JudikaturDSB

DSB-D123.942/0004-DSB/2019 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
27. August 2019

Text

GZ: DSB-D123.942/0004-DSB/2019 vom 27.8.2019

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BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Mag. Fritz A*** (Beschwerdeführer) vom 22. Dezember 2018 gegen die N***sozialversicherung (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

- Die Beschwerde wird abgewiesen .

Rechtsgrundlagen : § 1 Abs. 1, § 24 Abs. 2 Datenschutzgesetz – DSG, BGBl. 165/1999 idgF; Art. 4 Z 1, Art. 6 Abs. 1 lit. c Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S.1.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. In der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 19. Dezember 2018 führte der Beschwerdeführer aus, er sei in der Zeit vom 11. Dezember 2018 bis 8. Jänner 2019 Patient im Rehabilitationszentrum Bad N***, für das die Beschwerdegegnerin als Verantwortliche zu sehen sei, Patient gewesen. Bei der Begrüßung durch den Verwaltungsleiter sei auf den Umstand aufmerksam gemacht worden, dass Krankenzimmer mit elektronischen Türschlössern (Verriegelung mittels Türchip) und Bewegungsmeldern ausgestattet seien. Dadurch könne festgestellt werden, ob sich ein Patient in seinem Zimmer befinde. Darüber hinaus vermutete der Beschwerdeführer, es lasse sich mit Hilfe der Daten ein Bewegungsprofil erstellen und sei dies für die Zwecke der Heilbehandlung nicht notwendig. Dies widerstreite zahlreichen Grundsätzen der Datenverarbeitung.

2. Nach Verbesserung der Beschwerde mit Eingabe vom 22. Februar 2019 übermittelte die Datenschutzbehörde mit Erledigung GZ: D123.942/0001-DSB/2019 vom 7. März 2019 eine Aufforderung zur Stellungnahme an die bezeichnete Beschwerdegegnerin.

3. Mit Eingabe vom 10. Und 16. April 2019 führte die Beschwerdegegnerin aus, sie betreibe das Rehabilitationszentrum in Bad N*** – spezialisiert auf Herz- Kreislauferkrankungen –, wo der Beschwerdeführer in der Zeit vom 11. Dezember 2018 bis 8. Jänner 2019 stationär aufhältig gewesen sei. Richtig sei auch, dass die Zimmer mit Bewegungsmeldern in Verbindung mit elektronischen Türverriegelungen ausgestattet wären, nicht jedoch ließen sich damit Bewegungsprofile von Patienten erstellen. Die Anlage verarbeite durch das Wissen des Personals, wer ein Zimmer belege, mit dem elektronischen Türschloss, wo ein Chip einer Person zugeordnet werden könne, sowie einem Bewegungsmelder in jedem Krankenzimmer, personenbezogene Daten. Aus diesen Daten könne aber kein Bewegungsprofil erstellt werden, sondern lieferten diese einzig die weitgehend verlässliche Information, ob sich ein Patient in einem Zimmer befinde. Dies sei durch unterschiedliche rechtliche Grundlagen gedeckt. So seien diese Daten im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht als gesundheitsbezogene Daten zu qualifizieren. Weiter würden dadurch lebenswichtige Interessen von betroffenen Personen gewahrt und sei dies im Übrigen auch vom Rechtfertigungsgrund der Wahrung rechtlicher Pflichten gegenüber dem Patienten gedeckt, was sich aus den bezughabenden Regeln der Bundes -und Landesgesetze für Kranken- und Heilanstalten ergebe. Es sei schon – nachgewiesener Maßen – dazu gekommen, dass Patienten akute Notfälle nur aufgrund des beschwerdegegenständlichen Systems überlebt hätten. Weiter erlaube es in Notfällen eine raschere und zielgerichtete Evakuierung des Gebäudes und letztlich ermögliche es erst zu kontrollieren, ob Patienten nach der nach der Anstaltsordnung vorgegebenen Zeit, um 22:30, in ihren Zimmern wären. Dies sei zur Erreichung des Rehabilitationszwecks notwendig. Zur Überprüfung all dieser Punkte könne alternativ nur eine Nachschau gehalten werden. In Zusammenschau dieser Punkte ergebe sich daher, dass die vorliegende Datenverarbeitung nicht nur das gelindeste Mittel, sondern auch die einzig verlässliche Maßnahme zur Zweckerreichung sei.

4. Mit Erledigung GZ: DSB-D123.942/0003-DSB/2019 vom 6. Mai 2019 räumte die Datenschutzbehörde dem Beschwerdeführer das Recht auf Parteiengehör ein.

5. Mit Eingabe vom 9. Mai 2019 erwiderte der Beschwerdeführer den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, dass ihre Rechtfertigungsgründe der lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person nicht einschlägig wären und dass die meisten Patienten keiner dauerhaften Überwachung bedürfen würden. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten anderen Argumente wären auch nicht schlagend, da die Patienten dreimal täglich bei den Mahlzeiten, Therapieeinheiten dazwischen und bei ärztlichen Visiten ohnedies überprüft würden. Es sei der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zu entnehmen, dass der einzige Zweck zu dem die Anlage tatsächlich existiere, die Überprüfung der Anwesenheit nach 22:30 im Krankenzimmer sei.

B. Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand ist die Frage ob die elektronische Anwesenheitskontrolle mittels Türschloss und Bewegungsmelder den Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 11. Dezember 2018 bis 8. Jänner 2019 Patient im Rehabilitationszentrum Bad N***. Der Beschwerdeführer war in einem Einzelzimmer untergebracht. Das Rehabilitationszentrum Bad N*** ist auf Herz- und Kreislauferkrankungen spezialisiert und liegt in einer großen Grünanlage, in der sich Patienten frei bewegen können.

Seit der Modernisierung der Einrichtung 2016 sind alle Zimmer mit Bewegungsmeldern und elektronischen Türschlössern, welche mittels codiertem Chip-Schlüssel versperrbar sind, ausgestattet. Es werden keine Bewegungsprofile erstellt und keine Aufzeichnungen über Bewegungsmuster erhoben.

Zweck der Anlage ist eine elektronische Zimmerbelegungserkennung. Von berechtigten Mitarbeitern der Beschwerdegegnerin kann diese Information im Anlassfall abgerufen werden.

Beweiswürdigung : Beweise zum unstrittigen Sachverhalt wurden erhoben durch die übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der Verfahrensparteien im laufenden Verfahren vor der Datenschutzbehörde.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Wesen der Beschwerde ist die Frage, ob der festgestellte Sachverhalt (ausreichend) von einem Rechtfertigungsgrund getragen wird. Vorab ist auszuführen, dass Verfahrensgegenstand keineswegs die grundsätzliche Zulässigkeit der elektronischen Zimmerbelegungserkennung ist, sondern einzig, ob der Beschwerdeführer im konkreten Einzelfall in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt wurde:

Die Datenschutzbehörde vertritt in ihrer Rechtsprechung den Standpunkt, dass die Geheimhaltungspflicht nach § 1 Abs. 1 DSG dann nicht verletzt ist, wenn die gemäß § 4 Abs. 1 DSG normierten Durchführungsbestimmungen der DSGVO und deren Rechtfertigungsgründe eingehalten wurden . Demnach sind Durchführungsnormen des Art. 2 DSG zu Art. 1 DSG nach eindeutiger gesetzlicher Anordnung als Normen der DSGVO zu sehen und für die Geltendmachung der subjektiven Rechtsverletzung im Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG die Normen der DSGVO relevant (vgl. ua. DSB-D123.495/0007-DSB/2018 vom 5. Februar 2019).

Die festgestellte elektronische Zimmerbelegungserkennung erfasste ohne Zweifel in der Zeit vom 11. Dezember 2018 bis 8. Jänner 2019 auch den Beschwerdeführer. Es wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass die erfassten Daten dem Beschwerdeführer zugeordnet werden konnten und dass die Datenverarbeitung in ihrer Gesamtauswirkung es ermöglichte festzustellen, ob sich der Beschwerdeführer in seinem Zimmer befand.

Das Erfordernis der Identifizierbarkeit und Rückführbarkeit der Daten ist folglich erfüllt (Art. 4 Z 1 DSGVO, § 1 Abs. 1 DSG) Dem Vorbringen, es würden besondere Kategorien von Daten iSd Art. 9 DSGVO verarbeitet, für die ein generelles Verarbeitungsverbot besteht, kann im Hinblick auf die gerügte Datenverarbeitung nicht gefolgt werden.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass die von der Beschwerdegegnerin genannten Rechtfertigungsgründe der lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person hier nicht relevant sind, da schon aufgrund von Umfang und Qualität der Datenverarbeitung nur geschlossen werden kann, ob sich eine Person im Krankenzimmer aufhält. Es mag wohl im Einzelfall lebenserhaltende Maßnahmen schneller ermöglichen, sofern erkannt wird, dass sich diejenige Person in ihrem Zimmer befindet, aber kann die Beschwerdegegnerin nicht davon ausgehen, dass die elektronische Zimmerbelegungserkennung erforderlich ist, um jedenfalls lebenswichtige Interessen der betroffenen Person zu bewahren.

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Rehabilitation dem Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin bewilligt wurde und die Vereitelung des Rehabilitationserfolges sozialversicherungs- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Versicherter die Interessen des Sozialversicherungsträgers und damit auch die der anderen Versicherten in zumutbarer Weise zu wahren hat, will er seine Ansprüche nicht verlieren, ist er nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, eine notwendige Krankenbehandlung durchzuführen, die zu einer Heilung und Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit führen würde, sofern die Behandlung für ihn nicht mit unzumutbaren Gefahren verbunden ist. Eine schuldhafte, also eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Duldungs- oder Mitwirkungspflicht des Versicherten, der sich einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen hat, führt zum Verlust des Anspruchs (vgl. dazu OGH vom 28. Juni 2011, GZ 10 ObS 58/11v).

Ziel des Aufenthalts in Sonderkrankenanstalten, die der Rehabilitation dienen, ist aufgrund eines Rehabilitationsplans, die persönliche Situation und individuellen gesundheitlichen Probleme bzw. Krankheiten eines Patienten zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Diese Maßnahmen bedürfen nach der Rechtsprechung des OGH auch der grundsätzlichen Mitwirkung des Patienten (vgl. uA OGH vom 10. Mai 2016, GZ 6 ObS 4/16k).

Die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht ist vom Versicherungsträger zu behaupten und zu beweisen. Den Versicherungsträger trifft im Allgemeinen auch die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Leistung nicht mehr gegeben sind, wenn (sobald) sich der Versicherte einer ihm zumutbaren Behandlung unterzieht (siehe dazu nochmals OGH vom 28. Juni 2011).

Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, an der Besserung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken. Dazu gehört auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Nachtruhe. Die Nichteinhaltung der verordneten Maßnahmen hätte zu Folge, dass der Beschwerdeführer Ansprüche verliert bzw. diese von der Beschwerdegegnerin zurückgefordert werden, wobei die Beweislast für den Nichteintritt des Behandlungserfolges und folglich für die Kürzung oder Rückforderung von Leistungen die Beschwerdegegnerin trifft.

Die Datenschutzbehörde vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass die Datenverarbeitung in Umfang und Intensität vom damit verfolgten Zweck gerechtfertigt sein muss (vgl. dazu GZ: DSB D123.032/0003 DSB/2018 vom 12.11.2018).

Wie schon dargestellt, hat die Beschwerdegegnerin durch die elektronische Zimmerbelegungserkennung die Möglichkeit zu erheben, ob sich der Beschwerdeführer in seinem Zimmer befindet und werden diese Informationen im Einzelfall ausgewertet – weitere Informationen sind dadurch nicht eruierbar. Hinzu kommt, dass es der Beschwerdegegnerin über den Tag hinweg bei der Verabreichung der Mahlzeiten und Therapieeinheiten auch ohne elektronische Zimmerbelegungserkennung möglich ist, den Aufenthaltsort zu bestimmen.

Die Datenschutzbehörde gelangt daher zum Schluss, dass die verfahrensgegenständliche Datenverarbeitung geeignet und verhältnismäßig ist, um die wechselseitigen Rechte und Pflichten der involvierten Parteien im Rahmen einer Rehabilitation zu wahren.

Es war spruchgemäß zu entscheiden .

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