JudikaturBVwG

W185 2291643-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
15. Oktober 2024

Spruch

W185 2291646-1/2E

W185 2291645-1/2E

W185 2291643-1/2E

W185 2291639-1/2E

W185 2291642-1/2E

W185 2291637-1/3E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 17.01.2024, Islamabad-ÖB/KONS/1588/2022, aufgrund des Vorlageantrages von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , 5.) mj. XXXX , geb. XXXX und 6.) mj. XXXX geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, die mj. Beschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin XXXX , alle vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 03.08.2023, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2024, Islamabad-ÖB/KONS/1588/2022, wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AsylG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln werden gemäß § 35 Abs. 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.“

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer, sämtliche Staatsangehörige Afghanistans, stellten, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, am 27.06.2022, die Zweitbeschwerdeführerin am 22.08.2022, persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (in der Folge: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde der vermeintliche Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführerinnen, XXXX , StA. Afghanistan, angeführt, welchem am 07.10.2021, rechtskräftig seit 12.10.2021, subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei.

Im Zuge der Antragstellung wurde vorgebracht, dass die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson am 22.05.2003 geschlossen worden sei. Im Herkunftsland oder einem Drittstaat hätten die Genannten mit den übrigen Beschwerdeführern in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Das Familienverhältnis werde durch Telefonate aufrechterhalten. Als Nachweis hinsichtlich finanzieller Einkünfte der Bezugsperson iSd § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 wurde jeweils „Lohnzettel“ angegeben. Die derzeitige Wohnadresse bzw. der derzeitige Aufenthaltsort sämtlicher Beschwerdeführer sei Kabul.

Weiters führte die Erstbeschwerdeführerin am 27.06.2022 aus, ihr vermeintlicher Ehemann habe das Formular ausgefüllt, sie spreche weder Englisch noch Deutsch und könne auch ihren Namen nicht schreiben. Sie habe fünf Kinder. Mit ihren Schwiegereltern lebe die Erstbeschwerdeführerin seit 2 Jahren in XXXX (Pakistan). Sie wisse nicht, wie alt ihr vermeintlicher Ehemann sei, er sei aber älter als sie. Die Erstbeschwerdeführerin habe vor 19 Jahren, im Alter von ca 14 Jahren, geheiratet. Bei ihrem vermeintlichen Ehemann handle es sich um ihren Cousin. Die Erstbeschwerdeführerin habe der Heirat zugestimmt. Die Hochzeit habe in einem Haus in XXXX stattgefunden, es seien viele Gäste gekommen. Sie habe bei der Hochzeit ein grün-weißes Shirt getragen. Die Erstbeschwerdeführerin habe auch Fotos von der Hochzeit. Sie selbst und der vermeintliche Ehemann seien beide anwesend gewesen. Ein (näher bezeichneter) Onkel und ihr Schwiegervater hätten als Zeugen fungiert. Der „Mullah“ habe die Heiratsurkunde am Hochzeitstag angefertigt. Die Ehe sei registriert worden. Sie wisse nicht mehr, wo und wie lange sie mit ihrem vermeintlichen Ehemann zusammengelebt habe. Der Genannte sei vor 6 Jahren ausgereist. Im Haus hätten der Schwiegervater und die Schwester ihres Bruders gelebt. Befragt dazu, weshalb ihr vermeintlicher Ehemann Afghanistan verlassen habe, führte die Erstbeschwerdeführerin an, er sei „in Gefahr“ gewesen. Der Genannte habe der Erstbeschwerdeführerin nichts über seine Pläne, Afghanistan zu verlassen, erzählt, sondern nur mit seinem Vater darüber gesprochen; er sei jedoch gekommen, um sich zu verabschieden. Seit seiner Flucht habe er die Erstbeschwerdeführerin nicht besucht. Sie sei mit ihrem vermeintlichen Ehemann „manchmal täglich, manchmal alle paar Tage“ in Kontakt, wobei sie sich nicht erinnern könne, wann er sie das erste Mal kontaktiert habe, nachdem er das Land verlassen habe. Zuletzt gesehen habe die Erstbeschwerdeführerin den Genannten vor ca. 5, 6 Jahren. Sie wisse nicht genau, wo in Österreich ihr vermeintlicher Ehemann lebe. Ihr Ehemann arbeite in Österreich, aber die Erstbeschwerdeführerin wisse nicht bei welcher Firma. Niemand unterstütze die Erstbeschwerdeführerin finanziell. Sie würde freiwillig nach Österreich ziehen wollen. Über andere Verwandte oder Freunde in Österreich verfüge die Erstbeschwerdeführerin nicht. Jedes Mal, wenn ihr vermeintlicher Ehemann anrufe, weine die Erstbeschwerdeführerin bzw. würden sie darüber reden, wie es sein werde, wenn sie sich wiedersehen würden. Sie wisse nicht, wie ihr Ehemann seine Freizeit bzw. Wochenenden in Österreich verbringe. Über Österreich habe ihr ihr Ehemann „nichts“ erzählt. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihre Kinder alleine erziehen müssen. Sie wisse nicht, wie es sein werde, wenn ihre älteste Tochter allein in Afghanistan zurückbleiben müsse. Die Kinder der Erstbeschwerdeführerin würden nicht nach Afghanistan zurückkönnen.

Angemerkt wurde zudem, dass die Erstbeschwerdeführerin (hier als Antragstellerin bezeichnet) angebe, vor 19 Jahren geheiratet zu haben, laut Geburtsdaten wäre sie da 14 Jahre alt gewesen. Über Nachfrage habe die Erstbeschwerdeführerin angegeben, sie sei noch „ein Kind“ gewesen. Auf Nachfrage, wie alt die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich gewesen sei, habe sie geantwortet, sie könne 14 oder auch jünger gewesen sein.

Den jeweiligen Anträgen angeschlossen waren unter anderem:

Reisepässe der Beschwerdeführer und der Bezugsperson

National Identity Cards (Tazkira) der Erstbeschwerdeführerin, Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin, der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers

Afghanische Geburtsurkunde betreffend den Sechstbeschwerdeführer

Heiratsurkunde vom XXXX mit der Seriennummer: XXXX , wobei die Felder betreffend die Identifikation des Ehemannes und der Ehefrau leer sind

E-Card der Bezugsperson

Karte für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 52 AsylG 2005 der Bezugsperson, ausgestellt am 20.10.2021

Auszug aus dem Zentralen Melderegister betreffend die Bezugsperson vom 23.06.2016

Lohnabrechnungen der Bezugsperson von Februar bis Mai 2022

Seitens des BFA wurde die Durchführung von DNA-Analysen angeregt.

Mit Schreiben vom 16.11.2022 wurde die Bezugsperson seitens des Bundesamtes über die Einreiseanträge seiner vermeintlichen Ehefrau und Kinder informiert. Es seien zwar Dokumente in Vorlage gebracht worden, allerdings seien diese nach Ansicht der erkennenden Behörde kein hinreichender Beleg für die Familieneigenschaft. Da das Verwandtschaftsverhältnis nicht durch Vorlage unbedenklicher Urkunden nachgewiesen habe werden können, werde auf die Möglichkeit einer DNA-Analyse auf eigene Kosten (bzw. Kostentragung des Bundes bei positivem Ergebnis) hingewiesen. Zudem wurde die Bezugsperson aufgefordert, bekannt zu geben, ob sie eine DNA-Analyse durchführen lassen wolle.

In weiterer Folge wurde auch die Erstbeschwerdeführerin über die Möglichkeit einer DNA-Analyse belehrt. Die diesbezüglichen unterzeichneten Formulare und Informationsblätter betreffend sämtliche Beschwerdeführer wurden mit E-Mail vom 15.12.2022 übermittelt. Als Adresse der Beschwerdeführer wurde auf den Formularen jeweils „Pakistan“ angegeben.

Mit E-Mail vom 20.12.2022 wurden die Beschwerdeführer ersucht, sich bei der österr. Botschaft einzufinden, wo die Vertrauensärztin den Mundhöhlenabstrich vornehmen werde.

Am 27.12.2022 bestätigte die (näher genannte) Ärztin die ordnungsgemäße Probenentnahme.

Nach Übermittlung der Unterlagen teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 01.02.2023 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten betreffend die Beschwerdeführer nicht wahrscheinlich sei. Die Bezugsperson verfüge weniger als drei Jahre über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 35 Abs. 2 AsylG 2005). Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der bezughabenden Stellungnahme führte das Bundesamt u.a. aus, dass schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung nicht vorliegen würden, zumal seit Zuerkennung der befristeten Aufenthaltsberechtigung im Sinn von § 8 Abs. 4 AsylG der in Österreich aufhältigen Bezugsperson noch keine drei Jahre vergangen seien; eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose könne erst nach drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung des Status an die Bezugsperson erstattet werden könne. Die formellen Voraussetzungen hätten somit nicht vorgelegen.

Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 06.02.2023, wurde den Beschwerdeführern eine Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör) im Hinblick auf das Schreiben und die Stellungnahme des Bundesamtes vom 01.02.2023, wonach die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 Asylgesetz abzulehnen wären, übermittelt. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Mit Schreiben vom 17.02.2023 brachte die Vertretung der BF eine Stellungnahme ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller seien die Ehefrau und Kinder der Bezugsperson. Die Bezugsperson habe am 01.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt; mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.10.2021 sei ihr der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Nach Ansicht des Bundesamtes könne eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose erst nach drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an die Bezugsperson erteilt werden. Dieser Argumentation sei entgegenzuhalten, dass im Verfahren zur Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten, welches ausschließlich in § 35 AsylG geregelt sei, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sei und sich diese Verpflichtung nach der jüngsten Entscheidung des EGMR vom 09.07.2021, 6697/18, M.A. v. Denmark, auch auf die in § 35 Abs. 2 AsylG verankerte Wartefrist von drei Jahren beziehe. Der Ausgangsfall, welcher der genannten Entscheidung zugrunde liege, habe einen syrischen Staatsangehörigen betroffen, dem in Dänemark der Status des subsidiär Schutzberechtigten gewährt worden sei und dessen Ehefrau einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt habe. Die dänische Rechtslage habe in solchen Fällen eine dreijährige Wartefrist vorgesehen, sofern nicht bestimmte Umstände, wie Krankheit oder Behinderung, eine frühere Zusammenführung geboten erscheinen lassen würden. Der EGMR habe erwogen, dass Art. 8 EMRK zwar kein generelles Recht auf Familienzusammenführung in einem gewissen Zielstaat biete und die Migrationskontrolle ein legitimes Recht eines Staates zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit sei. Allerdings hätten die Staaten hier eine faire und ausgewogene Abwägung zwischen den Interessen der Betroffenen und den öffentlichen Interessen vorzunehmen. Insbesondere sei darauf Rücksicht zu nehmen, ob unüberwindbare Hürden für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Herkunftsstaat bestünden. Zudem komme den Interessen minderjähriger Kinder in solchen Fällen ein besonderes Gewicht zu. Festzuhalten sei weiters, dass der EGMR eine Ungleichbehandlung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten in der zitierten Entscheidung nicht grundsätzlich in Frage gestellt habe, allerdings seien die für Angelegenheiten der Familienzusammenführung aufgestellten Grundsätze, nämlich Flexibilität, zügige Bearbeitung sowie Effizienz, auch auf subsidiär Schutzberechtigte anzuwenden. Insgesamt erachte der EGMR eine Wartezeit von drei Jahren als sehr lange Zeit der Trennung, wenn die Familienangehörigen in einem Herkunftsstaat mit schlechter Sicherheitslage leben würden und unüberwindbare Hindernisse zur Fortführung des Familienlebens in diesem Staat bestünden. Weiters habe der EGMR hervorgehoben, dass die tatsächliche Trennung der Familie weit länger als diese Wartezeit andauere, nämlich für die Dauer der Flucht, des Asylverfahrens und des nach Beendigung der dreijährigen Frist geführten Familienzusammenführungsverfahren. In dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall sei der EGMR letztlich zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund des restriktiven Anwendungsbereiches der im dänischen Recht verankerten Ausnahmebestimmung (Krankheit, Behinderung) eine faire und ausgewogene Abwägung zwischen dem Interesse des Staates und dem Interesse der Betroffenen nicht gegeben gewesen sei, weshalb eine Verletzung von Art. 8 EMRK vorgelegen sei. Im Vergleich zur dänischen Rechtslage könne nach der österreichischen Rechtslage selbst in Härtefällen nicht von der dreijährigen Wartefrist abgewichen werden. Bereits dies erweise sich als verfassungswidrig. Das Bundesamt lasse in seiner Stellungnahme eine faire und ausgewogene Interessensabwägung nicht erkennen. Die Ehepartner seien seit 10 Jahren verheiratet und hätten bis zur Flucht 2015 in engstem Familienverband und im gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Ehe würden fünf gemeinsame Kinder entstammen. Die familiären Bindungen seien dementsprechend stark ausgeprägt und auch nach der fluchtbedingten Trennung stets aufrechterhalten worden. Die Familie lebe gegenwärtig allein von der finanziellen Unterstützung der Bezugsperson. Das zweitjüngste Kind leide seit der Geburt an einer Erblindung, gegebenenfalls könnten diesbezüglich „mögliche Behandlungen“ in Afghanistan nicht durchgeführt werden. Das genannte Kind sei in besonderem Maße von der Fürsorge seiner Eltern abhängig. Erschwerend komme hinzu, dass seit der neuerlichen Machtübernahme der Taliban im August 2021 Familien, die wie im gegenständlichen Fall ohne ein männliches Familienoberhaupt und anderen männlichen Unterstützern aus dem engeren Familienkreis (‚Mahram‘: Ehemann, Bruder, Vater, Sohn oder Neffe) auskommen müssten, selbst alltägliche Erledigungen enorm erschwert bis unmöglich seien. Aufgrund der notwendigen Flucht der Bezugsperson 2015 seien die Familienmitglieder bereits mehr als sieben Jahre voneinander getrennt. Bereits das Asylverfahren der Bezugsperson habe sechs Jahre gedauert. Das Abwarten der 3-jährigen Wartefrist und des folgenden Verfahrens gem. § 35 AsylG, welches derzeit erfahrungsgemäß mindestens ein Jahr dauere, würde diese Trennung auf einen unzumutbaren Zeitraum von rund 10 Jahren ausdehnen. Zudem hätte das Abwarten zur Folge, dass zwei näher bezeichnete Töchter bereits die Volljährigkeit erreicht haben würden und nach den einfachgesetzlichen Bestimmungen des AsylG gar keine Möglichkeit mehr zur Familienzusammenführung haben würden. Sie würden unterversorgt und ohne den Schutz ihres Familienverbandes alleine zurückbleiben. Aufgrund der besonderen, multiplen Gefährdung insbesondere alleinstehender Frauen in Afghanistan und damit verbunden die faktische Notwendigkeit, sich eines männlichen Unterstützers zu versichern, würde in deren Fall das Risiko einer Zwangsheirat unerträglich werden lassen. Anderenfalls wären sie jedoch von einer effektiven Möglichkeit, den eignen Lebensunterhalt zu bestreiten, ausgeschlossen, nicht geschäftsfähig und hätten keinen oder kaum Zugang zu selbst basaler Gesundheitsversorgung. Ein gemeinsames Familienleben in Afghanistan komme für die Antragsteller gemeinsam mit der Bezugsperson aufgrund der Sicherheitslage nicht in Betracht. Zu sonstigen Staaten gäbe es weder ausreichend Bezug noch das Recht auf Einreise und/oder Aufenthalt, welches für die Fortführung des Familienlebens notwendig wäre. Zudem habe das BFA in seiner ablehnenden Stellungnahme keinerlei öffentliche Interessen dargestellt, nach denen der Gesetzesvorbehalt des Abs. 2 greifen würde und welche eine Ablehnung im vorliegenden Fall gegen das Recht nach Art. 8 EMRK rechtfertigen würde. Im Anhang wurde die Vollmacht und die Reisepässe der Beschwerdeführer in Kopie beigelegt.

Mit Schreiben der ÖB Islamabad vom 02.03.2023 wurde dem BFA die obige Stellungnahme der Beschwerdeführer weitergeleitet und gebeten, den Fall im Lichte der Stellungnahme noch einmal, insbesondere im Lichte des Art. 8 EMRK, zu prüfen.

Nach Übermittlung der Stellungnahmen an das Bundesamt teilte dieses am 20.03.2023 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe. Unabhängig davon, dass der EGMR gefordert habe, bei einer mehr als zweijährigen Wartefrist eine individuelle Abwägung (EGMR 09.07.2021, 6697/18, MA / Dänemark) durchzuführen, sei im vorliegenden Fall festzuhalten, dass hier nicht einmal die zwei Jahre erreicht worden seien. Wie aus der negativen Stellungnahme ersichtlich, sei der Bezugsperson mit Erkenntnis vom 07.10.2021, rechtskräftig seit 12.10.2021, der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden. Die angeblichen Familienangehörigen hätten bereits am 27.06.2022 die Einreiseanträge gestellt.

Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 03.08.2023 wurden die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Das Bundesamt habe nach Prüfung mitgeteilt, dass die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen wären. Die Beschwerdeführer hätten Gelegenheit erhalten, den angeführten Ablehnungsgründen zu widersprechen und diesbezüglich Beweismittel vorzulegen. Die Beschwerdeführer hätten zu der beabsichtigten Entscheidung mit Schreiben vom 17.02.2023 Stellung genommen. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass durch die Stellungnahme das Familienverhältnis nicht nachgewiesen habe werden können und an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose vom 01.02.2023 festgehalten werde. Es sei somit auf Grund der Aktenlage gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG spruchgemäß zu entscheiden und die Anträge abzulehnen.

Gegen den Bescheid der ÖB Islamabad wurde mit Schreiben vom 25.08.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben und darin, nach Wiedergabe des Sachverhalts, im Wesentlichen ausgeführt, dass in der Stellungnahme des BFA, auf die im Bescheid verwiesen werde, nie Zweifel bezüglich der Familieneigenschaft der BeschwerdeführerInnen geäußert worden seien. Dem BFA sei neben den über das gesamte Asylverfahren gleichlautenden Angaben der Bezugsperson zu ihren Familienangehörigen sowie den im Verfahren vorgelegten Familiendokumenten bereits zu jenem Zeitpunkt sogar das erbgenetische Sachverständigengutachten eines Gerichtsmedizinischen Instituts zur Frage der leiblichen Vaterschaft des Putativvaters, nämlich der Bezugsperson, zu den mj. Beschwerdeführern sowie der leiblichen Verwandtschaft der Kindesmutter zu den mj. Beschwerdeführern vorgelegen. Dieses habe die Bezugsperson des gegenständlichen Verfahrens praktisch als Vater und die Erstbeschwerdeführerin praktisch als Mutter der restlichen Beschwerdeführer ausgewiesen. Es handle sich bei den Beschwerdeführern somit um Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG. Im bisherigen Verfahrensgang sei das Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG nicht angezweifelt worden und sei den Beschwerdeführern nicht die Gelegenheit gegeben worden, zu einem solchen Vorhalt Stellung zu nehmen. Damit würden sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt erachten. Daneben lasse die verfahrensführende Behörde eine erkennbare Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 17.02.2023 vermissen und verweise lediglich darauf, dass das BFA an dieser Stellungnahme festhalte. Der Aufforderung zur Stellungnahme der ÖB Islamabad vom 06.02.2023 sowie der angeschlossenen Stellungnahme des BFA sei lediglich zu entnehmen gewesen, dass geplant sei, den Einreiseantrag der Antragsteller abzuweisen, da die Bezugsperson seit weniger als drei Jahren über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verfüge. Eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose könne erst nach drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung erteilt werden und würden daher die formellen Voraussetzungen nicht vorliegen. Dieser Rechtsansicht sei durch die Stellungnahme vom 17.02.2023 entgegengetreten worden und werde daran festgehalten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2024 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Die Beschwerde sei zulässig, aber nicht begründet. Nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes ergangen sei. Die Stellungnahme der Beschwerdeführer sei ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Die Vertretungsbehörden seien nach Rechtsprechung des VwGH an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA gebunden. Die belangte Behörde teile unabhängig von der Bindungswirkung die Ansicht des BFA, dass die Beschwerdeführer Anträge erst nach Ablauf von drei Jahren nach Erteilung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an die Bezugsperson beantragen könnten. Die Beschwerdeführer seien sich dieser Bestimmung auch bewusst gewesen, hätten die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels jedoch trotzdem bereits vor Ablauf der Dreijahresfrist eingebracht. Nach der Rechtsprechung des VfGH in einem ähnlich gelagerten Fall sei aus Art. 8 EMRK keine generelle Verpflichtung abzuleiten, dem Wunsch des Fremden, sich in einem bestimmten Konventionsstaat aufzuhalten, nachzukommen. Der Umstand, dass die dreijährige Wartefrist generell und unter Ausschluss einer Abwägung im Einzelfall angeordnet sei, erweise sich als verfassungsrechtlich unbedenklich. Sohin komme der Argumentation, bei Abwarten der dreijährigen Frist wären zwei der Beschwerdeführerinnen aufgrund der inzwischen eingetretenen Volljährigkeit keine Familienangehörigen mehr, keine Relevanz zu. Der Gesetzgeber habe nicht die Absicht gehabt, in Fällen wie dem vorliegenden Wegfall der Eigenschaft als Familienangehöriger bei Abwarten der dreijährigen Frist eine Ausnahme zu statuieren. Weiters wurde auf einen Beschluss des VfGH vom 13.12.2022 verwiesen, in welchem die Behandlung in einem ähnlich gelagerten Fall abgelehnt worden sei. Hinsichtlich der Wartefrist des § 35 Abs. 2 AsylG 2005 sei die Rechtslage somit eindeutig und sei auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wiederholt bestätigt worden; die genannte Norm bestimme, dass der Familienangehörige (gemäß Abs. 5 leg. cit.) eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei und der sich im Ausland befinde, einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellen könne.

Am 31.01.2024 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdevorentscheidung nicht innerhalb der in § 14 Abs. 1 VwGVG normierten Frist von 2 Monaten erlassen worden sei. Diese sei daher unzulässig und wäre die Beschwerde bereits nach dem 26.10.2023 dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Abweisungsgründen der Beschwerdevorentscheidung könne daher unterbleiben. Am Beschwerdevorbringen vom 25.08.2023 werde festgehalten.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.05.2024, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2024 fristgerecht binnen zwei Monaten erlassen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Antragszeitpunkt bereits volljährigen Zweitbeschwerdeführerin, der zum Antragszeitpunkt noch minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährigen Drittbeschwerdeführerin sowie den minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführern. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sich und ihre minderjährigen Kinder am 27.06.2022 bzw. die Zweitbeschwerdeführerin am 22.08.2022 bei der ÖB Islamabad Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Abs. 2 AsylG, wobei als Bezugsperson der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer, XXXX , StA. Afghanistan, genannt wurde.

Der Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu XXXX vom 07.10.2021, rechtskräftig seit 12.10.2021, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Nach Übermittlung der Antragsunterlagen an das Bundesamt wurde mit Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG vom 01.02.2023 bekanntgegeben, dass eine Gewährung desselben Schutzes nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson weniger als drei Jahre über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verfüge. Die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes wurde nach neuerlicher Prüfung des Sachverhaltes auf Grundlage einer Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 17.02.2023 aufrechterhalten.

Die Erstbeschwerdeführerin und die Bezugsperson schlossen im Jahr 2003 in der afghanischen Provinz XXXX (andere Schreibweise: XXXX ) die Ehe. Der Ehe entstammen die am XXXX geborene Zweit-, die am XXXX geborene Dritt-, die am XXXX geborene Viertbeschwerdeführerin, der am XXXX geborene, seit seiner Geburt an einer Erblindung leidender Fünftbeschwerdeführer sowie der am XXXX geborene Sechstbeschwerdeführer.

Die Bezugsperson wurde am XXXX in der Stadt Kabul, Stadtteil XXXX , geboren. Im Alter von 26 Jahren zog die Bezugsperson in Kabul in den Bezirk XXXX , wo sie sich bis zu ihrer Ausreise aufhielt. Am 01.12.2015 stellte die Bezugsperson in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither fanden zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson keine persönlichen Treffen mehr statt. Die Bezugsperson hat seit ihrer Ausreise den Kontakt mit den Beschwerdeführern durch Anrufe aufrechterhalten. Insgesamt besteht zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson nur ein wenig ausgeprägtes Familienleben.

Sämtliche Beschwerdeführer sowie die Eltern der Erstbeschwerdeführerin leben seit dem Jahr 2018 in Pakistan. Die Eltern der Bezugsperson leben ebenso in Pakistan. Es steht nicht fest, dass die beim minderjährigen Fünftbeschwerdeführer von Geburt an bestehende Erblindung eine lebensbedrohliche Krankheit darstellt und er im Fall des Abwartens der Dreijahresfrist zur Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung nach § 35 AsylG sowie des darauffolgenden Verwaltungsverfahrens einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgesetzt wäre, die zu intensivem Leiden oder zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid langte bei der Behörde am 25.08.2023 ein. Die zweimonatige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG endete somit am 25.10.2023. Die Beschwerdevorentscheidung wurde erst am 17.01.2024 zugestellt und erweist sich somit als verspätet. Die Beschwerdevorentscheidung wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich insbesondere aus den Akten der ÖB Islamabad, den vorgelegten weiteren Unterlagen, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu XXXX vom 07.10.2021, mit welchem der Bezugsperson der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, aus den vom Bundesverwaltungsgericht veranlasster Abfrage des Zentralen Fremdenregisters, des Zentralen Melderegisters und des Betreuungsinformationssystem GVS betreffend die Bezugsperson.

Bereits im Zuge der Antragstellung hatte die Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, sie lebe seit 2 Jahren mit ihren Schwiegereltern in XXXX . Laut den ausgefüllten, am 15.12.2022 übermittelten Formularen zur DNA-Analyse sei die Adresse sämtlicher Beschwerdeführer „Pakistan“. Aus dem diesbezüglichen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts geht hervor, es wurde aufgrund der Angaben der Bezugsperson festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin, die gemeinsamen Kinder sowie die Eltern der Erstbeschwerdeführerin seit dem Jahr 2018 in Pakistan leben. Die Eltern der Bezugsperson würden ebenso in Pakistan leben (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX S. 4). Es wird in diesem Zusammenhang nicht übersehen, dass die von der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor der ÖB Islamabad erstatteten Zeitangaben (kleinere) Widersprüche aufweisen, jedoch ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sie über keine Schulbildung verfügt und ihr folglich die Wiedergabe von Daten bzw. die zeitliche Einordnung von Ereignissen schwerer fällt als anderen Personen, sodass allfällige Widersprüche nicht geeignet sind, die diesbezüglichen Angaben der Bezugsperson im Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz, welche bereits dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.10.2021 zu XXXX als Sachverhalt zugrunde gelegt wurden (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX S. 4, 27, 29), zu erschüttern. In einer Zusammenschau war demnach festzustellen, dass sämtliche Beschwerdeführer zumindest seit 2018 in Pakistan, leben. Demnach ergab sich auch nicht, dass die älteste Tochter der Erstbeschwerdeführerin entsprechend ihrer diesbezüglichen Angaben in Afghanistan zurückbleiben müsste.

Die Feststellung, dass die Bezugsperson Vater der Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer ist, stützt sich auf die dahingehend nachvollziehbaren Angaben der Beschwerdeführer in Zusammenschau mit der DNA-Analyse sowie den diesbezüglichen Angaben der Bezugsperson im Rahmen des Verfahrens betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutz. Insoweit im nunmehr angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, das Bundesamt habe nach Zuleitung der Stellungnahme der Beschwerdeführer sowie nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass das Familienverhältnis zwischen der Bezugsperson und den Beschwerdeführern nicht nachgewiesen werden habe können, ist festzuhalten, dass sich diese Darstellung als aktenwidrig erweist, wurde doch im E-Mail vom 20.03.2023 festgehalten, mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe, zumal der Bezugsperson mit Erkenntnis vom 07.10.2021, rechtskräftig seit 12.10.2021, der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden wäre. Die angeblichen Familienangehörigen hätten aber bereits am 27.06.2022 die Einreiseanträge gestellt. Unabhängig davon, dass der EGMR gefordert habe, bei einer mehr als zweijährigen Wartefrist eine individuelle Abwägung (EGMR 09.07.2021, 6697/18, MA / Dänemark) durchzuführen, sei im vorliegenden Fall festzuhalten, dass hier nicht einmal die zwei Jahre erreicht worden seien. Ausgehend davon ist festzuhalten, dass das Familienverhältnis vom Bundesamt nach Zuleitung der Stellungnahme der Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen wurde.

Die Feststellungen zur Eheschließung beruhen auf den diesbezüglichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren sowie jenen der Bezugsperson im Verfahren betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutz. Festzuhalten ist, dass das genaue Datum der Eheschließung der vorgelegten Heiratsurkunde nicht zu entnehmen ist und auch im Verfahren der Bezugsperson über ihren Antrag auf internationalen Schutz festgestellt wurde, dass die Bezugsperson seit 2003 verheiratet ist (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX S. 4).

Explizit hatte die Erstbeschwerdeführerin am 27.06.2022 angegeben, von niemandem finanziell unterstützt zu werden. Auch im Rahmen des Verfahrens betreffend den Antrag der Bezugsperson auf internationalen Schutz wurde aufgrund der diesbezüglichen Angaben der Bezugsperson festgestellt, dass die Familie der Bezugsperson derzeit von den Erträgen eines Grundstücksverkaufs lebe (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX S. 5).

Die Feststellungen zur Herkunft der Bezugsperson, dem Umzug sämtlicher Beschwerdeführer nach Pakistan, zum Zeitpunkt der Asylantragstellung der Bezugsperson in Österreich sowie zum Umstand, dass seither keine persönlichen Treffen zwischen der Bezugsperson und den Beschwerdeführern stattgefunden haben, stützen sich auf das dahingehend nachvollziehbare Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor der ÖB Islamabad in Verbindung mit den Angaben der Bezugsperson im Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz (vgl. dazu insbesondere Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX , S. 5).

Zur Aufrechterhaltung des Familienlebens seit der Ausreise und Asylantragstellung in Österreich am 01.12.2015 der Bezugsperson führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Bezugsperson sie seit der Ausreise vor 6 Jahren nicht mehr besucht habe. Zuletzt gesehen habe sie die Bezugsperson vor ca. 5, 6 Jahren Sie sei mit ihrem vermeintlichen Ehemann „manchmal täglich, manchmal alle paar Tage“ in Kontakt, wobei sie sich nicht erinnern könne, wann er sie das erste Mal kontaktiert habe, nachdem er das Land verlassen habe. Hinzu kommt, dass die Erstbeschwerdeführerin keine näheren Angaben zum Leben der Bezugsperson in Österreich machen konnte. So war sie weder in der Lage zu beantworten, welche Erwerbstätigkeit die Bezugsperson in Österreich ausübt, noch konnte sie darlegen, welchen Freizeit und Wochenendaktivitäten die Bezugsperson nachgeht. Über Österreich habe ihr ihr vermeintlicher Ehemann „nichts“ erzählt.

Weiters ist zur Aufrechterhaltung des Familienlebens auszuführen, dass im Zeitpunkt der Asylantragstellung der Bezugsperson in Österreich am 01.12.2015 die Zweitbeschwerdeführerin 11 Jahre, die Drittbeschwerdeführerin 10 Jahre, die Viertbeschwerdeführerin 7 Jahre, der Fünftbeschwerdeführer 6 Jahre alt und der Sechstbeschwerdeführer noch nicht geboren war und die Genannten seit Ausreise der Bezugsperson von der Erstbeschwerdeführerin allein betreut und versorgt werden, sodass diese auch als ihre Hauptbetreuungs- und Bezugsperson anzusehen ist.

Aus dem dahingehend nachvollziehbaren Vorbringen der Beschwerdeführer sowie den diesbezüglichen Angaben der Bezugsperson ergibt sich, dass die Bezugsperson den Kontakt zu den Zweit- bis Sechstbeschwerdeführern ebenso wie zur Erstbeschwerdeführerin durch Anrufe aufrechthielt.

In einer Gesamtschau war daher festzustellen, dass zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson nur ein wenig ausgeprägtes Familienleben besteht.

Dass der Fünftbeschwerdeführer – wie im Rahmen der Stellungnahme vom 17.02.2023 ausgeführt wurde – von Geburt an an einer Erblindung leide, wurde der gegenständlichen Entscheidung als Sachverhalt zugrunde gelegt. Dass diese Erkrankung als lebensbedrohend zu qualifizieren sei und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer in Pakistan, seinem aktuellen Aufenthaltsort, keinen hinreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung hätte, wurde demgegenüber im gesamten Verfahren nicht konkret dargetan. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer Anhaltspunkte für die Annahme, dass der minderjährige Fünftbeschwerdeführer im Fall des Abwartens der Dreijahresfrist zur Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung nach § 35 AsylG sowie des darauffolgenden Verwaltungsverfahrens einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgesetzt wäre, die zu intensivem Leiden oder zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.

Insoweit ausgeführt wird, dass im Hinblick auf den minderjährigen Fünftbeschwerdeführer „mögliche Behandlungen“ in Afghanistan nicht durchgeführt werden könnten, ist letztlich darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer seit 2018 in Pakistan leben und im gesamten Verfahren nicht einmal ansatzweise behauptet haben, dass sie verpflichtet wären, Pakistan zu verlassen und in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

„§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Beschwerdevorentscheidung

§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 5 Z 11, BGBl. I Nr. 138/2017)

Vorlageantrag

§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art 9 Abs. 1 erster Satz und Art 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für die Entscheidungenüber die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§2 Abs. 4 Z13a) ist Art 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

„Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

Zu A) Zu Spruchpunkt I.:

Die Beschwerde vom 25.08.2023, elektronisch eingelangt bei der ÖB Islamabad am selben Tag, wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde am 17.01.2024, somit verspätet und damit von einer unzuständigen Behörde, erlassen.

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der belangten Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung); dies unter sinngemäßer Beachtung des § 27 VwGVG. Die zweimonatige Frist beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde zu laufen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 14 Rz 6), ebenso Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 6.).

Diese zweimonatige Frist endete hinsichtlich der am 25.08.2023 bei der Behörde per Mail eingegangenen Beschwerde nach § 33 Abs. 2 AVG (iVm § 17 VwGVG) mit Ablauf des 25.10.2023. Das Einlangen der Beschwerde mit 25.08.2023 wurde in der Beschwerdevorentscheidung explizit angeführt. Die Beschwerdevorentscheidung wurde jedoch erst am 17.01.2024 zugestellt und ist somit als verspätet und damit als von einer unzuständigen Behörde erlassen zu qualifizieren.

Die Beschwerdevorentscheidung war in der Folge wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (Anm: zu deren Erlassung) ersatzlos zu beheben (vgl. Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 7.).

Zu A) Zu Spruchpunkt II.:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis.

Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 iVm § 35 Abs. 5 AsylG 2005 und im Hinblick darauf, dass auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall durch die Nichterteilung eines Einreisetitels in das Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen wird, reicht die bloße Angehörigeneigenschaft nach Abs. 5 nicht für die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung des Abs. 4 Z 3 aus. Vielmehr setzt § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 zum einen ein zwischen den Antragstellern und der Bezugsperson bestehendes Familienleben, dessen Aufrechterhaltung iSd Art. 8 EMRK geboten ist, und zum anderen die Unmöglichkeit, dieses in einem anderen Staat, insbesondere im Heimatstaat, fortzusetzen, voraus (VwGH 31.05. 2021, Ra 2020/01/0284).

Die Prognose des Bundesamtes ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes im Ergebnis zutreffend:

§ 35 Abs. 2 AsylG idgF bestimmt, dass der Familienangehörige (gemäß Abs. 5 leg. cit.) eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellen kann.

Wie oben festgestellt, haben die Beschwerdeführer die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln bereits am 27.06.2022 bzw. die Zweitbeschwerdeführerin am 22.08.2022 sohin weit vor Ablauf der dreijährigen Wartefrist – gestellt, sodass sich diese Anträge als unzulässig erweisen. Auf diese Tatsache wurde mit Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG vom 01.02.2023 auch explizit hingewiesen.

In Bezug auf den von den Beschwerdeführern im Verfahren relevierten Art. 8 EMRK, ist auf ein ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall zu verweisen (vgl. VfGH vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-20), in welchem der Verfassungsgerichtshof ausspricht, dass aus Art. 8 EMRK keine generelle Verpflichtung abzuleiten sei, dem Wunsch des Fremden, sich in einem bestimmten Konventionsstaat aufzuhalten, nachzukommen (vgl. auch VfSlg. 19.713/2012). Die EMRK verbürge Ausländern demnach weder ein Recht auf Einreise, Einbürgerung und Aufenthalt (vgl. EGMR vom 28.06.2011, Nunez, Nr. 55.597/09), noch umfasse Art. 8 EMRK die generelle Verpflichtung eines Konventionsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben (vgl. EGMR vom 19.02.1996, Gül, Nr. 23.218/94). Bei der Festlegung der Bedingungen für die Einwanderung, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden sei den Konventionsstaaten ein Gestaltungsspielraum eingeräumt (vgl. EGMR vom 08.11.2016, El Ghatet, Nr. 56.971/10). Allerdings so der Verfassungsgerichtshof weiter könne sich unter besonderen Umständen aus Art. 8 EMRK eine Verpflichtung der Konventionsstaaten ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, wodurch sich für diese Einschränkungen in ihrer Gestaltungsfreiheit bei der Regelung des Einwanderungs- und Aufenthaltsrechts bis hin zu Pflicht, Einreise oder Aufenthalt zu gewähren, ergeben könnten (vgl. etwa VfGH vom 14.03.2018, E 4329/2017, G 408/2017). In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch Immigration betreffen würden, variiere das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte von in dem Staat aufhältigen Personen zuzulassen, nach den besonderen Umständen der betroffenen Personen und dem Allgemeininteresse (vgl. EGMR vom 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10). Wenn Kinder betroffen seien, müsse das Kindeswohl berücksichtigt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verweise im Besonderen darauf, dass es einen breiten Konsens auch im Völkerrecht gebe, dass in allen Entscheidungen, die Kinder betreffen würden, deren Wohl von überragender Bedeutung sei (vgl. EGMR vom 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10). Weiters führt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.10.2018 aus, dass der Gesetzgeber die so gezogenen Grenzen seines Gestaltungsspielraumes im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 8 EMRK in § 35 Abs. 2 AsylG nicht überschritten habe.

In weiterer Folge führte der Verfassungsgerichtshof in dem oben wiedergegebenen Erkenntnis vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-20, zusammenfassend aus, dass sich vor diesem Hintergrund der Umstand, dass die dreijährige Wartefrist generell und unter Ausschluss einer Abwägung der Umstände im Einzelfall angeordnet sei, als verfassungsrechtlich unbedenklich erweise. Dem Gesetzgeber sei – auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese Frist einen Eingriff in das Recht auf Familienleben (und zwar regelmäßig von Kindern) nach Art. 8 EMRK bedeute – nicht entgegenzutreten, wenn er angesichts des provisorischen Charakters des Aufenthalts subsidiär Schutzberechtigter für den Fall des Familiennachzugs in diesen drei Jahren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehe und eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erst für die Zeit nach Ablauf dieses begrenzten Zeitraums vorsehe.

In seiner Entscheidung vom 13.12.2022, Zl. E 933/2022, kam der Verfassungsgerichtshof schließlich zu dem Ergebnis, dass die Anordnung einer dreijährigen Wartefrist für den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten auch angesichts der Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 09.07.2021, Fall M.A., Appl. 6697/18, nicht grundsätzlich verfassungswidrig sei, sondern vielmehr nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu prüfen sei, ob durch die Verweigerung der Familienzusammenführung eine Verletzung des durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Familienlebens bewirkt werde.

Zu berücksichtigen sind im Rahmen einer solchen Einzelfallprüfung insbesondere das Ausmaß der Unterbrechung des Familienlebens, das Ausmaß der Bindungen, welche die betroffenen Personen in dem betreffenden Vertragsstaat haben sowie die Frage, ob dem Zusammenleben der Familie im Herkunftsstaat unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. Ebenso ist zu prüfen, ob es Faktoren gibt, welche die Einwanderungskontrolle berühren (vgl. EGMR 09.07.2021, Fall M.A., Appl. 6697/18, Rz 132).

Bezogen auf den konkreten Fall ist zugunsten der Beschwerdeführer festzuhalten, dass das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz der Bezugsperson sich auf einen Zeitraum von über fünf Jahren erstreckt hat, sich die Bindungen der Bezugsperson zu Österreich zwischenzeitlich verfestigt haben und einer Fortführung des Familienlebens im Herkunftsstaat die dort vorherrschende katastrophale Sicherheits-, Menschenrechts- und Versorgungslage entgegenstehen (vgl. dazu auch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Erkenntnis des BVwG vom 07.10.2021 zu XXXX , S. 6 ff).

Demgegenüber ist allerdings ebenso zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer über keine Bindungen zum österreichischen Bundesgebiet verfügen. Hinzu kommt, dass die Genannten seit 2018 in Pakistan leben und im gesamten Verfahren nicht dargetan haben, dort einer wie auch immer gearteten Gefährdung ausgesetzt zu sein. Für sie besteht sohin nicht die Gefahr, während des Abwartens der Dreijahresfrist sowie des darauffolgenden Verfahrens zur Familienzusammenführung in ihren nach Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gewährleisteten Rechten verletzt zu werden oder als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein.

Hinsichtlich der Beziehung der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson ist festzuhalten, dass sie seit 2003 verheiratet sind und nunmehr infolge der Flucht der Bezugsperson seit rund neun Jahren voneinander getrennt sind. Die Bezugsperson hält den Kontakt zur Erstbeschwerdeführerin und zu den Zweit- bis Sechstbeschwerdeführern durch Anrufe aufrecht. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist insgesamt von einem nicht besonders ausgeprägten Familienleben auszugehen.

In Bezug auf das Kindeswohl der zum Entscheidungszeitpunkt minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführern übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass ein Kind grundsätzlich Anspruch auf verlässliche Kontakte zu beiden Elternteilen hat (vgl. VwGH vom 30.04.2020, Ra 2019/21/0134, mwN). Gegenständlich ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Abwarten der Dreijahresfrist sowie das darauffolgende Verfahren zur Familienzusammenführung lediglich eine vorübergehende und keine dauerhafte Trennung der minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführer von der Bezugsperson bewirkt. Dem Kindeswohl wird im vorliegenden Fall überdies insoweit Rechnung getragen, als sich die minderjährigen Viert- bis Sechstbeschwerdeführer bei ihrer Hauptbetreuungs- und Bezugsperson, der Erstbeschwerdeführerin, sowie deren Schwiegereltern aufhalten und von diesen betreut und versorgt werden.

Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, dass die Zweitbeschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Antragstellung volljährig war und daher bereits zu diesem Zeitpunkt den Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG nicht mehr erfüllt hat.

Wenn in der Stellungnahme vom 17.02.2023 ausgeführt wird, dass der minderjährige Fünftbeschwerdeführer von Geburt an blind sei und „mögliche Behandlungen“ in Afghanistan nicht durchgeführt werden könnten, ist darauf hinzuweisen, dass im Allgemeinen ein Fremder kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben (bzw. einzureisen), bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya; VfGH vom 07.11.2008, U 48/08). Eine prinzipielle Zugangsmöglichkeit zu einer solchen Behandlung muss für den betreffenden Fremden aber gegeben sein (vgl. EGMR vom 13.12.2016, Appl. 41738/10, Paposhvili vs. Belgien sowie EGMR (Große Kammer) vom 07.12.2021, Savran gegen Dänemark, in welchem die in Paposhvili gegen Belgien aufgestellten Kriterien betreffend die Abschiebung kranker Personen bestätigt wurden).

Vor diesem Hintergrund ist in Bezug auf den konkreten Fall festzuhalten, dass im gegenständlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise dargelegt wurde, innerhalb welchen Zeitrahmens welche konkreten Behandlungen im Hinblick auf die von Geburt an bestehende Erblindung des Fünftbeschwerdeführers durchzuführen wären. Folglich kann, wie dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen ist, nicht davon ausgegangen werden, dass die seit seiner Geburt bestehende Erblindung beim minderjährigen Fünftbeschwerdeführer eine lebensbedrohliche Krankheit darstellt und er im Fall des Abwartens der Dreijahresfrist zur Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung nach § 35 AsylG sowie des darauffolgenden Verwaltungsverfahrens einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgesetzt wäre, die zu intensivem Leiden oder zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der minderjährige Fünftbeschwerdeführer seit im Familienverband in Pakistan lebt und im Verfahren nicht dargetan wurde, dass er an seinem Aufenthaltsort keinen Zugang zu hinreichender medizinischer Versorgung hätte. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, sind auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach die Beschwerdeführer verpflichtet wären, Pakistan zu verlassen und in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Eine Auseinandersetzung mit der Situation der Beschwerdeführer in Afghanistan konnte daher fallbezogen unterbleiben.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Erwägungen kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der dreijährigen Frist zur Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Visums gemäß § 35 Abs. 2 AsylG, die sich insbesondere im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohls des Landes manifestieren, im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die Interessen der Beschwerdeführer an der Beschleunigung der Verfahren.

Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR (Große Kammer) vom 09.07.2021, M.A. gg Dänemark, Nr. 6697/18, den gesetzlichen Vorschriften der Einhaltung der dreijährigen Wartefrist der Vorrang zu geben ist.

Die Behörde hat im Verfahren im Übrigen auch nicht Bestimmungen der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung verletzt, da dieser Rechtsakt auf Verfahren betreffend den Nachzug von Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter nach seinem Art. 3 Abs. 2 keine Anwendung findet. Die in § 35 AsylG normierte Differenzierung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen des Familiennachzugs findet vor diesem Hintergrund eine sachliche Rechtfertigung (vgl. neben den obigen Ausführungen auch die Erläuterungen zur RV 996 BlgNR 25. GP 5).

Allfällige Bestrebungen einer Angleichung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an jenen des Asylberechtigten im Unionsrecht führen jedenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung.

Da es dem gegenständlichen Antrag sohin aufgrund obiger Ausführungen gemäß § 35 Abs. 2 AsylG an einer zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt und die Beschwerdeführer durch das Abwarten der dreijährigen Wartefrist und des darauffolgenden Verfahrens zur Familienzusammenführung nicht in ihren nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden, war die Beschwerde mit der Maßgabe abzuweisen, dass die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nicht ab-, sondern zurückzuweisen sind.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

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