JudikaturBVwG

W240 2288085-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
18. Oktober 2024

Spruch

W240 2288085-1/4E W240 2288087-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX beide StA. Russische Föderation, vertreten durch die BBU GmbH gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2024, Zlen. 1) 1379719606-232559548, und 2) 1379720803-232559599, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (BF) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, reisten unberechtigt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 14.12.2023 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2288085-1 (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2288087-1 (BF2) sind verheiratet.

Die Eurodac-Abfrage ergab eine Treffermeldung der Kategorie 1 (erkennungsdienstliche Behandlung im Zuge der Asylantragstellung) zu Kroatien am 13.11.2023 hinsichtlich des BF1 und am 07.10.2023 hinsichtlich der BF2.

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.12.2023 gab der BF1 zunächst an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Seine Frau sei mit ihm mitgereist. Alle weiteren Familienangehörigen seien in Russland aufhältig. Den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat habe er vor ca. zwei Monaten gefasst. Sein Ziel sei Österreich gewesen, da es ein sicheres Land sei. Er sei am 09.11.2023 legal mit dem Flugzeug in die Türkei gereist, wo er sich eine Woche lang aufgehalten habe. Dann sei er über Bosnien, wo er sich drei bis vier Tage lang aufgehalten habe nach Kroatien gelangt. Nach einigen Tagen sei er weitergereist und über Slowenien, wo er sich zwei Tage lang aufgehalten habe, am 19.11.2023 nach Österreich gelangt. Um Asyl habe er in keinem der durchreisten Länder angesucht. In Kroatien habe er bei der Polizei angegeben, nach Österreich weiterreisen zu wollen. Die Behörden hätten ihm versichert, dass er nach Abgabe seiner Fingerabdrücke weiterreisen dürfe. Als Fluchtgrund führte der BF1 im Wesentlichen an, er habe aufgrund seiner privaten Ermittlungen mit einheimischen Aktivisten eine kriminelle Organisation entdeckt, die von den Behörden unterstützt werde. Der BF habe Videos auf YouTube gepostet, in denen er offen über seine Ermittlungen spreche, weshalb er verfolgt worden sei. Er sei mehrmals von Polizisten verprügelt worden, wobei ihm der Schädel gebrochen worden sei. Er habe nicht ins Spital gehen dürfen. Bei einer Rückkehr würde er getötet, weil er zu viel wisse.

Auch die BF2 gab bei ihrer Erstbefragung an, keine Krankheiten oder Beschwerden zu haben, die sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Ihre Schwester lebe in Kasachstan, die fünf Kinder in Russland. Zu ihrer Reiseroute befragt führte die BF2 an, sie sei bereits am 04.10.2023 legal mit dem Flugzeug in die Türkei gereist und im Anschluss über Bosnien nach Kroatien gereist, wo sie sich fünf bis sechs Tage aufgehalten habe. Dann sei sie über Slowenien, wo sie einen Tag lang gewesen sei, am 15.10.2023 nach Österreich gelangt. In Kroatien sei sie von der Polizei aufgegriffen worden und ihr seien Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie habe nie in Kroatien bleiben wollen, weshalb sie weiter nach Österreich gereist sei. Nach Kroatien wolle sie nicht zurück, dort würde man unmenschlich behandelt. Als Fluchtgrund führte die BF2 ebenfalls die Verfolgung ihres Mannes an.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) richtete am 28.12.2023 ein auf Art. 18 Abs. lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (in Folge: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch betreffend beide BF an Kroatien.

Mit Schreiben vom 11.01.2024 stimmte Kroatien der Wiederaufnahme beider BF nach Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zu.

Am 31.01.2024 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA, wobei dieser die Frage, ob er an schwerwiegen Krankheiten leide oder Medikamente benötige, bejahte, es sei aber nicht akut. Er habe ein Loch im Kopf. Vor vier Jahren habe ihm die Polizei in Russland mit einer Maschinenpistole auf den Kopf geschlagen. Die Ärzte hätten ihm eine Behandlung empfohlen und er habe hier eine Überweisung bekommen. In der Russischen Föderation sei er nicht in ärztlicher Behandlung gewesen, da ihm davon abgeraten worden sei, damit der Vorfall nicht öffentlich bekannt werde. In Österreich sei er noch nicht beim Arzt gewesen. Weiters führte er an, in Österreich keine Verwandten oder sonstigen Personen zu haben, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe. Zur geplanten Vorgehensweise des BFA, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung zu treffen, führte der BF1 an, er habe in Kroatien keinen Asylantrag gestellt. Er habe nicht einmal seine Fingerabdrücke abgeben wollen, aber man habe ihm gesagt, dass er abgeschoben würde, wenn er die erkennungsdienstliche Behandlung verweigere. Er sei ein bis zwei Tage in Kroatien aufhältig gewesen. Befragt warum er in Kroatien keinen Antrag habe stellen wollen, führte der BF an, er sei politisch aktiv und habe hier die demokratischen politischen Persönlichkeiten von Österreich treffen wollen. Ihn betreffende Vorfälle habe es während seines Aufenthaltes in Kroatien nicht gegeben.

Die BF2 brachte anlässlich ihrer Einvernahme vor dem BFA am 31.01.2024 vor, dass sie an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide und keine Medikamente benötige. Sie habe in Österreich keine Verwandten oder sonstigen Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung besteht, nur Freunde. Zur geplanten Vorgehensweise des BFA, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung zu treffen, gab die BF2 an, dass sie nie nach Kroatien gewollt hätten. Ihr Mann habe Probleme in Russland und in Kroatien sei es für einen politisch verfolgten Russen nicht ungefährlich. Kroatien würde ihn ausliefern. Er habe in Kroatien gesagt, dass sein Ziel Österreich sei, um hier wichtige Leute zu treffen. Die BF2 sei früher als ihr Mann aus Russland ausgereist, weshalb sie länger in Kroatien gewesen sei als dieser. Sie sei vier Tage lang dort gewesen. Sie konkret betreffende Vorfälle habe es in Kroatien nicht gegeben. Sie hätten weder ihre Fingerabdrücke abgeben, noch einen Asylantrag stellen wollen. Für ihren Mann sei es in Kroatien gefährlich. Russland und Kroatien hätten eine enge Verbindung und es sei unwahrscheinlich, dass ihr Mann in Kroatien Schutz bekomme.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2024 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei. (Spruchpunkt I.) Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.)

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurden in dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung 2023-04-14 14:39

Hinweis:

Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports.

Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität:

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 .

Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung 2023-04-14 14:28

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2 22.4.2022; USDOS 12.4.2022 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

(AIDA 22.4.2022)

Im Jahr 2021 bestand die größte Herausforderung neben der anhaltenden Ausbreitung von COVID-19 weiterhin in einem strengen Grenzregime, das den Zugang zum Hoheitsgebiet und zum Verfahren für internationalen Schutz in Kroatien einschränkt und ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte von Personen, die internationalen Schutz beantragen, aufkommen lässt (HPC 22.42022).

Im Jahr 2022 wurden laut Eurostat 12.750 Erstanträge gestellt (von insgesamt 12.870 Anträgen im Vergleich zu 2.930 Anträgen im Jahr 2021) (Eurostat 23.3.2023; vgl. MoI 1.2.2023). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 128 Personen (Eurostat 9.3.2023). Russen stellen inzwischen die mit Abstand antragsstärkste Nationalität dar (VB 6.2.2023).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 24.1.2023

Eurostat (23.3.2023): Asylum and first time asylum applicants - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00191/default/table?lang=en, Zugriff 28.3.2023

Eurostat (9.3.2023): Asylum applications of unaccompanied minors withdrawn by citizenship, age, sex and type of withdrawal - annual aggregated data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/migr_asyumwita/default/table?lang=en, Zugriff 28.3.2023

HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/, Zugriff 25.1.2023

MoI - Ministry of Interior [Kroatien] (1.2.2023): Statistische Indikatoren von Antragstellern auf internationalen Schutz gem Staatsbürgerschaft und Geschlecht für den Zeitraum 01.01.-31.12.2022, https://mup.gov.hr/UserDocsImages/OTVORENI%20PODACI/Tra%C5%BEitelji%20me%C4%91unarodne%20za%C5%A1tite/web%20statistike%202022%20Q4%20TMZ.pdf, Zugriff 17.2.2023

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html, Zugriff 24.1.2023

VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung 2023-04-13 15:46

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2021 insgesamt 54 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Allerdings müssen Personen, die Kroatien vor Abschluss des Verfahrens verlassen haben und deren Verfahren daher ausgesetzt wurde, nach ihrer Rückkehr nach Kroatien erneut ein Asylverfahren beantragen (wenn sie dies wünschen), und somit das ursprüngliche Verfahren wieder aufnehmen, wie es in Artikel 18 Absatz 2 der Dublin-III-Verordnung vorgesehen ist (AIDA 22.4.2022).

Andererseits gelten Personen, deren Antrag ausdrücklich zurückgezogen oder abgelehnt wurde, bevor sie Kroatien verlassen haben, als Folgeantragsteller, was im Widerspruch zur Dublin-Verordnung steht. Dublin Rückkehrer haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zum Aufnahmesystem und zu den materiellen Aufnahmebedingungen (AIDA 22.4.2022).

Das kroatische Rote Kreuz (CRC) bietet Dublin-Rückkehrern, die in Aufnahmezentren für Antragsteller untergebracht sind, Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft an (IOM 30.3.2023).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 24.1.2023

IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Letzte Änderung 2023-04-13 15:47

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2022).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z. B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2022).

Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind, aber auch alle Minderjährigen, die nach der Einreise unbegleitet verbleiben (AIDA 22.4.2022)

Nach Angaben des Ministeriums für Arbeit, Rentensystem, Familie und Sozialpolitik haben unbegleitete Minderjährige nach wie vor Schwierigkeiten beim Zugang zum Bildungswesen und stoßen auf den Widerstand der lokalen Gemeinden gegen ihre Integration. Sie können nur kurzzeitig in Sozialhilfeeinrichtungen untergebracht werden. Weitere Schwierigkeiten betreffen den Mangel an Dolmetschern, die fehlende Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen und die unzureichende Kooperation von Sondervormunden mit Unterbringungseinrichtungen für unbegleitete Minderjährige. Im Jahr 2021 erhielt das Büro der Ombudsperson für Minderjährige weiterhin Informationen über Fälle, in denen Behörden Kinder von Migranten und Asylwerbern monatelang von ihren Familien trennten. Die Medien berichteten auch über zwei Fälle der Trennung von Eltern und Kindern durch kroatische Grenzschutzbeamte an den Außengrenzen, ohne dass Informationen über den Verbleib der Eltern vorlagen. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst berichtete von einer zunehmenden Zahl von Familien, die an der Grenze getrennt werden, wenn Mütter und Kinder einen Asylantrag stellen dürfen, während die Väter nach Bosnien und Herzegowina zurückgeschoben werden (AIDA 22.4.2022).

Die Ombudsperson für Minderjährige berichtete, dass im Jahr 2021 laut NGO-Angaben 256 Minderjährige zurückgeschoben wurden. Es gibt auch Berichte über physische und psychische Gewalt gegen Minderjährige und Verweigerung des Rechts auf internationalen Schutz (HPC 22.4.2022).

Am 1. Januar 2019 trat ein neues Pflegeelterngesetz in Kraft, das die Möglichkeit des Aufenthalts unbegleiteter Minderjähriger in einer Pflegefamilie vorsieht. 2020 gab es noch keine Minderjährigen in Pflegefamilien, im Jahr 2021 waren es drei (AIDA 22.4.2022).

Gemäß dem Protokoll über Verfahren für unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige muss der Polizeibeamte bei Feststellung, dass ein Kind unbegleitet oder von seinen Eltern getrennt ist, Maßnahmen zur Sicherstellung des Identifizierungsverfahrens ergreifen. Hierzu gehört unter anderem die Verpflichtung, einen Sozialarbeiter des Zentrums für soziale Wohlfahrt und - wenn das Kind kein Kroatisch versteht - einen Dolmetscher hinzuzuziehen, sowie ein Schreiben an das zuständige Zentrum für soziale Wohlfahrt zu senden, in dem die Bestellung eines besonderen Vormunds beantragt wird. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Die Ombudsperson für Kinder berichtete, dass es im Jahr 2021 immer noch Probleme im Vormundschaftssystem gab. Einige spezielle Vormunde hatten keinen Kontakt zu ihren Mündeln, weshalb diese nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten informiert wurden. Einige Vormunde sind Berichten zufolge auch nicht motiviert, was auf den Umfang der Arbeit zurückzuführen ist, die sie regelmäßig verrichten. Ist ein UMA über 16 Jahre alt und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 22.4.2022).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Minderjährigen täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Minderjährigen und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus einer allgemeinen medizinischen Untersuchung und einem Röntgen der Zähne und/oder der Hand. Bei einem nicht eindeutigen Ergebnis ist im Zweifel Minderjährigkeit anzunehmen. Zuvor sind jedoch weitere Untersuchungen vorgesehen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht ausschließlich deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel wird zunächst eine zweite Meinung eingeholt, sofern die Zweifel fortbestehen, ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Altersfeststellungsverfahren in den Jahren 2017 und 2018 nicht durchgeführt. Für 2019 bis Ende 2021 liegen diesbezüglich keine Informationen vor (AIDA 22.4.2022).

Das kroatische Rote Kreuz (CRC) bietet besondere Betreuung für vulnerable Gruppen wie insbesondere unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Minderjährige, Frauen, Menschen mit gesundheitlichen und psychischen Problemen sowie Überlebende von Folter und Traumata. Médecins du Monde (MdM) betreibt unter anderem ein Projekt zur Befähigung von Frauen und Minderjährigen zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen kinderfreundlichen Raum im Aufnahmezentrum für Asylbewerber in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Aufenthaltsort bietet (MtC o.D.).

Bei der Unterbringung von Asylwerbern im Aufnahmezentrum werden insbesondere das Geschlecht, das Alter, die Stellung von schutzbedürftigen Personen, Asylwerbern mit besonderem Aufnahmebedarf und die Einheit der Familie berücksichtigt. Personen mit besonderen Aufnahmebedürfnissen können in einer geeigneten Einrichtung untergebracht oder zu einer Unterbringung nach den Vorschriften über die Sozialhilfe zugelassen werden, wenn eine ihren Bedürfnissen entsprechende Unterbringung in der Aufnahmeeinrichtung nicht möglich ist. Die Verordnung über die Verwirklichung der materiellen Aufnahmebedingungen schreibt vor, dass die Aufnahmebedingungen an die Bedürfnisse der Antragsteller angepasst werden, psychosoziale Unterstützung geleistet wird und Antragsteller mit besonderen Aufnahmebedürfnissen entsprechend spezialisiert betreut werden müssen. Der Prozess der Identifizierung von Personen mit besonderen Aufnahmebedürfnissen wird von Fachleuten durchgeführt, die im Aufnahmezentrum psychosoziale Unterstützung leisten, und bei Bedarf kann das zuständige Zentrum für soziale Wohlfahrt an der Bewertung teilnehmen. Das Zentrum für soziale Wohlfahrt unterrichtet das Aufnahmezentrum über alle getroffenen Maßnahmen und Aktionen. Antragstellern mit besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen wird auf der Grundlage der Empfehlungen des Arztes eine spezielle Diät angeboten. Es gibt keinen Überwachungsmechanismus für die Maßnahmen zur Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der in den Zentren untergebrachten Bewerber. Allerdings stehen Sozialarbeiter des Innenministeriums und des Kroatischen Roten Kreuzes täglich in den Aufnahmezentren zur Verfügung und können Unterstützung leisten. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes bei ihrer regelmäßigen Arbeit und Kommunikation mit den Asylwerbern sowie bei der Einzel- und Gruppenbetreuung die Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen beobachten und dem Leiter des Aufnahmezentrums bei Bedarf Änderungen bei der Aufnahme bestimmter Asylwerber vorschlagen (AIDA 22.4.2022).

UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren in Jugendunterkünften untergebracht. Die Mitarbeiter dieser Unterkünfte sind jedoch nicht speziell auf den Umgang mit UMA vorbereitet. Verschiedene NGOs haben Bedenken insbesondere hinsichtlich der Unterbringung in Kinderbetreuungseinrichtungen geäußert, da dort hauptsächlich Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten betreut werden. Die Eignung dieser Einrichtungen für den Aufenthalt von UMA kann in Zweifel gezogen werden, insbesondere wenn man die besonderen Bedürfnisse dieser Minderjährigen sowie die Nichtverfügbarkeit von Dolmetschern in diesen Einrichtungen berücksichtigt (AIDA 22.4.2022). Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen, die internationalen Schutz beantragten, stieg von 115 im Jahr 2020 auf 195 im Jahr 2021 (Eurostat 23.3.2023).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 24.1.2023

Eurostat (24.3.2023): Asylum applicants considered to be unaccompanied minors - annual data, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00194/default/table?lang=en, Zugriff 28.3.2023

HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/, Zugriff 25.1.2023

MtC - Moving to Croatia (o.D.): Reception centers and other helpful services, https://movingtocroatia.com/asylum-in-croatia, Zugriff 26.1.2023

Non-Refoulement

Letzte Änderung 2023-04-13 15:49

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf die Türkei wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis allerdings nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für den Zeitraum ab 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats erfüllt sind, wird für jeden Antrag gesondert festgestellt. Hierzu wird geprüft, ob ein Land die oben genannten Bedingungen erfüllt und ob eine Verbindung zwischen diesem Land und dem Antragsteller besteht, aufgrund derer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er dort internationalen Schutz beantragen könnte, wobei alle Fakten und Umstände seines Antrags zu berücksichtigen sind (AIDA 22.4.2022).

Wie in den Jahren zuvor wurde die Grenzpolizei auch noch 2021 in Berichten nationaler und internationaler NGOs gewaltsamer Pushbacks und der Misshandlung irregulärer Migranten beschuldigt (USDOS 12.4.2022; vgl. SFH 13.9.2022). Nach Angaben des Dänischen Flüchtlingsrats (DRC) wurden 2021 gemäß HPC 9.114 (HPC 22.4.2022) und gemäß USDOS 3.629 (USDOS 12.4.2022) Personen aus Kroatien nach Bosnien und Herzegowina (BiH) zurückgeschoben, darunter auch Vulnerable (UMA, Familien mit Kindern, Frauen), wobei es auch zu Kettenabschiebungen gekommen sein soll (HPC 22.4.2022). Ende 2021 hatte das Anti-Folter-Komitee des Europarates die Anwendung von Gewalt durch die kroatischen Behörden bei Pushbacks kritisiert (SFH 13.9.2022). In einem Bericht vom Mai 2022 stellte das Border Violence Monitoring Network fest, dass die kroatische Polizei in das Hoheitsgebiet von Bosnien und Herzegowina eindrang, während sie Menschen über die Grenze zurückdrängte (FH 2023).

Am 8.6.2021 schloss das Innenministerium eine Vereinbarung zur Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zur Überwachung des Verhaltens von Polizeibeamten des Innenministeriums im Bereich der illegalen Migration und des internationalen Schutzes. Der Mechanismus soll die Behandlung von irregulären Migranten und Personen, die internationalen Schutz suchen, durch angekündigte und unangekündigte Beobachtungen auf Polizeistationen, in Ausländerunterkünften und durch angekündigte Besuche an "anderen geeigneten Orten" wie der grünen Grenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina überwachen. Einige NGOs kritisierten den Mechanismus wegen mangelnder öffentlicher Informationen über die Einzelheiten des Abkommens und unzureichender Überwachung an der grünen Grenze, wo ihrer Meinung nach die meisten Menschenrechtsverletzungen stattfanden (USDOS 12.4.2022).

Seit geraumer Zeit gibt es nun keine (VB 6.2.2023) bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Pushbacks (FH 2023). Insbesondere seit der Zeit vor dem Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum am 1. Jänner 2023 hat es kaum mehr Berichte über Pushbacks gegeben (DF 1.2.2023).

Anfang April 2023 sind Kopien angeblicher polizei-interner WhatsApp-Chatverläufe aufgetaucht, welche nahelegen sollen, dass die Pushbacks systematisch und mit dem Wissen höherer kroatischer Stellen erfolgt sein könnten. Das kroatische Innenministerium bestätigt die berichteten Inhalte nicht und nennt Pushbacks weiterhin Einzelfälle (ORF 6.4.2023).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 26.1.2023

DF – Deutschlandfunk (1.2.2023): Sind Pushbacks jetzt Geschichte? https://www.deutschlandfunkkultur.de/kroatiens-grenzen-100.html, Zugriff 28.3.2023

FH - Freedom House: Freedom in the World (2023): Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088503.html, Zugriff 28.3.2023

HPC - Croatian Law Centre (22.4.2022): Access to the territory and push backs - Croatia, https://asylumineurope.org/reports/country/croatia/asylum-procedure/access-procedure-and-registration/access-territory-and-push-backs/, Zugriff 26.1.2023

ORF - Österreichischer Rundfunk (6.4.2023): Kroatien: Polizeichats erhärten Pushback-Vorwürfe, https://orf.at/stories/3311677/, Zugriff 13.4.2023

SFH - Schweizer Flüchtlingshilfe (13.9.2022): Polizeigewalt in Bulgarien und Kroatien: Konsequenzen für Dublin-Überstellungen, https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Juristische_Themenpapiere/220913_Polizeigewalt_final.pdf, Zugriff 26.1.2023

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071254.html, Zugriff 26.1.2023

VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Versorgung

Letzte Änderung 2023-04-14 14:28

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, wo sie den Willen zur Asylantragstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln (AIDA 22.4.2022). Das Innenministerium (MOI) betreibt die Aufnahmezentren für Asylwerber in Zagreb und Kutina und ist für die Erbringung von Leistungen durch NGOs verantwortlich. Derzeit hat das Innenministerium Verträge mit dem Kroatischen Roten Kreuz und Médecins du Monde (UNHCR o.D.).

Der Jesuitische Flüchtlingdienst (JRS Croatia) betreibt mit Unterstützung von UNICEF einen Bereich im Aufnahmezentrum für Asylsuchende in Zagreb, der Minderjährigen einen sicheren Ort zum Verweilen bietet (JRS o.D.).

Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2021 auf 100 Kuna (EUR 13,30) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten und können auf freiwilliger Basis etwa auch innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken. Die NGO Are You Syrious (AYS) berichtete, dass sie im Jahr 2021 Asylwerber über das Recht auf Arbeit informiert und bei der Arbeitssuche unterstützt hat (z.B. beim Verfassen von Lebensläufen und bei der Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern). Als ein Manko der derzeitigen gesetzlichen Lösung wurde die neunmonatige Frist für die Umsetzung des Rechts auf Arbeit genannt, die eine frühzeitige Integration in den Arbeitsmarkt verhindert (AIDA 22.4.2022).

Begünstigte des IOM-Projekts "Voluntary Relocation from Italy to other EU Member and Associated States - RELITA", in dessen Rahmen Migranten aus Italien nach Kroatien umgesiedelt werden (bis März 2023 10 Personen), erhalten Unterstützung von IOM Kroatien. Diese Unterstützung umfasst u. a. Reiseunterstützung inkl. Flugticketbuchung. IOM Kroatien schließlich sorgt für den Empfang der Begünstigten des RELITA-Projekts am Flughafen (IOM 30.3.2023). Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 26.1.2023

IOM - International Organization for Migration (30.3.2023): Information on IOM activities and IOM supported initiatives for migrants in the Republic of Croatia, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf.

JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Our work in Croatia, https://jrs.net/en/country/croatia/, Zugriff 31.3.2023

UNHCR – the UN-Refugee-Agency (o.D.): Reception centers and other helpful services, https://help.unhcr.org/croatia/reception-centers/, Zugriff 28.3.2023

Unterbringung

Letzte Änderung 2023-04-14 14:39

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 500-600 Plätze) (AIDA 22.4.2022; vgl. VB 6.2.2023) und in Kutina, mit einer Kapazität von 100 (AIDA 22.4.2022) bis 200 Plätzen (VB 6.2.2023). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina ist für die Unterbringung vulnerabler Antragsteller gedacht, derzeit findet dort aber Renovierungsarbeiten statt (VB 6.2.2023; vgl. AIDA 22.4.2022).

Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2022).

In Slavonski Brod/Bjeliš besteht ein angemietetes Objekt für eventuelle zukünftige Migrationswellen (VB 6.2.2023).

In den Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2022).

Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, endet das Recht, sich dort aufzuhalten (AIDA 22.4.2022).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Plätzen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen (AIDA 22.4.2022, vgl. VB 6.2.2023).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 26.1.2023

UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 25.1.2023

VB des BM.I Kroatien [Österreich] (6.2.2023): Bericht des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung 2023-04-14 14:39

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung (AIDA 4.2022; vgl. SRC 12.2021). Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren verfügbar. Darüber hinaus können die Antragsteller an örtliche Krankenhäuser verwiesen werden. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich (AIDA 22.4.2022).

Aufgrund restriktiver Vorschriften haben Asylwerber nur eingeschränkt Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung: Nach dem Gesetz wird ihnen "medizinische Notbetreuung und notwendige Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen" gewährt. Die psychiatrische und psychologische Behandlung von Asylwerbern ist daher nur bei medizinischer Notversorgung und notwendiger Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen abgedeckt. Dies ist meist der Fall, wenn eine Person in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss. Abgesehen davon gibt es keine klaren Kriterien für die Feststellung eines Notfalls. Um sicherzustellen, dass diese Bestimmungen des Gesetzes erfüllt werden, finanziert das kroatische Gesundheitsministerium zusammen mit dem Asyl- und Migrationsintegrationsfonds AMIF der Europäischen Union ein medizinisches Projekt, das von Médicins du Monde (MdM) durchgeführt wird. Die Vereinbarung lief bis Ende 2022 (SRC 12.2021).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM kümmert sich sofern erforderlich auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.).

Schwangere oder Wöchnerinnen, die eine Überwachung von Schwangerschaft und Geburt benötigt, haben Anspruch auf Gesundheitsversorgung im gleichen Umfang wie Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung. Kindern bis zum Alter von 18 Jahren wird das gesamte Recht auf Gesundheitsversorgung in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften über das Recht auf Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert (AIDA 22.4.2022).

MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten (EUAA MedCOI 19.2.2021).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (22.4.2022): National Country Report Croatia 2021, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-HR_2021update.pdf, Zugriff 26.1.2023

MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.1.2023

SRC - Swiss Refugee Council (12.2021): Situation of asylum seekers and beneficiaries of protection with mental health problems in Croatia, https://www.refugeecouncil.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Dublinlaenderberichte/211220_Croatia_final.pdf, Zugriff 27.1.2023

EUAA MedCOI - Medical COI (19.2.2021): Auskunft von EUAA MedCOI, per E-Mail

Das BFA führte begründend zusammengefasst aus, es ergebe sich aus den Vorbringen der BF und dem amtswegigen Ermittlungsverfahren, dass Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Die BF würden an keiner ernsten oder lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, welche einer Überstellung nach Kroatien im Wege stehe. Die BF seien im selben Ausmaß von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weshalb kein Eingriff in das Familienleben vorliege. Sie hätten keine weiteren familiären, privaten oder sozialen Bindungen in Österreich. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung zu keiner Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher zunächst im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die BF aufgrund ihres Gesundheitszustandes sowie ihres fortgeschrittenen Alters als vulnerabel einzustufen seien. Es bestehe das reale Risiko, dass sie in Kroatien nicht ausreichend versorgt bzw. Opfer einer Kettenabschiebung würden. Entgegen der Judikatur des VfGH sei keine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den BF in Kroatien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, durchgeführt worden. Auch wäre die Einholung einer Einzelfallzusicherung von Kroatien erforderlich gewesen, um eine menschenwürdige Unterbringung sowie den Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten. Die BF stünden unter starker psychischer Belastung und es müsse davon ausgegangen werden, dass insbesondere der BF1 zumindest am Anfang eine psychologische Betreuung benötige, welche er wahrscheinlich nicht bekommen werde. Weiters seien die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in Kroatien unvollständig, einseitig und teilweise nicht mehr aktuell. Es gehe bereits aus den Länderberichten der Staatendokumentation hervor, dass die Situation für Asylsuchende in Kroatien prekär sei, zumal NGOs und internationale Organisationen von Polizeigewalt, Pushbacks und einem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt sowie erniedrigender und unmenschlicher Behandlung von Asylwerbern berichten würden. Polizeichats würden belegen, dass Pushbacks in Kroatien System hätten und es sich kaum um Einzelfälle handeln könne. Die teilweise in der Beschwerde zitierten Berichte würden zeigen, dass die kroatische Polizei Rückführungen inoffiziell organisiere, einigen AsylwerberInnen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt worden sei und es zu groben Menschenrechtsverletzungen und gewaltvollen sowie willkürlichen Abschiebungen nach Bosnien und Herzegowina komme. Etliche Beschlüsse deutscher Verwaltungsgerichte würden dies bestätigen. Bei Heranziehung dieser Länderberichte hätte die belangte Behörde zu der Feststellung kommen müssen, dass den BF im Falle ihrer Überstellung nach Kroatien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung vonseiten der kroatischen Behörden drohe und dass in Kroatien systematisch Menschenrechte von asylsuchenden Personen verletzt würden. Die belangte Behörde hätte vom Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen.

4. Mit Schreiben vom 24.05.2024 wurde die Überstellungsfrist betreffend die Beschwerdeführer auf 18 Monate verlängert, weil die Beschwerdeführer untergetaucht waren.

Laut Mitteilung des BFA vom 01.07.2024 musste eine für den 28.06.2024 anberaumte Abschiebung abgesagt werden.

Laut aktuellem ZMR-Auszug verfügten die BF nur bis zum 16.05.2024 über eine aktuelle Meldeadresse in Österreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer (BF1 und BF2) sind verheiratet und Staatsangehörige der Russischen Föderation. Der BF1 hat am 13.11.2023 in Kroatien um Asyl angesucht, die BF2 am 07.10.2023. Sie reisten sodann weiter und unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo sie die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Das BFA richtete am 28.12.2023 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Kroatien stimmte mit Schreiben vom 11.01.2024 der Wiederaufnahme der BF unter Verweis auf Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat Kroatien an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Parteien gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Der BF1 hat eigenen Angaben zufolge eine vier Jahre alte Kopfverletzung, die bisher nicht ärztlich behandelt wurde. Er leidet an keinen derart schwerwiegenden Erkrankungen, die einer Überstellung nach Kroatien entgegenstehen. Die BF2 ist gesund und nimmt keine Medikamente.

Es bestehen keine privaten, familiären oder beruflichen Bindungen der BF im österreichischen Bundesgebiet.

Die BF verfügen in Österreich laut aktuellen ZMR-Auszügen nur bis zum 16.05.2024 über eine Meldeadresse, eine für den 28.06.2024 anberaumte Abschiebung musste abgesagt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise sowie der Asylantragstellung in Kroatien ergeben sich aus den Angaben der BF im Verfahren in Zusammenschau mit den vorliegenden Eurodac-Treffermeldungen.

Die Feststellung bezüglich der Zuständigkeit zur Wiederaufnahme der BF seitens Kroatien ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der kroatischen Dublin-Behörde.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF ergeben sich aus ihren eigenen Angaben. Die BF2 hat in der Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich angegeben gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Der BF1 hat in der Einvernahme vor dem BFA angegeben, seit vier Jahren eine Kopfverletzung zu haben. In der Beschwerde wurde zudem vorgebracht, dass der BF1 operativ behandelt werden müsse. Medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Der BF hat selbst angegeben, in der Russischen Föderation nicht ärztlich behandelt worden zu sein. Auch in Österreich habe er bis dato keinen Arzt aufgesucht. Aufgrund des Vorbringens des BF1, nachdem er bereits seit vier Jahren mit dieser nicht ärztlich behandelten Kopfverletzung lebe und der Tatsache, dass keine medizinischen Befunde vorgelegt wurden, ist nicht davon auszugehen, dass der BF1 nicht überstellungsfähig ist. Das Beschwerdevorbringen, nach dem beide BF unter starker psychischer Belastung stehen und davon ausgegangen werden müsse, dass insbesondere der BF1 psychologische Betreuung benötige, ist nicht glaubhaft. Keiner der BF hat im Laufe der Befragungen eine psychische Belastung erwähnt. Es wurde im gesamten Verfahren weder behauptet, dass einer der BF aufgrund psychischer Probleme Medikamente einnehmen muss, noch wurden diesbezüglich ärztliche Unterlagen vorgelegt. Bezüglich des Gesundheitszustandes der BF wurde somit kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der BF ergeben sich aus ihren eigenen Angaben.

Die Feststellung zum Untertauchen der BF und der Abmeldung in Österreich beruht auf dem beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Bericht des BFA vom 01.07.2024 über die Abberaumung der Abschiebung der BF und auf der aktuellen ZMR-Abfrage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.“

„§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.“

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 lautet:

„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Abs. 1:

„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.“

Art. 7 Abs. 1 und 2:

„(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.“

Art. 13:

„Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununter-brochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.“

Art. 16:

„ (1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.“

Art. 17:

„(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.“

Art. 18:

„(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.“

Art. 20 Abs. 5:

„Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.“

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit von Kroatien ergibt. Eine solche wurde auch in der Beschwerde nicht bestritten.

Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ … ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ … ] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Die Verpflichtung Kroatiens zur Wiederaufnahme der BF ergibt sich aus der ausdrücklichen Zustimmung der kroatischen Dublin-Behörde auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO. Aus dem übermittelten Schreiben vom 24.05.2024 ergibt sich, dass die Überstellungsfrist betreffend die Beschwerdeführer auf 18 Monate verlängert wurde, weil die Beschwerdeführer untergetaucht waren.

Mängel im Konsultationsverfahren sind im gegenständlichen Fall nicht hervorgekommen und wurden insbesondere alle von der Dublin III-VO normierten Fristen eingehalten.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung der Anträge der BF.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem in dem gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach, wie bereits ausgeführt, in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich, befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob der beschwerdeführenden Partei im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG 2005 und 61 FPG 2005 – unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation – in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

In diesem Zusammenhang führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass „mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche „Beweisregel“ geschaffen wurde, die es – im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung – grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor „Verfolgung“ im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige hg. Rechtsprechung). Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann“ (vgl. VwGH vom 20. Juni 2017, Ra 2016/01/0153-16, RZ 33, 35).

Mit dem oben angeführten Erkenntnis hat der VwGH auch ausgeführt, „dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 dann als erschüttert erachtet wird, wenn sich die Lage im anderen Mitgliedstaat durch den in jüngster Zeit stattgefundenen massiven Zustrom von Asylwerbern geändert habe und infolgedessen für den betroffenen Fremden ein „real risk“ einer dem Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC widersprechenden Behandlung in diesem Mitgliedstaat besteht, wofür es aber über den – als notorisch anzusehenden – erhöhten Zustrom von Asylwerbern hinaus konkreter Hinweise bedarf.“

Schon vor dem Hintergrund der zitierten erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Kroatien rücküberstellt werden, aufgrund der kroatischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde. Es ist kein konkretes Vorbringen erstattet worden, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der kroatischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe.

Relevant wären im vorliegenden Fall bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht erkennbar.

Konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Kroatien in Hinblick auf Asylwerber aus der Russischen Föderation unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

Soweit die Beschwerdeführer vorbrachten, man habe sie in Kroatien dazu gezwungen, ihre Fingerabdrücke abzugeben, ist festzuhalten, dass die Behörden der Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu gehalten sind, bei schutzsuchenden Personen auf eine rasche Antragstellung hinzuwirken. Ein derartiges Behördenverhalten ist nicht zu beanstanden und würde dem Beschwerdeführer auch in anderen Mitgliedstaaten widerfahren.

Das erkennende Gericht sieht auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Kroatien mangelnder Versorgung ausgesetzt wären. Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Kroatien und die Situation von Asylwerbern dort geben keinen Anlass, ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten. Konkret besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführer im Zuge einer sogenannten „ungeprüften Kettenabschiebung“ in ihr Heimatland zurückgeschoben werden könnten, solange ihr Asylverfahren nicht abgeschlossen ist und sohin eine unmittelbar nach Überstellung aus Österreich drohende Abschiebung in die Russische Föderation schon aus diesem Grund auszuschließen ist. Den Länderberichten lässt sich entnehmen, dass seit geraumer Zeit es nun keine (VB 6.2.2023) bzw. weniger Berichte und Beschwerden über Pushbacks (FH 2023) gibt. Insbesondere seit der Zeit vor dem Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum am 1. Jänner 2023 hat es kaum mehr Berichte über Pushbacks gegeben (DF 1.2.2023). Unabhängig davon ist das Beschwerdevorbringen in Bezug auf Pushbacks im gegenständlichen Verfahren nicht von Relevanz, da die Beschwerdeführer im Falle einer geordneten Rücküberstellung von Österreich nach Kroatien, dort an die kroatischen Behörden übergeben werden. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen, dass sich die kroatische Dublinbehörde ausdrücklich bereit erklärt hat, die Beschwerdeführer wiederaufzunehmen.

Die in der Beschwerde geforderte Einholung einer Einzelfallzusicherung betreffend Unterbringung und Versorgung war nach dem oben Gesagten nicht erforderlich. Im Übrigen sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel/Schweiz, nicht entnehmen ließe, dass im Vorfeld von Rücküberstellungen in andere Dublin-Staaten als Italien gleichermaßen Garantien hinsichtlich der Unterbringung (von Familien) einzuholen wären (vgl. VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159).

Wenn die Beschwerdeführer vorbringen nicht nach Kroatien zu wollen, so ist auf den Hauptzweck der Dublin-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen ist. Es obliegt nicht dem Asylwerber, das Asylverfahren in einem Land seiner Wahl durchzuführen, sondern gelten hiefür die Bestimmungen der Dublin III-VO, die im vorliegenden Fall eine Zuständigkeit Kroatiens für das Verfahren des Beschwerdeführers ergeben hat.

Insgesamt ergibt sich aus dem Parteivorbringen weder eine den Beschwerdeführern in Kroatien drohende systemische noch eine individuelle Gefahr, welche für die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würde, weshalb die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Bezüglich des Gesundheitszustandes der BF ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Kroatien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohen würde. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin III-VO zwingend auszuüben.

Nach der Rechtsprechung des EGMR, des VfGH sowie des VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil desselben gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten bzw. dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

In seiner Entscheidung im Fall „Paposhvili vs. Belgium“ hat der EGMR am 13.12.2016 seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ein Betroffener auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben muss und auch die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks zu berücksichtigen sind. „Außergewöhnliche Umstände“ würden bereits auch dann vorliegen, wenn stichhaltige Gründe dargelegt würden, dass eine schwer kranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.

Wie festgestellt, leiden die BF an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich einer der BF in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Den Länderberichten lässt sich entnehmen, dass Asylwerber in Kroatien das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung haben, wobei diese Behandlung in den Aufnahmezentren verfügbar ist.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

Somit haben die BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, dargetan, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls haben die beschwerdeführenden Parteien die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Kroatien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.1.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.7.2003, 53441/99, Benhebba Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.

Hinsichtlich des zwischen den Beschwerdeführern bestehenden Familienleben ist vorweg festzuhalten, dass durch die gemeinsame Außerlandesbringung beider Beschwerdeführer nach Kroatien die Einheit der Familie gewahrt bleibt, weshalb die im gegenständlichen Verfahren getroffene Entscheidung keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstellt.

Es leben keine Familienangehörige der BF in Österreich.

Ebenso wenig sind - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer und unter Verweis darauf, dass die BF in Österreich nur bis zum 16.05.2024 über eine aufrechte Meldung verfügten - weitere schützenswerte Aspekte des Privatlebens hervorgekommen, wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH vom 26.02.2007, B1802/06 u.a.). Derartige Umstände sind von dem Beschwerdeführer auch zu keinem Zeitpunkt behauptet worden.

Der kurze Zeitraum des Aufenthaltes der Beschwerdeführer war gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm § 61 Abs. 1 FPG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu seiner Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG 2005 vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Nachdem die BF zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung (und bereits seit Monaten) über keine Meldeadresse in Österreich verfügen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bereits aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist waren, war gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs. 6a leg. cit. indiziert, dass im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs. 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl. dazu auch die Entscheidung des VwGH vom 5.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). In dem vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Es ergaben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den BF zu erörtern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche sich bereits aus den umfassenden und aktuellen Feststellungen der angefochtenen Bescheide ergab, weiters im Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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