Spruch
W284 2287245-1/9E
Schriftliche Ausfertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 25.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, Bundesamt bzw. belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht - BVwG) mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Gegen die Versagung des Asylstatus (Spruchpunkt I.) erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 21.02.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Nach Durchführung einer Verhandlung vor dem BVwG wurde die Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom XXXX abgewiesen. Im Zuge der Verhandlung wurden die Länderfeststellungen aktualisiert und Version 11 vom 27.03.2024 in das Verfahren eingebracht. Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz vom 03.09.2024 beantragte die Beschwerdeführerin die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die am XXXX in der Stadt XXXX , im Distrikt und Gouvernement XXXX , geborene und aufgewachsene XXXX . Sie ist zum Entscheidungszeitpunkt XXXX Jahre alt, Staatsangehörige von Syrien, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Sie beherrscht ihre Muttersprache Arabisch in Wort und Schrift. Zudem spricht sie gut Türkisch und hat Kenntnisse der englischen Sprache.
Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2014 im Alter von XXXX Jahren illegal aus Syrien in die Türkei aus, verbrachte dort neun Jahre und reiste anschließend nach Europa, wo sie am 25.07.2023 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid vom XXXX wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Die Beschwerdeführerin ist Mutter eines Sohnes, der in Österreich subsidiär schutzberechtigt ist. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin verheiratet war bzw. ob und wann sie sich in weiterer Folge scheiden ließ sowie ob bzw. seit wann sie von diesem getrennt lebte. Von ihren Angehörigen leben ihre Mutter, zwei Schwestern und die Familie einer Schwester in Syrien.
Die Beschwerdeführerin leidet unter Rückenproblemen. Sie ist auf einem Auge völlig erblindet und trägt eine Augenprothese. Auch auf dem anderen Auge ist sie massiv seheingeschränkt.
Der Herkunftsort der Beschwerdeführerin, die Stadt XXXX im Distrikt und Gouvernement XXXX , steht im ausschließlichen Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes.
Aufgrund vieler widersprüchlicher Angaben der Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens war es schwierig, konkrete Feststellungen zu treffen.
1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin verließ Syrien aufgrund der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkriegs. Sie war in Syrien nie einer individuellen konkreten Bedrohung vonseiten des syrischen Regimes ausgesetzt und ihr droht auch keine derartige Gefahr im Falle einer Rückkehr. Die Beschwerdeführerin gehört insbesondere nicht zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Zur aktuellen Situation in Syrien (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation vom 27.03.2024, Version 11):
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt.
Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht.
Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien
Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).
Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage
Vor allem Aleppo, die größte Stadt Syriens und ihr ehemaliger wirtschaftlicher Motor, bietet einen Einblick in die derzeitige Lage: Die Truppen des Regimes haben die primäre, aber nicht die ausschließliche Kontrolle über die Stadt, weil die Milizen, auch wenn sie nominell mit dem Regime verbündet sind, sich sporadische Zusammenstöße mit Soldaten und untereinander liefern und die Einwohner schikanieren. Die Rebellen sind vertrieben, kein ausländischer Akteur hat ein Interesse an einer erneuten Intervention, um das Regime herauszufordern, und die Bevölkerung ist durch den jahrelangen Krieg zu erschöpft und verarmt und zu sehr damit beschäftigt, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, um einen weiteren Aufstand zu führen. Außerdem konnten die meisten Einwohner der Stadt, die in von der Opposition gehaltene Gebiete oder ins Ausland vertrieben wurden, nicht zurückkehren, vor allem weil sie entweder die Einberufung oder Repressalien wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Aufstand fürchten (ICG 9.5.2022). Gebiete, in denen es viele Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten gab, wie Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs, werden nun auch verstärkt durch die Geheimdienste überwacht (Üngör 15.12.2021).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Allgemeine Informationen
Letzte Änderung 2024-03-13 16:02
Syrien ist eine patriarchalische Gesellschaft, aber je nach sozialer Schicht, Bildungsniveau, Geschlecht, städtischer oder ländlicher Lage, Region, Religion und ethnischer Zugehörigkeit gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf Rollenverteilung, Sexualität sowie Bildungs- und Berufschancen von Frauen.
Die persönliche gesellschaftliche Freiheit von Frauen variiert je Gebiet außerhalb der Regierungskontrolle und reicht von schwerwiegenden Kleidungs- und Verhaltensvorschriften in Gebieten extremistischer Gruppen bis hin zu formaler Gleichheit im Selbstverwaltungsgebiet der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD). Durch die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) und dem Zurückgehen der Kampfhandlungen im Lauf der Zeit ist die Bevölkerung in geringerem Ausmaß den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheiten ausgesetzt (FH 9.3.2023). Gleichwohl haben verschiedene Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufgrund der Pandemie und der Bewegungseinschränkungen zugenommen, welche auch zur ökonomischen Ausbeutung von Frauen beitragen (UNFPA 28.3.2023).
Auch geschiedene oder verwitwete Frauen gelten als vulnerabel, denn sie können Druck zur Wiederverheiratung ausgesetzt sein (UNFPA 28.3.2023
Es wird angenommen, dass konservative Bräuche, die Frauen in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle zuweisen, für viele Syrer maßgeblicher waren als das formale Recht (FH 3.3.2010). Doch selbst die formellen Gesetze legen für Frauen nicht denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte fest wie für Männer, obwohl die Verfassung die Gleichstellung von Männern und Frauen vorsieht (USDOS 20.3.2023). Frauen werden vor allem durch das Personenstandsgesetz bezüglich Heirat, Scheidung, Sorgerecht und Erbschaft weiterhin diskriminiert (HRW 11.1.2024).
Per legem haben Männer und Frauen dieselben politische Rechte. Der Frauenanteil im syrischen Parlament liegt je nach herangezogener Quelle zwischen 11,2 und 13,2 %. Auch manche der höheren Regierungspositionen werden derzeit von Frauen besetzt.
Obwohl erwachsene Frauen keine offizielle Genehmigung brauchen, um das Land zu verlassen, reisen viele Frauen in der Praxis nur dann ins Ausland, wenn der Ehemann oder die Familie dem zugestimmt hat (NMFA 5.2022).
Rückkehr
Die Behandlung von Einreisenden nach Syrien ist stark vom Einzelfall abhängig, über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die syrischen Nachrichtendienste über allfällige exilpolitische Tätigkeiten informiert sind, ebenso ist von vorhandenen ’black lists’ betreffend Regimegegner immer wieder die Rede. Je nach Sachlage kann es aber (z.B. aufgrund von Desertion oder Wehrdienstverweigerung oder früherer politischer Tätigkeit) durchaus zu Schwierigkeiten mit den syrischen Behörden kommen. Seit 1.8.2020 wurde – bedingt durch den Devisenmangel – bei Wiedereinreise ein Zwangsumtausch von 100 USD pro Person zu dem von der Regierung festgelegten Wechselkurs eingeführt. Damit einher geht ein Kursverlust gegenüber Umtausch zum Marktkurs von mittlerweile bereits mehr als 50 Prozent (ÖB Damaskus 12.2022).
Auch länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z. B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Z.B. müssen deutsche männliche Staatsangehörige, die nach syrischer Rechtsauffassung auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzen, sowie syrische Staatsangehörige mit Aufenthaltstitel in Deutschland auch bei nur besuchsweiser Einreise damit rechnen, zum Militärdienst eingezogen oder zur Zahlung eines Geldbetrages zur Freistellung vom Militärdienst gezwungen zu werden. Eine vorab eingeholte Reisegenehmigung der syrischen Botschaft stellt keinen verlässlichen Schutz vor Zwangsmaßnahmen seitens des syrischen Regimes dar. Auch aus Landesteilen, die aktuell nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehen, sind Fälle zwangsweiser Rekrutierung bekannt (AA 16.5.2023). Die Dokumentation von Einzelfällen zeigt immer wieder, dass es insbesondere auch bei aus dem Ausland Zurückkehrenden trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung kommen kann. Häufiger werden die Festgenommenen an Haftanstalten der Geheimdienste oder des Militärs überstellt, oft in den Raum Damaskus (AA 2.2.2024).
Es ist nicht Standard, dass SyrerInnen bei der legalen Ein- und Ausreise nach ihren Login-Daten für ihre Konten für soziale Medien gefragt werden, aber für Einzelfälle kann das nicht ausgeschlossen werden, z. B. wenn jemand - aus welchem Grund auch immer - auf dem Flughafen das Interesse der Behörden bei der Ausreise - erweckt (NMFA 5.2022).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität der Beschwerdeführerin, ihre Staatsangehörigkeit und ihr Alter konnten auf Basis ihrer Angaben im Verfahren sowie aufgrund des in Vorlage gebrachten syrischen Personalausweises im Original, an dessen Echtheit laut der kriminaltechnischen Untersuchung keine Zweifel bestehen, festgestellt werden (AS 3, 31, 33, 173f, 182).
Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, Religion sowie zu ihren Sprachkenntnissen stützen sich auf ihre hierzu getätigten, gleichgebliebenen Aussagen im Verfahren (AS 3-5, 32f, 182).
Dass die Beschwerdeführerin in der Stadt XXXX geboren wurde, konnte ihrem in Original vorgelegten syrischen Personalausweis sowie ihren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde entnommen werden (Personalausweis: AS 32 iVm 172f, Angaben: AS 32, 182). Dass sie dort vor ihrer Ausreise lebte, beruht auf ihren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme (AS 33).
Die Feststellungen zum Zeitpunkt ihrer Ausreise von Syrien in die Türkei und von dort nach Europa bzw. zu ihrer Reiseroute ergeben sich aus ihren gleichbleibenden Angaben während des Verfahrens (AS 9, 11, 33, 35, 182). Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Österreich gründen sich auf den unstrittigen Akteninhalt. Dem angefochtenen Bescheid ist auch der Status der Beschwerdeführerin als subsidiär Schutzberechtigte zu entnehmen (AS 63).
Dass die Beschwerdeführerin Mutter eines Sohnes ist, der in Österreich subsidiär schutzberechtigt ist, lässt sich ihren gleichbleibenden und somit glaubhaften Angaben während des Verfahrens entnehmen. Andererseits wurde sein Status zudem mit dessen IFA Zahl im Akt abgeglichen (AS 7, 32). Sohin schadet es auch nicht, dass sich das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Familienbuch als Fälschung entpuppte (zur Vorlage: AS 32, zur Fälschung: 175 bis 177), wodurch sie kein glaubwürdiges Bild ihrer Person zeichnete.
Dieses nachweislich gefälschte Familienbuch führte jedoch in Zusammenschau mit ihren krass widersprüchlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG dazu, dass keine Feststellungen zu ihrem Familienstand gemacht werden konnten. So gab sie vor dem BFA am XXXX noch an, sich im Jahr 2011 von ihrem Ehemann getrennt zu haben, von diesem aber erst seit ungefähr zwei bzw. zweieinhalb Jahren und somit seit Mitte 2021 bzw. Anfang 2022 geschieden zu sein (AS 33). In der mündlichen Verhandlung war plötzlich von einer offiziellen Trennung (Scheidung) im Jahr 2001 die Rede, die zuerst auf Nachfrage in das Jahr 2011 und dann in das Jahr 2021 eingeordnet wurde (Seite 4 VHP).
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG trat ein weiterer Widerspruch zu Tage: Gab die Beschwerdeführerin vor dem BFA noch an, dass sich nach der Abschiebung ihrer Mutter und einer Schwester aus der Türkei nach Syrien noch eine weitere Schwester in Syrien befinden würde, bestritt sie das in ihrer Befragung vor dem BVwG (AS 33f). Dort gab sie auf Nachfrage der Richterin zuerst an, dass nur ihre ältere Schwester in Syrien wohnen würde und räumte erst auf explizite Nachfrage ein, dass sich nach einer Abschiebung aus der Türkei auch ihre Mutter so wie die zweite Schwester in Syrien befinden würden (Seite 3 Verhandlungsprotokoll vom XXXX – in Folge: Seite 3 VHP). Die ursprüngliche Einlassung der Beschwerdeführerin zu ihren Familienangehörigen in Syrien war somit wahrheitswidrig. Dass die ältere Schwester der Beschwerdeführerin mit ihrer Familie durchgehend in Syrien wohnt, ergibt sich aus ihren gleichbleibenden und damit schlüssigen Aussagen während des Verfahrens und daraus, dass diese Schwester in der Aufzählung der aus Syrien geflüchteten Personen fehlt (AS 7, AS 33, AS 36).
Aufgrund des nachweislich gefälschten Familienbuchs, den nicht glaubhaften Angaben zu ihrem Familienstand sowie der widersprüchlichen Angaben zum Verbleib ihrer Schwestern in Syrien erwies sich die Beschwerdeführerin insgesamt als nicht glaubhaft und war es dadurch schwierig, überhaupt Feststellungen zu treffen.
Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand stützten sich auf ihr Vorbringen vor dem BFA, den vorgelegten Befunden vom 18.09. und 13.11.2023 sowie hinsichtlich des beeinträchtigten Auges auf ihre Angaben vor dem BVwG und den dortigen diesbezüglichen Wahrnehmungen der Richterin (zum Rücken: AS 34, 55, 61 zu den Augen: Seite 3f VHP). Auch hier muss sich die Beschwerdeführerin anlasten lassen, dass sie ihren Gesundheitszustand nicht ohne Weiteres offenlegte, sondern erst durch gezielte Nachfragen der verhandlungsführenden Richterin die Hintergründe zu ihrer massiven Sehschwäche (wobei sie auf einem Auge vollständig erblindet ist und eine Sehprothese trägt und auf dem anderen Auge ebenfalls deutlich sehgeschwächt ist) offenbarte. Medizinische Unterlagen hierzu blieben zudem aus. Das – bloß selektive - Vorlegen medizinischer Unterlagen fügte sich somit in das unglaubwürdige Gesamtbild der Beschwerdeführerin ein.
Dass der Herkunftsort der Beschwerdeführerin, die Stadt XXXX , unter Kontrolle des syrischen Regimes steht, lässt sich den Länderberichten, der historische Karte des Carter Centers (www.cartercenter.org) sowie der tagesaktuellen Syrien Karte (https://syria.liveuamap.com/) entnehmen.
2.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:
In ihrer Erstbefragung am 25.07.2023 gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund befragt an, dass sie Syrien wegen des Krieges und der mangelnden Sicherheit verlassen hat (AS 13). Vor dem BFA steigerte sie am XXXX ihr Fluchtvorbringen dahin, dass sie Syrien im Jahr 2014 deshalb verlassen hat, weil ihr Bruder 2013 von Personen der syrischen Regierung mitgenommen wurde und später mit Folterspuren zurückkehrte (AS 35). Wenig später verstärkte sie ihr fluchtbezogenes Vorbringen erneut, indem sie angab, dass damals nicht nur ihr Bruder, sondern auch ihr achtzigjähriger Vater verschleppt worden wäre. Letzterer wäre wenig später als Leiche zurückgekehrt (AS 35). Gleichzeitig gab sie wiederum zu, dass sie selbst in Syrien persönlich nie bedroht oder verfolgt wurde. Sie fühlte sich vor ihrer Ausreise nicht mehr sicher und hätte Angst um ihren schulpflichtigen Sohn gehabt (AS 36). Diese allgemeinen, kriegsbezogenen Ängste bestätigte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am XXXX erneut, als sie zu ihrer Rückkehr befragt, Folgendes angab: „Ich kann nicht mehr nach Syrien zurück. Ich flüchtete vor dem Krieg, vor dem Terror. Ich bin geschieden und habe in Syrien eigentlich keinen, der mich unterstützen kann…“ (Seite 6 VHP).
Mit dem letzten Teil ihrer Aussage („…Ich bin geschieden und habe in Syrien eigentlich keinen, der mich unterstützen kann…“) sprach sie, wie in der Beschwerde, ihre behauptete Eigenschaft als Angehörige der sozialen Gruppe der „alleinstehenden Frauen“ an (Seite 6 VHP bzw. AS 185). Dass die Beschwerdeführerin nicht Teil dieser Gruppe ist, ergibt sich aus den unter Punkt 2.1. beweisgewürdigten Feststellungen zum Aufenthalt zweier Schwestern und der Mutter in Syrien. An dieser Stelle sei auch nochmals darauf hingewiesen, dass ihre ältere Schwester und deren Familie Syrien nie verlassen haben und sie vor dem BFA explizit angegeben hat, mit dieser Schwester, deren Familie sowie mit allen Familienangehörigen ein gutes Verhältnis zu haben (AS 33). Die Beschwerdeführerin ist daher faktisch nicht „alleinstehend“ und es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass sie im Fall ihrer Rückkehr nach Syrien nicht bei der Familie ihrer älteren Schwester oder, wie bereits vor ihrer Ausreise, gemeinsam mit der zweiten Schwester und ihrer Mutter leben könnte.
Dass die Beschwerdeführerin in Syrien keiner individuellen, konkret gegen sie gerichteten Bedrohung ausgesetzt war, ergibt sich aus ihren expliziten Aussagen während des Verfahrens sowie aus der von ihr geschilderten „Fluchtgeschichte“, bei der es um Gewalt gegen einzelne Familienangehörige ging. So gab sie vor dem BFA zu einer etwaigen persönlichen Verfolgung oder Bedrohung befragt an, dass es diese nicht gegeben hätte es aber bekannt sei, dass „...die Regierung gegen Sunniten sei“ (AS 36). Sie bestätigte damit ihre in der Vorfrage getätigte Antwort als es ebenfalls um eine etwaige persönliche Bedrohung ging, indem sie Folgendes sagte: „…Ich persönlich wurde nie verfolgt oder bedroht – niemand hat mich bedroht. Ich hatte Angst wegen meinem Bruder und meinem Vater. Wir hatten alle Angst, deshalb haben wir alles gepackt und sind ausgereist.“ (AS 36). Zu einer möglichen Verfolgungsgefahr im Fall ihrer Rückkehr befragt gab sie an, dass es diese nicht gäbe, es aber unmöglich sei nach Syrien zurückzukehren, da alle Syrienrückkehrer die vorher in der Türkei gewesen wären, vom syrischen Regime als Terroristen angesehen werden würde (AS 36).
Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass es trotz der zweifachen Steigerung des Vorbringens vor dem BFA vor elf Jahren und somit Ende 2013 Verfolgungshandlungen gegen einen ihrer Brüder und ihren Vater gegeben hätte, ist es unter Berücksichtigung ihrer Aussagen, dass sie selbst nie persönlich verfolgt wurde, nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass sie in den Blickwinkel des syrischen Regimes geraten ist. Im Fall ihrer Rückkehr ist es daher nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der behaupteten Verfolgung ihrer Familienmitglieder selbst bedroht oder verfolgt werden würde.
Das BVwG verkennt nicht, dass die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin umkämpftes Kriegsgebiet war und nach wie vor ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass bei der Beschwerdeführerin keine Geschehnisse zu Tage getreten sind, welche sie aus Sicht des syrischen Regimes als Oppositionelle ausweisen würden.
Auch die ältere Schwester der Beschwerdeführerin kann seit langem mit ihrer Familie verfolgungsfrei in Syrien leben. Es haben sich daher in einer Gesamtzusammenschau keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin generell in das Visier des syrischen Regimes geraten ist.
Es ist sohin nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin überhaupt im Fall ihrer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch das syrische Regime droht.
Auch sonst sind keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, die darauf hindeuten würden, dass sie im Fall einer Rückkehr aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter konkret bedroht wäre.
Das Verfahren hat insgesamt ergeben, dass die wegen ihres eingeschränkten Sehvermögens als vulnerabel anzusehende Beschwerdeführerin Syrien aufgrund der allgemeinen prekären Sicherheits- und Wirtschaftslage verlassen hat. Dem trug das BFA mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes hinreichend Rechnung.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11, sowie auf die am Tag der Beschwerdeverhandlung unter www.cartercenter.org abgefragte Karte betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin in Syrien (Seite 6 VHP), wobei sie den Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, ist es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Da im vorliegenden Fall keine vom syrischen Regime oder sonstigen Akteuren ausgehende asylrelevante Verfolgung festzustellen war, erübrigt sich eine gesonderte Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zuge des Grenzübertritts bzw. der Rückkehr in die Herkunftsregion mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen konfrontiert werden würde (vgl. VfGH 29.06.2023, E 3450/2022, Rn. 17; VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.