mail-Accounts ursula@a*** ( sic ), die zu diesem Account gespeicherten Kontakte sowie Tonbandaufnahmen, verlangte.
In fristgerechter Entsprechung dieses Auskunftsersuchens habe der Beschwerdegegner über seine Rechtsvertretung mitgeteilt, dass aufgrund der Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO eine Datenverarbeitung im familiären Bereich von den Bestimmungen der DSGVO ausgenommen sei und somit überhaupt kein Recht auf Auskunft bestehe. Ausdrücklich bestritten werde auch der von der Beschwerdeführerin behauptete Verstoß gegen die Grundsätze der DSGVO nach Art. 5 sowie der Mangel an Rechtfertigungsgründen nach Art. 6 DSGVO.
Sollte die Datenschutzbehörde - wider Erwarten - dennoch zum Schluss kommen, dass im konkreten Fall keine Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO vorliegt, so werde hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ausgeführt wie folgt (Wiedergabe wie im Original, Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben) :
„Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO dann gerechtfertigt, wenn diese im überwiegenden berechtigten Interesse des Verantwortlichen erfolgt. Die Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen stellt außerdem sogar einen Rechtfertigungsgrund nach Art 9 Abs 2 lit f DSGVO für die Verarbeitung von sensiblen personenbezogenen Daten (ua werden Daten über Eheprobleme von der Rsp als sensible Daten qualifiziert) dar, wobei der Begriff "Rechtsansprüche" hier weit auszulegen ist und insbesondere privatrechtliehe Rechtspositionen erfasst. Unerheblich ist, ob der Verantwortliche Gläubiger oder Schuldner ist und ist eine Datenverarbeitung jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich aus einem Rechtsverhältnis bereits ein Konflikt ergeben hat, welcher den Anspruchsinhaber zwingt, den Anspruch prozessual durchzusetzen. In diesem Fall ist keine Abwägung mit dem Interesse des Betroffenen erforderlich, sondern die Verarbeitung der - sogar sensiblen - personenbezogenen Daten jedenfalls zulässig (vgl Kühling/Buchner, DS-GVO (2016) 309). Gegen dieses überwiegende berechtigte Interesse des Verantwortlichen dringt die betroffene Person gemäß Art 17 Abs 2 lit e DSGVO auch nicht mit einem Löschanspruch durch.
Der Beschwerdegegner hat im konkreten Fall hinsichtlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten, insbesondere der Tonbandaufnahmen sowie auch der von ihm gespeicherten SMS-Nachrichten, ein überwiegendes berechtigtes Interesse zur Durchsetzung seiner Rechtsansprüche.
Hinsichtlich einer allfälligen Auskunftspflicht des Beschwerdegegners - welche angesichts des Anwendungsbereichs der Haushaltsausnahme ohnehin nicht besteht - wird auf die Beschränkung dieser Pflicht nach Art 23 Abs 1 lit i und j DSGVO verwiesen.
Demnach stehen einerseits die Rechte und Freiheiten des Verantwortlichen oder dritter Personen einem Auskunftsanspruch und somit auch einer Übermittlung von Kopien der verarbeiteten personenbezogenen Daten entgegen. Andererseits ist eine Beschränkung zum Schutz des Interesses einer (sogar erst potenziellen) Prozesspartei möglich, um die zivilrechtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche sicherzustellen, und stellt eine Beweismittelsammlung für die Dokumentation einer Rechtsverletzung in diesem Zusammenhang jedenfalls einen zulässigen Grund für eine Beschränkung dar. Eine Auskunft kann auch verweigert werden, wenn aufgrund voller Auskunft - somit bei Übergabe des Tonbands - die Prozesslage des Verantwortlichen geschwächt würde (vgl Kühling/Buchner, DS-GVO (2016) 490f).
Nachdem der Beschwerdegegner die Tonbandaufnahme sowie auch die SMS Korrespondenzen mit der Beschwerdeführerin ausschließlich für eine potenzielle Verwendung der Daten zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche im laufanden Scheidungsverfahren verarbeitet, ist eine Verweigerung der Auskunft jedenfalls zulässig.
Zur behaupteten Verpflichtung, dass der Beschwerdeführer nach Art 32 DSGVO verpflichtet wäre, regelmäßig Backups von dienstlich wie privat genutzten Konten zu erstellen, wird einerseits erneut auf die Haushaltsausnahme und somit auf die mangelnde Anwendung der Bestimmungen der DSGVO ganz allgemein verwiesen. Der Grundsatz der Minimierung der Speicherdauer (Erwägungsgrund 39) sieht - ergänzt durch den Löschungsanspruch der betroffenen Person nach Art 17 DSGVO - darüber hinaus vor, dass die Speicherdauer der Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränkten ist und die Daten mit Ablauf dieser Frist gelöscht werden. Eine Verpflichtung zur Speicherung von Daten besteht lediglich in jenen Fällen, wo eine gesetzliche Aufbewahrungsfrist dies vorsieht, was beim privaten Mail-Account der Beschwerdeführerin wohl nicht in Frage kommt. Der Beschwerdegegner hat die die Daten des Mail-Accounts der Beschwerdeführerin somit in Entsprechung des Grundsatzes zur Datenminimierung gelöscht.“
Der Beschwerdegegner stelle daher den Antrag die Beschwerde vollinhaltlich abzuweisen.
3. Mit Stellungnahme vom 16. März 2020 macht die Beschwerdeführerin von ihrem Recht auf Parteiengehör Gebrauch und bringt wie folgt vor (Wiedergabe wie im Original, Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben):
„Der Beschwerdegegner stützt sich in seiner Stellungnahme abermals pauschal auf die Ausnahmebestimmung des Art 2 Abs 2 lit c DSGVO (“Haushaltsausnahme”). Er übersieht hierbei, dass die Anwendung dieser Bestimmung eine restriktive Auslegung verlangt sowie, dass Daten “ausschließlich” zu privaten oder familiären Zwecken verarbeitet werden. Darunter fallen beispielsweise keine gemischten Datensammlungen wie Adressbücher, die sowohl private als auch geschäftliche Kontakte beinhalten (vgl Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG², Art 2 RZ 26 mwN).
Hinsichtlich der E-Mails und auf dem E-Mail-Account gespeicherten Kontakte, SMS-Verkehr und Whatsapp-Nachrichten greift die Haushaltsausnahme (und damit eine auf diese gestützte Verweigerung des Auskunftsanspruchs) schon deshalb nicht, weil es sich hierbei nicht ausschließlich um private Kontakte und Nachrichteninhalte handelt.
Sofern diese Daten vom Beschwerdegegner – entsprechend seiner Behauptung in Beilage ./2 – tatsächlich bereits gelöscht worden seien sollten, so hat er hierdurch gegen seine Verpflichtung gem Art 32 DSGVO verstoßen, regelmäßige Backups der dienstlich wie privat genutzten Konten zu erstellen (vgl Pollirer in Knyrim, DatKomm Art 32 DSGVO RZ 45).
Nachdem der Beschwerdegegner zudem wusste, dass die Beschwerdeführerin diese Daten nach wie vor benötigt, kann er sich auch nicht auf das Gebot der Datenminimierung stützen.
Sofern der Beschwerdegegner sich – entsprechend seiner Behauptung in Beilage ./2 – darauf beruft, dass der SMS-Verkehr und Whatsapp-Nachrichten bereits im anhängigen Scheidungsverfahren vorgelegt worden seien, übersieht er, dass die Auskunftspflicht direkt gegenüber dem Auskunftswerber zu erfüllen ist und nicht durch eine Vorlage gegenüber dritten Stellen (wie einem Gericht) ersetzt werden kann.
Auch hinsichtlich der vom Beschwerdegegner heimlich angefertigten Tonmitschnitte von Gesprächen mit der Beschwerdeführerin greift die Haushaltsausnahme nicht; diese dienen einzig dem Zweck der „Beweissicherung“, um sie als vermeintlich belastendes Material gegen die Beschwerdeführerin in den anhängigen Scheidungs- und Unterhaltsverfahren verwenden zu können (siehe bspw RS0132579 T2). Allein durch das Anfertigen der Aufnahmen hat der Beschwerdegegner bereits gegen das Recht auf Geheimhaltung der Beschwerdeführerin verstoßen.
Auch das vom Beschwerdegegner in diesem Zusammenhang hilfsweise bemühte Abstellen auf seine vermeintlich überwiegenden berechtigten Interessen zur Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen (siehe gegnerische Stellungnahme Punkt 4.1.) greift gegenständlich nicht: Die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit stellt keinen gesetzlichen Grund für einen solchen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht dar. Heimlich angefertigte Gesprächsaufnahmen sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht infolge eines sonstigen Beweisnotstands benötigt werden (vgl zuletzt OGH 20.1.2020, 1Ob1/20h mwN; siehe auch in einem im Ergebnis vergleichbaren Fall zu heimlicher Videoüberwachung DSB-D123.978/0003-DSB/2019 vom 13.12.2019). Ein Beweisnotstand liegt gegenständlich jedoch nicht vor und wurde vom Beschwerdegegner nicht einmal behauptet.
Dementsprechend hat der Beschwerdegegner hinsichtlich der rechtswidrigen Tonaufzeichnungen nicht nur gegen das Grundrecht auf Geheimhaltung der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs 1 DSG verstoßen, sondern steht der Beschwerdeführerin neben einem Löschanspruch auch ein – vorgelagerter – Auskunftsanspruch zu. Die vom Beschwerdegegner zitierte, vermeintliche Beschränkung des Auskunftsrechts unter Verweis auf Art 23 Abs 1 lit und j DSGVO (siehe gegnerische Stellungnahme Punkt 4.2.) liegt nämlich nicht vor: Bei dieser Bestimmung handelt es sich nämlich lediglich um eine Öffnungsklausel. Im Gegensatz zur vom Beschwerdegegner zitierten deutschen Rechtslage existiert eine derartige Beschränkung des Auskunftsrechts bei Gefährdung rechtlicher Ansprüche in Österreich nämlich nicht (siehe BVwG 25. 6. 2019, W258 2188466-1).“
Aus all diesen Gründen seien die Einwendungen des Beschwerdegegners gänzlich verfehlt. Die Beschwerdeführerin halte ihre Beschwerde daher vollinhaltlich aufrecht.
B. Beschwerdegegenstand
Erstens ist Beschwerdegegenstand die Frage, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin dadurch im Recht auf Auskunft verletzt hat, indem er ihrem Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO vom 16. Oktober 2019 bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Datenschutzbehörde nicht entsprochen hat.
Zweitens ist Beschwerdegegenstand die Frage, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin dadurch im Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt hat, indem er ohne ihre Kenntnis Tonbandaufnahmen angefertigt hat, um diese als Beweismaterial in einem anhängigen Zivilrechtsstreit (strittige Scheidung, Unterhalt) vorlegen zu können.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Die Parteien befinden sich derzeit in einem streitigen Scheidungs- und Unterhaltsverfahren.
Die Beschwerdeführerin hatte auf dem E-Mail-Account des Beschwerdegegners einen „Subaccount“. Dieser Account wurde bereits abgemeldet und der Beschwerdegegner verfügt über keinerlei Daten. Auch Backups wurden nicht angefertigt.
Der Beschwerdegegner verfügt über SMS- und WhatsApp-Nachrichten der Beschwerdeführerin. Weiters hat der Beschwerdegegner Tonbandaufnahmen der Beschwerdeführerin ohne ihre Kenntnis darüber angefertigt.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus den insofern unstrittigen Parteivorbringen.
Die Beschwerdeführerin hat am 16. Oktober 2019 folgendes Auskunftsbegehren an den Beschwerdegegner gerichtet (Wiedergabe des Originals):
„Betrifft: Ursula A***/ Auskunft gem. Art 15 DSGVO
Sehr geehrter Herr Dr. A***!
Unsere Kanzlei wurde mit der rechtsfreundlichen Vertretung von Frau Ursula A*** bezüglich der Geltendmachung ihrer Betroffenenrechte gemäß Art 12 ff DSGVO beauftragt.
Hiermit stellen wir im Namen unserer Mandantin gemäß Art 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen Antrag auf Auskunft über ihre personenbezoqenen Daten. Dieser Antrag beinhaltet auch den Antrag auf Übermittlung der Kopie der personenbezogenen Daten gemäß Art 15 Abs 3 DSGVO. Der Antrag bezieht sich insbesondere aber nicht ausschließlich auf:
- Sämtliche E-Mails des (auch) zum privaten Gebrauch zur Verfügung gestellten Accounts ursula@a***.at; ausdrücklich mitumfasst sind all jene gelöschten E-Mails die mittels Backup gesichert wurden.
- Sämtliche zu dem oben genannten Account gespeicherten Kontakte; ausdrücklich mitumfasst sind all jene gelöschten Kontakte die mittels Backup gesichert wurden.
- Sämtliche von Ihnen ohne dem Wissen unserer Mandantin angefertigten Tonbandaufnahmen von ihr.
Wir weisen darauf hin, dass die Informationen gemäß Art 12 Abs 3 DSGVO grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung zu stellen sind.
Etwaige strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Schritte werden ausdrücklich vorbehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Q*** Rechtsanwälte OG“
Der Beschwerdegegner hat mit folgendem anwaltlichem Schreiben vom 4. November 2019 auf das Auskunftsbegehren reagiert (Wiedergabe des Originals):
„Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich darf Ihnen bekannt geben, dass Herr Dr. Viktor A*** unsere Kanzlei mit der rechtsfreundlichen Vertretung seiner Interessen beauftragt und hiezu Vollmacht erteilt hat.
Der Mandant übergibt mir Ihr Schreiben vom 16.10.2019 und darf ich hiezu Folgendes mitteilen:
1 . Wir gehen davon aus, dass die DSGVO gemäß Art 2 Abs 2 lit c auf den gegenständlichen Fall überhaupt nicht anzuwenden ist.
2. Ihre Frau Mandantin hatte auf dem Account unseres Klienten einen „Subaccount". Dieser wurde längst abgemeldet, der Mandant verfügt über keinerlei Daten. Dies erfolgte auch in ausdrücklicher Absprache mit Ihrer Mandantin. Backups wurden nicht angefertigt.
Damit hat aber auch der Mandant keinerlei Kontakte auf seinem Account gespeichert, die Ihre Frau Mandantin betreffen.
3. Wohl aber verfugt der Mandant über SMS- und WhatsApp-Verkehr, ein Gutteil dieser Urkunden wurde ohnehin im anhängigen Unterhaltsverfahren und wird im anhängigen Ehescheidungsverfahren vorgelegt
4. Der Mandant hat tatsächlich Tonbandaufnahmen angefertigt, davon weiß Ihre Mandantin inzwischen. Diese Tonbandaufnahmen werden — und von der Zustimmung gehe ich aus nachdem sich Kollege Dr. M*** auch darauf berufen hat — im Rahmen des Scheidungsverfahrens vorgelegt. Sollte eine Zustimmung zur Vorlage nicht erfolgen, werden wir natürlich eine Offenlegung im Rahmen des Scheidungsverfahrens vorerst nicht vornehmen, sondern dies unter Umständen erst nach einer detaillierten mehrmonatigen Einvernahme Ihrer Frau Mandantin auf geeignetem Wege machen.
5. Ihre Mandantin behält sich nach dem letzten Satz in Ihrem Schreiben vom 16.10.2019 strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Schritte vor.
Ich fordere Sie auf binnen 10 Tagen, das ist bis längstens 13.11.2019 schriftlich zu meinen Handen bekannt zu geben, für welchen Fall diese Schritte vorbehalten werden.
Nur der Vollständigkeit halber teile ich mit, dass im Rahmen des Ehegattenunterhaltsverfahrens bereits Verwirkung eingewandt wird und die mit diesem Schreiben für unseren Mandanten ersichtliche Drohung eine weitere schwere Verletzung der ehelichen Beistandsverpflichtung darstellt. Unser Mandant wird diese Androhung daher nicht nur als weitere schwere Eheverfehlung, sondern auch als weiteren Ehegattenunterhaltsverwirkungsgrund geltend machen.
In Erwartung Ihrer fristgerechten Stellungnahme zeichne ich
mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung
XY Partner Rechtsanwälte GmbH“
Die Beschwerdeführerin hat mit folgendem anwaltlichem Schreiben vom 11. November 2019 darauf repliziert (Wiedergabe des Originals):
„Sehr geehrter Herr Kollege!
Vorweg dürfen wir festhalten, dass das gegenständliche Auskunftsbegehren gem Art 15 DSGVO in keinem direkten Zusammenhang mit dem anhängigen Scheidungsverfahren steht und eine Vertretung in diesem nicht durch unsere Kanzlei erfolgt. Wenngleich die Anhängigkeit bekannt ist, sind wir in die diesbezüglichen Verfahrensdetails nicht eingebunden.
Hinsichtlich Ihrer Aufzählungspunkte dürfen wir wie folgt Stellungnehmen:
zu 1.: Da die Aufnahmen durch Ihren Mandanten offensichtlich nicht dem gemeinsamen Familienleben dienten, sondern im Gegenteil auf dessen Auflösung zielte und zum ausschließlichen Nachteil unserer Mandantin erfolgte, ist eine Anwendung des Art 2 Abs 2 lit c DSGVO nicht denkbar.
zu 2.: Wir nehmen zur Kenntnis, dass Herr Dr. Viktor A***, ungeachtet des Art 32 DSGVO, keine regelmäßigen Backups der dienstlich wie privat genutzten E-Mail-Konten erstellt hat.
Zu 3. und 4.: Diese Punkte stehen in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Auskunftsbegehren, weshalb auf diese auch nicht näher eingegangen wird. Wir erlauben uns aber, darauf hinzuweisen, dass die Auskunft nach Art 15 DSGVO nicht gegenüber einem Dritten (Gericht) zu erfolgen hat und darf, sondern gegenüber dem Betroffenen. Die geforderte Auskunft ist inhaltlich überdies auch umfangreicher (siehe Art 15 Abs 1 DSGVO) als eine bloße Vorlage der Kopie der Aufnahmen nach Art 15 Abs 3 DSGVO, die aber von unserer Mandantin auch weiterhin begehrt wird. Hinsichtlich einer Einwilligung zur Vorlage im anhängigen Gerichtsverfahren verweise ich auf den dort vertretenden Kollegen.
Zu 5.: Angesprochen sind hier jene Schritte, die unserer Mandantin aufgrund der möglichen Verletzung ihrer Persönlichkeits- und Datenschutzrechte offenstehen würden. Wir weisen diesbezüglich darauf hin, dass das Auskunftsbegehren Ihrem Mandanten am 16.10.2019 zugegangen ist und wir einer positiven Bearbeitung entgegensehen. Sollte die einmonatige Frist zur Beantwortung ungenutzt verstreichen oder das Auskunftsbegehren unzureichend beantwortet werden, steht unserer Mandantin das gesetzliche Recht zu, eine Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde zu erheben (Art 77 DSGVO iVm § 24 Abs 1 DSG).
Mit freundlichen Grüßen
Q*** Rechtsanwälte OG“
Am 16. Dezember 2019 hat die Beschwerdeführerin die gegenständliche Datenschutzbeschwerde erhoben.
Bis zum Abschluss des behördlichen Verfahrens wurde keine Auskunft nach Art. 15 DSGVO erteilt.
Feststellungen : Die Feststellungen ergeben sich aus den übermittelten Beilagen ./1 bis ./3 sowie aus dem insofern unstrittigen Parteivorbringen.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Anwendbarkeit der DSGVO – Haushaltsausnahme
Einleitend ist zu überprüfen, ob die DSGVO – den Argumenten des Beschwerdegegners folgend – überhaupt Anwendung findet.
Vom Beschwerdegegner wird ausgeführt, dass aufgrund der Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO eine Datenverarbeitung im familiären Bereich von den Bestimmungen der DSGVO ausgenommen sei und somit gegenständlich überhaupt kein Recht auf Auskunft bestehe.
Die Beschwerdeführerin hingegen ist der Ansicht, dass die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO eine restriktive Auslegung verlange sowie, dass Daten – um unter diese Ausnahmebestimmung zu fallen – „ausschließlich” zu privaten oder familiären Zwecken verarbeitet werden dürfen.
Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO regelt, dass die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten findet. Nach herrschender Auffassung ist diese Ausnahme – wie von der Beschwerdeführerin richtigerweise vorgebracht – restriktiv auszulegen (vgl. insbesondere EuGH 6.11.2003, C-101/01, zur weitgehend inhaltsgleichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 95/46/EG). Nach ErwGr. 18 DSGVO soll damit eine Abgrenzung zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit manifestiert werden. Zentrales Kriterium für die Anwendbarkeit der „Haushaltsausnahme“ – und damit Nichtanwendbarkeit der DSGVO – ist die Zurechenbarkeit der Datenverarbeitung zum privaten Bereich (vgl. Heißl in Knyrim [Hrsg.], DatKomm Art. 2 DSGVO Rz 70, Stand 1.12.2018, rdb.at, mwN).
Ebenso hat der EuGH im Urteil vom 10.07.2018, C-25/17, zur „Haushaltsausnahme“ nach der Richtlinie 95/46/EG – unter Hinweis auf vorangegangene Rechtsprechung – ausgesprochen, dass sich die Ausdrücke „persönlich“ und „familiär“ auf die Tätigkeit der Person, die personenbezogene Daten verarbeitet, und nicht auf die Person, deren Daten verarbeitet werden, beziehen. Es werden nur Tätigkeiten erfasst, die zum Privat- oder Familienleben von Privatpersonen gehören. Insofern kann eine Tätigkeit nicht als ausschließlich persönlich oder familiär im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden, wenn sie zum Gegenstand hat, personenbezogene Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich zu machen, oder wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet (Rz 41, 42). Im genannten Urteil wurde daher die Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft, die darin bestand, Verkündungstätigkeiten von Tür zu Tür durchzuführen, nicht als unter die Haushaltsausnahme fallend betrachtet.
Diesen Ausführungen folgend, ist im gegenständlichen Fall die soeben genannte Ausnahmebestimmung jedenfalls nicht anwendbar :
Der Beschwerdegegner führt in seiner Reaktion auf das Auskunftsbegehren vom 4. November 2019 – und später auch im gegenständlichen Verfahren – selbst aus, dass er den SMS/WhatsApp-Verkehr sowie die Tonbandaufnahmen ausschließlich für eine potenzielle Verwendung der Daten zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche im laufenden Scheidungsverfahren verarbeite . Das zentrale Kriterium für die Anwendbarkeit der „Haushaltsausnahme“, nämlich die (ausschließliche) Zurechenbarkeit zum privaten Bereich, liegt somit nicht vor. Selbst die gemischte Verwendung („dual use“), sohin die Verarbeitung zu privaten als auch beruflichen bzw. wirtschaftlichen Zwecken, würde in Anbetracht des Wortlautes des Art. 2 Abs. 2 lit. c. DSGVO („ausschließlich“) zur Anwendbarkeit der DSGVO führen (vgl. erneut Heißl in Knyrim [Hrsg.], DatKomm Art. 2 DSGVO Rz 75, Stand 1.12.2018, rdb.at, mwN).
Im Ergebnis ist die Anwendbarkeit der DSGVO im gegenständlichen Fall daher gegeben.
2. Zu Spruchpunkt 1 (Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO)
a) Grundsätzliches
Gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, vom Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und soweit dies der Fall ist, Auskunft über diese personenbezogenen Daten zu erhalten sowie Anspruch auf die Informationen gemäß lit. a bis h leg. cit. Gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, dem Betroffenen zur Verfügung zu stellen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.
Grundsätzlich hat der Beschwerdegegner also die von ihm verarbeiteten personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin zu beauskunften, soweit keine andere Ausnahme vom Auskunftsrecht besteht.
Der Anspruch auf Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO steht selbständig neben dem Anspruch auf inhaltliche Auskunft über die verarbeiteten Daten gemäß Abs. 1 leg. cit. (vgl. Franck in Gola [Hrsg.], Datenschutz-Grundverordnung 2 Art 15 Rz 27).
b) Ausnahmen vom Auskunftsrecht
Diesbezüglich wird vom Beschwerdegegner vorgebracht, dass erstens die Rechte und Freiheiten des Verantwortlichen oder dritter Personen einem Auskunftsanspruch und somit auch einer Übermittlung von Kopien der verarbeiteten personenbezogenen Daten entgegenstehen könnten. Zweitens sei auch eine Beschränkung zum Schutz des Interesses einer (sogar erst potenziellen) Prozesspartei möglich, um die zivilrechtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche sicherzustellen, und stelle eine Beweismittelsammlung für die Dokumentation einer Rechtsverletzung in diesem Zusammenhang jedenfalls einen zulässigen Grund für eine Beschränkung dar. Eine Auskunft könne auch verweigert werden, wenn aufgrund voller Auskunft - somit bei Übergabe des Tonbands - die Prozesslage des Verantwortlichen geschwächt würde. Nachdem der Beschwerdegegner die Tonbandaufnahme sowie auch die SMS Korrespondenzen mit der Beschwerdeführerin ausschließlich für eine potenzielle Verwendung der Daten zur Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche im laufenden Scheidungsverfahren verarbeite, sei eine Verweigerung der Auskunft jedenfalls zulässig.
Das BVwG hat aber bereits ausgesprochen, dass Beschränkungen des Auskunftsrechts nach Art. 23 Abs. 1 lit. j DSGVO unter den Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit. durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zulässig sind. Eine - wie in der Bundesrepublik Deutschland normierte - Ausnahme für den Fall, dass durch die Beauskunftung rechtliche Ansprüche gefährdet werden würden, findet sich in der österreichischen Rechtsordnung allerdings nicht (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 25. Juni 2019, GZ W258 2187426-1).
Da der österreichische Gesetzgeber somit nicht von dieser „Öffnungsklausel“ Gebrauch gemacht hat, kann sich der Beschwerdegegner auch nicht auf diese Ausnahmebestimmung stützen.
An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass die in Art. 15 Abs. 4 DSGVO normierte Ausnahme – auf die noch später einzugehen ist – nicht analog auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO anzuwenden ist:
Erstens ist der Wortlaut von Abs. 4 leg. cit. unmissverständlich und bezieht sich ausschließlich darauf, dass das „ Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 (…) die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen (…)“ darf; von einem Versehen des Verordnungsgebers kann daher nicht ausgegangen werden.
Zweitens ergeben sich Beschränkungen des Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO ausschließlich aus Art. 23 DSGVO . Eine analoge Anwendung von Art. 15 Abs. 4 DSGVO auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO würde Art. 23 DSGVO überflüssig machen, da aufgrund einer generalklauselartigen Ausnahme des Auskunftsanspruchs keine Notwendigkeit mehr bestehen würde, nationale Beschränkungen auf Grundlage von Art. 23 DSGVO zu erlassen .
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass – mangels Ausnahme, die einem Auskunftsanspruch entgegengehalten werden kann – eine inhaltliche Auskunft iSd. Art. 15 Abs. 1 DSGVO sehr wohl erteilt werden muss.
3. Zu Spruchpunkt 2 (Leistungsauftrag)
Nach § 24 Abs. 5 DSG iVm Art. 58 Abs. 2 lit. c DSGVO war dem Beschwerdegegner daher im Ergebnis aufzutragen, der Beschwerdeführerin eine Auskunft zu erteilen.
Dies umfasst einerseits eine inhaltliche Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO über die verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie andererseits die Metainformationen gemäß lit. a bis lit. h und Abs. 2 leg. cit.
Eine Frist von vier Wochen scheint angemessen, um dem Leistungsauftrag zu entsprechen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschwerdegegner eine große Menge an Daten über die Beschwerdeführerin verarbeitet.
4. Zu Spruchpunkt 3 - Recht auf Geheimhaltung
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass der Beschwerdegegner durch die heimlich aufgenommenen und zur Vorlage an eine Gericht bestimmten Tonaufzeichnungen von Gesprächen mit der Beschwerdeführerin gegen ihr Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verstoßen habe, da die Datenverarbeitung entgegen den Grundsätzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 5 DSGVO (insbesondere wider Treu und Glauben) sowie ohne hinreichende Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 6 DSGVO erfolgt sei.
§ 1 Abs. 1 DSG legt fest, dass jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat-und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Eine Beschränkung dieses Anspruchs ergibt sich grundsätzlich aus Abs. 2 leg. cit., die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind jedoch zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung jedenfalls zu berücksichtigen (vgl. den Bescheid der DSB vom 31. Oktober 2018, GZ DSB-D123.076/0003-DSB/2018).
Bei den Tonaufzeichnungen handelt es sich zweifelsfrei um personenbezogene Daten der Beschwerdeführerin und ist grundsätzlich auch ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung dieser personenbezogenen Daten gegeben.
Die Tonaufzeichnung durch den Beschwerdegegner stellt jedenfalls eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Z 2 DSGVO dar.
Nach § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruchs nur zulässig, wenn die Verwendung personenbezogener Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, oder bei überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen oder bei Vorhandensein einer qualifizierten gesetzlichen Grundlage.
Ein lebenswichtiges Interesse der Beschwerdeführerin oder ihre Zustimmung liegen unstrittig nicht vor und wurde diesbezüglich auch nichts vorgebracht.
Zu prüfen ist daher, ob eine qualifizierte gesetzliche Grundlage bzw. überwiegende berechtigte Interessen eines anderen die Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung im gegenständlichen Fall rechtfertigten würde.
In diesem Zusammenhang hat der OGH bereits ausgesprochen, dass die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit grundsätzlich keinen gesetzlichen Grund für einen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht darstellt. Heimlich angefertigte Gesprächsaufnahmen sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht infolge eines sonstigen Beweisnotstands unbedingt benötigt werden. Wenn eingewendet wird, dass die Tonaufzeichnung unbedingt benötigt wird, ist eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind die betroffenen Rechtsgüter nach ihrem allgemeinen Stellenwert, also das „Recht am eigenen Wort“ und der vom rechtswidrig Abhörenden verfolgte Anspruch, den er mit Hilfe der Tonaufzeichnungen durchsetzen will, sowie die subjektiven Interessen beider Teile gegenüberzustellen. Für die Annahme eines rechtfertigenden Beweisnotstands reicht nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Demjenigen, der sich auf einen solchen beruft, obliegt der Beweis, dass er die Tonaufzeichnungen bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind, als die bei Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners (vgl zuletzt OGH 20.1.2020, 1 Ob 1/20h mwN.)
Im Schreiben vom 4. November 2019 wird vom Beschwerdegegner in Bezug auf die Offenlegung der Tonbandaufnahmen im Rahmen des Scheidungsverfahrens folgendes ausgeführt: „Sollte eine Zustimmung zur Vorlag nicht erfolgen, werden wir natürlich eine Offenlegung im Rahmen des Scheidungsverfahrens vorerst nicht vornehmen, sondern dies unter Umständen erst nach einer detaillierten mehrmonatigen Einvernahme Ihrer Frau Mandantin auf geeignetem Wege machen.“
Schon aus diesem Satz ergibt sich, dass die Tonbandaufnahmen vom Beschwerdegegner offenbar nicht unbedingt benötigt werden. Wenn tatsächlich ein sonstiger Beweisnotstand vorgelegen wäre, dann würde man die Vorlage nicht von einer Zustimmung abhängig machen bzw. die Einvernahme der Beschwerdegegnerin abwarten.
Ein Beweisnotstand des Beschwerdegegners ist für die Datenschutzbehörde daher gegenständlich nicht erkennbar und war eine Güter- und Interessenabwägung daher auch nicht vorzunehmen. Die Datenschutzbehörde kommt daher zu dem Ergebnis, dass die heimlich angefertigten Gesprächsaufnahmen mangels vorliegendem Beweisnotstand jedenfalls unzulässig waren.
Es war somit spruchgemäß eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung festzustellen.
5. Zu Spruchpunkt 4 - Recht auf Erhalt einer Datenkopie
Nach den Feststellungen begehrte die Beschwerdeführerin vom Beschwerdeführer gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO
a) sämtliche E-Mails des Accounts ursula@a***.at
b) sämtliche zu diesem Account gespeicherte Kontakte und
c) sämtliche vom Beschwerdegegner ohne das Wissen der Beschwerdeführerin angefertigte Tonbandaufnahmen
In Bezug auf Datenkopien nach Art. 15 Abs. 3 ist zu beachten, dass kein Anspruch auf die Herausgabe ganzer Dokumente (und somit auch nicht auf die Herausgabe ganzer Tonbandaufnahmen oder SMS/WhatsApp-Verläufe) besteht:
Die Datenschutzbehörde hat unter Hinweis auf den ErwGr 63 sowie das Urteil des EuGH vom 17. Juli 2014, YS u.a., C -141/12 und C-372/12, bereits ausgesprochen, dass sich aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein Anspruch auf Herausgabe einer Kopie von Dokumenten , die personenbezogene Daten eines Auskunftswerbers enthalten, ableiten lässt (vgl. Bescheid vom 13. November 2019, GZ: DSB D062.268/0001-DSB/2019). Unter Berufung auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist es somit nicht möglich, die Herausgabe ganzer Urkunden zu verlangen, mögen darin auch personenbezogene Daten eines Auskunftswerbers aufscheinen (vgl. in diesem Sinne auch das Urteil des BG für Handelssachen Wien vom 7. Oktober 2019, GZ 18 C 263/19m betreffend Ausfolgung einer Versicherungspolizze). Art. 15 Abs. 3 DSGVO normiert lediglich das Recht auf Erhalt einer „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“.
Unter Zugrundelegung dessen kann auf Basis von Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch nicht die Herausgabe von E-Mails, Kontaktlisten und Tonaufnahmen begehrt werden, da dies dem Wortlaut dieser Bestimmung – anders als etwa Art. 20 Abs. 1 DSGVO – nicht zu entnehmen ist.
Dem diesbezüglichen Ansinnen der Beschwerdeführerin kommt somit keine Berechtigung zu.
Dieser Beschwerdepunkt war daher spruchgemäß abzuweisen.