Spruch
W217 2294549-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom 20.02.2024, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen ab dem 02.07.2024 vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge „Beschwerdeführer“) begehrte am 15.06.2023 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einlangend die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO 1960. Er leide an colitis ulcerosa.
1.1. Im hierzu von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 16.10.2023 stellt Dr.in XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.08.2023 Folgendes fest:
„Anamnese:
Es habe alles vor etwa 1 Jahr begonnen, davor sei er 40km am Tag mit dem Rad gefahren, dann zunehmend müde gewesen, weniger belastbar. Er wurde zum Herz-CT geschickt, dort habe man eine 75%ige Verkalkung eines Herzkranzgefäßes festgestellt, woraufhin ihm Thrombo ASS zur Blutverdünnung verschrieben wurde, er habe auch einen Stent bekommen.
In Folge habe er eine massive Darmblutung bekommen, die Koloskopien davor seien stets unauffällig gewesen.
Er habe so starke Blutungen gehabt, dass er im Krankenhaus zusammengebrochen sei und reanimiert werden musste.
In weiterer Folge wurde eine versteckte Tuberkulose festgestellt und der Kunde musste für 3 Monate Rifoldin nehmen.
Darüber hinaus keine relevanten Vorerkrankungen oder Operationen.
Derzeitige Beschwerden:
Das mit dem Stuhl sei das Hauptproblem und schränke den Alltag massiv ein. Morgens müsse er 7x zur Toilette wegen Stuhldrang, es baue sich ein explosionsartiger Druck auf.
Manchmal sei Schleim dabei, die Konsistenz werde langsam fester. Die Tagesplanung drehe sich um die Erreichbarkeit von Toiletten. Eine Inkontinenz im engeren Sinn trete nicht auf, jedoch habe der Kunde bei Stuhldrang nur ein kurzes Zeitfenster um die Toilette zu erreichen. Wenn es im Bauch zwickt sei es unklar, ob es sich um Winde handle oder "was mitkommt". Er brauche 2 Rollen Toilettenpapier am Tag. 3x sei es schon passiert, dass er es nicht auf die Toilette geschafft habe. Nachts müsse er auch 2x auf die Toilette. Mit der Blase habe er keine Probleme.
Er habe einen behinderten Sohn. Ein Behindertenpass wäre eine große Erleichterung im Alltag. Heute sei er schon 12-13 km Radgefahren, im Vergleich zu früher sei das aber nichts. Der Darm sollte operiert und verödet werden, das vertrage sich mit der Blutverdünnung aber nicht. Inkontinenzeinlagen werden nicht verendet, da bislang nicht gebraucht.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Keine laufenden Behandlungen. Medikamente: Entyvio, Carvedilol, Durotiv, Rosuvalan, Thrombo ASS. Weihrauchkapseln.
Sozialanamnese:
Pensionist, vormals Beamter. Sozial integriert. Kein Pflegegeldbezug.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Internistischer Befundbericht LKH XXXX , 13.6.2023:
Diagnose: ED 12/22: linkseitige CU, cortionabhängig
EM 9/22 rectale Blutabgänge unter TASS Therapie Endoskopisch Verdacht auf CU bis 40cm ab ano 9/22 Blutungsschock unter dualer Plättchenhemmung 21/11/22 Mit Intensivaufenthalt
Akutcoloskopie 21.11.22 Ulcerationen am rectosigmoidalen Übergang Haemospray Akutgastro am selben Tag: keine Blutungsquelle
Transfusionspflichtige Anämie 2 Eks
KHK 1 Gefäßerkrankung DES der RXCA am 10.10.22
Typ II Infarkt (Trop- Auslenkung wegen Hypotonie bei Blutung) 21.11.22
Art Hypertonie
Hypercholesterinämie
St.p. Papillotomie bei Papillenadenom 1/2020 Erweiterter DHC 15mm und erweiterter Pankraesgang
Z.n. Nikotinabusus bis vor 15 a Mikrozytäre hypochrome Anämie Entyvio seit 2/23
JB:
Starke Blähungen
Gewicht 80-82kg schwankend
Gastroenterologischer Befundbericht LKH XXXX , 15.2.2023:
Diagnose:
Pos Quantiferrontest Einleitung einer Therapie mit Rifoldin seit 4 Wochen
ED 12/22: linkseitige CU, cortionabhängig
Pos Quantiferrontest Therapie mit Rifambicin 600mg seit 4 Wochen
EM 9/22 rectale Blutabgänge unter TASS Therapie Endoskopisch Verdacht auf CU bis 40cm ab ano 9/22 Blutungsschock unter dualer Plättchenhemmung 21/11/22 Mit Intensivaufenthalt
Akutcoloskopie 21.11.22 Ulcerationen am rectosigmoidalen Übergang Haemospray Akutgastro am selben Tag: keine Blutungsquelie
Transfusionspflichtige Anämie 2 Eks
KHK 1 Gefäßerkrankung DES der RXCA am 10.10.22
Typ II Infarkt (Trop- Auslenkung wegen Hypotonie bei Blutung) 21.11.22
Art Hypertonie
Hypercholesterinämie
St.p. Papillotomie bei Papillenadenom 1/2020 Erweiterter DHC 15mm und erweiterter Pankraesgang
Z.n. Nikotinabusus bis vor 15 a
Entlassungsbericht Gastroenterologie LKH XXXX , 6.12.2023:
Diagnose bei Entlassung:
Rektale Blutabgang unter DAPT bei hochgradiger Vd. Sigmoproktitis ulzerosa
Troponinerhöhung im Rahmen eines Blutungsschocks (Typ-2-lnfarkt) St.p. Stent-Anlage RCA Eingefäßerkrankung
Colodivertikel
Arterielle Hypertonie
Hypercholesterinaemie St.p. CHE Lungenemphysem
Quantiferon-Test positiv
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
regelrecht
Ernährungszustand:
regelrecht
Größe: 180,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck: 150/92mmHg
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf: Pupillen gleichweit, rund, prompte Reaktion auf Licht und Konvergenz.
Hirnnervenaustrittspunkte frei. Umgangssprache wird problemlos verstanden.
Sprachstatus unauffällig.
Hals: Unauffälliger Tastbefund
Brustkorb: symmetrisch
Pulmo: auskultatorisch unauffällig
Cor: rein, rhythmisch, normocard
Der übrige somatische Status unauffällig.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Unauffälliges, sicheres Gangbild. In den Bewegungsabläufen nicht sichtbar behindert.
Status Psychicus:
Psychisch orientiert, geordnet, bewusstseinsklar. Stimmung euthym, affektiv normal schwingungsfähig, gut kontaktfähig, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen. Grob keine kognitiven oder mnestischen Defizite fassbar. Keine Suizidgedanken oder — tendenzen, keine psychotischen Zeichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der führenden Gesundheitsstörung 1, die Gesundheitsstörung 2 hebt bei fehlender negativer wechselseitiger Beeinflussung nicht weiter an.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Zustand nach versteckter Tuberkulose- Therapie abgeschlossen, kein Hinweis auf pulmonale Belastbarkeitseinschränkung oder aktives Krankheitsgeschehen
Darüber hinaus sind sämtliche Gesundheitsschädigungen in der Einschätzung berücksichtigt.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
entfällt (Erstgutachten)
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
entfällt (Erstgutachten)
X Dauerzustand
(…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine. Es bestehen keine Einschränkungen der Mobilität, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden der für öffentliche Verkehrsmittel üblichen Niveauunterschiede (somit das Ein- und Aussteigen) sowie den sicheren Transport nicht zuließen. Weiters bestehen keine kardiopulmonalen oder psychiatrischen Limitationen, die eine Kontraindikation hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen. Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegen nicht vor, seitens der Wirbelsäule keine absolute Spinalkanalstenose, keine Claudicatio spinalis, keine neurologischen Ausfälle oder andere Einschränkungen, welche eine erhebliche Gangerschwernis bedingen. Die Verwendung eines Gehbehelfs ist zumutbar. Die Hantierfunktion ist ausreichend. Die körperliche Belastbarkeit ist nicht erheblich eingeschränkt. Die psychischen und intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen sind ausreichend. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit liegt nicht vor. Eine absolute Stuhlinkontinenz liegt nicht vor. Die Verwendung von handelsüblichen Inkontinenzmaterialien ist dem Antragsteller zumutbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein
(…)“
1.2. Mit Schreiben vom 06.11.2023 wurde dem Beschwerdeführer dieses Gutachten zur Kenntnis und allfälliger Stellungnahme übermittelt. Innerhalb offener Frist brachte der Beschwerdeführer unter Beilage weiterer Befunde vor, er stehe auf Grund der Diagnose colitis ulcerosa sowohl bei seinem Internisten als auch im Krankenhaus in dauernder Behandlung. Zusätzlich sei er auf Grund einer TBC Erkrankung (pos. Quantiferontest) laufend bei einem Lungenfacharzt in Behandlung. Hinzu gekommen sei an der Kopfhaut weißer Hautkrebs, welcher mehrmals von seinem Hautarzt behandelt worden sei und am 20.11.2023 wieder einen Krankenhausbesuch notwendig mache. In der Nacht passiere es regelmäßig, dass er alle 2 Stunden das WC aufsuchen müsse. Bis zum Morgen sei er oft 8x am WC gewesen, jedes Mal mit blutigem Durchfall. Erst nach dem Mittag wären die Pausen manchmal länger als 2-3 Stunden Die Blase mache zwar wenige Probleme, allerdings drücke der Druck im Darm anscheinend auch auf Blase, Prostata oder Harnleiter. Stiegensteigen sei ohne Anhalten am Handlauf nicht möglich. Manchmal müsse er nach wenigen Schritten anhalten und eine kurze Pause einlegen. Weiters machte er Angaben zur Medikation.
1.3. In ihrem Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 02.01.2024 führt die bereits befasste Allgemeinmedizinerin sodann aus:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befundbericht Gastroenterologie LKH XXXX , 31.10.2023:
Diagnose: ED 12/22: linkseitige CU, cortionabhängig
Lungenfachärztlicher Befundbericht Dr. XXXX , 12.10.2023:
latente TB/Quantifernon pos; Colitis ulcerosa; KHK/St.p. DES der RXCA 10.22; Hyperlipidämie; art. Hypertonie; Z.n. Fumus, St.p. Papillotomie bei Adenom 1.2020; Z.n. SARS-COV-2 (1/23);
Laborbefund LKH XXXX , 7.9.2023:
Quantiferontest positiv
Coloskopiebefund LKH XXXX , 7.9.2023:
linksseitige ausgeprägte Colitis ulcerosa mit Ausbildung von multiplen Pseudopolypen und Spontanblutungen
Zudem wird ein Foto einer Toilettenschüssel mit Inhalt eingereicht, am Scan kaum etwas zu erkennen, das Foto wurde im Original bereits bei der persönlichen Begutachtung vorgelegt.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
Laut Stellungnahme: Antiflattropfen 3x tägl. Berodualspray n. B. Carvedilol 12.5mg Durovit 20mg Clopidogrel 75mg Pentasa Gr. 4 g Prednisolon 10mg Rosuvalan 20mg Pentasa Zä. 1Gramm Weihrauch Kap. 2x Eremfat als Ersatz von Rifambicin verordnet vom Lungenfacharzt. Stelara erstmalig als Infusion im Kh XXXX und dann als Fertigspritze als Ersatz von Entyvio Infusion.
Tamsu retard 0,4mg verschrieben vom Urologen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der führenden Gesundheitsstörung 1, die Gesundheitsstörungen 2 und 3 heben aufgrund von fehlender negativer Beeinflussung der Gesundheitsstörung 1 nicht weiter an.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Weißer Hautkrebs laut Stellungnahme- kein Behinderungsgrad
Darüber hinaus sind sämtliche Gesundheitsschädigungen in der Einschätzung berücksichtigt.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Die Gesundheitsstörung 1 wird aufgrund der neu vorgelegten Befunde und der Ergänzungen hinsichtlich der hohen Stuhlfrequenz um 1 Stufe angehoben
Gesundheitsstörung 2 unverändert
Gesundheitsstörung 3 neu bewertet, da nun therapiebedürftig
Die Bemerkung, dass der Kunde trotz Beeinträchtigung auf einen geschützten Arbeitsplatz Verwendung finden würde, entstammt nicht einem freien Text der Gutachterin, sondern muss in der Gutachtenapplikation unabhängig von Alter und Profession angekreuzt werden.
Die Abwesenheit der Gattin bei der persönlichen Begutachtung wurde fälschlich angegeben, hat aber keine Auswirkung auf die gutachterliche Einschätzung.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Anhebung um 1 Stufe
X Dauerzustand
(…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine. Es bestehen keine Einschränkungen der Mobiltät, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden der für öffentliche Verkehrsmittel üblichen Niveauunterschiede (somit das Ein- und Aussteigen) sowie den sicheren Transport nicht zuließen. Weiters bestehen keine kardiopulmonalen oder psychiatrischen Limitationen, die eine Kontraindikation hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen. Erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten liegen nicht vor, seitens der Wirbelsäule keine absolute Spinalkanalstenose, keine Claudicatio spinalis, keine neurologischen Ausfälle oder andere Einschränkungen, welche eine erhebliche Gangerschwernis bedingen. Die Verwendung eines Gehbehelfs ist zumutbar. Die Hantierfunktion ist ausreichend. Die körperliche Belastbarkeit ist nicht erheblich eingeschränkt. Die psychischen und intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen sind ausreichend. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit liegt nicht vor. Eine absolute Stuhlinkontinenz liegt nicht vor. Die Verwendung von handelsüblichen Inkontinenzmaterialien ist dem Antragsteller zumutbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein
(…)“
1.4. Mit Schreiben vom 18.01.2024 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch dieses Gutachten zur Kenntnis und allfälliger Stellungnahme.
1.5. Mit E-Mail vom 30.01.2024 brachte der Beschwerdeführer erneut vor, er sei nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. So sei es ihm schon 3x in den letzten Wochen passiert, dass er nicht mehr ein WC erreicht hätte. Trotz Tragens einer Windelhose sei auch die Oberkleidung übelriechend verschmutzt gewesen. Eine Notlösung sei das Mitführen einer Leibschüssel im Auto gewesen, auf welche er sich schnell und nach raschem Finden eines geeigneten Parkplatzes gesetzt habe. Besonders belastend sei der Umstand, dass seine Gattin seit Wochen mit kurzen Unterbrechungen wegen einer Krebsbehandlung im Krankenhaus liege und Besuche ausschließlich mit dem PKW möglich seien. Sie müsse in einigen Wochen mehrmals zur Chemotherapie, wohin er sie mit dem Auto bringen müsse. Er hoffe endlich auf positive Erledigung seines bescheidenen Wunsches.
1.6. Hierzu führt die bereits befasste Allgemeinmedizinerin in einer Stellungnahme vom 13.02.2024 aus:
„Antwort(en):
Einwendung des Kunden, er hoffe endlich auf positive Erledigung seines ‚bescheidenen Wunsches‘ (Parkausweis), mehrmals täglich auftretendem unkontrollierbaren Stuhldrang, zudem künftig die Notwendigkeit die Gattin nach XXXX zur Chemotherapie zu führen. Keine neuen Befunde. 2 Fotos werden nachgereicht, im Scan nichts zu erkennen, anzunehmen, dass es sich hierbei wieder um Toiletteninhalt handelt.
Hieraus ergibt sich keine Änderung der vorbestehenden Einschätzung.
‚...noch unappetitlichere‘ Fotos zu senden wie vom Kunden in Aussicht gestellt ist nicht erforderlich.
Die Notwendigkeit, die Gattin zu Behandlungen nach XXXX zu führen erfüllt ebensowenig die Kriterien der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel‘.“
2. Mit Bescheid vom 20.02.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. Begründend wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verwiesen, welches der Beilage (Aktengutachten vom 02.01.2024) als einen die Begründung des Bescheides bildenden Bestandteil zu entnehmen war.
3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht unter Vorlage eines weiteren Befundes Beschwerde erhoben. Begründend brachte er vor, sein immer größer werdendes Problem sei der immer öfter spontan auftretende Stuhldrang, der nur mehr durch das Mitführen einer Leibschüssel im Auto einigermaßen bewältigt werden könne. Auch das Tragen einer Windelhose helfe nur dann, wenn er sofort die Möglichkeit eines Wechsels habe, was aber nur dann möglich sei, wenn er rasch ein WC aufsuchen könne. An der nächstgelegenen ÖBB-Haltestelle, ca. 2km entfernt und nur zu Fuß oder mit dem Auto erreichbar, gebe es kein WC und auch die Busse hätten kein WC.
4. In der Folge holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten ein:
Frau Dr.in XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, führt in ihrem Gutachten vom 08.05.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.04.2024, aus:
„Anamnese:
Gutachten vom 11.8.2023: GdB 40vH wegen CED, KHK
Aktengutachten vom 27.12.2023: GdB 50vH wegen CED, KHK, Lungen TBC, Abweisung der ZE UÖVM
Stellungnahme vom 23.2.2024: Stuhldrang nimmt zu, braucht sofort ein WC, in XXXX ist die nächste ÖBB Haltestelle 2km entfernt, gefordert wird die ZE UÖVM
Derzeitige Beschwerden:
‚Seit 2 Jahren habe ich 10-15 x Stuhlgang am Tag, blutig, verwende eine Windelhose. In XXXX gibt es nur einen Bus, dort gibt es kein WC. Nach XXXX schaffe ich es nicht mit dem Rad, die Bahnhaltestelle ist ohne WC. Nach XXXX brauche ich eine halbe Stunde, alle Ärzte sind in XXXX . Dort gibt es ein Behinderten WC, das nur mit Pickerl benützt werden darf. Die Parkplätze sind mit jungen Mädchen belegt- woher haben die den Ausweis?- von der Oma! Unter Stelara ist es zu keiner Veränderung gekommen.‘ Eine darmspezifische Op oder Fisteln sind nicht erhebbar. Ebenso wird ein Druck- oder Engegefühl auf der Brust verneint.‘
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Antiflat, Carvedilol, Durotiv, Clopidogrel, Pentasa, Rosuvalan, Tamsu, Eremfat, Stelara (b)
Sozialanamnese:
verheiratet,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund XXXX vom 26.3.2024: CU linksseitig, ED 12/2022
Stuhlkultur 5.3.2024: C.d. nicht nachweisbar
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
normal
Größe: 180,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: 110/70
Klinischer Status – Fachstatus:
HNAP frei
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: bis Knie
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen
Gesamtmobilität – Gangbild:
unauffällig, keine Hilfsmittel
Status Psychicus:
allseits orientiert, Ductus kohärent
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine
X Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Es besteht eine chronisch entzündliche Darmerkrankung unter Stelara Therapie, eine schwere chronische Veränderung der Darmschleimhaut mit einer daraus resultierenden schweren und anhaltenden Durchfallsneigung ist mittels der vorliegenden Befunde nicht objektivierbar, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert ist.
5. Mit Schreiben vom 21.05.2024 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Gutachten vom 08.05.2024 zur allfälligen Stellungnahme. Dieser wandte erneut ein, seit fast 2 Jahren sei es ihm nicht mehr möglich, auch nur kurze Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Sein Zustand mit der Erkrankung colitis ulcerosa wirke sich eben so aus, dass er täglich ca. 15x, manchmal auch öfter, spontanen Stuhldrang habe, der fast immer dünnflüssig blutig und meist übelriechend sei. Er müsse dann möglichst rasch irgendein WC aufsuchen. Und das gelinge nur, wenn ihn seine Gattin mit dem Auto führe. In seinem Wohnort gebe es außer einem Supermarkt auch keine Geschäfte. An der nächsten ÖBB-Haltestelle gebe es kein WC. Im Jahr 2022 habe er nach einem Spitalsaufenthalt noch einen Rollator benötigt, jetzt habe sich sein Gesundheitszustand so weit gebessert, dass er wenigstens 50-100m frei gehen könne. Doch benötige er eine Begleitperson. So sei auch bei der letzten Untersuchung im Sozialministeriumservice seine Gattin mit gewesen, alleine hätte er das sicher nicht geschafft. Zwischenzeitlich habe er das 3. Medikament vom Krankenhaus XXXX bekommen, was aber noch keine positive Wirkung zeige. Die nächste Gabe von einer „Simponi" Injektion werde kommende Woche erfolgen. Dann werde er die neuen Befunde nachreichen.
5.1. Am 05.06.2024 langte ein weiterer Befund des Landesklinikum XXXX vom 04.06.2024 bei der belangten Behörde ein.
In ihrer Stellungnahme vom 23.06.2024 führt die bereits befasste Fachärztin für Innere Medizin hierauf aus:
„Antwort(en):
Der Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 26.4.2024 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 31.5.2024 vor, dass er in XXXX wohnt, bei der nächsten ÖBB Haltestelle gibt es kein WC, er benötigt den Parkausweis wegen Arzt und Behördenwege. 2022 hatte er einen Rollator gebraucht auch benötige er ständig eine Begleitperson.
nachgereicht wird:
Stuhlkultur vom 5.3.2024: keine pathogenen Keime
Befund XXXX vom 4.6.2024: Beginn Simponi 21.5.2024, Prinzipiell gut vertragen und partielles Ansprechen. Allerdings seit gestern wieder vermehrt Blut. Prednisolon aktuell 25mg 1-0-0
Die vorgelegten Befunde stehen nicht im Widerspruch zur getroffenen Einstufung. Weiterhin ist eine anhaltende schwere chronische Veränderung der Darmschleimhaut nicht befundbelegt, es besteht bei der Begutachtung ein normaler Ernährungszustand. Angemerkt sei auch noch, dass der Wohnort nach der EVO nicht die Zusatzeintragung UÖVM bewirkt. Die vorgebrachten Argumente beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten wird.“
6. Am 01.07.2024 langten die Beschwerde und der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein.
6.1. In einem weiteren Schreiben vom 09.07.2024 brachte der Beschwerdeführer gegenüber dem BVwG erneut vor, weder bei den Buswartehäuschen noch in den Bussen selbst gebe es ein WC. Der Weg vom Wohnort zu den benötigten Ärzten könne durchaus mit dem Umsteigen in einen Stadtbus 1 1/2 Stunden dauern. Diese Zeit sei für das Zurückhalten des Stuhldranges jedoch zu lange. Eine Fahrt mit dem Auto dauere hingegen lediglich 20min mit der Möglichkeit, am Hauptplatz in XXXX ein öffentliches WC aufsuchen zu können. Die Einfahrt sei aber nur mit einem entsprechenden Behinderten-Parkausweis erlaubt. Freie Parkplätze außerhalb des Hauptplatzes seien - wenn überhaupt - nur sehr wenige vorhanden und ein Fußweg dahin sei für ihn auf Grund einer fortschreitenden Wirbelsäulenerkrankung nur eingeschränkt und mit Gehstock möglich.
In einem weiteren E-Mail vom 09.07.2024 legte der Beschwerdeführer noch einen Befund vom 02.07.2024 dem BVwG vor.
6.2. In der Folge holte das Bundesverwaltungsgericht ein weiteres Sachverständigengutachten ein:
Frau Prim.Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, hält in ihrem Gutachten vom 24.09.2024 basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 16.09.2024 fest:
„Anamnese:
SVGA Dr. XXXX , 16.10.2023, ABL 8-11
SVGA aufgrund Aktenlage, Dr. XXXX , 02.01.2024, ABL 35-37
Stellungnahme Dr. XXXX , 13.02.2024, ABL 41
SVGA Dr. XXXX , 08.05.2024, ABL 51-52
Stellungnahme Dr. XXXX , 23.06.2024, ABL 61
Jetzige Beschwerden:
Der Pat. leidet seit 12/2022 an einer Colitis Ulcerosa. Nach Therapiebeginn und Therapieversuch mit Entyvio@ und Stelara@ unter Begleitung von Cortison, wo es zu keiner ausreichenden Remission kam, wurde eine Therapieumstellung auf Simponi@ (05/2024) veranlasst. Laut Pat. besteht auch hier weiterhin ein häufiger imperativer Stuhldrang mit bis zu 15 Stuhlabgängen täglich und keine ausreichende Entzündungshemmung.
Die Primärmanifestation erfolgte mit rektalem Blutverlust und einem ausgeprägten Blutungsschock, welcher zu einem Intensivstationsaufenthalt führte. Im Rahmen dieses erlitt der Pat. einen Herzinfarkt — eine entsprechende Intervention mit CAG und Stentimplantation wurde durchgeführt.
Des Weiteren wurde eine latente TBC festgestellt, bei unauffälliger Lungenfunktion. Da eine Therapie mit einem TNF Blocker in Planung war, musste eine Prophylaxe mit einem Tuberkulostatikum (Rifampicin@) begonnen werden.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung steht der Pat. unter TH mit Simponi@, anhaltend häufiger Stuhldrang mit imperativem Stuhlverlust bis zu 15 x täglich. Die Krankheitsaktivität war nachweislich 07/2024 hoch — der Calprotectinwert betrug 4000 — dies entspricht einer hohen Krankheitsaktivität (Befund LK XXXX 02.07.2024, ABL 82 ff).
Zusätzlich beklagt der Pat. Schmerzen in der Wirbelsäule und in den Knien. Ein Stock wird verwendet. Orthopädische Befunde zur Objektivierung liegen nicht vor.
Befunde:
Befund Innere Medizin, KH XXXX , 02.07.2024, ABL 82ff:
Colitis Ulcerosa - ED 12/22
Induktion mit Simponi@ bei ausgeprägter linksseitiger Colitis unter Stelara am 21.05.2024
Calprotectin 4160 ug/g (NW 120 ug/g)
Befundbericht KH XXXX , 04.06.2024, ABL 58 ff:
Colitis Ulcerosa ED 12/22
Zustand nach rektalen Blutabgängen mit Blutungsschock - Intensivaufenthalt
KHK — 1 Gefäßerkrankung, Z.n. Infarkt
Hypertonie
Hypercholesterinämie
St.p. Papillotomie bei Papilenadenom 01/2020 Erweiterter DHC 15 mm und erweiterter Pankreasgang
Eisenmangelanämie Ferinject im Intervall Mikrobiologischer Endbefund, 05.03.2024, ABL 53/ABL 48
Stuhl kein Nachweis von pathogenen Keimen
Befundbericht Innere Medizin, LK XXXX , 30.12.2022, ABL 31 /ABL 6
Histologisch ieL Colitis Ulcerosa - Proctosigmoiditis
TH Beginn mit Prednislon und Salofalk
Befundbericht Innere Medizin, LK XXXX , 15.02.2023, ABL 30/ABL 4 und 13.06.2023:
Pos Quantiferontest — Einleitung einer Therapie mit Rifoldin seit 4 Wochen
ED 12/22, linksseitige CU — cortisonabhängig
Therapie beginn mit Entyvio Verlaufskontrolllen in der Ambulanz KH XXXX , 05.07.2023 und 27.07.2023 und 18.10.2023, ab ABL 28ff
Befundbericht KH XXXX , 06.12.2022, ABL 27ff / ABL 5ff
Rektale Blutabgänge unter DAPT bei hochgradigem V.a. Sigmoproktitis ulcerosa
Troponinerhöhung im Rahmen eines Blutungsschocks
St.p. Stent- Anlage RCA Eingefäßerkrankung
Colondivertikel
Hypertonie
Hyperchoiesterinämie st.p. CHE
Lungenemphysem
Quantiferon Test positiv
Lungenfachärztlicher Befund Dr. XXXX , 12.10.2023, ABL 22:
Diagnosen:
Latente TB/Quantiferon pos, Colitis ulcerosa, KHK 7 St. P DES der RXCA 10/22, Hyperlipidämie, Hypertonie, z,n. Fumus, St.p. Papillotomie bei Adenom 01/20
Normale Lungenfuntkino, kein Hinweis auf Obstruktion oder Restriktion
Gewichtsverlust wird negiert
TH Beginn mit Rifarnpicin
Befund KHK XXXX , 31.10.2023, ABL 21 ff
Ausgeprägte Krankheitsaktivität Umstellung auf Stelara@ (Ustekinumab)
Laborbefund KH XXXX , 02.11.2023, ABL 20ff
Coloskopie, 07.09.2023, ABL 16 ff:
Linksseitige ausgeprägte Colitis Ulcerosa mit Ausbildung von multiplen Pseudopolypen und Spontanblutungen
Medikamente:
Durotiv, Pentasa, Salofalk, Jardiance, Clopidogrel, Lisinocomp, Rosuvalan, Prednislon, Simponi, Berodual
Status:
Größe: 178 cm Gewicht: 84 kg Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,
Hörvermögen gut, Sehvermögen: gut
Herz: Herztöne arrhythmisch, rein, normofrequent,
Lunge: va, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich
WS: unauffällig
OE: frei, Nacken und Schürzengriff möglich, grobe Kraft seitengleich
Schulter: bds. endlagig schmerzbedingt in der Beweglichkeit eingeschränkt
EBO und Handgelenke: frei beweglich
Finger: Polyarthrosen
UE: Hüfte und Knie: endlagig schmerzbedingt in der Beweglichkeit eingeschränkt,
Beinödeme beidseits
Status psychicus:
Klar, orientiert, Ductus kohärent
Gangbild:
Kommt am Stock gehend in die Ordination, Lagewechsel leicht unsicher aber möglich.
Zusammenfassung:
Frage 1.)
Diagnoseliste:
Colitis Ulcerosa - ED 12/2022
Latente TBC unter Therapie
Eisenmangelanämie unter Therapie mit Ferinject im Intervall
KHK — Zustand nach Infarkt und Stentimplantation
Hyperlipidämie,
Hypertonie
z.n. Fumus
St.p. Papillotomie bei Adenom 01/20
Frage 2 und 3.)
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist zumutbar und möglich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden, im Bedarfsfall ist die Verwendung eines Stockes möglich. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten. Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Einsteigen- und Aussteigen und ein gesicherter Transport möglich.
Des Weiteren besteht keine arterielle Verschlusskrankheit ab Il/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option, keine Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen noch eine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz, keine Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie, keine COPD IV oder ein Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie.
Frage 4.)
Nicht zutreffend
Frage 5.)
Nicht zutreffend
Frage 6 und 7.)
a.) Aufgrund der Vorlage des Befundes des KH XXXX vom 02.07.2024 ist eine anhaltende hoch aktive Kolitis Ulcerosa nachvollziehbar. Insbesondere weist der Laborbefund ein hohes Calprotectin von 4000 ug/g auf (NW 120ug/g). Dies lässt auf eine hohe Krankheitsaktivität schließen, die mit einer häufigen Durchfallfrequenz einhergeht. Aufgrund der Befundkonstellation und der häufigen Therapieoptimierungen seit der ED 12/2022, mit nicht ausreichender Krankheitskontrolle wie 07/2024 dokumentiert, ist ein spontaner imperativer Stuhlabgang mit hoher Stuhlfrequenz durchaus nachvollziehbar. Inkontinenzmaterial wird teilweise verwendet. Die medikamentöse Therapie wurde und wird laufend optimiert (bereits etabliertes 3 Biologikum ohne ausreichende Krankheitskontrolle bei einem Calprotectin von 4000ug/g) — zuletzt zusätzlich auch Therapie mit Cortison oral weiter.
b.) Aufgrund der hohen Krankheitsaktivität wie in Frage a skizziert, ist mit einer hohen imperativen Stuhlfrequenz zu rechnen.
c.) Inkontinenzmaterial wird teilweise verwendet. Handelsübliche Produkte sollten vor Verunreinigung schützen, allerdings sollte bei häufigem Stuhldrang ein rascher Wechsel des Inkontinenzmaterials möglich sein, um vor Folgeschäden (Hautläsionen, etc..) zu schützen. Die Geruchsbelästigung ist eine ethische und keine medizinische Fragestellung.
d.) und e.) Die handelsüblichen Inkontinenzmaterialien schützten vor Verunreinigung, sollten allerdings innerhalb von 30 min gewechselt werden können, um vor Folgeschäden zu schützen.
Frage 8.)
Bezugnehmend auf die Beschwerden wurden die Fragen betreffend den raschen imperativen Stuhlverlust mit häufigen Durchfällen täglich und auch nachts, sowie die Verwendung von entsprechendem Inkontinenzmaterial ausführlich diskutiert.
Die öffentliche Infrastruktur ist nicht Gegenstand der medizinischen Beurteilung und wird somit nicht berücksichtigt.
Die vorgelegten und dem Akt beigefügten medizinischen Befunde wurden zitiert und in der Beurteilung gewürdigt. Insbesondere wird der Befund ABL 82 ff mit der Kontrolle am LK XXXX vom 02.07.2024 in die Beurteilung mit aufgenommen.
Frage 9.)
Aufgrund der häufigen imperativen Stuhlfrequenz, der nachgewiesenen hohen Krankheitsaktivität mit einem Calprotecitn 4000 ug/g (NW 12.0ug/g), wird eine abweichende Beurteilung getroffen. Aufgrund des imperativen Stuhlverlustes bei häufigem Stuhldrang ist auch die Verwendung von Inkontinenzmaterial nur kurzfristig sicher möglich. Ein rascher Wechsel innerhalb von 30 min ist indiziert, um vor Folgeschäden (Hautläsionen, etc..) zu schützen. Somit ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit nicht ausreichend sicher möglich.
Der mitgeführte Stock bzw. die angeforderte Begleitperson sind aus gutachterlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Orthopädische oder andere fachärztliche Befunde, die ein erhebliches Gebrechen untermauern würden, wodurch diese Maßnahme notwendig wären sind nicht vorliegend.
Frage 10.)
Eine Nachuntersuchung ist nicht indiziert.“
7. Mit Schreiben vom 01.10.2024 verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer sowie die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Inhaltliche Bedenken wurden keine vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und ist seit 15.06.2023 Inhaber eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 50%.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ist am 15.06.2023 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.3. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:
- Colitis Ulcerosa - ED 12/2022
- Latente TBC unter Therapie
- Eisenmangelanämie unter Therapie mit Ferinject im Intervall
- KHK — Zustand nach Infarkt und Stentimplantation
- Hyperlipidämie
- Hypertonie
- z.n. Fumus
- St.p. Papillotomie bei Adenom 01/20
1.4. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer leidet unter einer hoch aktiven Colitis Ulcerosa. Die Krankheitsaktivität geht mit einer häufigen Durchfallfrequenz einher. Die medikamentöse Therapie wird laufend optimiert, wobei zuletzt auch eine Therapie mit Cortison oral weiter geführt wird. Aufgrund der hohen Krankheitsaktivität ist jedoch mit einer hohen imperativen Stuhlfrequenz zu rechnen. Zeitpunkte, wann der Beschwerdeführer Stuhl absetzt, sind aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen nicht vorhersehbar und können vom Beschwerdeführer in der Regel auch nicht beeinflusst werden. Das Erreichen einer Toilette innerhalb von 30 Minuten ist unabdingbar, um den Wechsel der handelsüblichen Inkontinenzmaterialien, der innerhalb dieser Frist erfolgen soll, um vor Folgeschäden wie Hautläsionen etc. zu schützen, zu gewährleisten. Das Beschwerdebild des Beschwerdeführers erfordert die zeitnahe Säuberung, welche in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht durchführbar ist.
1.5. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. und 1.2.: Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur gegenständlichen Antragstellung basieren auf einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.
Zu 1.3. bis 1.5.: Die Feststellungen zu den beim Beschwerdeführer aktuell vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 24.09.2024, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 16.09.2024, sowie auf den vorgelegten medizinischen Beweismitteln.
Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen stellte die beigezogene medizinische Sachverständige in ihrem Gutachten auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen fest, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten ist hinsichtlich der erhobenen Diagnosen und des klinischen Status vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild berücksichtigt. Hinsichtlich der erhobenen Diagnosen wurden vom Beschwerdeführer auch keine Einwendungen erhoben. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt.
Frau Prim. Dr. XXXX erläutert vor dem Hintergrund der klinischen Untersuchung fachärztlich überzeugend, dass der Laborbefund (Befund vom 02.07.2024) ein hohes Calprotectin von 4000 u/g (NW 120ug/) aufweist, was auf eine hohe Krankheitsaktivität schließen lässt, die mit einer häufigen Durchfallfrequenz einhergeht. Aufgrund dieses imperativen Stuhlverlustes bei häufigem Stuhldrang sei allerdings die Verwendung von Inkontinenzmaterial nur kurzfristig sicher möglich. Ein rascher Wechsel des Inkontinenzmaterials innerhalb von 30 min sei notwendig, um vor Folgeschäden, wie etwa Hautläsionen, etc. zu schützen. Somit ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit nicht ausreichend sicher möglich.
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte auf persönlicher Untersuchung basierende Sachverständigengutachten von Prim. Dr. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch sind weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten – im Rahmen des Parteiengehöres entgegengetreten.
Die Abweichung der Beurteilung in dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten, resultiert aus der Vorlage des Befundes des KH XXXX vom 02.07.2024.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II. 3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, ob die Stuhlinkontinenz zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt und eine entsprechende Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtfertigt (vgl. VwGH 17.06.2013, Zl. 2010/11/0021, VwGH 23.02.2011, Zl. 2007/11/0142). In beiden Erkenntnissen hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der dort belangten Behörden, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Betroffenen sei zumutbar, im Hinblick auf Art und Ausmaß der Inkontinenz für nicht nachvollziehbar. Die konkrete Auswirkung dieses Aspekts von Erkrankungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei insbesondere betreffend eine gewisse Häufigkeit, Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit der behaupteten Zustände zu beachten (vgl. VwGH 17.06.2013, Zl. 2010/11/0021).
In einem weiteren Erkenntnis vom 21.04.2016, Zl. Ra 2016/11/0018, hielt der Verwaltungsgerichtshof daran anschließend zum Fall einer Betroffenen, die an einer Durchfallerkrankung mit häufigem und imperativem Stuhlgang (mindestens 20 Mal pro Tag) leidet, fest, dass es „geradezu offenkundig“ sei und „keiner weiteren Erörterung“ bedürfe, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bei diesem Krankheitsbild unzumutbar sei. Daran würden angesichts der schweren Ausprägung der Erkrankung die im Handel erhältlichen, vom Verwaltungsgericht angesprochenen Inkontinenzprodukte (saugfähige Einmalhosen) nichts ändern. Der Verwaltungsgerichtshof entschied in der Folge in der Sache selbst und gab dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung wegen offenkundigen Vorliegens der Voraussetzungen statt.
Unter Heranziehung der nach dieser Judikatur besonders zu beachtenden Kriterien der Häufigkeit, Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit (der Stuhl- bzw. Harnabgänge) ist auch im vorliegenden Fall, in dem es beim Beschwerdeführer zu häufiger imperativer Stuhlfrequenz täglich kommt, davon auszugehen, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Auch der Hinweis in den oben zitierten Erläuterungen zur Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013, dass bei Inkontinenz keine Einschränkung im Hinblick auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bestehe, „da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen“, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Wie die Sachverständige selbst ausführt, sollte aus medizinischer Sicht, um weiteren Infektionen vorzubeugen, ein Wechsel des Inkontinenzmaterials auf jeden Fall innerhalb von 30 Minuten vorgenommen werden. Dies ist während der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend sicher möglich.
Da sohin festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher der, der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte, Sachverständigenbeweis geprüft. Unter Punkt II. 2. wurde bereits ausgeführt, in welchem Umfang dieser als schlüssig erachtet wurde.
Das Beschwerdevorbringen war – wie bereits ausgeführt – geeignet, relevante Bedenken an der Beurteilung der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die gegenständliche Zusatzeintragung sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.